Wir alle setzen uns dafür ein, dass uns vergleichbare und verlässliche Standards den Weg zu besseren Ergebnissen unserer Schüler im internationalen Vergleich bringen. Unter dieser Prämisse ist es notwendig, dass alle die Chance haben, das Klassenziel zu erreichen. Abgesehen davon vergrößern sich die Lücken und damit die Schere in der Klasse immer mehr. Unverstandenes kann nicht nachhaltig im Gedächtnis behalten werden.
Jetzt komme ich zu dem wichtigen Thema Nichtversetzung aus psychischer Sicht. Für mich stellt sich nicht die Frage, ob ein Schüler, wenn er nicht genügend gelernt hat, nicht auch mal einen Fingerzeig benötigt. Die „Sachverständigen“, die ich gefragt habe - wovon es hier im Raum wahrscheinlich auch den einen oder anderen gibt -, waren alle der Meinung, ohne diesen Fingerzeig „du musst mehr lernen, denn sonst erreichst du das Klassenziel wieder nicht“, wären sie in ihrem Schlendrian verharrt. Der ist oftmals Grund dafür. Man hätte ihnen dann immer weiter Förderung angedeihen lassen müssen, damit sie das Ziel so recht und schlecht erreichen. Es stellt sich also die
Frage, ob es für einen Schüler eine größere zu überwindende Härte darstellt, einmal eine Klasse als Sitzenbleiber oder Wiederholer zu wiederholen und festzustellen, dass sich die Welt auch dann weiter dreht - ich halte das Wiederholen einer Klasse für nicht so schlimm -, und möglicherweise endlich einmal gute oder wesentlich bessere Noten abzuliefern,
als immer wieder Misserfolge zu haben; denn diese immer wiederkehrenden Misserfolgserlebnisse können sich auch sehr auf die Motivation für die anderen Schulfächer auswirken.
Als Letztes gilt es noch, die finanzielle Frage aufzuwerfen. Sie argumentieren mit Zahlen, Frau Korter, die bis heute in Niedersachsen nicht belegt sind.
Meiner Meinung nach ist es auch schwierig, entsprechende Zahlen zu nennen; denn es kommt ja nicht immer zur Bildung einer neuen Klasse, wenn ein Schüler aus der nächst höheren Stufe kommt. Im Übrigen ist die Zahl der nicht versetzten Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren in Niedersachsen stark rückläufig gewesen. Hier in Niedersachsen haben wir durch das gegliederte Schulwesen ein Bündel von pädagogischen Maßnahmen, um dem Problem im Zusammenhang mit dem Sitzenbleiben zu begegnen. Ich erwähne hier nur die individuelle Förderung.
Frau Pfeiffer, einen Augenblick! - Auf allen Seiten, auf der rechten und auf der linken Seite, ist es sehr laut. Ich will das nur einmal sagen.
Ich erwähne hier nur die individuelle Förderung, die Nachprüfungen, die geplante verbindliche Dokumentation der individuellen Lernentwicklung und den freiwilligen Übergang auf eine andere, geeignetere Schulform. Ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg. - Vielen Dank.
Verehrte Frau Korter, ich mache drei Vorbemerkungen. Erstens bekenne ich mich freimütig dazu, dass auch ich sitzen geblieben bin. Es war schmerzhaft, aber unter dem Strich hat es mir gut getan. Im Nachhinein bin ich damit gar nicht so unzufrieden.
Ich möchte aber noch etwas anderes sagen. Verehrte Frau Eckel, ein bisschen irritiert hat mich schon, wie Sie zu diesem „Aussortieren“ plötzlich Stellung genommen haben. Sie sind Realschullehrerin und haben das Sitzenbleiben als „Aussortieren“ bezeichnet. Ich habe das als Kollege anders gesehen. Ich habe es auch als eine Art Hilfestellung angesehen, muss ich ganz deutlich sagen.
