Protocol of the Session on May 15, 2003

Auch die Nr. 4 - die neue Landesregierung solle mehr Geld vom Landesarbeitsamt zur Förderung benachteiligter Jugendlicher einfordern - eröffnet zwar einen gewissen Spielraum, geht aber am wirklichen Adressaten vorbei.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das haben Sie doch die ganze Zeit selber gefordert! Das hat Herr Hirche heute Morgen selbst gesagt!)

Die Forderung nach mehr Geld sollten Sie vor allen Dingen nach Berlin faxen, Herr Schwarz, und mit Ihrem Genossen Gerster besprechen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Besprechen Sie das mal mit Herrn Hirche!)

Insgesamt, Herr Schwarz, sind gerade Eltern froh, dass die jetzige Landesregierung bereit ist, sowohl im Kultus- als auch im Wirtschafts- und Sozialbereich deutliche Akzente für die nachwachsende Generation zu setzen,

(Uwe Schwarz [SPD]: Das stimmt! 3 Millionen Euro haben Sie gekürzt!)

damit junge Menschen nach der Schule erst einen Ausbildungsplatz und anschließend einen Arbeitsplatz bekommen, um sich ein selbständiges Leben in unserer Gesellschaft mit einem selbst verdienten geregelten Einkommen aufbauen zu können. Denn eines müssen wir wissen und unserer Jugend auch deutlich machen: Diese Gesellschaft braucht sie, sie gehören dazu, und sie müssen morgen die Zukunft mitgestalten.

So bin ich jedenfalls froh, dass wir es sind, die in dieser schwierigen Phase Verantwortung für unser Land tragen. Ich bedanke mich im Namen aller Jugendlichen, die zurzeit noch arbeitslos sind, au

ßerordentlich dafür, dass diese Landesregierung so schnell reagiert hat und die Dinge bereits so weit auf den Weg gebracht sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Uwe Schwarz [SPD]: Bisher haben Sie gar nichts gemacht!)

Abschließend beantrage ich, dass der Antrag der CDU-Fraktion anders, als es in der Tagesordnung ausgedruckt ist, zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Soziales, Familie, Frauen und Gesundheit, den Kultusausschuss, den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zur Einbringung des Antrags der SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Dr. Trauernicht das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Einschätzung der Lage sind wir uns ganz offensichtlich einig: Die Situation im Bereich der Berufsausbildung ist für junge Menschen zurzeit dramatisch. Ich möchte das an zwei Zahlen deutlich machen. Zurzeit kommen auf 100 Bewerber nur 81 Ausbildungsplätze. Das würde, wenn es so bliebe, bedeuten, dass 20 % unserer jungen Menschen keinen Ausbildungsplatz bekommen. Wenn Sie sich die regionalen Disparitäten angucken, werden Sie sehen, dass es in manchen Regionen noch viel dramatischer ist: Da kommen auf 100 Bewerber nur ca. 55 Ausbildungsplätze. Wir sind uns also einig, dass etwas zu tun ist; denn die Zahl der arbeitslosen jungen Menschen liegt zurzeit wieder bei fast 50 000.

Die Lage erfordert unverzügliches Handeln der Landesregierung. Sie hätte es eigentlich erfordert, dass es keine Pause in den Aktivitäten der Landesregierung gegeben hätte. Aber es ist leider so, dass die Situation der letzten Monate mit dem Zuständigkeitswirrwarr und dem Gerangel in der neuen Landesregierung zu den Ergebnissen geführt hat, die ich im Folgenden noch darstellen werde, meine Damen und Herren. Schließlich dürfen wir uns nicht nur auf der Ebene der Maßnahmen und Pro

gramme bewegen, sondern müssen wir auch nach der Effizienz und nach den Ergebnissen fragen.

(Hermann Dinkla [CDU]: Deshalb wurde es ja geändert!)

Ich will es ganz deutlich machen: Aufgescheucht durch die Entschließungsanträge ist die Landesregierung jetzt in die Puschen gekommen, hat sich diese Woche mit dem Thema befasst und hat ein Konzept vorgelegt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Da hat es den Antrag überhaupt noch nicht ge- geben!)

Wir gucken uns jetzt einmal gemeinsam an, was konkret dabei herausgekommen ist, wie dieses Programm zu bewerten ist.

(Hermann Dinkla [CDU]: In diesem Land scheuchen Sie niemanden mehr auf!)

Zunächst zwei Zahlen. Sie wissen, dass die alte Landesregierung bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit innerhalb von zehn Monaten von Platz 8 auf Platz 5 vorgerutscht ist. Harte Arbeit, energischer politischer Wille und zusätzliche Ressourcen haben dieses Ergebnis erbracht.

(Beifall bei der SPD)

In den letzten zwei Monaten hingegen sind wir wieder auf Platz 6 zurückgefallen.

