Protocol of the Session on September 14, 2005

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bedauere es sehr, dass Sie diese Chance vertan haben, aber Sie sind ja auch noch neu im Amt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie sind hier neu im Vergleich zu mir!)

Wir werden dies sofort klären. Wir werden diesen Vorwurf, der ungeheuerlich ist, sofort klären, sofort den Ältestenrat einberufen, den Ministerpräsidenten anhören und klarstellen, was an diesem Vorwurf dran ist bzw. ob nichts dran ist. Das muss sofort erfolgen. So viel Zeit müssen wir uns nach diesem Auftritt nehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich lasse jetzt über den Antrag der CDU-Fraktion abstimmen, die Sitzung zu unterbrechen und den Ältestenrat einzuberufen. Wer dies beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Ich unterbreche die Sitzung und der Ältestenrat tritt sofort zusammen.

Unterbrechung: 18.06 Uhr.

Wiederbeginn: 18.48 Uhr.

Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat inzwischen getagt. Wir fahren jetzt mit der Sitzung fort. Ich bitte alle Abgeordneten, Platz zu nehmen. Der Abgeordnete Lenz hat sich nach § 76 der Geschäftsordnung zu einer persönlichen Bemerkung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hiermit erkläre ich, dass ich meine unberechtigten Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten zurücknehme.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie waren nicht Teil meines Redemanuskripts. Das war spontan aufgrund der massiven Unmutsäußerungen, die mir von einem Teil des Parlaments entgegenschlugen. Dafür entschuldige ich mich. Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt hat sich Herr Althusmann von der CDUFraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat Verständnis für jeden Abgeordneten, der unter einem besonderen öffentlichen Druck steht. Herr Kollege Lenz, wir nehmen Ihre Entschuldigung ausdrücklich an, und wir hoffen auf einen fairen und sachlichen Fortgang der Plenarsitzung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir fahren jetzt mit der Debatte zu Tagesordnungspunkt 8 fort. Herr Rickert von der FDPFraktion hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wahlkampf Teil 3. Ich möchte es eigentlich kurz machen: Ich war viele Jahre meines Lebens verantwortlicher Geschäftsführer in einem Unternehmen der Metallindustrie - übrigens eines von den so genannten Exportweltmeistern, die ihre Exportweltmeisterschaft insbesondere dadurch erreicht haben, dass sie sehr viele Arbeitsplätze haben abbauen und Fertigungsinhalte ins Ausland haben verlagern müssen. Das war bitter, hat dann aber zu diesem Erfolg geführt. Das am Rande.

Wenn es um Tariferhöhungen ging, dann stand der Betriebsratsvorsitzende vor mir. Er war bei 200 Mitarbeitern als Einziger freigestellt. Er war in etwa in Lohngruppe 10, 20 % unter dem VW-Tarif. Wenn wir über die anstehenden Tarifverhandlungen diskutierten, dann sagte ich zu ihm: Herr Sowieso, 4 % sind viel zu viel, das ist für das Unternehmen entschieden zu viel. Denken Sie bitte dar

an: Die 4 % belasten unsere Abgabepreise. Das entsteht durch Lohnnebenkosten, Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, die ganzen Arbeitgeberbeiträge und dann der absoluten Lohnkostenzusatz. Das macht uns wettbewerbsunfähiger. Denken Sie an die Parameter! Das ist für uns und auch für Ihren Arbeitsplatz wichtig. - Darauf sagte mir der Betriebsratsvorsitzende: Herr Rickert, ich habe auch noch Parameter. Dazu zählt z. B. die Steuer. Wenn die Löhne steigen, steigen automatisch die Steuern. Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen - er greift in seine Gesäßtasche, holt sein Portemonnaie heraus -: Herr Chef, hier drin sind meine Parameter. Darum geht es mir.

