Nun kommen wir zu dem heutigen Baustein der Justizreform, nämlich der Verlagerung von Nachlasssachen auf die Notare. Wenn Sie das unbedingt wollen, dann sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern auch, dass eine Verlagerung dieser Aufgaben eine Kostensteigerung bedeutet. Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger immer entlasten. Insbesondere die FDP-Fraktion sagt: Der Staat ist viel zu teuer, zu ineffizient und zu träge. Wir müssen die Aufgaben privatisieren. So geht das besser. Dann sagen Sie den Leuten aber auch die Wahrheit! Sagen Sie, dass es teurer wird. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Helberg hat das sehr gut ausgeführt. In Sachen Justiz stimmen diese Vorurteile einfach nicht. Der Staat arbeitet bei dieser Dienstleistung weder langsam noch teuer noch ineffizient. Das sind nicht bewiesene Vorurteile; das Gegenteil ist der Fall.
Nachlassangelegenheiten werden genauso wie Handelsregister und Ehescheidungen meist gut, professionell und auch günstig von den Gerichten erledigt. Frau Justizministerin, Sie müssen schon ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit leisten, als nur die redundante Phrase von der Kernaufgabe des Staates wiederzugeben.
Eine letzte Frage in dieser Angelegenheit: Wer wird eigentlich die Reformdividende einfahren, wenn wir das privatisieren? - Ich prophezeie Ihnen: Es werden nicht die Gerichte sein, es wird nicht die Justiz sein, sondern es wird im Säckel des Finanzministers versinken. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal Dank an Herrn Briese, dass er zum Schluss doch noch zu dem Kern der Sache, nämlich zu der Frage, ob die Nachlasssachen von den Gerichten auf Notare übertragen werden sollen, gekommen ist. Ich bin dankbar, dass er nicht nur allgemein zur Justizreform gesprochen hat; denn das ist nicht das Kernanliegen dieses Antrages. Vielmehr geht es um eine konkrete Sache, über die wir reden sollten.
Die Argumentation dieses Antrags beruht im Wesentlichen auf folgenden Punkten: Zum einen mache die Überschusserwirtschaftung bei Nachlasssachen den Wegfall der Aufgabe überflüssig und unsinnig, und zum anderen würden kleine Amtsgerichtsstandorte geschwächt und in ihrer Existenz gefährdet. In der Kürze meiner Redezeit werde ich diese Punkte unbestritten, so glaube ich, widerlegen.
Lassen Sie mich zunächst Folgendes feststellen: Angesichts der aktuellen finanziellen Lage ist nicht zu erwarten, dass zusätzliches Personal in der Justiz beschäftigt werden kann. Entlastungen können nur durch frei gewordenes Personal aus der Jobbörse erfolgen, indem wir speziell ausgebildete Personen aus der allgemeinen Verwaltung in der Justiz für besondere Aufgaben einsetzen werden. Das muss man einmal so nüchtern sehen. Die Fi
Folglich werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur zum Teil von ihrer wirklich überobligatorischen Arbeitsleistung entlastet werden. Die bisherigen Pensenleistungen werden nicht spürbar abnehmen. Wenn man sich das vor Augen hält, muss überlegt werden, wie man Aufgaben von den Gerichten wegnehmen kann, damit die Belastung der Gerichte insgesamt sinkt.
- Frau Präsidentin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein bisschen für Ruhe sorgen könnten. Ich habe keine Lust, gegen diesen Lärmpegel anzureden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Gerade weil die Belastung an den Gerichten schon so groß ist, muss über eine Aufgabenverlagerung nachgedacht werden. Nichts anderes, als verschiedene Denkmodelle zu der Frage zu entwerfen, wo Entlastungen in der Justiz, insbesondere bei den Gerichten, vorgenommen werden können, enthalten die Überlegungen zu der großen Justizreform.
Aus diesem Grund begrüßen wir eine Überlegung, die im Zusammenhang mit der großen Justizreform, nämlich vor dem Hintergrund, welche Entlastung wir für die Justiz erreichen können, vorangestellt wird. Für uns als FDP-Fraktion heißt „Justiz“ im Kern spruchrichterliche Tätigkeit. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen. Fiskalische Gründe allein sind - jedenfalls für uns - nicht vorrangig.
Nach wie vor bleibt mir verborgen, warum die Erwirtschaftung von Überschüssen ein Argument für den Verbleib der Nachlasssachen sein soll, wie es von der SPD-Fraktion ja immer angeführt wird. Noch immer gilt ausschließlich das Kostendeckungsprinzip. Mehr als die entstehenden Kosten dürften im Grunde gar nicht genommen werden. Wenn Sie von der Kostenbelastung sprechen, müsste die erste Konsequenz sein, eine Senkung der Kosten herbeizuführen, indem man möglicherweise das Gebührenrecht ändert. Es wäre im Sin
ne der Bürger zu sagen: Wir als Land machen einen guten Schnitt. Wir haben sogar mehr Einnahmen als Kosten. - Alles andere wäre in höchstem Maße bürgerfeindlich.
Es ist richtig, dass der Justizhaushalt mit dem Wegfall der Nachlasssachen belastet würde, weil diese Einnahmen fehlen. Trotzdem müssen wir die Notwendigkeit einer Aufgabe für uns zum Maß aller Dinge machen. Wenn wir über den Justizhaushalt sprechen, sollten wir lieber darüber reden, ihn von eigentlich justizfremden Kosten zu entlasten. Dazu gehört nach unserer Auffassung ganz besonders die Verlagerung des Ansatzes für Prozesskostenhilfe in den Sozialhaushalt; denn hier handelt es sich um eine Unterstützungsleistung und nicht um eine Aufgabe der Justiz.
