Protocol of the Session on May 14, 2003

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, was uns von der FDP ganz besonders am Herzen lag. Ich nenne hier das Stichwort Dialog. Der Dialog mit allen Beteiligten wird in diesem Gesetz erstmals festgeschrieben. Wir sind der Überzeugung, dass die Verbesserung des Bildungssystems nur gelingen kann, wenn sich in Zukunft eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Erziehungs- und Ausbildungspartnern, also Eltern, Lehrern und Schülern, entwickelt. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass Schule allein die bildungsrelevanten Fragen der Zukunft lösen könnte.

(Beifall bei der FDP – Zustimmung bei der CDU)

Wir werden den Eltern Hilfestellung geben müssen, wie sie ihre Kinder auf dem Wege durch Kindergarten und Schule begleiten können. Das kann in letzter Konsequenz auch zum Andocken einer Elternschule an unser System führen. Das ist übrigens ein Gedanke, der von dem ehemaligen Justizminister Pfeiffer mit in die Diskussion eingebracht worden ist, und zwar nicht ohne Grund. Wenn sich Schülerinnen und Schüler im Alter von zwölf Jahren morgens um 6 Uhr unter Brücken zum Rauchen treffen und planlos in ihren Alltag hineinrutschen, dann hat das nur am Rande etwas mit Schulpolitik zu tun. Dann ist das eine gesellschaftliche Aufgabenstellung, die hier zu erfüllen ist.

Für uns war es darüber hinaus wichtig, dass der Begriff Durchlässigkeit festgeschrieben wird. Dieser Begriff wird in der Öffentlichkeit ausgesprochen stark strapaziert. Wir wollen die Durchlässigkeit in allen Richtungen. Über Erlasse und Verordnungen sind schülergerechte Lösungen zu formulieren.

Wir hören übrigens gerade in der Diskussion vor Ort auch schon mal die Frage: Was wollt ihr eigentlich? In Deutschland kann man zu jeder Zeit und überall einen vernünftigen Abschluss machen und das sogar kostenlos. Der eine macht ihn früher,

der andere macht ihn später, man muss es nur wollen. Wir wollen die Durchlässigkeit weiter verbessern, damit jeder seine Chancen nutzen kann.

Man muss sich auch von der Vorstellung lösen, dass Schüler in einem dreigliedrigen Schulsystem unterschiedlich bewertet werden. Ich will klarstellen, dass für die FDP derjenige, der im praktischen Bereich seine Fähigkeiten unter Beweis stellt, mit demjenigen gleichgestellt sein muss, der auf wissenschaftlicher Ebene glänzt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir das dreigliedrige Schulsystem mit einem eigenen Profil in jeder Schulform wollen, dann liegt unser Augenmerk besonders auf der Stärkung der Hauptschule. Es ist ganz einfach: Wenn ich kein vernünftiges Angebot mache, dann wird dieses Angebot auch nicht angenommen. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass der Hauptschule wieder die Anerkennung entgegengebracht wird, die sie verdient.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dazu müssen wir die Lehrpläne entrümpeln. Wir müssen den Hauptschülern die Möglichkeit geben, ihre Stärken zu entfalten; sie dürfen nicht durch überfrachtete Lerninhalte immer wieder mit ihren Schwächen konfrontiert werden.

Neben der Vermittlung und Erweiterung von Grundfertigkeiten - Lesen, Schreiben, Rechnen brauchen wir ein attraktives Angebot, das praxisbezogen und berufsorientiert ist. Dazu legen wir auch auf die Ausbildung von Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und auch Selbstdisziplin ganz besonders Wert. So wird es uns auch wieder gelingen, die Hauptschule in eine Anerkennung in unserer Gesellschaft hineinzubringen, wie es ihr zusteht.

