Protocol of the Session on June 23, 2005

Wir können uns auch nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zurückziehen, die nur die durch die Erteilung von Erbscheinen erwirtschafteten Gebührenüberschüsse im Blick hat. Diese Argumentation steht auf tönernen Füssen. Gebühren, die den Kostendeckungsgrad deutlich überschreiten,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

sind mit meinem Staatsverständnis nicht in Einklang zu bringen. Sie widersprechen auch den Grundsätzen des Gebührenrechts. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit aller Deutlichkeit in einer Entscheidung ausgeführt, mit der er die Rechtswidrigkeit der Gewinn abwerfenden Handelsregistergebühren festgestellt hat.

Auch der Hinweis im Rechtsausschuss auf die bei Tätigwerden eines Notars von den Recht Suchenden zu zahlende Umsatzsteuer kann uns von un

serem Vorhaben nicht abbringen. Dass ein Erbe, der etwa seinen Erbschein beim Notar erteilt bekommt, dafür auch Umsatzsteuer zahlen muss, ist für mich selbstverständlich. Ich vermag darin auch keine Ungerechtigkeit oder gar eine besondere Belastung erkennen. Bei den Alltagsgeschäften wie der Reparatur einer Waschmaschine oder auch beim Einkauf ist die Umsatzsteuerpflicht so selbstverständlich, dass niemand darüber redet. Warum sollte dies bei der Erteilung eines Erbscheins anders sein?

Wer ein Erbe annimmt, meine Damen und Herren, dessen Interesse gilt doch der Erbschaft selbst und nicht der an den Notar zu zahlenden Umsatzsteuer. Der beste Beweis dafür sind die vielen Bürger, meine Damen und Herren, die trotz der Umsatzsteuerpflicht ihren Erbscheinsantrag auch jetzt schon beim Notar stellen, obwohl sie dies auch ohne Umsatzsteuer beim Gericht tun könnten. Das Vertrauen in diese freien Berufe ist also durchaus vorhanden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Der von uns eingeschlagene Weg, die Justiz auf ihre Kernaufgaben zu beschränken, ist richtig. Meine Damen und Herren, wir sollten ihn konsequent verfolgen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat sich noch einmal Herr Helberg zu Wort gemeldet. Sie haben eine Restredezeit von zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, Herr Dr. Noack, Sie haben wieder nicht konkret zur Sache gesprochen.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Sie drücken sich einfach vor der Auseinandersetzung mit den ganz konkreten Fragen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben mit keinem Wort dazu Stellung bezogen, was Fachleute in der Justiz von Ihrer Auffassung halten. Das blenden Sie einfach aus. Sie setzen sich damit nicht auseinander. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, mit 28 Jah

ren Richtererfahrung kann ich einschätzen, was sich in der Justiz bewährt hat. Warum will man das ändern und durch ein Verfahren ersetzen, das nicht so bewährt ist und sich nicht so bewähren wird? Sie haben, Herr Dr. Noack, eben halt wie ein Notar in der Debatte gesprochen und nicht wie ein Rechtspolitiker.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Herr Lehmann, ich darf Ihnen noch etwas sagen. Es geht um Qualitätssicherung.

(Zuruf von der CDU: Sie waren Rich- ter! Das merkt man!)

Herr Helberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Albrecht?

Im Moment nicht. - In erster Linie geht es um Qualitätssicherung. Selbstverständlich! Niemand von Ihnen hat auch nur geringste Zweifel daran anmelden oder belegen können, dass die Nachlasssachen optimal in den Gerichten bearbeitet würden.

(Zuruf von der CDU: Bei den Notaria- ten auch!)

Wenn damit noch eine Kostendeckung erreicht wird, dann wird dadurch der Justizhaushalt zudem entlastet und nicht belastet, Frau Ministerin.

Die Definition der Kernaufgaben, die Sie immer wieder in die Debatte bringen, ist im Grunde nichts als eine Worthülse. Wo es Ihnen passt, wo es Ihnen recht ist, benutzen Sie sie. Wo es nicht um Kernaufgaben geht, die Aufgaben aber den Gerichten vorbehalten bleiben sollen, wie bei den Betreuungssachen, da soll dieser Begriff plötzlich nicht mehr konsequent weitergeführt werden.

Sie verlagern das, was von den Gerichten im Moment gut, schnell, zügig, kostengünstig zu erledigen ist. Sie wollen das den Notaren andienen. Ich kann mir auch vorstellen, warum. In der ersten Beratung habe ich es Ihnen deutlich gesagt.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Guter Vortrag in eigener Sa- che!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen deswegen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir werden vor der Mittagspause noch den Tagesordnungspunkt 31 beraten. Ich verspreche Ihnen aber, dass wir die Mittagspause entsprechend verschieben.

Es geht um

Tagesordnungspunkt 31: Einzige (abschließende) Beratung: Sicherstellung der Qualität in der Justiz durch Übernahme der Justizsekretärsanwärterinnen und -anwärter und Auszubildenden im Ausbildungsberuf Justizfachangestellte und Justizfachangestellter Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1901 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechtsund Verfassungsfragen Drs. 15/2035

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zur Wort gemeldet hat sich zu seiner ersten Rede hier im Landtag Herr Schneck von der SPDFraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion fordert Sie auf, unseren Antrag zu unterstützen, die Sicherstellung der Qualität in der Justiz durch die Übernahme der Justizsekretärsanwärterinnen und -anwärter sowie der Auszubildenden im Ausbildungsberuf Justizfachangestellte zu erreichen.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Was gibt es da zu klatschen?)