Eine zweite Zahl, Herr Minister Hirche, die Sie heute Morgen noch nicht kannten: Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, die Anzahl der langzeitarbeitslosen jungen Menschen zu halbieren. Das bedeutete, von ca. 10 000 auf 5 000 herunterzukommen. Im Dezember lagen wir bei 5 200, zurzeit liegen wir wieder bei 8 200. Diese Zahlen sind die Effekte Ihrer bisherigen Untätigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Sie noch in der Opposition waren, haben Sie keine Gelegenheit ausgelassen, jeden fehlenden Ausbildungsplatz der Landesregierung anzulasten. Es war nicht die Wirtschaft, es war nicht die Bundesebene, nein, es war die Landesregierung. Heute Morgen fanden wir es außerordentlich bemerkenswert, in der Rede des neuen Ministerpräsidenten zu hören, dass die originäre Zuständigkeit für die Schaffung von Ausbildungsplätzen bei der Wirtschaft liegt und dass die Effekte der jüngsten Zeit auf die Bundesregierung zurückzuführen sind.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ja auch so!)

Offensichtlich haben Sie es nicht mitbekommen. Das liegt womöglich auch daran, dass die Tatsache, dass dieses Thema nicht nur drei Minister beschäftigt, sondern auch noch zur Chefsache gemacht worden ist, letztlich dazu führt, dass die Informationen doch nicht richtig gebündelt worden sind. Deswegen mache ich es noch einmal ganz deutlich.

Es gibt die ganz klare politische Ansage der Bundesregierung: keine Kürzung im Jugendsofortprogramm. Es gibt die klare Ansage an die Bundesanstalt für Arbeit: keine Kürzungen bei den berufsvorbereitenden Maßnahmen, sondern mindestens das Niveau des letzten Jahres. Und - davon, wie Sie das in die Hand nehmen wollen, habe ich noch gar nichts gehört - es gibt ein zusätzliches Programm der Bundesregierung, umgehend 100 000 junge Sozialhilfeempfänger in Arbeit zu bringen. Hierfür gibt es Pauschalen für die Kommunen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen Sie sich an die Arbeit! Gehen Sie daran! Beteiligen Sie sich an dem Programm, damit es für Niedersachsen erfolgreich umgesetzt werden kann!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe bereits heute Morgen darauf aufmerksam gemacht: In Ihrem Bestreben, der Bundesregierung die Schuld zu geben, sehen Sie offensichtlich nicht, woher wirklich Gefahr droht. Die HerzogKommission hat vorgerechnet, dass durch die Streichung der ABM-Stellen und durch die Streichung des Jugendsofortprogramms 9,5 Milliarden Euro eingespart werden könnten, und die Präsidien von CDU und CSU haben dem zugestimmt.

Meine Damen und Herren, das verstehe ich nicht unter Chefsache, dass der Niedersächsische Ministerpräsident so etwas zulässt. Denn wir brauchen ein Bundesprogramm für den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Wir können froh sein, dass die sozialdemokratische Bundesregierung ein solches Programm auf den Weg gebracht hat. Zurzeit der Albrecht-Regierung hatten wir ohne diese Programme eine ganz andere Jugendarbeitslosigkeit. Sie lag regelmäßig bei 11,5 % und hatte Spitzenwerte von 12,9 %

(Bernd Althusmann [CDU]: Was nüt- zen alle Programme, wenn keine Ar- beitsplätze zur Verfügung stehen?)

Im Moment bewegen wir uns um eine Quote von 8 bis 9 %. Das heißt, wir brauchen diese zusätzlichen Programme. Natürlich müssen sie effizient sein, natürlich auch Praxisnähe haben, und natürlich müssen sie sich den Gegebenheiten der Wirtschaft entsprechend auf den ersten Arbeitsmarkt orientieren. Alle diese Weiterentwicklungen, diese Effizienzsteigerungen sind selbstverständlich. Das braucht jedes Programm. Es gibt keine statischen Vorstellungen von Programmen. Aber das ist noch keine neue Qualität von Politik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum konnten wir in der letzten Legislaturperiode - entgegen dem Bundestrend - die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen senken und diese erheblichen Ergebnisse bei der Langzeitjugendarbeitslosigkeit erzielen? - Wir haben das getan, wozu Sie uns immer aufgefordert haben, aber aus eigener Erkenntnis: Wir haben die Mittel auf junge Menschen konzentriert. Wir haben binnen eines Jahres den Anteil für junge Menschen von 23 auf 40 % erhöht und hatten die Weichen dafür gestellt, dass dies weiter steigt bis auf 50 bzw. 60 %. Das war auch immer Ihre Forderung. Umso verblüffender ist es, dass Sie das mit Ihrer Kabinettsentscheidung nicht gemacht haben, sondern dass Sie sich entschieden haben, bei diesen Mitteln zu kürzen. Das wird nicht reichen. Sie müssen zusätzliche Mittel bereitstellen!