Das wollte ich Ihnen an diesem Beispiel verdeutlichen. Das sind unsere Intentionen: Ein gerechtes Steuersystem, vernünftige Sozialversicherungssysteme - möglichst als Abbau der Lohnnebenkosten -, netto mehr in die Taschen der Arbeitnehmer. Das ist der ganze Sinn des Tuns. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt erteile ich Herrn Althusmann von der CDUFraktion das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten heute Morgen, angeregt durch den Kollegen Gabriel, eine Debatte zu dem Thema „Mehrwertsteuererhöhung“ und zu einigen anderen Aussagen, die er vor einigen Jahren noch anders tätigte, als er sie heute tätigt. Aber es gibt ja noch mehr führende Sozialdemokraten, auch so genannte Hoffnungsträger, die sich zu dem Thema „Mehrwertsteuer“ oder auch zu dem Thema „Steuerfreiheit von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen“ schon einmal geäußert haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur Herrn Wowereit aus Berlin nennen, lieber Herr Kollege Lenz, der noch am 24. Juni ausweislich der Süddeutschen Zeitung erklärt hat: Wir dürfen dabei auch nicht vor der eigenen Klientel zurückschrecken. Als Beispiele nannte er u. a. die Pendlerpauschale, die Subventionen für Steinkohle und Windkraft sowie die bisher steuerfreien Nachtzuschläge. - So ganz einig scheint sich also Ihre Partei oder verschiedene Personen in Ihrer Partei, vielleicht auch die so ge

nannten Netzwerker - oder wer auch immer -, da nicht zu sein.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die vorbereitete 50-seitige Rede beiseite legen und noch einmal auf die Historie dieser Steuerfreiheit eingehen. Dabei wird vielleicht auch deutlich werden, dass man sehr wohl - wie die CDU in ihrem Konzept beschrieben hat - darüber nachdenken kann, ob man diese über sechs Jahre auslaufen lässt und dann dadurch ersetzt, dass man den Menschen am Ende mehr in der Tasche belässt.

Die Steuerbefreiung für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge stammt aus dem Jahr 1940. Sie war vom Reichsfinanzminister eingeführt worden, weil viele arbeitsfähige Männer im Kriegseinsatz waren und die kriegswichtige Arbeit zu Hause kaum zu leisten war. So führte das NS-Regime die Anreize für Nacht- und Feiertagsarbeit ein. Nach dem Krieg wurde das Privileg im Übrigen in Deutschland mit der Begründung beibehalten, die Arbeiter müssten für die gesundheitlichen Belastungen insbesondere der Nachtarbeit entschädigt werden.

Die aktuelle Gesetzeslage stammt vom 6. November 2003. Demnach sind die Zuschläge steuerfrei, sofern ein Stundenlohn von 50 Euro, ein Monatslohn von 8 000 Euro oder ein Jahreslohn von 100 000 Euro nicht überschritten wird. Man wollte die Steuerfreiheit bei einkommensstarken Gruppen entscheidend begrenzen. Das hat im Übrigen einen Hintergrund, was bei diesen Debatten gerne einmal in den Hintergrund gedrängt wird. Es handelte sich nämlich um die Frage, ob die Sportvereine in Deutschland das, was sie ihren Fußballspielern an Gehalt gezahlt haben, als steuerfreie Nachtzuschläge gezahlt haben. Genau das wollte man damals begrenzen. Insofern war der Sinn und Zweck dieser Maßnahme sehr wohl richtig.

Nun aber zu der Frage, ob zukünftig diese steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge tatsächlich gebraucht werden. Es handelt sich um eine Subvention, die mit der Besteuerung der Leistungsfähigkeit des Einzelnen überhaupt nichts zu tun hat; denn für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen spielt es überhaupt keine Rolle, wann das Geld verdient wird. In diesem Zusammenhang wird immer wieder das Beispiel mit der Krankenschwester und dem Chefarzt hervorgebracht: Durch den Fortfall der Steuervergünstigung würde der Chefarzt mehr verdienen oder davon profitieren und die Krankenschwester eben nicht. Was sagen Sie aber zu der Verkäuferin, die in

Deutschland heute zu anderen Arbeitszeiten für viel weniger Geld arbeiten muss und diese Steuervergünstigung, diese Subvention, die über das Steuerrecht und eben nicht über das Arbeitsrecht geregelt wird, nicht erhält?

