Protocol of the Session on May 20, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt festzustellen, die Diskussion hinsichtlich Umfang und Wirkung von Patientenverfügungen ist notwendig. Es besteht Klärungsbedarf hinsichtlich des Umfangs und auch der Formerfordernisse. Ich glaube, meine Damen und Herren, es besteht auch ein Handlungsbedarf. Dabei ist allerdings angesichts der immensen Auswirkungen einer solchen Regelung auf größte Sorgfalt zu achten.

Ich danke Ihnen deshalb sehr, meine Damen und Herren von der CDU- und von der FDP-Fraktion, für diesen Entschließungsantrag und freue mich auf die Vertiefung dieses Themas in den Diskussionen in den beteiligten Ausschüssen mit Ihnen allen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht mehr vor. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein, mitberatend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit beteiligt werden. Gibt es andere Vorstellun

gen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben wir es so beschlossen.

Ich rufe nunmehr auf

Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung: Für eine strukturelle Binnenreform der Justiz - Richteraufgaben in Betreuungsangelegenheiten auf den Rechtspfleger übertragen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1903

Zur Einbringung des Antrags hat der Kollege Helberg das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, und es wird sicher auch nicht das letzte Mal sein, dass wir uns im Landtag mit dem Betreuungsrecht befassen. In der Regel gab es dabei in der Vergangenheit ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den Fraktionen. Weitgehend einig war man sich vor drei Jahren auch darüber, dass das Betreuungsrecht in zentralen Punkten einer Weiterentwicklung bedürfe.

Oberste Priorität im Interesse des Grundrechtsschutzes ist dabei nach wie vor einer weitgehenden Vermeidung von Betreuung zuzumessen. Denn nach dem Grundsatz der Subsidiarität soll staatliche Anordnung von Betreuung vermieden werden, wenn und soweit durch Bevollmächtigte die notwendigen Angelegenheiten wahrgenommen werden können. Die Vorsorgevollmacht ist dabei das Rechtsinstitut, durch das das Selbstbestimmungsrecht für den Fall einer psychischen Erkrankung sowie geistigen oder seelischen Behinderung umfassend gesichert werden kann.

Der Bundestag hat am 18. Februar 2005 nach intensiver Beratung in zweiter Lesung des Bundesratsentwurfs das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz beschlossen. Das Gesetz tritt mit allen Regelungen zum 1. Juli 2005 in Kraft. Ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzes ist die Stärkung der Vorsorgevollmachten und deren Verbreitung zur Vermeidung von Betreuung.

Abstand genommen worden ist hingegen von der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung einer

gesetzlichen Vertretungsmacht von Angehörigen in der Vermögensund Gesundheitssorge. Der Grund dafür war die nicht auszuschließende Missbrauchsgefahr und weil die Möglichkeit, eigenverantwortlich Vorsorge zu treffen, durch die gesetzliche Vertretungsmacht konterkariert und geschwächt worden wäre. Auf die Nutzung der Vorsorgevollmacht sollte deshalb vonseiten der Landesregierung zukünftig noch stärker hingewiesen werden.

Ich komme nun zur Übertragung richterlicher Aufgaben auf die Rechtspfleger. Über die Öffnungsklausel des § 19 des Rechtspflegergesetzes werden die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, die bisher dem Richter zugewiesene Auswahl, Bestellung und gegebenenfalls Entlassung des Betreuers auf den Rechtspfleger zu übertragen. Einer der Gründe dafür ist, dass der Rechtspfleger durch seine die Betreuung begleitende Tätigkeit die Eignung der Betreuer besser zu beurteilen und zu kontrollieren vermag, als das andere Gerichtspersonen könnten. Dem Rechtspfleger obliegt bereits jetzt die Beratung und Kontrolle der Betreuer. Er hat deshalb den besten Überblick über die Qualität der Betreuerarbeit, über die Belastungsprofile und die besondere Eignung im Einzelfall.

Gleichzeitig wird mit unserem Antrag die Ablauforganisation im Gericht verbessert. Die bisherige Aufgabenzergliederung in diesem Bereich wird in sinnvollem Maße abgebaut. Die Aufgabendelegation gewährleistet zudem einen möglichst ökonomischen Einsatz der personellen Ressourcen bei den Gerichten.

Wir sind zudem der Auffassung, dass eine richtig verstandene Justizreform am besten und am wirksamsten im bewährten System erfolgen kann. Das hat sich schon bei den Handelsregistersachen gezeigt. Unverständlich bleibt deshalb, dass Sie von den Koalitionsfraktionen im Nachlassbereich die Übertragung von Aufgaben auf die Rechtspfleger, die wir in einem Antrag gefordert hatten, vor kurzem abgelehnt haben.

