Protocol of the Session on May 14, 2003

bewerkstelligen wir die größte Lehrereinstellungsaktion, die dieses Land je erlebt hat, Herr Jüttner. Das machen wir nicht, weil wir irgendwo einen Dukatenesel im Stall haben. Das machen wir auch nicht, weil das mal eben Portokasse ist. Das machen wir deshalb, weil es in einem Land keine andere Ressource als das Humankapital, als unsere Kinder und die Zukunft unserer Kinder, gibt. Damit betreiben wir Zukunftspolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Jüttner, das machen wir, weil wir wissen, dass wir jetzt noch Lehrer haben und Lehrer noch am Markt sind.

Ich frage Sie: Wie tief soll unser Niveau, auf dem wir uns derzeit befinden, eigentlich noch sinken? Reicht Ihnen bei der PISA-E-Studie nicht der 10. und der 11. Platz von 14 Bundesländern, die mitgemacht haben? Wie tief muss das Niveau an diesen Schulen Ihres Erachtens noch sinken? - Wir bemühen uns, hier eine Qualitätsoffensive zu starten, meine Damen und Herren. Wir wollen gar nicht erst anfangen, ideologisch verbrämte, zementierte dicke Bretter, wo immer sie auch sitzen mögen - ich befleißige mich da mal der äußersten Höflichkeit -, zu bohren. Wir wissen, dass wir mit Ihnen an einer bestimmten Kante nicht weiterkommen. Wir haben Ihnen immer Gemeinsamkeit angeboten. Wir bieten Ihnen auch jetzt Gemeinsamkeit an, indem wir sagen, dass wir unsere Ressourcen in einer Zeit, in der wir eine so schlimme finanziellen Situation haben, bündeln und ganz eng

am Kind ansetzen müssen. Wir können uns diesen Luxus nicht leisten und werden ihn uns nicht leisten, Herr Gabriel, so wie Sie es 13 Jahre gemacht haben:

(Beifall bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie machen es doch gerade!)

Jedem alles zu versprechen und nichts zu halten, das machen wir eben nicht, und das werden wir auch in der Zukunft nicht machen. Deswegen haben wir ein bildungspolitisches Gesamtkonzept erarbeitet,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Schulden!)

das stichhaltig ist, das durchlässig ist und das pädagogisch ist.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Und das nicht finanziert ist!)

Es ist doch völlig klar, dass wir bei bestimmten ideologischen Ausrichtungen oder Wünschen nicht auf einer Linie mit Verbänden sein können. Konstruktive Kritik ist uns recht.

Erinnern Sie sich - Frau Korter, Sie waren damals nicht dabei - doch einmal an die Beratung Ihres Schulgesetzes. Eine 100-prozentige Ablehnung! Wenn wir jetzt eine 80-prozentige Zustimmung haben, meine Damen und Herren, dann ist das ein Riesenerfolg, mit dem wir hervorragend leben können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es wäre wirklich noch sehr viel zu sagen. Herr Jüttner, zu Ihrem Bericht - oder wie immer Sie es nennen wollen - habe ich mir so vieles aufgeschrieben. Aber vielleicht lohnt es auch gar nicht. Wir bieten Ihnen an, es weiter zu diskutieren.

(Heidrun Merk [SPD]: So bestimmt nicht!)

Wir bieten Ihnen noch einmal Zusammenarbeit im Interesse der Kinder an. Auf die pädagogischen Inhalte ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende eingegangen. Wir haben das Vertrauen der Eltern und der Lehrerinnen und Lehrer. Wir wissen, dass es an der einen oder anderen Ecke auch Probleme geben wird. Wir werden uns bemühen, diese Probleme aufzugreifen. Ich meine, da sind wir auf einem guten Weg. Meine Damen und Herren, ent

weder Sie kommen mit, oder Sie lassen es. Wir werden diesen geraden Weg der Schulpolitik in Niedersachsen auf jeden Fall weitergehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile nun Frau Harms von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Da auch das Verhältnis der Politik zur Lehrerschaft angesprochen worden ist und dazu auf diese Faule-SäckeDebatte, die wir hier in Niedersachsen vor etlichen Jahren erlebt haben, zurückgegriffen worden ist, möchte ich aus aktuellem Anlass insbesondere die Kollegen von der FDP-Fraktion ermahnen.

Herr Schwarz, Sie hatten auch davon gesprochen. Ich glaube, dass Lehrerschelte in keinem Fall ein guter Weg ist. Die FDP-Fraktion, teilweise sehr stark unterstützt aus den Reihen der CDUFraktion, nimmt im Land oder auch hier im Plenum so Stellung, dass sie die Schuld für schlechte PISA-Ergebnisse so genannten Alt-68er-Kuschelpädagogen in die Schuhe schiebt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen aus meinen Besuchen in Schulen sagen, dass dieser Begriff durchaus als Schimpfwort aufgefasst wird und dass Sie die Praxis dieser Pädagogen, die Sie vielleicht meinen - ich weiß ja nicht, welche Sie meinen -, einmal in der Praxis überprüfen sollten, sich überhaupt einmal damit befassen sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das schicke ich einmal zum Stil der Auseinandersetzung voraus.

Mir kam es heute bei dieser groß aufgehängten schulpolitischen Debatte so vor - und eine Regierungserklärung ist ja nicht irgendetwas -: Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln. Wieder einmal ist die Schulpolitik an Statistik über Versorgung mit Lehrern festgemacht worden. Das haben wir in den letzten acht, neun Jahren immer wieder erlebt.

