Teil der Arbeit der Amtsgerichte aus. Ich denke, auch hier dürfte kein Streit entstehen. Bekanntlich sind die Mitarbeiter auch in Amtsgerichten über Gebühr belastet. Wir alle kennen die Klagen über zu hohe Pensen. Wenn die Nachlasssachen als Aufgabe wegfallen würden, könnten somit andere Aufgaben von ihnen wahrgenommen werden. Das würde zu einer Entlastung der Bediensteten insgesamt und gleichzeitig zu einer Beschleunigung der Arbeit in den Amtsgerichten führen. Ich denke, das ist doch unser aller Ziel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem vorliegenden Antrag findet sich kein einziges sachliches Argument, warum aus Sicht der Kunden der Justiz - und das sind die Bürger - die Nachlasssachen zwingend bei den Amtsgerichten verbleiben müssen. Hier ist es aber so wie in vielen anderen Bereichen: Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sorgen dafür, dass der Staat möglichst viel selbst macht. Wir von der FDP aber wollen die Verantwortung, soweit vertretbar, auf Dritte verlagern.
Hier zeigt sich eine grundsätzlich andere politische Auffassung. Wir werden den Antrag daher ablehnen, und Sie können über Ihre Haltung nachdenken.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich hier ein offensichtliches Informationsdefizit beseitigen. Offenbar ist der SPD-Fraktion die Beschlusslage der Justizministerkonferenz nicht bekannt.
Vor noch nicht einmal einem halben Jahr haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder einstimmig - ich wiederhole: einstimmig dafür ausgesprochen, weiterhin zu prüfen, inwieweit Aufgaben von Gerichten auf andere Stellen
verlagert werden können. In diesem einstimmigen Beschluss heißt es wörtlich - jetzt bitte ich, ganz genau zuzuhören -:
„Als Träger eines öffentlichen Amtes kommen die Notarinnen und Notare in besonderem Maße für eine Übernahme bisher gerichtlicher Aufgaben in Betracht.“
Eine Aufgabenverlagerung auf Notare ist länderübergreifend ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzeptes einer großen Justizreform geworden. Das hat auch etwas damit zu tun, dass sich auch in den anderen Bundesländern bei den politisch Verantwortlichen inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Haushaltslage selbst im Justizbereich keine Frischzellenkur mehr zulässt.
Meine Damen und Herren, noch hat unsere Justiz einen guten Ruf zu verlieren, obwohl sie auch heute schon für Bürger und Wirtschaft hin und wieder undurchsichtig und sehr wohl auch langatmig erscheint. Schließen Bürger und die Wirtschaft allerdings erst einmal vom Zustand mancher Gerichtsgebäude und Amtsstuben auf den Zustand der Justiz allgemein, dann könnte sie in Gefahr geraten. Schon jetzt fallen mancherorts Ziegel vom Dach, fallen anderenorts im Winter die Heizungen aus. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Diese Liste - das muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden - ist das Ergebnis einer Politik, die bis 2003 über viele Jahre erfolglos an den Symptomen herumgedoktert hat.
Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie haben es versäumt, die aufgetürmten Probleme einer grundsätzlichen Lösung zuzuführen.
Auch wir können uns dem Sanierungszwang definitiv nicht entziehen. Wir wollen aber nicht jammern. Wir wollen vor allem nicht mit betrübten Blick wie die Vorgängerregierung Jahr für Jahr unter dem wunderschönen Oberbegriff „Optimierung“ lediglich die Sparschraube immer ein bisschen enger ziehen. Wir setzen uns vielmehr vehement für eine zukunftsfähige Justiz ein. Dies beinhaltet das klare Bekenntnis, dass auch die Justiz sich auf ihre Kernaufgaben beschränken muss.
Meine Damen und Herren, unser Grundgesetz weist uns den Weg. Kernaufgabe der Justiz ist danach die Rechtsprechung. Indem die Justiz qualitativ hochwertig, kompetent und schnell Recht spricht, ist sie als die dritte Gewalt eine der tragenden Säulen unseres Gemeinwesens und ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Diese Funktion muss sie auch langfristig in angemessener Weise wahrnehmen können, denn die Justiz garantiert Rechtssicherheit und damit auch Rechtsfrieden. Nicht zur Rechtsprechung gehörende Aufgaben, die die Justiz jetzt noch mit erledigt, sind dorthin abzugeben, wo sie am effektivsten, bürgerfreundlichsten und mindestens genauso gut erledigt werden können. Von einem Ausverkauf kann hier wirklich nicht die Rede sein.