Ich möchte noch ein Weiteres vorausschicken. Auch hier spricht eigentlich alles für unsere Position. Über PISA haben wir gestern zum wiederholten Mal gesprochen. Flandern ist PISA-Sieger. Dort gibt es ein gegliedertes Schulsystem mit der Möglichkeit des Sitzenbleibens. Es gibt solche und solche. Die einen sagen so, die anderen sagen so.
Gestern haben wir uns über die Studiengebühren unterhalten. Wir haben sehr intensiv darüber debattiert. Ich habe sehr aufmerksam die Unruhe vernommen, die sich bei Ihnen, meine sehr ver
ehrten Damen und Herren von den Grünen, breit gemacht hat, als es darum ging, die Bedingungen für die Langzeitstudierenden zu verschärfen. Heute fordern Sie „Schule ohne Sitzenbleiben“. Es liegt der Verdacht nahe, dass Sie zu dem Begriff „Leistungsorientierung“ ein etwas gestörtes Verhältnis haben.
Wir von der FDP-Fraktion sind anderer Auffassung und haben da eine deutlich andere Position. Ich glaube, das ist auch gut so. Wir beschäftigen uns nämlich mit den Fakten. Die liefert das Leben. Wir werden im Alltag immer wieder vor Situationen gestellt, in denen man sich neu beweisen muss. Wenn mal etwas nicht gelingt, dann muss man wohl oder übel nacharbeiten, wiederholen oder sich anderweitig orientieren - übrigens immer vorausgesetzt, dass überhaupt eine Bereitschaft vorhanden ist, sich Ziele zu setzen, diese zu formulieren und dann auch zu verfolgen.
Mit Ihrem Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, stellen Sie einmal mehr unter Beweis, dass Sie diese Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ohne Zweifel ist das Sitzenbleiben ein Vorgang der etwas unangenehmeren Art. Deshalb spielt auch die Frage der individuellen Förderung eine wichtige Rolle. Aber das Wiederholen ist nun mal nur ein Element im Rahmen einer Kette von Maßnahmen, wie man eine Schullaufbahn erfolgreich abschließen kann. Nachprüfungen sind ja seit geraumer Zeit auch ein probates Mittel auf diesem Weg.
Im Übrigen ist die Zahl der Sitzenbleiber in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen. Gerade Sie von den Grünen verweisen ja gerne auf Mehrheiten in Umfragen. Laut einer forsa-Umfrage sprechen sich zu diesem Thema 79 % aller Beteiligten für die Möglichkeit einer Ehrenrunde aus. Nur 16 % sind dagegen. Wir vertreten mit unserer Position gerne die Mehrheit.
Fragen Sie aber die Schüler selbst - von Druckmittel kann keine Rede sein. Interessanterweise würde nach Ansicht von immerhin 70 % der Schüler eine Regelung, wie Sie sie wollen, die Leistungsmotivation senken. Auch das ergab die forsaUmfrage. Nach meiner Erfahrung wollen die Schüler die Konsequenz ihrer Erfahrungen sehen, und zwar im Positiven wie im Negativen.
derholen einer Klasse in unserer Gesellschaft nicht als Makel empfunden wird, sondern normaler Bestandteil eines Bildungsweges sein kann. Denn es gibt hinreichend Gründe dafür, dass man zu einer bestimmten Phase seines Schülerdaseins - ob selbst verschuldet oder nicht - weniger leistungsfähig sein und entsprechende Anforderungen vielleicht nicht erfüllen kann. Hier kann allerdings durchaus nachgebessert werden. Man kann frühzeitig Kontakt zum Elternhaus aufnehmen, um eskalierende Situationen zu vermeiden. Das ist dann auch eine Angelegenheit einer verantwortungsbewussten Lehrerschaft gegenüber den anvertrauten Schülern.
Für die individuelle Förderung halten wir es für richtig, das gegliederte Schulsystem nicht nur beizubehalten, sondern nachhaltig zu stärken. Entscheidend ist hierbei, frühzeitig die richtige Schulform zu finden. Dabei ist auch darauf zu achten, dass Eltern bei ihren Entscheidungen für die individuell richtige Schulform für ihr Kind unterstützt werden, auch wenn Sie von den Grünen die Eltern mit Ihren Attacken gegen die Hauptschule immer wieder zu verunsichern suchen.