Frau Körtner, Herr Busemann, ich habe mir sagen lassen, dass der Beginn der rot-grünen Regierung 1990 auch mit einer massiven Einstellungswelle für Lehrerinnen und Lehrer einherging. Damals war die Zahl der Einstellungen noch größer als heute. Wir haben damals die Versorgung mit Lehrern in Niedersachsen überhaupt erst einmal auf bundesweites Niveau gebracht.

Das sei auch jedem Neubeginner gestattet. Sie haben von unserer schulpolitischen Sprecherin gehört, dass wir das niemals kritisieren würden. Aber die historische Leistung werden Sie erst vollbringen, wenn Sie eine solche Einstellung, ein solches Niveau von Versorgung dauerhaft halten und wenn Sie Haushalte vorlegen, in denen Sie zeigen, dass Sie das auch rechnen können und dass das nicht zu Generationenungerechtigkeit führt, weil diese Haushalte insgesamt nicht mehr zu finanzieren sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hätte heute sehr viel dafür gegeben, wenn ich nur einen oder zwei Gedanken von Herrn Staatssekretär Meyerding, der dieser Debatte sehr aufmerksam gefolgt ist, laut gehört hätte.

Meine Damen und Herren, eine Regierungserklärung, das habe ich schon gesagt, weckt hohe Erwartungen. Ich hatte die Erwartung, gerade auch weil Sie doch sehr viele Lorbeeren einheimsen, Herr Busemann - das sei Ihnen noch einmal als neuem Minister bestätigt -, dass Sie weit über eine buchhalterische Erklärung zur Lehrereinstellung hinausgehen, insbesondere weil diese Regierungserklärung nur eine Woche nach der Anhörung zum Schulgesetz abgegeben wird.

Das größte Problem, das ich bisher gesehen habe, was das Ergebnis der Schulpolitik in Niedersachsen und in der Bundesrepublik angeht, ist die soziale Ungerechtigkeit des Schulsystems, dass offensichtlich soziale Schranken zementiert statt abgebaut werden. Ich finde, dass wir nach IGLU - dazu wünsche ich mir wirklich eine Reflexion, Herr Busemann - ein zweites, ganz großes Problem zu bearbeiten haben. IGLU stellt fest, dass Kinder, die in der Grundschule nur zu 10 % zum Lesen stark motiviert werden müssen, mit 15 Jahren zu 40 % keine Lust mehr haben zu lesen. Ich finde, das ist ein entsprechendes Ergebnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Schulen stärken die Kinder nicht, nein, da passiert etwas ganz anderes. Mir ist da wieder ein Filmtitel in den Kopf gekommen, Herr Busemann: „Liebling, wir haben die Kinder geschrumpft.“ In den Schulen wird Kindern die Lernfreude abgewöhnt. Kinder haben keinen Spaß mehr am Entdecken, je länger sie in der Schule sind. Das ist das größte Problem. Mehr Versorgung mit Lehrern, mehr vom Gleichen - das ist hier so oft gesagt worden - wird daran wenig ändern, Herr Busemann.

Deshalb bin ich unter dem Strich enttäuscht, dass Sie zu den eigentlichen Problemen, die wir in der Schule zu bewältigen haben, in dieser ersten Regierungserklärung gar nichts gesagt haben. Das ist ein bisschen auch das Muster Ihrer Vorgängerin. Immer dann, wenn man zu den großen Problemen keine Antwort hatte, wurde über die Versorgung mit Lehrern diskutiert. Aber das ist tatsächlich nicht alles, was wir von Ihnen als Kultusminister erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Dr. von Danwitz von der CDU-Fraktion das Wort. Sie haben noch eine Redezeit von 3,5 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe im Zusammenhang mit der Weiterfinanzierung unserer Sozialpädagogen überhaupt nicht, warum ausgerechnet Sie von der SPD-Fraktion uns Vorwürfe machen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben einen desolaten Haushalt übernommen und stellen trotzdem 2 500 zusätzliche Lehrkräfte ein, mehr als in 13 Jahren Ihrer Regierung zusammen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Sie von der SPD-Fraktion haben das Impulsprogramm Sozialpädagogen auf den Weg gebracht, es aber leider nur bis Ende 2003 abgesichert und nicht für eine mittelfristige Finanzplanung gesorgt.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben darüber hinaus so finanziert, wie wir uns das nicht vorstellen, nämlich dass man die Kommunen zwingt mitzufinanzieren und dann nach Auslaufen des Programms heimlich darauf hofft, dass die Kommunen dieses Programm weiter finanzieren.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Wie machen Sie das jetzt mit den Ganztagsschu- len?)

So stellen wir uns das nicht vor. Bei uns wird langfristig finanziert, Herr Ex-Ministerpräsident, nicht nur angeschoben.

(Beifall bei der CDU)

Wir sorgen für Planungssicherheit. Sie haben lange genug Zeit gehabt, dafür zu sorgen. Sie haben das jahrelang versäumt. Wir werden uns im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen 2004 mit der Finanzierung der wichtigen Arbeit der Sozialpädagogen, die auch wir anerkennen, dann hoffentlich mit Ihnen gemeinsam um die Finanzierung kümmern. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Busemann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Abschluss der Debatte noch ein paar grundsätzliche Ausführungen.