Wie sich bereits aus meinen Ausführungen zu der Personalsituation an den Gerichten ergeben hat, hätten die Amtsgerichte auch ohne Nachlasssachen noch genug zu tun. Außerdem ist es das erklärte Ziel dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, den ländlichen Raum, also die Fläche, zu stärken. Es ist und bleibt daher ein Märchen, wenn Sie in fast jedem Ihrer Anträge immer wieder versuchen, die vermeintliche Gefährdung kleinerer Amtsgerichtsstandorte herbeizureden. Das ist schlichtweg aus der Luft gegriffen. Sie haben das bisher auch nicht belegt, sondern ergehen sich nur in Spekulationen.
Herr Helberg, den Standortfaktor Niedersachsen für die Wirtschaft damit zu begründen, dass die Nachlasssachen hier bleiben müssen, ist ein schlechtes Beispiel. Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass es wichtig ist, eine gut funktionierende Justiz zu haben, weil das wirklich ein Ansiedlungsfaktor ist. Aber das betrifft die Nachlasssachen nur am Rande und nicht im Wesentlichen.
Ich komme nun zum Schluss und muss feststellen: Es handelt sich nicht um einen Ausverkauf der Gerichte, sondern um eine notwendige Umstrukturierung. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion kündigt eine Justizmodernisierung an. Aber wer diese Modernisierung in der Begründung des Entschließungsantrags sucht, wird enttäuscht. Das Rezept der SPD-Fraktion für diese Modernisierung beschränkt sich auf eine reine Aufgabendelegation: weg vom Richter, hin zu dem Rechtspfleger.
Die Aufgabe, meine Damen und Herren, bleibt dieselbe. Sie soll aber künftig von der besser dotierten Kraft auf eine finanziell günstiger arbeitende Kraft übertragen werden - und fertig ist die Justizmodernisierung à la SPD-Opposition. So einfach, wie Sie sich das vorstellen, meine Damen und Herren, kann unsere Justiz nicht zukunftsfähig gestaltet werden.
Diese Landesregierung geht Probleme grundsätzlich an. Die angestrebte Aufgabenverlagerung von den Gerichten auf die Notare ist Teil unseres Gesamtkonzepts zur großen Justizreform. Herr Briese, ich muss Ihnen sagen: Warten Sie es einfach einmal ab. Wir haben nächste Woche Justizministerkonferenz, an der sich auch die Kollegen aus den SPD-geführten Ländern beteiligen. Wenn Sie Ihre Kommentare noch ein bisschen erweitern wollen, dann gehen Sie ruhig auch einmal zu Herrn Sellering. Sie werden sehen, was Herr Sellering zu der großen Justizreform sagt.
Lieber Herr Briese, wenn Sie das bis heute noch nicht wissen, beantworte ich Ihnen diese Frage gerne.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Vergangenheit sind den Gerichten immer mehr Aufgaben zugefallen.
Frau Ministerin, warten Sie einen Augenblick! Es muss erst wieder ruhiger werden; auch bei der FDP-Fraktion.
Die Folge ist, dass unsere Justiz mit einer hohen Belastung zu kämpfen hat. Durch Verharren in den bestehenden Strukturen ist die Zukunft aber nicht zu meistern. In dieser Situation müssen wir nach neuen Wegen suchen, um die Funktionsfähigkeit der Gerichte zu sichern. Dies hat nichts damit zu tun, dass die Justiz - dies gilt auch für die Nachlassgerichte - ihre Aufgaben bisher nicht ordentlich erledigt hätte. Im Gegenteil! Noch hat unsere Justiz einen guten, einen sehr guten Ruf zu verlieren. Die Betonung muss hierbei allerdings auf dem Wort „noch“ liegen.
Die Justiz kann ihre Leistungs- und Funktionsfähigkeit mit den knapper werdenden Ressourcen zukünftig nur erhalten, wenn sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentriert. Kernaufgabe der Justiz ist nach Artikel 19 unseres Grundgesetzes die Rechtsprechung.
- Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich hoffe nicht, dass Sie dies in Zweifel ziehen und,
Alle anderen Aufgaben - dazu gehören auch die Nachlasssachen - können und sollten verlagert werden, soweit dies ohne Qualitätseinbußen möglich ist. Das dient nicht nur der Entlastung der Gerichte, sondern auch der Steigerung ihrer Effizienz.
Was Sie im Verlaufe der Diskussion an Argumenten gegen eine Verlagerung von Aufgaben der Nachlassgerichte vorgebracht haben, ist weder neu noch überzeugend. Es gibt Gründe, Aufgaben bei der Justiz zu lassen, die dort nicht zwingend hingehören. Aber, meine Damen und Herren, es sind keine stichhaltigen Gründe im Interesse einer zukunftsfähigen Justiz für unsere Bürgerinnen und Bürger. Und nur darum kann es gehen.
Es kann für mich keinem Zweifel unterliegen, dass Notare ebenso gut wie die Gerichte in der Lage sind, weitere nachlassgerichtliche Aufgaben zu übernehmen.
Davon ist auch die Justizministerkonferenz bei ihrer grundlegenden Beschlussfassung ausgegangen. Notare sind mit der Materie des Nachlassrechts bestens vertraut. Sie beurkunden seit langem Testamente und Erbverträge. Ebenso wie die Gerichte nehmen sie Erbscheinsanträge auf und sind für die Abnahme der in diesem Zusammenhang abzugebenden eidesstattlichen Versicherungen zuständig.
Wir können uns auch nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zurückziehen, die nur die durch die Erteilung von Erbscheinen erwirtschafteten Gebührenüberschüsse im Blick hat. Diese Argumentation steht auf tönernen Füssen. Gebühren, die den Kostendeckungsgrad deutlich überschreiten,