Wir wollen, dass die Qualität der Arbeit im Justizbereich durch ausreichend gut qualifiziertes Personal sicherzustellen ist, und gewährleisten, dass auch die Auszubildenden des Abschlussjahrgan

ges 2005 mit befriedigendem Abschluss und besser übernommen werden.

Sehr verehrte Damen und Herren, nach der Überweisung unseres Antrages im Mai-Plenum an den zuständigen Fachausschuss kam vonseiten des Justizministeriums Bewegung in die Sache unseres Antrages in die richtige Richtung. Deshalb erkennen wir positiv an, dass bei der Übernahme und Weiterbeschäftigung des Ausbildungsjahrgangs 2004 für die Servicebereiche der Justiz eine Teilerfüllung der Forderung unter Nr. 2 unseres Antrages erfolgte.

Das Grundanliegen unseres Antrages ist aber in keiner Weise erfüllt. Bei den Gesprächen des Rechts- und Verfassungsausschusses mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften wurde immer wieder die große Sorge deutlich, dass die Qualität unserer Rechtsprechung nicht mehr gewährleistet sein könnte. Ich meine, das ist fraktionsübergreifend verstanden und auch akzeptiert worden. So zumindest haben es die Debatten im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen deutlich gezeigt.

Die Rahmenbedingungen in der Rechtsprechung haben sich im Laufe der letzten Jahre dramatisch verändert. Die allgemein angespannte Finanzsituation unserer Landeskasse führte in fast allen Justizbereichen zu Personalstreichungen bei gleichzeitig steigender Komplexität der Rechtsstreitigkeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, dadurch wird der grundgesetzlich geschützte Justizgewährleistungsanspruch aller Bürgerinnen und Bürger infrage gestellt. Dies darf eben nicht von der allgemeinen Finanzsituation abhängig gemacht werden. Die dritte Säule unseres demokratischen Rechtsstaates, die Unabhängigkeit und die Arbeitsfähigkeit unserer Gerichtsbarkeit, darf weder von Regierungen noch von Parlamenten beschnitten werden.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Ralf Briese [GRÜNE])

Unterstützen Sie deshalb unseren Antrag, sehr geehrte Damen und Herren und Frau Ministerin, die Qualität der Arbeit im Justizbereich durch ausreichend und gut qualifiziertes Personal sicherzustellen!

Aber, sehr verehrte Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung betreibt scheinbar genau das Gegenteil. So wurde uns im Ausschuss

für Rechts- und Verfassungsfragen dargestellt, dass für den Ausbildungsjahrgang 2005 - das ist jetzt, sehr verehrte Damen und Herren; die Leute lernen jetzt aus - immer noch nicht geklärt ist, was mit diesem Ausbildungsjahrgang wird, und eine große Verunsicherung in den Gerichten und Staatsanwaltschaften vorherrscht. Diese jungen Menschen stehen vor ihrem Dienstherrn, schauen sich mit zuckenden Schultern an und wissen nicht, was aus ihnen wird. Sie haben in der Hoffnung auf eine Übernahme diesen Beruf ergriffen und haben sonst keine Chancen am Arbeitsmarkt. Für die 63 Justizanwärter dieses Jahrgangs gibt es überhaupt noch keine Aussage. Anderen bietet man eventuell einen befristeten Vertrag für ein Jahr an. Ganze 24 von 210 Betroffenen der Ausbildungsjahrgänge 2004 und 2005 können eventuell auf eine befristete Stelle hoffen.

Sehr verehrte Damen und Herren, es soll jedoch noch viel schlimmer kommen. So teilte das Justizministerium in einer mündlichen Auskunft mit, dass die Zahl der Ausbildungsplätze im Justizbereich weiter dramatisch reduziert werden soll: 2006 sind 195, 2007 135 und 2008 - hören Sie zu! - noch ganze 45 Ausbildungsplätze in diesem Bereich geplant. Sehr verehrte Damen und Herren, das kann doch nicht die qualitative Zukunft unseres Justizbereichs in Niedersachsen sein! So nicht!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Ralf Briese [GRÜNE])

Das ist unglaublich und unfassbar. Sehr verehrte Damen und Herren, die Frustration an den Gerichten wächst - und mit ihr die nicht erledigten Aktenberge und die Zahl der Einzelschicksale von Menschen, die keine Rechtsprechung erhalten, obwohl sie ihnen grundgesetzlich zusteht. Das ist keine Schwarzmalerei der Opposition. Ich möchte Ihnen ein Beispiel sagen. So wurde uns gerade Anfang dieses Monats im Landessozialgericht Celle dargestellt, dass Verfahren bis zu zwei Jahre liegen, bevor sie überhaupt aufgenommen werden. Das kann doch nicht wahr sein! Hier geht es oft um soziale Härtefälle, für die Gutachten wertlos geworden sind, weil sich der Gesundheitszustand verändert hat, und bei denen eventuell sogar die Recht Suchenden über diesen Vorgang hinweg gestorben sind. Sehr verehrte Damen und Herren, machen Sie sich selber ein Bild, ob das Rechtsstaatlichkeit gewährleistet, ja oder nein!

(Beifall bei der SPD)

Machen Sie Halt mit Ihrer Justizdemontage, Frau Ministerin! Kehren Sie um von Ihren Privatisierungsideologien! Seien Sie nicht das Negativbeispiel für die Wirtschaft im Pakt für mehr Ausbildungsplätze! Diese Landesregierung versäumt es nicht, andauernd zu erzählen, dass sie mehr Ausbildungsplätze von der Wirtschaft erwartet. Und was machen Sie selbst? - Sie geben ein Negativbeispiel. Das ist zutiefst zu verachten, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)