Protocol of the Session on May 15, 2003

Sie sagen: Das Neue ist die Vernetzung, alles unter einem Dach, die Weiterentwicklung. Meine Damen und Herren, ich sagte es bereits: Synergieeffekte, Weiterentwicklung und Vernetzung sind selbstverständlich, das sind alte Kamellen, das hatte ich schon auf den Weg gebracht. Das wird auch weitergeführt. Im Ausschuss werden wir natürlich im Detail diskutieren, denn Sie sind doch sicherlich auch Anhänger des Subsidiaritätsprinzips und der Pluralität der Trägerstrukturen. Was heißt also „ein einheitliches Dach“? Was heißt „ein einheitliches Programm“? - Ich bin gespannt auf Ihre Umsetzung. Aber das ist alles nur eine Marginalität.

Dass die Programme auf den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet und praxisnah sein müssen, ist selbstverständlich, das war auch mein Anliegen; denn der Ernstcharakter solcher Angebote ist wichtig. Sie müssen aber auch an der Lebenswelt orientiert sein und die jungen Menschen dort abholen, wo sie stehen. Deswegen ist es auch selbstverständlich und gut, die Hauptschule und die Berufsberatung zu stärken.

Mich freut, dass die Kabinettsvorlage auch die politische Programmatik, die wir auf den Weg gebracht haben, voll übernimmt. Das Prinzip hieß „Je früher, desto besser“, deswegen die Jugendbüros, „Keine Sozialhilfe, sondern Arbeit und Qualifizierung“ und „Fördern und Fordern“. Von diesem Prinzip bin ich absolut überzeugt. Jeder junge

Mensch hat Anspruch auf eine Arbeit und eine Ausbildung, aber eine Solidargemeinschaft hat auch einen Anspruch darauf, dass die jungen Menschen diese Solidargemeinschaft nicht ausnutzen, sondern ihren Beitrag zu einem guten Ganzen leisten.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vogelsang?

Nein, ich möchte meine Zeit nutzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Prinzip könnte das, was jetzt geschieht, meine Fraktion also freuen, tut es auch im Kern im Interesse der jungen Menschen. Aber ich muss Ihnen sagen: Wir hatten uns erst auf den Weg begeben. Man kann auf diesem Weg nicht stehen bleiben, man muss die Anstrengungen verstärken, verdoppeln. Wir wissen: Die Schere zwischen den Ausbildung Suchenden und den Angeboten wird immer größer. Deshalb bringe ich es noch einmal auf den Punkt: Es reicht noch nicht!

Erstens. Kürzen Sie nicht zulasten der jungen Menschen, sondern konzentrieren Sie die Mittel auf diese Zielgruppe. Setzen Sie als Landesregierung mehr statt weniger Geld ein, und reden Sie sich nicht mit Effizienzstrategien heraus; die brauchen Sie zusätzlich.

Zweitens. Verhindern Sie auf Bundesebene die Absicht von CDU und CSU, das Jugendsofortprogramm zu streichen. Nehmen Sie wahr, dass Weiterentwicklungen wie eine größere Praxisnähe von Arbeitsminister Clement längst auf den Weg gebracht worden sind. Nutzen Sie die zusätzlichen Bundesprogramme. Warten Sie nicht ab, sondern übernehmen Sie Koordinierungsfunktionen, übernehmen Sie Verantwortung.

Ein Letztes, meine sehr geehrten Damen und Herren. Setzen Sie sich Ziele. Nicht ein Maßnahmenbündel ist das Konzept, sondern man muss sagen, was man für die junge Generation will. Wir brauchen einen Ausbildungsplatz für jeden jungen Menschen. Deshalb müssen Sie eine Vereinbarung mit den Unternehmen haben, dass nicht 30 %, sondern 40 % der Unternehmen ausbilden. Dann hätte jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz. Halten Sie an dem Ziel der Halbierung der Langzeitjugendarbeitslosigkeit fest. Zeigen Sie politische

Verantwortung im Interesse der jungen Menschen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das Wort hat der Kollege Hermann.