Nicht von der Öffnungsklausel erfasst werden die auch weiterhin dem Richter zugewiesenen Grundentscheidungen. Dabei geht es um die Anordnung der Betreuung, die Festsetzung und Erweiterung der Aufgabenkreise sowie die Verlängerung und Aufhebung der Betreuung. Die Überprüfungsfrist ist von fünf auf sieben Jahre verlängert worden. In vielen Fällen wird dadurch der bislang erhebliche Verfahrensaufwand verringert. Angesichts dieser

verlängerten Frist sollte aber möglichst oft von der Möglichkeit vorläufiger Betreuungen Gebrauch gemacht werden. Dies ist in einer großen Anzahl von Verfahren ein geeigneter Weg, um Betreuung auf den gleichzeitig notwendigen und kürzestmöglichen Zeitraum zu begrenzen.

§ 19 Abs. 3 des Rechtspflegergesetzes sieht zur Vermeidung von Regelungslücken bezüglich der Grundentscheidungen der Richter die Anwendung der §§ 65 ff. FGG vor. Sollten gleichwohl noch zusätzliche Regelungen notwendig werden, sind gemäß § 200 FGG landesrechtliche Ausführungsbestimmungen möglich. Auf diesen Auffangtatbestand galt es hinzuweisen.

Insgesamt sind die in unserem Antrag enthaltenen Vorschläge notwendig. Dadurch werden sinnvolle Lösungen angeboten. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Helberg. - Jetzt hat Herr Kollege Bäumer das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reformen und die Diskussionen über Reformen sind für die Politik ein ständiger Begleiter. Ganz egal, ob Reformen aufgrund finanzieller Veränderungen oder veränderter Lebensbedingungen erforderlich sind, ist es gut, wenn wir hier im Parlament Reformprozesse in Gang bringen; denn dies ist unsere Aufgabe, und dafür haben uns die Menschen gewählt. Ich bin deshalb Ihnen, Herr Helberg, und Ihrer Fraktion dankbar dafür, dass Sie mit Ihrem Antrag Bereitschaft zu Reformen erkennen lassen und bereit sind, eigene Ideen einzubringen.

Die Reform der Justiz ist ja kein neues Thema. Parteiübergreifend wird seit vielen Monaten auf Landes- und Bundesebene, im Bundestag, im Bundesrat und in Länderparlamenten über dieses Thema gesprochen. Unsere Justizministerin, Frau Heister-Neumann, hat im letzten Jahr einen bundesweit beachteten Vorschlag einer Expertengruppe zur Justizreform vorgestellt, der viele wichtige Ansätze enthält. Wir in Niedersachsen stellen uns den Aufgaben der Zukunft. Das gilt auch für den Bereich der Justiz.

Nun aber zurück zu Ihrem Antrag, der sich mit den Themen Betreuung und Vorsorgevollmacht beschäftigt. Ich stimme Ihnen zu, dass es gerade im Bereich der Betreuung dringend einer umfassenden Reform bedarf. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe:

Erstens. Seit Jahren steigen die Kosten im Betreuungsbereich mit unvermindert hoher Geschwindigkeit. Im Jahr 2004 lag der Haushaltsansatz für Entschädigungen nach dem Betreuungsgesetz bei 45 Millionen Euro. Für das Jahr 2005 sind sogar 49,6 Millionen Euro veranschlagt worden.

Zweitens. Die demografische Entwicklung der Bevölkerung wird ebenfalls zu einem weiteren Anstieg der Betreuungen führen. Allein in meiner Heimatgemeinde wird sich die Zahl der Menschen über 80 Jahre bis zum Jahr 2020 mehr als verdoppeln. Betreuungen sind zwar nicht immer zwangsläufig vom Alter des Betreuten abhängig, aber naturgemäß steigt mit dem Alter der Bürgerinnen und Bürger die Wahrscheinlichkeit einer Betreuung.

Der von Ihnen, Herr Helberg, gemachte Vorschlag klingt auf den ersten Blick nicht unsympathisch. Man nehme die Bereiche Auswahl, Bestellung und Entlassung eines Betreuers, entlaste die im Vergleich zu den Rechtspflegern höher bezahlten Richter von diesen Aufgaben, übertrage die Aufgaben auf die im Vergleich zu den Richtern nicht ganz so hoch bezahlten Rechtspfleger - und fertig ist die Binnenreform der Justiz. - So einfach geht das aber nicht.

Ich habe im Vorfeld meiner heutigen Rede mit Bediensteten meines örtlichen Amtsgerichts gesprochen. Als Sparkassenbetriebswirt und Nichtjurist habe ich die Vertreter des Gerichtes gefragt: Was haltet ihr von diesem Vorschlag? - Die Antwort lautete - das ist für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, sicherlich ernüchternd -: Nichts. - Die von Ihnen vorgeschlagene Öffnungsklausel ist nur eine abgespeckte Variante von dem, was im Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz anfänglich geplant war. Ursprünglich sollten Betreuungsangelegenheiten umfassend auf die Rechtspfleger übertragen werden. Das wäre vernünftig gewesen, war aber im Bundestag politisch leider nicht durchsetzbar.

