Protocol of the Session on January 28, 2005

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin Dr. von der Leyen, Sie haben in der Plenarsitzung am 18. September 2003 deutlich gesagt - da stimme ich Ihnen voll und ganz zu -:

„Gleichberechtigungspolitik ist kein Randthema, sondern gehört zu den Kernbereichen unserer Gesellschaftspolitik. Das Ziel der Gleichberechtigung ist nicht erreicht, solange Frauen im Berufsleben Nachteile erfahren, nur weil sie es sind, die die Kinder zur Welt bringen. Solange Frauen in

manchen Bereichen immer noch bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer, solange Frauen auf herkömmliche Rollenmuster festgelegt werden, solange die Erziehung von Kindern ein Nachteil in der sozialen Sicherung ist, solange Frauen in Entscheidungsgremien hoffnungslos unterrepräsentiert sind, solange gilt nach wie vor der Auftrag unseres Grundgesetzes von 1994, wonach es Aufgabe aller staatlichen Elemente ist, auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung hinzuwirken.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie sagen weiter:

„Niemand darf dabei aus der Verantwortung entlassen werden, weder in den Parlamenten noch in den Kommunen vor Ort. Unser Grundgesetz und unsere Niedersächsische Verfassung geben uns allen einen klaren Auftrag. Alle Ebenen des Staates müssen auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinwirken.“

Weiter führen Sie sehr überzeugend und richtig aus, dass Verfassungsaufträge sich nicht von selbst erfüllen, dass sich an den Grundfragen, nämlich an den männlich dominierten Strukturen, nicht wirklich etwas geändert hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können aber auch ehrlicherweise doch nicht erwarten, dass sich in nur zehn Jahren grundlegende Verhaltensmuster zwischen Männern und Frauen ändern, die Jahrtausende gelebt wurden. Nach nur zehn Jahren das Handtuch zu werfen, wäre wohl bei der Dimension von Zeit reichlich verfrüht. Hier argumentieren Sie mit einem sehr kleinen Zeithorizont.

Das Instrument Frauenbeauftragte aufzugeben, das von allen Frauen überall genutzt wird, oder die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern, halte ich für sehr fahrlässig.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, Sie haben selber gefordert, wir sollten eine ehrliche Bilanz der Gleichberechtigungspolitik der vergangenen Jahre und Jahr

zehnte ziehen. Dem schließe ich mich gerne an. Mit dem Ergebnis dieser Bilanz werden Sie, sehr geehrte Damen und Herren, unserem heutigen Antrag zustimmen müssen, und die Arbeitsbedingungen der Frauenbeauftragten werden nicht verschlechtert. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Ross-Luttmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der SPD, nichts bewegt Sie so wie das Festhalten an staatlicher Bürokratie und an Überregulierung.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Eindruck entsteht immer wieder, wenn man Ihre Anträge liest. Sie scheinen zu glauben, mit vielen Berichten und immer mehr Gängelung von oben könnten Sie Ihre ideologischen Forderungen durchsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen den Status quo überall erhalten und keine Veränderung zulassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie müssen so etwas ernst vortragen! Sie dürfen da- bei nicht lachen! - Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Das ist ein falscher und demzufolge nicht unser Weg. Uns bewegt nichts so sehr wie die Stärkung des eigenverantwortlichen Handelns, wie die Abschaffung unnötiger und überflüssiger Bürokratie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Entscheidungsfreiheit vor Ort. Wir sind davon überzeugt, dass Entscheidungen zum Wohl der Bürger besser unmittelbar vor Ort getroffen werden können. Wir haben Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit der kommunalen Räte - Sie scheinbar nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Ich hätte mich gefreut, wenn wir heute - Anfang des 21. Jahrhunderts - hätten beschließen können, dass wir Frauenbeauftragte nicht mehr brauchen, da das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Ziel der Gleichberechtigung erreicht ist.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Seit wie vielen Jahren?)