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ausbildung und Arbeit sind für junge Menschen mehr als nur die Grundlage für ein wirtschaftlich unabhängiges Leben. Sie haben auch zentrale Bedeutung für Identitätsfindung und Selbstbestimmung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Junge Menschen brauchen die Chance, durch eigene Arbeit am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben zu können. Daher darf nicht schon bei Jugendlichen der Eindruck der Perspektivlosigkeit und der Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen entstehen. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist daher, Frau Dr. Trauernicht, ein Schwerpunkt der FDP-Politik und auch der FDP-Fraktion und – das sage ich ohne Abstriche – natürlich aller Fraktionen dieses hohen Hauses.

Die aktuellen Zahlen der arbeitslosen Jugendlichen lassen eine bedenkliche Entwicklung erkennen. Während die Jugendarbeitslosigkeit Ende letzten Jahres noch beständig unter den jeweiligen Vorjahresvergleichszahlen lag, überstieg sie im März 2003 den Vorjahreswert um 2,3 %. Eine deutlich negative Tendenz weist zudem auch der Ausbildungsstellenmarkt auf. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist bei konstanter Nachfrage im letzten Jahr um 5,9 % zurückgegangen. Für das kommende Ausbildungsjahr, beginnend im August/September dieses Jahres, ist ein weiterer Rückgang der angebotenen Plätze zu erwarten.

Verehrte Damen, meine Herren, die Ursachen für diese Entwicklung liegen auf der Hand. Heute Morgen haben wir es schon mehrfach gehört, und es ist auch so: An erster Stelle steht die Politik der rot-grünen Bundesregierung.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Thomas Oppermann [SPD]: Das ist doch Unfug!)

Die notwendigen Reformen im Arbeits- und Tarifrecht, bei den Sozialversicherungen, bei der Senkung der Lohnnebenkosten werden, wenn überhaupt, Herr Oppermann, nur halbherzig angegangen. Sinnvolle Vorschläge werden zerredet oder dem Widerstand der Interessengruppen, Gewerkschaften und Verbände geopfert. Diese Bundesregierung schafft es leider nicht, Impulse für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze zu setzen. Eine derartige Politik trifft natürlich verstärkt die Menschen, die gerade am Einstieg ins Arbeits- und Berufsleben stehen.

Die vorherige SPD-Landesregierung hatte sich vor allem damit beschäftigt, Bundesprogramme in Anspruch zu nehmen oder neue eigene Förderprogramme aufzulegen, deren Namen manchmal klangvoller waren als die konkreten Inhalte.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dieter Möhrmann [SPD]: Zum Bei- spiel, Herr Kollege?)

- Ich kann es Ihnen sagen; hören Sie gut zu. - Förderprogramme können die Jugendarbeitslosigkeit nur eine gewisse Zeit lang verdecken, aber sie können sie nicht beheben. Gerade dauerhafte Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstehen nicht durch Förderprogramme, sondern ausschließlich in Betrieben, vor allem in Klein- und Mittelbetrieben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Daher kann die Forderung nach noch mehr Förderprogrammen oder nach alten Förderprogrammen nicht die Lösung sein.

(Zuruf von Dr. Gitta Trauernicht- Jordan [SPD])

Noch gefährlicher, verehrte Frau Dr. Trauernicht, sind die ideologischen Diskussionen über eine Ausbildungsplatzabgabe. Eine solche Abgabe würde nicht nur mehr Belastung für die Unternehmen und damit noch weniger Ausbildungsplätze bedeuten. Verehrte Damen, meine Herren, eine Ausbildungsplatzabgabe ist auch höchst ungerecht. Tausende von Betrieben in Niedersachsen können gar nicht ausbilden. Wissen Sie, warum nicht? Weil sie keine Bewerber haben. Viele Kleinbetriebe können auch nicht ausbilden, weil sie kein Geld haben, um den Jahresetat für einen Auszubildenden aufzubringen. Sie würden Betriebe belasten, die nicht ausbilden können, und das ist doch si

cherlich ungerecht. Ich nenne als Beispiele Straßenbau, Verpackungsmechaniker usw.

Wir als FDP-Fraktion wollen die besonders benachteiligten Jugendlichen nicht im Regen stehen lassen. Wir wissen, dass es sich um junge Menschen handelt, denen Voraussetzungen zum direkten Einstieg in Ausbildung und Beruf fehlen, junge Menschen teilweise ohne Schulabschluss, mit fehlenden Sprachkenntnissen, mit fehlender sozialer Kompetenz, mit vielfältigen persönlichen Problemen wie Verschuldung oder auch Suchtverhalten.