Wir begrüßen die Verbindung Kindertagesstätte/Grundschule außerordentlich. Es ist gut, dass es dort in Zukunft eine enge Zusammenarbeit gibt, dass die Kindertagesstätten dem Kultusministerium angegliedert sind. Die wichtigsten Jahre im Leben eines Kindes sind im Alter von zwei, drei bis sechs, sieben oder acht Jahre. Da muss eine vernünftige Versorgung gewährleistet sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein anderer wesentlicher Punkt ist aus unserer Sicht die eigenverantwortliche Schule. Die letzte Landesregierung hat quasi im Handstreich versucht, die selbständige Schule zu etablieren. Das ging so schnell, dass noch nicht einmal die Schulträger darüber informiert worden sind, wie das gehen soll. Der Grundgedanke ist absolut in Ordnung. Aber so etwas braucht in der Tat Zeit. Wir setzen uns zum Ziel, die eigenverantwortliche Schule zu entwickeln. Die Lehrkräfte gehen mit dem höchsten Gut um, das unsere Gesellschaft besitzt, nämlich mit unseren Kindern. Es wird Zeit, dass wir an denen, die sich engagieren, nicht überall und ständig, manchmal als Alibi für eigenes Fehlverhalten, herumnörgeln, sondern dass wir ihnen in unserer Gesellschaft für ihre Arbeit den Rücken stärken.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dazu gehört auch die Stärkung der Stellung des Schulleiters, dessen Berufsbild sich in der Zukunft in einer eigenverantwortlichen schulischen Einrichtung völlig anders darstellen wird, als es heute noch der Fall ist. Wenn wir übrigens über die Verantwortung von Lehrkräften sprechen und diese Verantwortung von Lehrkräften anerkennen, dann müssen auch solch völlig überflüssige Erlasse - Herr Minister, das geben Sie sicherlich in Ihrem Haus weiter wie zum Beispiel der 30-Prozent-Erlass und ähnliche Dinge verschwinden. Sie bremsen das Fortkommen unserer leistungswilligen Schüler.

Wir wollen die sozialpädagogische Betreuung an den Hauptschulen fortsetzen. Das ist eine gute Initiative Ihrerseits. Das finde ich ganz prima. Das muss weiterentwickelt werden. Ich meine, dass wir da weiterhin einen Schwerpunkt setzen. Wir halten die Fortführung dieser Maßnahme für dringend erforderlich, um direkt vor Ort mit den Problemen unmittelbar in Berührung zu kommen.

Eine Anmerkung zur Kooperativen Gesamtschule: Wir haben den Bestandsschutz formuliert. Wir wollen keine weiteren Kooperativen Gesamtschulen einrichten. Alle Versuche, daraus zu interpretieren, wir wollten die Gesamtschulen von der Bildfläche verschwinden sehen, scheitern kläglich. Wir stehen zum Wettbewerb und lassen uns hier nicht das Wort im Munde herumdrehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU – Wolfgang Jüttner [SPD]: Das nen- nen Sie Wettbewerb?)

Im Übrigen kann man, wie gesagt, trefflich über unsere Systeme streiten. Wir haben uns für das vorliegende Konzept entschieden. Aber auch wir wissen, dass der Erfolg in aller erster Linie von der Qualität unserer Lehrkräfte abhängen wird.

Wir freuen uns darüber, dass die Hochbegabtenförderung ebenso im Gesetzentwurf enthalten ist. Wir bekommen dadurch übrigens auch schwere Aufgaben gestellt; denn die Frage der Diagnostik ist nicht einfach lösbar. Die Lehrkräfte müssen erst einmal damit umgehen können, wie überhaupt eine Hochbegabung zu erkennen ist. Das muss beobachtet und sorgfältig vorbereitet werden. Das ist begonnen worden und wird jetzt fortgesetzt. Wir haben das im Gesetz festgeschrieben. Dann müssen wir uns auch ernsthaft darum kümmern und die Frage der Diagnostik regeln. Ob das mit Angeboten aus dem Umfeld geschehen kann, muss man dann sehen.

Zum Thema Abitur nach zwölf Jahren sage ich Ihnen, Frau Korter, ganz eindeutig: Wir müssen konkurrenzfähig werden. Daran geht kein Weg vorbei. Die niedersächsischen Schüler geraten ins Hintertreffen, wenn wir hier nicht Vorsorgemaßnahmen ergreifen, was die Möglichkeit der Fortentwicklung des schulischen Bereichs und des Ausbildungsbereichs für unsere niedersächsischen Schüler betrifft. Deswegen stehen wir ganz eindeutig zum Abschluss des Abiturs nach zwölf Jahren.