Der bekannte Sachverständige der Bundesregierung, Herr Pfeffekoven, hat dazu am 26. September 2003 unter der Überschrift „Fehler mit System“, nachzulesen in der Zeitung Die Welt, gesagt:

„Die Steuerfreiheit für bestimmte Zuschläge bei Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Forderung, dass alle Einkommen unabhängig von der Quelle erfasst und in der Summe besteuert werden müssen. Die übliche Argumentation, damit solle sichergestellt werden, dass bestimmte Berufsgruppen, vor allem Krankenschwestern, für ihren wichtigen Dienst angemessen entlohnt werden, diese Tätigkeit also finanziell attraktiv bleibe, ist völlig abwegig. Solche Überlegungen dürfen in der Steuerpolitik keine Rolle spielen.“

Meine Damen und Herren, ich sage das ganz bewusst. Mit diesen Beispielen wird nämlich immer wieder versucht, deutlich zu machen, dass die Union mit ihrem Steuerprogramm, das wir im Gegensatz zu Ihnen für die kommende Wahl vorgelegt haben - - - Man fragt sich schon: Wir haben einen Experten wie Herrn Kirchhof, wir haben Herrn Merz, und wir haben noch einige andere. Aber wen haben Sie eigentlich? Wer soll eigentlich bei Ihnen in den nächsten Jahren für Steuer- und Finanzpolitik verantwortlich zeichnen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist Herr Eichel!)

Aber das sei nur am Rande bemerkt.

Meine Damen und Herren, was diesen Antrag angeht, kann ich bei dem Kollegen Rolfes nahtlos fortsetzen, der vorhin schon deutlich gemacht hat, dass man solche Anträge nur dann stellt, wenn man sicher ist, dass wir die Bundestagswahl gewinnen; denn anderenfalls würden Sie uns ja nicht auffordern, entsprechend zu handeln. im Prinzip hätten Sie diesen Antrag aber gar nicht stellen müssen. Denn der Finanzminister hat in der Antwort auf die Frage 19 für die Fragestunde am

30. April 2004 dem Abgeordneten Aller, der bekanntermaßen immer dazu spricht, einiges ins Stammbuch geschrieben:

„Nach den aktuellen Vergütungstabellen erhält eine 30-jährige Krankenschwester im Landesdienst in der Vergütungsgruppe V a, Stufe 5, ledig, ohne Kinder, Steuerklasse 1, die durchschnittlich 40 Nachtarbeitsstunden und zwei Sonn- und Feiertagsdienste mit jeweils acht Stunden pro Monat leistet, im Januar 2005 eine Monatsbruttovergütung von 2 498,48 Euro und eine Nettovergütung bei Steuerfreiheit der genannten Nacht- und Sonntagsarbeitszuschläge in Höhe von 1 494,63 Euro. Ein Arbeitnehmer mit einem vergleichbaren Einkommen ohne steuerbegünstigte Zulagen... erhält... 1 434,60 Euro.“

Der Nettoverlust würde sich in diesem speziellen Fall somit auf 60,03 Euro pro Monat belaufen, also rund 60 Euro. Für den Ausgleich dieses Verlustes von rund 60 Euro hat die CDU/CSU vorgeschlagen, über sechs Jahre die Steuerfreiheit abzubauen, den Menschen Klarheit und es den Tarifpartnern in die Hand zu geben, ob sie weiterhin steuerfreie Zuschläge zahlen wollen oder nicht. Meine Damen und Herren, in sechs Jahren 60 Euro über die Tarifsteigerung auszugleichen, die es nachweislich immer noch gibt, dürfte normalerweise im Bereich des Möglichen sein; denn - ich komme wieder auf die Zahlen zu sprechen, die Ihnen inzwischen eigentlich vorliegen müssten; insofern erübrigt sich Ihr Antrag - Sie müssten die Bruttovergütung um exakt 143,32 Euro innerhalb von sechs Jahren erhöhen. Das wären summa summarum rund 6 %, die Sie in sechs Jahren anheben müssten, d. h. jedes Jahr 1 % Lohnsteigerung.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Zusätzlich!)