Wir wollen eine Zusammenfassung der bisherigen Förderprogramme des Landes, die sich durch eine Vielzahl ähnlicher Maßnahmen mit unterschiedlichen Ansprechpartnern und Zugangswegen auszeichnen. Die begrenzten Mittel des Landes sind dabei so zu konzentrieren, dass die besonders benachteiligten Jugendlichen so weit fit gemacht werden, dass sie auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Ausbildungsplatz finden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wollen dabei auch eine intensive Verknüpfung mit den kommunalen Angeboten herstellen. Den jungen Menschen sollen konkrete Angebote gemacht, es soll aber auch aktive Mitwirkung gefordert werden. Wir wollen eine erhöhte Vermittlungsquote in Arbeit und Ausbildung im ersten Ausbildungsmarkt und setzen dabei auf eine Anreiz- und Anstoßwirkung, insbesondere bei den Betrieben. Dorthin muss der erste Anreiz zielen. Dort müssen wir anschieben, damit die jungen Leute später übernommen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir bitten, dass die Selbstverwaltungen der Arbeitsämter die freien Mittel nach § 10 SGB III wirklich für Maßnahmen zur Förderung von jungen Menschen in Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt einsetzen. Wir setzen auf eine Entbürokratisierung, die vorhandene Hemmnisse bei der Einrichtung von Ausbildungsplätzen beseitigt. Dazu zählen z. B. Regelungen über flexiblere Arbeitszeiten. Wenn junge Menschen unter 18 Jahren bis 24 Uhr in die Gaststätte gehen können, dann sollten sie auch bis 24 Uhr arbeiten können, wenn sie in diesem Gewerbezweig lernen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das sind Dinge, die wir schaffen sollten. Ebenso soll das Ausbildungsverhältnis mit dem vorher festgeschriebenen Ablauf des Ausbildungsvertrages enden. Das ist ein interessanter Punkt.

Herr Kollege, das Stichwort „Ablauf“ ist gut. Ihre Redezeit ist schon lange abgelaufen.

Herr Präsident, das ist ein so wichtiges Thema. Geben Sie mir noch meine letzte Seite.

(Heiterkeit)

Versuchen Sie einmal eine sanfte Landung.

Das mache ich, Herr Präsident. Ein Projekt möchte ich noch vorstellen. Dann komme ich zum Schluss.

Wir wollen z. B. ein so genanntes Praxisprojekt. Es ist ein Projekt der Kreishandwerkerschaft Northeim-Einbeck. Hauptund Realschüler der 10. Klasse erhalten in den Osterferien eine Woche lang freiwillig eine Praxiseinführung in Berufe wie Dachdecker, Fleischer oder Bäcker. 70 % aller Realschülerinnen und -schüler gehen auf eine weiterführende Schule. Frau Dr. Trauernicht, davon gehen 90 % aber in eine kaufmännische weiterführende Schule. Sie streben „Schlipsberufe“ an. Lassen Sie uns alles tun, damit die jungen Leute auch in praktische Berufe gehen.

Das wäre jetzt ein guter Schlusssatz, Herr Kollege. Sie sind zwei Minuten über Ihrer Redezeit.

Ich bedanke mich. - Wir wollen diesen Weg beschreiten. Wir wollen die Wachstumskräfte in diesem Land freisetzen und mehr Arbeitsplätze für alle Menschen schaffen. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Janssen-Kucz, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausbildungsplatzsituation in Niedersachsen ist in diesem Jahr erschreckend, wie wir gehört haben. Es fehlen Ausbildungsplätze, die Jugendarbeitslosigkeit steigt und steigt. Die neue Landesregierung hat ihre ersten 70 Tage damit verbracht, die Zuständigkeiten im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit zu klären. Herausgekommen ist ein ziemlich bunter Strauss.

(Zuruf von Irmgard Vogelsang [CDU])

Die Handlungsvorschläge kommen aus den Bereichen Wirtschafts-, Kultus- und Sozialministerium, und die Staatskanzlei hat auch noch irgendwie die Finger drin.

(Irmgard Vogelsang [CDU]: Ist doch gut, wenn sich alle verantwortlich fühlen!)

Jeder trägt sein Scherflein bei. Das dringend benötigte Geld wird aber nicht in die Hand genommen.