(Zustimmung bei der CDU)

Durch Ihren Vorschlag würde die momentan vorhandene Einheitsentscheidung des Richters in Betreuungsangelegenheiten unnötig und kosten

trächtig auseinander gerissen. Bei Ihrem Vorschlag müssten sich sowohl der Richter als auch der Rechtspfleger mit einem Betreuungsvorgang beschäftigen. Nach Ihrem Vorschlag müsste der Richter weiterhin die Betreuung anordnen und der Rechtspfleger den Betreuer auswählen. Bei beiden Vorgängen müsste außerdem der Betreute jeweils von beiden Vertretern der Justiz angehört werden. Eine unbürokratische und kostengünstige Bearbeitungskette sieht anders aus. Ich will das einmal ganz einfach und klar ausdrücken: Je mehr Personen eine Akte anfassen müssen, desto teurer wird das für den Staat.

(Beifall bei der CDU - Norbert Böhlke [CDU]: Ganz genau!)

Wenn Sie, Herr Helberg, das ganzheitlich betrachten, werden Sie zwangsläufig zu dem gleichen Ergebnis kommen. Im Rechtsausschuss wird noch Gelegenheit sein, die Argumente zu vertiefen.

Das gilt übrigens auch für Ihren Vorschlag, zeitlich befristete vorläufige Betreuungen zu stärken. Diese Form der Betreuung sollte den absoluten Ausnahmefall darstellen und nicht die Regel. Mit der von Ihnen geforderten Stärkung würden wir das eindeutig unterlaufen.

Ich will aber nicht nur kritisieren. Ihr Hinweis auf die Vorsorgevollmachten ist sehr wichtig. Je mehr Menschen in Niedersachsen ihre Zukunft durch eine Vorsorgevollmacht absichern, umso weniger Menschen brauchen zukünftig eine Betreuung. Die Vorsorgevollmacht ist eine gute, sinnvolle und vor allem kostengünstige Alternative zu einer Betreuung. Unsere Landesregierung hat das schon sehr früh erkannt und kräftig für Vorsorgevollmachten geworben. Dafür sind wir der Landesregierung und vor allem Frau Ministerin Heister-Neumann sehr dankbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der engagierte Einsatz der Justizministerin hat dazu geführt, dass das Ministerium bis heute annähernd 113 000 Exemplare dieser Vollmacht auf Anforderung per Post an die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen versandt hat. In dieser Zahl sind die Vorsorgevollmachten nicht enthalten, die von Benutzern des Internets direkt aus dem Internet abgerufen und heruntergeladen wurden. Dann kommt sicherlich noch ein Mehrfaches dazu.

Auch die Amtsgerichte vor Ort arbeiten kräftig mit. Nach meinen Informationen weisen sie die Bürgerinnen und Bürger im Land kräftig auf die Nutzung von Vorsorgevollmachten hin. Viele Gerichte bieten darüber hinaus eine kostenfreie Verwahrung von Vorsorgevollmachten an. Es wird also schon sehr viel getan - und das in allen Bereichen des Landes.

Dieses nach unserer Einschätzung sehr starke Engagement noch weiter zu verstärken, Herr Helberg, ist sicherlich eine ehrenwerte Forderung, aber ob sie wirklich erforderlich ist, möchte ich doch infrage stellen. Halten wir es doch mit John F. Kennedy: Fordern wir nicht, dass der Staat mehr tut, sondern erklären wir, dass auch wir mehr tun wollen.

Broschüren und Formulare sind gedruckt oder stehen im Internet bereit. Was hindert uns Abgeordnete daran, bei unseren Gesprächen, Veranstaltungen, Auftritten und Reden über das Thema Vorsorgevollmacht zu sprechen? - Das sollten nicht nur die Rechtspolitiker, sondern alle 183 Parlamentarier des Landes tun.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen:

Erstens. Reformen im Bereich der Justiz sind wichtig und erforderlich.

Zweitens. Nicht überall, wo „Reform“ draufsteht, ist auch wirklich Reform drin.

Drittens. Vorsorgevollmachten sind eine sinnvolle Alternative zu den Betreuungen sowohl für die Bürgerinnen und Bürger im Land als auch für das Land Niedersachsen.

Ich freue mich auf eine Vertiefung der Argumente im Ausschuss und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Briese, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir finden den Antrag in der Sache gut und richtig. Ich kann mich deshalb einigermaßen kurz fassen. Es wurde gesagt, dass wir mit der Verabschiedung des neuen Betreuungsrechts und des Rechtspflegergesetzes nunmehr die Möglich

keit haben, in Niedersachsen Aufgaben von Richtern auf die Rechtspflegerinnen - meistens üben Frauen diesen Beruf aus - zu übertragen. Deshalb sollten wir das auch zügig tun.