Die Übertragung der Nachlasssachen vom Richter auf den Rechtspfleger ist wiederum ein Optimierungsvorschlag. Sie kann deshalb nur als Übergangslösung im Sinne einer finanziellen Optimierung angesehen werden. Man darf sich meines Erachtens nicht damit begnügen, immer mehr Aufgaben lediglich zu einer anderen Berufsgruppe im selben System durchzureichen. Durch eine Aufgabenverlagerung vom Richter auf den Rechtspfleger wird die Justiz insgesamt nicht entlastet. Es fände lediglich eine Verlagerung von der am höchsten dotierten Stufe auf eine niedriger besoldete Stufe statt. Nichts anderes bedeutet Ihr Vorschlag. Die Rechtspfleger würden sich über ein Mehr an Aufgaben sicherlich freuen. Im Übrigen würden sie aber mit Recht nachfragen: Warum werden wir eigentlich für dieselben Aufgaben, die vorher die Richter wahrgenommen haben, anders, nämlich niedriger besoldet?
Eine nachhaltige Justizpolitik muss vorausschauend handeln. Gebühren, die den Kostendeckungsgrad deutlich überschreiten, sind politisch angreifbar. Sie entsprechen nicht den allgemeinen Grundsätzen des Gebührenrechts. Sie entsprechen im Übrigen auch nicht meinem Staatsverständnis.
In Handelsregisterangelegenheiten beispielsweise musste das Kostendeckungsprinzip bereits über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes angepasst werden. Die Gebühren mussten gedeckelt werden. Hier hat das europäische Recht dem deutschen Recht in Bezug auf überhöhte Ge
bühren in Handelsregistersachen Einhalt geboten. Das wird uns in den anderen Bereichen höchstwahrscheinlich auch blühen. Die von Ihnen vorgeschlagene Mischkalkulation - hier Gewinn und dort Verlust; das werde sich schon ausgleichen - ist jedenfalls in diesem Bereich weder wirtschaftlich noch juristisch ein tragfähiges Argument.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss zusammenfassen. Das große Ziel der Aufgabenverlagerung auf die Notare ist erstens nach wie vor aktuell und stellt zweitens eine vernünftige und rechtlich saubere Lösung dar. Die Nutzung der Öffnungsklausel zur Übertragung der Nachlasssachen vom Richter auf den Rechtspfleger sollte daher drittens nur als Zwischenlösung in Betracht kommen. Und, meine Damen und Herren: Wenn eine Justizreform in dem Umfang, wie er sich abzeichnet, innerhalb von zwei bis drei oder fünf Jahren umgesetzt werden kann, hat Deutschland damit etwas geleistet, was es an anderer Stelle auf jeden Fall leisten sollte.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist so entschieden.
Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Frühe Sprachförderung intensivieren - Bildungschancen verbessern Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1807
quenzen aus den Ergebnissen der Hirnforschung ziehen und frühkindliche Bildung verstärken - das waren, so konnte man lesen, die wichtigsten Erkenntnisse der Fraktionsklausur der CDU im Frühjahr dieses Jahres. Um welche Konsequenzen es sich handelt, hat die CDU aber noch nicht verraten. Ebenso wenig hat sie verraten, wie die frühkindliche Bildung gestärkt werden soll.
Dafür gibt aber der Fragenkatalog, den Herr McAllister für die Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ vorgelegt hat, sehr interessante Hinweise. So fragt der Kollege dort z. B.: Wie können die Erkenntnisse aus der Hirn- und Lernforschung zur kindlichen Lern- und Aufnahmefähigkeit optimal für das Erreichen von Bildungszielen schon im Kindesalter berücksichtigt werden? - Herr Kollege McAllister - er ist jetzt leider nicht anwesend -, es ist schon bemerkenswert, dass nach der Kabinettsklausur verkündet wird, welche Themen bei Ihnen zu Schwerpunkten gemacht werden sollen, dass Sie aber noch nicht wissen, wie und womit. Diese Frage soll eine Enquete-Kommission beantworten, die nach Ihrem Willen im Verlaufe von bis zu zwei Jahren die Ausgangslage erfassen und beschreiben und dann nach den richtigen Strategien suchen soll. Das dauert uns zu lange.
Antworten von Bildungsexperten, Lösungsvorschläge und gute Praxisbeispiele liegen längst auf dem Tisch.
Wir machen Ihnen heute - sozusagen als gefühlten Konsensantrag - einen konkreten Vorschlag dafür, wie wir gemeinsam anfangen können, effiziente Strategien im Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels zu entwickeln.
