Protocol of the Session on May 19, 2005

(Bernd Althusmann [CDU]: Langsam wird Ihre Rede auch zur Folter!)

Dem setzen wir im Niedersächsischen Landtag heute ein klares Zeichen entgegen. Ich freue mich darüber, dass der Antrag gemeinsam beschlossen wird. Das ist ein eindeutiges und unmissverständliches Signal gegen jede Form des Menschenquälens und der Folter. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Vielen Dank. - Herr Kollege Lehmann hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung von Folter ist unstreitig ein Thema, das alle demokratischen Parteien uneingeschränkt unterstützen. Deshalb ist es auch sehr lobenswert - das ist eben schon gesagt worden -, dass im Rechtsausschuss alle Landtagsfraktionen der vorliegenden Beschlussempfehlung zugestimmt haben. Das wird ohne Zweifel auch heute der Fall sein.

Indem künftig ein nationales Kontrollgremium eingerichtet wird - so sieht es ja das Zusatzprotokoll vor -, wird eine regelmäßige, flächendeckende

Überprüfung des Umgangs mit Gefangenen gewährleistet. Wir alle sind uns einig, dass das notwendig ist. Es ist gut, dass sich Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland aktiv und offensiv an der Bekämpfung von Folter beteiligen. Auch in einem Rechtsstaat wie dem unsrigen - Herr Kollege Briese hat es gerade gesagt - kann es nicht per se ausgeschlossen werden, dass Folter angewendet wird - auch wenn sie so gut wie nie vorkommt, was ich noch einmal betonen möchte.

Darum ist es sicherlich notwendig, ein Kontrollnetz aufzubauen und auch Personen und Institutionen, die nicht unmittelbar zur Exekutive gehören, einzubeziehen. Trotzdem ist es mir wichtig, an dieser Stelle noch einmal festzustellen, dass das Thema Folter in unserem Land wirklich eine untergeordnete Bedeutung hat, und zwar nicht zuletzt aufgrund unseres Rechtssystems und vor allem weil unsere unabhängige Justiz jedem Folterverdacht nachgeht und Folter entsprechend verurteilt. Ich meine, man sollte keinen Beigeschmack geben, indem man sagt, dass gerade bei uns in der Bundesrepublik Sachen unter den Tisch gekehrt werden, die vielleicht in anderen Staaten an der Tagesordnung sein mögen - bei uns jedenfalls nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Indem wir das Zusatzprotokoll zur Anti-FolterKonvention auf Bundesebene umsetzen werden - dieser Antrag dient ja letztlich dazu, das zu beschleunigen -, setzen wir gleichsam ein Zeichen an alle Länder, die mit uns zusammenarbeiten wollen. Ich betone das ausdrücklich, weil es ja Länder gibt, die gerade auf europäischer Ebene mit uns zusammenarbeiten wollen und in denen es in diesem Bereich sicherlich noch Nachholbedarf gibt. Es ist sicherlich ein großes Anliegen und eine große Verantwortung für uns, besonders darauf zu achten, dass das Folterverbot umgesetzt und eingehalten wird.

Ungeachtet dessen wäre es sinnvoll - um das Thema auf die Landesebene herunterzubrechen -, die Bundesländer in ihrem Zuständigkeitsbereich selbst die Kontrolle vornehmen zu lassen und das Ganze nicht nur auf nationaler Ebene einzurichten. Denn hier würden eine wesentlich direktere Zugriffs- und Kontrollmöglichkeit bestehen. Auch würden überbordende Kosten vermieden werden, wenn man das hier auf der Ebene der Justiz einrichten könnte.

Entscheidend ist letztlich aber, dass dem Land durch eine Kommission keine zusätzlichen Kosten entstehen. Daher ist der Antrag ergänzt und im Ausschuss letztlich einvernehmlich beschlossen worden. Ich bitte deshalb um Ihre Unterstützung, die ich nicht infrage stelle. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Das Wort hat Frau Kollegin Grote.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits vor 60 Jahren wurde die Charta der Vereinten Nationen und vor 57 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Deutschen Bundestag verabschiedet. Doch nicht immer war die Ablehnung der Folter so harmonisch - in Niedersachsen zuletzt nicht aufgrund der Tatsache, dass der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht vor rund einem Vierteljahrhundert mit seinem Buch „Der Staat - Idee und Wirklichkeit“ eine heftige Debatte über die Einführung der Folter provoziert hatte.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja, daran sollte man denken!)