Aber dem ist leider nicht so. Dieses Ziel ist nicht erreicht. Noch immer sind die Chancen von Frauen und Männern ungleich verteilt, noch immer gibt es Rollenklischees, ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, Doppelbelastung der Frauen in Familie und Beruf und viele Vorurteile.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Und die Schlussfolgerung?)

Es bleibt daher wichtige Aufgabe des Staates und dieser Landesregierung, die immer noch vorhandene Benachteiligung von Frauen abzubauen.

Frau Groskurt, ich danke Ihnen, dass Sie im Internet auf der Seite unserer Familienministerin gesurft haben.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Biallas soll re- den!)

Ich meine, da haben Sie gesehen, dass es gerade unserer Sozialministerin, Frau Dr. von der Leyen, zu verdanken ist, dass wir in Niedersachsen Mehrgenerationenhäuser haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Oh!)

Ich kann Ihren Unmut verstehen, weil Sie das in 13 Jahren Regierungstätigkeit nicht geschafft haben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Familienpolitik hat einen hohen Stellenwert. Neue Gesetze werden unter dem Gesichtspunkt „Auswirkungen auf Frauen“ nach dem Vorbild Gender Mainstreaming geprüft. Das gilt selbstverständlich auch für die Novelle zur Änderung der niedersächsischen Kommunalverfassung, die in § 5 a die Rechtsgrundlage für Gleichstellungsbeauftragte mit konkreter Aufgabenbeschreibung für die Kommunen vorsieht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, dann reicht meine Redezeit nicht mehr. Entsprechend der vom Grundgesetz geforderten Gleichstellung von Frau und Mann besteht daher auch die Pflicht für die Landkreise, die kreisfreien Städte, die Region Hannover sowie die großen selbstständigen Städte, eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Für alle anderen Gemeinden - mit Ausnahme der Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden - gilt das Gleiche. Aber diese können selbst entscheiden, ob sie die Gleichstellungsbeauftragte hauptamtlich, nebenamtlich oder ehrenamtlich beschäftigen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Freiwillig!)

Die Gleichstellungsbeauftragte wird künftig bei allen Vorhaben, Entscheidungen, Programmen und Maßnahmen - es ist wichtig für uns, dass wir die Programme, für die sie verantwortlich ist, auch nennen - mitwirken, die Auswirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Anerkennung der gleichwertigen Stellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft haben. Sie soll insbesondere Maßnahmen anregen, meine Damen und Herren, die der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dienen.

(Zuruf von der SPD: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen!)

Damit haben wir ihr Aufgabenspektrum sogar noch erweitert. Ich verstehe Ihre Aufregung überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Erweiterung ist gerade auch unter dem Gesichtspunkt des drohenden demografischen Wandels von besonderer Bedeutung. Ich danke besonders unserer Familienministerin, die sich diesem Feld ganz besonders widmet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Oh ja!)

Ich halte also fest: Das Betätigungsfeld der Gleichstellungsbeauftragten ist auf die von Artikel 3 unseres Grundgesetzes geforderte Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgerichtet.

Wenn Sie nun befürchten, dass durch diese Änderungen die Umsetzung des Verfassungsgebotes der Gleichberechtigung von Frauen und Männern nachhaltig gestört wird, dann muss ich Ihnen vorwerfen, dass Sie wenig Vertrauen in die von Bürgern demokratisch gewählten Rats- oder Kreistagsvertreter haben. Wir machen ernst damit, denen die Kompetenzen zu geben, die vor Ort die Entscheidungen treffen und auch zu verantworten haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unser Handeln muss doch darauf ausgerichtet sein, den Entscheidungsträgern mehr Eigenverantwortung zu geben. Das ist nämlich auch zentrales Ziel unserer Politik: die Handlungsfähigkeit der Kommunen - übrigens ebenfalls ein Verfassungsgebot - zu stärken, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in den 13 Jahren Ihrer Regierungszeit unnötig, ohne das Wort „Konnexität“ jemals ernsthaft in den Mund genommen zu haben, eingeengt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Wer streicht denn jetzt eigentlich Mittel? Wie viele Millionen streichen Sie jetzt?)