Zum Wohle der Kinder müssen wir weiterhin auch der Frage nachgehen, ob bei einer Abweichung des Elternwillens von der Schullaufbahnempfehlung ein Einstufungstest nicht das Beste für die Kinder ist; denn so können unnötige Ehrenrunden oder tatsächlich belastende Überweisungen in andere Schulformen und der damit verbundene Frust viel besser vermieden werden als mit Ihrer Kuschelpädagogik ohne Leistungsanreize.
Meine Damen und Herren, wenn es etwas ruhiger ist, rufe ich die nächste Rednerin auf. - Frau Körtner, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Längst ist es ein Ritual, die Versetzungspraxis zum Schuljahresende zu kritisieren und der Öffentlichkeit immer wieder einreden zu wollen, dass Sitzenbleiben schädlich ist. Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie machen das regelmäßig in allen Landesparlamenten in dieser schönen Republik - immer wieder und alle Jahre wieder. In der
Regel sind die Gegner des Sitzenbleibens bezeichnenderweise auch immer Befürworter der flächendeckenden Einführung der Gesamtschule, also der Einheitsschule. Auch das ist klar.
Sie beziehen sich auf irgendwelche Pädagogen und Bildungsforscher, lassen aber die neuesten Erkenntnisse, Aufsehen erregenden Erkenntnisse und Studien völlig außen vor. So ganz redlich ist das nicht, Frau Korter. Die im Jahr 2004 vorgestellte, wirklich Aufsehen erregende Studie des renommierten Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung zeigt, dass Sitzenbleiber eine um 50 % bessere Chance auf einen Schulabschluss haben als Mitschüler, die immer so gerade durchkommen. Ich denke, dass man sicher sein kann, dass diese Untersuchungen des RWI und beispielsweise auch der Humboldt-Universität in Berlin ein anderes und neues Licht auf diese Problematik werfen; denn bisher haben die Kritiker - dazu gehören Sie, meine Damen und Herren, auf dieser Seite - immer vehement bestritten, dass aus dem Sitzenbleiben sehr oft Leistungsimpulse resultieren, also dass Sitzenbleiben pädagogisch förderlich sein kann und die so genannte Ehrenrunde auch als Chance begriffen werden kann. Das sollten Sie nicht immer leugnen. Meine Damen und Herren, Sie sollten uns hier auch nicht alle Jahre wieder dieses in allen Landesparlamenten abgegriffene Thema präsentieren.
Wir werden uns im Ausschuss sicherlich sehr offen darüber unterhalten, auch über die Studien. Wegen der Kürze der Zeit kann ich jetzt leider nicht auf die Einzelheiten eingehen. Ich würde ganz gerne noch erklären, weshalb Ihre gesamte Kostendarstellung reine Augenwischerei ist. Aber vielleicht komme ich gleich noch dazu. Wir werden dieses Thema im Kultusausschuss so behandeln, wie wir es immer tun: ausgewogen und gut.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Abgeordnete Korter zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Körtner, das war mir klar. Sie haben sicherlich lange suchen müssen, bis Sie eine Studie gefun
Ich möchte genau zu dieser Studie etwas sagen. Dies ist von Herrn Michael Fertig vorgelegt worden. Genauso ist die Studie auch, wie der Name sagt: Laut Berichterstattung und Kommentar der taz vom 9. September 2004
Er ist nämlich Wirtschaftswissenschaftler und nicht Bildungsforscher. Er hat hinterher einschränkend gesagt, eventuell könnten für ungefähr 20 % der Kinder - das habe ich hier; das können Sie nachlesen psychosoziale Entwicklungsprobleme bestanden haben, die könnten eventuell einen Nutzen daraus haben, dass sie ein Jahr wiederholt haben, die anderen nicht. Er hat das sehr stark eingeschränkt. - So viel zu der wissenschaftlichen Anerkennung der von Ihnen angeführten Studie. Die ist gleich null.