Zur Erinnerung: Ernst Albrecht hatte ausgeführt, dass die Grundrechte auf Leben und Freiheit von grausamer, unmenschlicher Behandlung sowie insbesondere von Folter keine absoluten Rechte seien und daher für den Staat keine unüberschreitbare Grenze darstellen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hört, hört!)

Es ging noch ein Stück weiter - leider, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Der ehemalige Ministerpräsident konstruierte in seinem Buch Situationen, in denen er es sogar für sittlich geboten hielt, Informationen durch Folter zu erzwingen. Umso mehr freut es mich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, sich nunmehr von der Auffassung Ihres ehemaligen Ministerpräsidenten gelöst und den Konsens mit uns gesucht haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dies ist wichtiger denn je, denn - meine Vorredner haben es schon ausgeführt - in über 130 Ländern auf der Erde wurde nach Angaben von amnesty

international in den vergangenen Monaten gefoltert und misshandelt. Dies macht deutlich, dass die Ratifizierung des Zusatzprotokolls der UN-AntiFolter-Konvention notwendiger ist denn je. Elementarer Bestandteil eines jeden Rechtsstaates ist das absolute Verbot von Folter. Trotzdem wird die Zulässigkeit von Folter national und international immer wieder sehr emotional diskutiert. Auch darauf sind meine Vorredner schon eingegangen. Es werden auch heute immer wieder Stimmen laut, die eine Relativierung des Folterverbotes fordern. Aber die Absolutheit des Verbotes ist der Ausfluss aus dem Grundsatz der Garantie der Würde des Menschen, seinem freien Willen und dem Recht auf Freiheit vor der Willkür anderer. Nicht ohne Grund befindet sich in Artikel 1 unseres Grundgesetzes kein Gesetzesvorbehalt.

Eine Güterabwägung in Bezug auf die Menschenwürde ist nicht mit dem Wertesystem unserer rechtsstaatlichen Gesellschaft vereinbar. Besonders deutlich wird dies in Artikel 2 Abs. 2 der UNKonvention gegen Folter. Hier ist geregelt, dass auch außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art - seien es nun Kriegsgefahr oder Krieg, innenpolitische Instabilität oder auch sonstiger öffentlicher Notstand- keine Argumente für die Zustimmung oder Durchführung von Folter sein dürfen.

Meine Damen und Herren, wenn es nach dem Willen des Bundes gegangen wäre, wäre die Ratifizierung des Zusatzprotokolls bereits seit langem vollzogen. Aber u. a. Niedersachsen hat sich vor einer endgültigen Zusage bisher immer gescheut. Durch die aktuelle Einigung aller Fraktionen im Niedersächsischen Landtag scheint die Chance auf Zustimmung zur Ratifizierung größer als vorher zu sein.

Wir alle sind uns einig, dass eine Kontrolle auf Einhaltung der Menschenrechte notwendig ist und dass es natürlich sinnvoll ist, bereits vorhandene niedersächsische Kontrollgremien mit einzubeziehen. So werden dann Synergieeffekte genutzt, und die Kosten ufern nicht aus.

Ein Beispiel für bereits vorhandene und intakte Kontrollgremien in Niedersachsen sind die Beiräte in den Justizvollzugsanstalten. Hier leisten ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger ausgezeichnete Arbeit, die den einzelnen Gefangenen ein Stück Sicherheit gewährleisten und gleichzeitig zum Frieden in jeder einzelnen Justizvollzugsanstalt beitragen. Im Gegenzug - das muss man sich vor Augen führen - erhalten die Ehrenamtlichen

eine Aufwandsentschädigung von weniger als 11 Euro pro Monat. Kostengünstiger kann auch ein anderes Kontrollsystem nicht arbeiten. Deshalb ist es für mich umso unverständlicher, weshalb die Anzahl der ehrenamtlichen Beiratsmitglieder von ehemals 94 auf mittlerweile 89 gekürzt wurde, obwohl die Justizvollzugsanstalt in Sehnde hinzugekommen ist.