Eine wesentliche Erkenntnis aus den Studien zur demografischen Entwicklung ist, dass wir alle Kinder bestmöglich fördern und ausbilden müssen, weil wir auf keines mehr verzichten können, wenn wir die nötigen Fachkräfte für den Arbeitsmarkt von morgen sowie den Erhalt von Innovation und Wirtschaftskraft unseres Landes sicherstellen wollen. Insofern ist eine gute Bildungspolitik, die nicht länger mehr als 10 % der Schüler und Schülerinnen
ohne Abschluss und mehr als 20 % ohne die nötigte Lesekompetenz aus der Schule entlässt, die wichtigste und beste Form von Wirtschaftsförderung und der entscheidende Beitrag der Landespolitik zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit.
Gerade im Bereich der Kinder von Migranten und Migrantinnen findet wir eine außerordentlich hohe Zahl von Schulabgängern und -abgängerinnen ohne Abschluss, was natürlich auch mit mangelnder Sprachkompetenz zu tun hat; darüber haben wir heute Morgen schon gesprochen. Unbestritten ist die Sprachkompetenz ein entscheidender Faktor für den Bildungserfolg. Unbestritten ist ferner: Je früher man mit der Sprachförderung anfängt, desto effizienter wirkt sie. Deshalb hat die Vorgängerregierung die Sprachförderung für Drei- bis Sechsjährige in den Kindergärten erfolgreich eingeführt. Mit dem Programm wurden zwar noch lange nicht alle Kinder mit Sprachschwierigkeiten erfasst, aber es war ein richtiger Anfang.
Zahlreiche Erzieherinnen wurden qualifiziert und entwickelten praxistaugliche Programme für ihre Arbeit in den Kindergärten. Leider hat sich der Kultusminister gerade in diesem so wichtigen Bereich den Sparzwängen des Finanzministers gebeugt und das Programm so gekürzt, dass nur noch Kitas mit mehr als 52 % Kindern aus ausländischen und benachteiligten Familien davon profitieren können. Von ehemals 285 Kindergärten aus diesem Programm sind jetzt nur noch 209 mit spezieller Sprachförderung übrig geblieben, und das auch nur mit reduziertem Stundenansatz.
Gern rühmt sich Herr Busemann damit, dass er die Sprachförderung ein halbes Jahr vor der Einschulung eingeführt hat. Auch dies geht aber noch auf die vorherige Landesregierung zurück und ist ebenfalls ein begrüßenswerter Anfang, keine Frage. In diesem Bereich gibt es aber noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf. Ein halbes Jahr Förderung vor der Grundschule auf Kosten durchgehender Förderkonzepte in den Grundschulen, Doppelstrukturen in der Sprachförderung bei den Fünfjährigen im Kindergarten, bei mindestens 10 % der Kinder in den Kursen vor der Einschulung Zeit- und Ressourcenverluste durch aufwändige Fahrerei und nicht zuletzt das Herausnehmen der einzuschulenden Sprachförderkinder aus dem laufenden Kindergartenbetrieb - das alles bedarf einer kritischen Evaluation und Optimierung des Konzepts.
Nicht, weil wir etwa herumkritisieren wollen, nein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir möchten erreichen, dass nicht nur davon geredet wird, die frühkindliche Bildung zu stärken, sondern dass wir tatsächlich auch gemeinsam handeln:
Handeln nicht nur als Stückwerk - klein, klein, hier ein Stück und da ein Stück -, sondern in einem Konzept aus einem Guss. Wir haben dazu einen Vorschlag gemacht, ein so genanntes FünfPunkte-Programm - einige Punkte davon laufen zwar schon ansatzweise, aber sie gehören in ein ganzheitliches Konzept -:
Erstens. Wir wollen die frühe Sprachförderung in den Kindertagesstätten so verstärken, dass sie in allen Kindergärten mit einem Migrantinnen- oder Benachteiligtenanteil von mindestens 20 % stattfindet. Dieses Ziel wollen wir, weil es zugegebenermaßen eine Menge Geld erfordert, in fünf Jahren stufenweise erreichen.
Zweitens. Für die Sprachförderung in Kindertagesstätten und Grundschulen wird ein integriertes Konzept entwickelt. Es verfolgt die Zielsetzungen: Verlängerung der vorschulischen Sprachförderung auf ein ganzes Jahr und Vorverlegung der Sprachstandsfeststellung. Der Einsatz und die Qualifizierung der dafür benötigten Fachkräfte - in der Regel Erzieherinnen - werden durch das Land finanziert.