Schon hätten Sie die steuerfreien Nacht-, Sonnund Feiertagszuschläge wiederum ausgeglichen.

Meine Damen und Herren, das ist ein Grundprinzip: Regeln wir das über das Arbeitsrecht, regeln wir das über die Arbeitsbedingungen, geben wir das in die Hand der Vertrags- bzw. Tarifparteien und geben wir ihnen die Möglichkeit, das zu regeln, oder muss hier ungerechtfertigterweise für alle diejenigen, die es nicht bekommen haben, eine Steuersubvention und ein Sondertatbestand

geschaffen werden? - Es nützt nichts, wenn wir als Steuer- und Finanzpolitiker in Deutschland an jeder Ecke fordern, endlich das Steuerrecht aufzuräumen, endlich deutlich zu machen, dass wir weniger Steuersubventionen brauchen, dass wir weniger Ausnahmetatbestände haben müssen. Schauen Sie sich nur einmal den § 3 b des Einkommensteuergesetzes an. Dort werden Sie unter der Nr. 2 insgesamt 70 Unterpunkte für Ausnahmetatbestände des Steuerrechts finden, wo man etwas geltend machen kann oder nicht.

Insofern ist Herr Professor Kirchhof nicht irgendein Professor, sondern er ist sehr wohl derjenige, der sich darüber Gedanken gemacht hat, wie man das Steuerrecht vereinfachen kann. Er wird genau das Steuerrecht umsetzen, das wir im Regierungsprogramm der CDU/CSU beschlossen haben. Dann wird es steuerpolitisch einfacher, dann geht es in Deutschland wieder aufwärts und dann gibt es auch wieder Arbeitsplätze. Insofern ist der nächste Sonntag ein guter Tag für Deutschland.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der nächste Redner ist Herr Minister Hirche.

Meine Damen und Herren! Ich möchte den letzten Satz von Herrn Althusmann wiederholen: Der nächste Sonntag wird ein guter Tag für Deutschland sein; denn die Folge wird sein, dass wir nicht nur, aber eben auch über ein anderes Steuersystem, über eine echte Steuerentlastung mehr Geld in den Taschen der Bürger und in den Taschen der Betriebe lassen, damit die Bürger entscheiden, wo sie vorsorgen oder konsumieren, damit die Betriebe entscheiden, wo sie investieren, wo sie neue Absatzmärkte schaffen.

Es macht ja wenig Sinn, sich im Landtag einzelne Rechenmodelle vorzuhalten. Ich kann nur empfehlen, zum Beispiel in den Focus von dieser Woche zu schauen, der zur Überraschung vieler deutlich macht, dass mit dem FDP-Steuermodell - das muss ich auch in Richtung der Kollegen der CDU sagen -, dem Solms-Modell, die stärkste Entlastung von Arbeitnehmern, auch von Geringverdienern, auch bei Wegfall der Entfernungspauschale,

auch bei Wegfall der Nachtzuschläge, zu erreichen ist.

Herr Lenz, das, was Sie hier vortragen, stimmt nicht, weil Sie außer Acht lassen, dass andere Modelle - dann muss man alle Elemente sehen insgesamt Entlastungen bringen. Sie werfen der FDP geradezu vor, dass zu viel Entlastung entstünde und dass der Staat dann nicht genügend Geld hätte. Wir aber sagen, dass der Staat dieses Geld wieder einsparen kann, wenn Subventionen an anderer Stelle gestrichen werden. Meine Damen und Herren, da kommen wir genau auf den Grundsatz, den Herr Althusmann angesprochen hat. Es geht darum, im Sinne von Transparenz und demokratischer Nachprüfbarkeit endlich ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem zu schaffen. Deswegen ist die Gemeinsamkeit zwischen CDU und FDP - bei allen Unterschieden in kleinen Dingen - eine Entlastung, sodass mehr in den Taschen der Bürger bleibt, weil die Bürger besser als der Staat wissen, was zu machen ist.