Die Zeit läuft mir leider weg. Die Frage Ganztagsschulangebote wird von der FDP in der vorliegenden Fassung ganz massiv getragen. Wir verstehen das eindeutig als freiwilliges Angebot. Denn wir wollen auch die Eltern, die ihre Kinder an anderer Stelle versorgen - sei es zu Hause - oder mit anderen Aufgaben betreuen wollen, nicht vor den Kopf stoßen und hier eine Verpflichtung vorsehen. Wir halten es nach wie vor für wichtig, dass das Elternhaus als Grundlage unseres Lebensbereichs anerkannt wird.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich meine, dass über das, was wir vorgelegt haben, im Juni entschieden werden kann, und möchte Herrn Minister Busemann auf dem schwierigen Weg der Lehrereinstellungen die Daumen drücken

und ihm Glück wünschen, dass dieses Wahnsinnsvorhaben - denn jeder kann merken, was das bedeutet - in der Tat gelingen wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächster hat Herr Gabriel von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Busemann, nach dem, was Herr Klare gesagt hat, werden Sie verstehen, dass wir Sie nicht so einfach davonkommen lassen wollen.

Der Kernpunkt Ihrer Regierungserklärung ist, dass Sie sagen: Leute, wir stellen 2 500 Lehrer ein! Das ist doch eine solide Politik! - Das ist Ihre Botschaft. Ich meine, dazu muss man klar sagen: Erstens. Sie finanzieren das auf Pump. 190 Millionen Euro höhere Neuverschuldung!

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ja wohl ein Witz!)

Allein 100 Millionen Euro davon brauchen Sie für die Mehreinstellungen von Lehrerinnen und Lehrern. Zweitens - Herr Kollege von der FDPFraktion, das ist der Bruch des Wahlversprechens der FDP -: Es gibt nicht mehr Bildung in Niedersachsen, sondern weniger. Sie kürzen mit dem vorgelegten Nachtragshaushalt die Mittel für die Hochschulen um fast 25 Millionen Euro. Im nächsten Jahr sollen es 50 Millionen Euro werden. Sie bringen es fertig, 2 500 Lehrerstellen auf Pump zu finanzieren und im Wissenschaftsetat zu kürzen. Das ist gegen die Bildung gerichtet und keine Stärkung der Bildung. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Daher halten Sie auch kein Wahlversprechen. Sie verstoßen gegen die Interessen jungen Leute. Ich möchte gerne einmal wissen, wie Sie der Öffentlichkeit erklären wollen, dass Sie behaupten, eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung zu gewährleisten, während Sie es gleichzeitig fertig bringen, die jungen Leute in anderen Feldern - im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit und bei den Interessen der Studierenden -, die genauso wichtig sind, schlechter zu behandeln? Das müssen Sie einmal der Öffentlichkeit erläutern. Sie betreiben Etiket

tenschwindel. Sie tun nichts zugunsten des Bildungshaushalts.

Herr Klare, wenn Sie sagen, Sie hätten mehr Lehrerinnen und Lehrer als die Vorgängerregierung eingestellt, dann können Sie im Mathematikunterricht nicht besonders gut gewesen sein, denn - das hat Ihnen Herr Jüttner gesagt -: Wir haben in den letzten drei Jahren Finanzmittel für zusätzliche 3 100 Lehrkräfte bereitgestellt, und zwar ohne dass wir deshalb die Verschuldung erhöht hätten. Vielmehr haben wir in anderen Haushalten gekürzt.

(Lachen bei der CDU - Zuruf von der CDU: 2,95 Milliarden Euro!)

- Wir haben hinterher noch eine schöne Debatte über den Nachtragshaushalt. Da werden wir sehen, was der allgemeinen Konjunkturentwicklung geschuldet ist und wie stark Sie die Neuverschuldung erhöhen müssen, weil Sie Wahlversprechen abgegeben haben, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Darüber werden wir reden.