Durch die gemeinsame Entscheidung, der Ratifizierung zuzustimmen, wage ich die Hoffnung, dass die Reduzierung der Beiratsmitglieder rückgängig gemacht wird, um eine effiziente und zugleich kostengünstigere Arbeit zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn wir müssen uns immer vor Augen halten: Politische Forderungen fangen bei und vor der eigenen Haustür an. Alles steht unter dem bekannten Satz: Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Ministerin Heister-Neumann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann keinen gerecht denkenden Menschen geben, der das Ziel der UN-Anti-FolterKonvention nicht für unterstützenswert hält. Meine Damen und Herren, ich kenne Herrn Albrecht, unseren ehemaligen Ministerpräsidenten, und ich bin davon überzeugt, er zählt zu den gerecht denkenden Menschen. Daher habe ich mich eben über Ihre Aussage wundern müssen. Denn Bücher muss man im Zusammenhang lesen, Frau Grote. Deshalb sollte man mit derartigen Äußerungen sehr vorsichtig sein.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das muss man im Zu- sammenhang lesen!)

Es ist auch sehr schade, dass Sie die Diskussion, die wir heute angesichts dieses Themas führen, mit solchen Dingen belasten;

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Belasten! In der Tat! Das stimmt!)

denn ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe mich vor dem Hintergrund, was Herr Briese und andere Abgeordnete hier vorgetragen haben, darauf gefreut, dass die Beschlussempfehlung einstimmig gefasst werden wird, und zwar vor dem Hintergrund der einstimmig abgeschlossenen Beratungen sowohl im federführenden Ausschuss als auch im mitberatenden Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Auch ich stimme diesem Anliegen ausdrücklich zu, und zwar mit großer Überzeugung.

Das Zusatzprotokoll, um dessen Ratifizierung es hier geht, sieht die Schaffung eines unabhängigen nationalen Präventionsorgans vor, das die Einhaltung der Konvention zu überprüfen und letztlich auch zu gewährleisten hat. Aber allein an diesem Punkt ist zunächst in der Innenministerkonferenz im Juli 2004, später aber auch insbesondere in den Landesjustizverwaltungen Kritik laut geworden. Deutschland gehört zu denjenigen Staaten, meine Damen und Herren, in denen Gewahrsamseinrichtungen der Polizei, der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und der Justizvollzugsanstalteinrichtungen bereits in vielfältiger Weise kontrolliert werden. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von der Fach- und Dienstaufsicht, obwohl auch diese als staatliche Maßnahmen natürlich einen hohen präventiven Ertrag haben. Ich spreche hier vor allem über eine Transparenz dieser Einrichtungen in einem demokratischen Sinne.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Grote?

Ja.

Bitte sehr!

Frau Ministerin, eben haben Sie angesprochen, dass man das Buch im Zusammenhang lesen muss. Kennen Sie die erste Auflage? - In der zweiten wurde es relativiert. Aber in der ersten

Auflage - darüber bin ich genauso schockiert wie Sie - stand leider genau der Inhalt, den ich hier vorgetragen habe. Umso mehr freut es mich, dass wir jetzt zu einer anderen Entschließung gekommen sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Frau Grote, ich glaube, dass das Buch - ob erste oder zweite Auflage - niemals Thema irgendeiner Entschließung gewesen ist. Wir haben es heute mit einer besonderen Entschließung zu der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zu tun. Darauf sollten wir wieder zurückkommen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte auf das Kontrollsystem und die Wichtigkeit der Transparenz insbesondere in Bezug auf die Vertreter der Öffentlichkeit zurückkommen, die eben nicht von staatlichen Stellen abhängig sind. Diese Vertreter der Öffentlichkeit können bei uns in den freiheitsentziehenden Einrichtungen vorsprechen. Sie können sie besuchen - zuletzt war Herr Meihsies in Lüneburg -, Sie können auch mit Presse dort hineingehen. Wir haben eine Transparenz, die nach meiner Meinung vorbildhaft ist.

Meine Damen und Herren, für den Justizbereich kann ich das beispielhaft darlegen, was ich auch getan habe. Aber das gilt genauso für meine Kollegin Frau Dr. Ursula von der Leyen und auch für meinen Kollegen Herrn Schünemann; denn die können das für ihre Häuser in gleicher Weise tun.

Das Strafvollzugsgesetz hat mit der Einrichtung von Anstaltsbeiräten eine weitgehende Beteiligung dieser Öffentlichkeit am Strafvollzugsgeschehen ermöglicht. Ich kann Ihnen versichern - das ist ja von den Vorrednern auch vorgetragen worden -: Die Anstaltsbeiräte machen das in einer ganz hervorragenden Art und Weise. Sie zeigen ein großes Engagement.

Die Justizvollzugseinrichtungen unterliegen der parlamentarischen Kontrolle.

(Zuruf von der SPD: Das ist auch gut so!)