Ein zweiter Punkt. Sie haben sich bei steigenden Schülerzahlen in der Vollzeitschule entschieden, keine zusätzlichen Lehrerstellen zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet schlicht und ergreifend Qualitätsverschlechterung auf den Schultern der Schwächsten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Jugendprogramme werden zurzeit ca. 38 Millionen Euro ausgegeben. Eine Steigerung um 10 bis 20 % würde erhebliche zusätzliche Handlungsmöglichkeiten nach sich ziehen. Diese Landesregierung hat sich am Dienstag entschieden, lediglich im Bereich der EU-Programme zusätzlich 500 bis 1 000 Plätze einzurichten. Dies ist noch kein qualitativer Sprung bei der Umschichtung zugunsten junger Menschen

- etwas, was Sie sich selbst immer auf die Fahne geschrieben haben.

Ich möchte das berühmte Zehn-Punkte-Programm noch einmal aufgreifen; denn es lohnt sich ein Vergleich zwischen diesem Zehn-Punkte-Programm, mit dem Sie in den letzten Jahren die politischen Debatten bestritten haben, und dem, was Sie jetzt beschlossen haben. Vergleiche ich Ihre Kabinettvorlage mit diesem Zehn-Punkte-Programm, stelle ich fest: zunächst - was ich schon sagte - keine zusätzlichen Mittel, sondern Kürzungen. Aber darin stand: zusätzliche finanzielle Unterstützung der Kommunen für zusätzliche Serviceagenturen und für den Ausbau von Koordinierungskreisen. Übrigens tauchen diese überhaupt nicht mehr auf; Sie wollen die offensichtlich doch nicht mehr umsetzen. Damals haben Sie gesagt, Sie wollten für jeden jungen Menschen einen speziellen Betreuer. - Davon ist auch nichts mehr zu sehen. Und der Hit des letzten Jahres - ich erinnere mich daran sehr gut; der kam vom Ministerpräsidenten, vom damaligen Oppositionsführer -: ein jugendspezifisches Kombilohnmodell. Nichts davon ist mehr da. Nun sind Sie in der Regierung und könnten Ihre Ideen umsetzen. Offensichtlich hat Sie der Mut verlassen,

(Ursula Körtner [CDU]: Der hat uns gar nicht verlassen!)

oder aber es gilt das Prinzip: neue Rollen, neue Einsichten, oder gar „Was schert mich meine Rede von gestern“.

(Zuruf von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus dem Zehn-Punkte-Programm ist dem Ministerpräsidenten das Konzept der Jugendbüros am besten in Erinnerung. Das ist sehr charmant. Dass er dabei immer wieder die Vaterschaft reklamiert, irritiert mich als Mutter dieser Projekte. In der Regel wissen Mütter ja, wer die Väter sind. Das ist mit Sicherheit nicht der Ministerpräsident gewesen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Bernd Althusmann [CDU]: Das er- läutern Sie uns bitte noch einmal!)

Was bleibt also von dem Entschließungsantrag Ihrer Fraktion? Was bleibt von der Kabinettsvorlage? - Wenn man sich das ganz genau anschaut, dann ist es im Kern das Konzept der alten Landesregierung. Das kann uns im Prinzip freuen, weil es ganz offensichtlich ein erfolgreicher Weg war. Das

zeigt der Vergleich mit der Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in den anderen Bundesländern. Ich bin froh, dass Sie an dieser Stelle nicht Bayern und Baden-Württemberg nacheifern, denn Sie wissen ja, dass dort die Jugendarbeitslosenzahlen immens steigen.

(Anneliese Zachow [CDU]: Von wel- chem Niveau?)

Es ist also im Kern das Konzept der alten Landesregierung, das heißt, es sind zielgruppenorientierte Programme. Ich finde es schön, dass sich hier die CDU-Fraktion durchgesetzt hat. Ich erinnere mich noch an die Aussagen von Herrn Rösler: „Weg mit diesen ganzen Programmen, wir brauchen eine nachhaltige Lösung für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.“ Ich wäre sehr interessiert zu hören, was das ist; möglicherweise haben Sie ja neue Ideen. Aber zunächst einmal brauchen wir weiterhin diese Programme, und so ist es auch beschlossen.

Sie sagen: Das Neue ist die Vernetzung, alles unter einem Dach, die Weiterentwicklung. Meine Damen und Herren, ich sagte es bereits: Synergieeffekte, Weiterentwicklung und Vernetzung sind selbstverständlich, das sind alte Kamellen, das hatte ich schon auf den Weg gebracht. Das wird auch weitergeführt. Im Ausschuss werden wir natürlich im Detail diskutieren, denn Sie sind doch sicherlich auch Anhänger des Subsidiaritätsprinzips und der Pluralität der Trägerstrukturen. Was heißt also „ein einheitliches Dach“? Was heißt „ein einheitliches Programm“? - Ich bin gespannt auf Ihre Umsetzung. Aber das ist alles nur eine Marginalität.