(Beifall bei der SPD)

Der Finanzminister hat vor der Wahl - das hat Herr Jüttner alles schon gesagt - deutlich auf die Risiken hingewiesen. Sie, Herr Klare, erklären hier, Sie würden 2 500 Lehrer zusätzlich einstellen. Während unserer Regierungszeit waren es 3 100. Also, mit Ihren Mathematikkenntnissen ist es nicht weit her. Aber wir wissen ja, dass das Bildungssystem schon länger in Schwierigkeiten ist als nur die von Ihnen zitierten 13 Jahre der SPD-Regierung. Denn Sie sind etwas früher zur Schule gegangen.

Ich finde es auch schon bemerkenswert, dass man überhaupt einen Streit über die Frage führt, ob man die Stellen für Sozialpädagogen an den Hauptschulen streichen soll oder nicht. Es wird ja wohl stimmen, was in der Zeitung stand, nämlich dass Sie darüber nachdenken, ob man den Wünschen Ihrer Fraktion folgen kann. Natürlich ist es vernünftig, die Stellen beizubehalten. Wenn man das Ganztagsschulprogramm so organisieren will wie Sie und den Kommunen die Finanzierung des Nachmittags aufbürdet, dann bedeutet das den Tod des Ganztagsschulprogramms. Wir alle wissen, dass es eine zentrale Aufgabe in Deutschland gibt, nämlich endlich mehr dafür zu tun, dass Kinder, Familie und Berufstätigkeit vereinbar werden. Nur dann kriegen wir wieder mehr Kinder in diese Gesellschaft. Sie machen das Gegenteil davon.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie von der CDU vorlegen, ist komplett unsolide. Das haben Sie zu verantworten. Wenn Sie, Herr Busemann, erklären, Sie wollten die Stundenzahl des Grundschulunterrichts erhöhen, dann müssen Sie uns sagen, wie Sie diesen Ausbau in der Verlässlichen Grundschule bewerkstelligen wollen. Entweder Sie streichen die beiden Betreuungsstunden in den ersten beiden Klassen - dann ginge das -, oder Sie machen daraus Ganztagsschulen. Ansonsten ist bei der Verlässlichen Grundschule das, was am Vormittag unterrichtet werden kann, ausgereizt. Kommen Sie her und diskutieren Sie, was Sie machen wollen. Wir sind ganz gespannt.

(Zuruf von der FDP: Nicht ins Detail gehen! Da haben Sie wirklich keine Ahnung! - Zuruf von der CDU)

- Herr Klare, ich habe Ihnen gut zugehört. Beruhigen Sie sich doch einfach. Es ist ganz schön, wenn wir ab und zu miteinander diskutieren können.

Gestatten Sie mir noch zwei Bemerkungen. Was ist aus dem Wahlversprechen geworden, Herr Busemann, die von Ihnen kritisierte Arbeitszeitverlängerung für Lehrerinnen und Lehrer auf 40 Stunden zurücknehmen zu wollen? Sie bringen es fertig, sich hier hinzustellen und zu kritisieren, dass wir in einer Zeit des abnehmenden Schülerbergs die Leute in die Altersteilzeit schicken, weil wir vorher Mehrarbeit von ihnen verlangt haben. Wie hätten Sie das denn gemacht? Wie viele tausend Lehrer müssten Sie jetzt einstellen, wenn wir nicht den Mut gehabt hätten zu sagen, dass an erster Stelle die Interessen der Kinder stehen und es deswegen für die Lehrerinnen und Lehrer die 40Stundenwoche gibt.

(Zuruf von der FDP)

Wenn wir das nicht gemacht hätten, dann müssten Sie einige tausend Lehrerinnen und Lehrer mehr einstellen. Sie haben sich gegen alle unsere Versuche gewehrt, die Ressourcen zu schonen. Deshalb brauchen Sie uns jetzt nicht wegen der Maßnahmen zur Altersteilzeit zu kritisieren. Übrigens: Wenn Sie gleichzeitig sagen, Sie wollten die Kollegien verjüngen, dann müssten Sie uns dankbar sein, dass wir ein Modell zur Altersteilzeit beschlossen haben.

Herr Klare und Herr Busemann haben beanstandet, dass die Personalplanung falsch gelaufen sei und wir überalterte Lehrerkollegien hätten. Ich meine, ein bisschen nachrechnen können Sie doch. Ent