Protocol of the Session on January 28, 2005

Der Antrag wird eingebracht von der Abgeordneten Groskurt. Ich erteile ihr das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion gibt die Hoffnung nicht auf, Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und die Landesregierung davon überzeugen zu können, dass Frauenbeauftragte in Niedersachsen den derzeitigen Status unbedingt behalten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Dabei sollte man meinen, dass gar keine Überzeugungsarbeit notwendig ist, wenn man im Internet auf der Homepage des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit surft. Da konnte ich z. B. zu meiner Freude und eigentlich auch Beruhigung lesen:

„Mit der Verabschiedung des so genannten Frauenbeauftragtengesetzes... mit dem die Niedersächsische Gemeindeordnung und die Niedersächsische Landkreisordnung... geändert wurden, wurde 1993 eine wichtige frauenpolitische Etappe genommen.“

(Beifall bei der SPD)

Dann folgt eine Aufzählung, welche Landkreise und Gemeinden mit welchem Erfolg kommunale Frauenbeauftragte eingestellt haben.

Außerdem durfte ich lesen:

„Gleichberechtigung eine gesellschaftspolitische Herausforderung ersten Ranges... Um den niedersächsischen Frauen bessere Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Grundrechtes auf Gleichberechtigung zu schaffen, hat das Land zwei Gesetze verabschiedet.“

Nämlich die von mir gerade erwähnten Gesetze; das muss ich nicht wiederholen.

Dann konnte ich das Ganze sogar noch als Superlative lesen:

„Das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz war ein Meilenstein für die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen.“

(Beifall bei der SPD - Heidrun Merk [SPD]: Das ist es auch!)

Mit Recht wird voller Stolz auf die vorgenannten Gesetze verwiesen. Diese Information hat mich - das muss ich zugeben - ziemlich verwirrt. Das muss Sie, sehr geehrte Damen und Herren, aber nicht weiter beunruhigen, denn das kann ich erklären. Ich glaube nämlich, dass ich die Debatten zum Thema „hauptberufliche kommunale Frauenbeauftragte“ leider nicht geträumt habe.

Ein paar Punkte zur Erinnerung:

Phase 1, August/September 2003. Frau Ministerin Dr. von der Leyen lehnt die öffentliche Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach einer Abschaffung der in der Niedersächsischen Gemeindeordnung geregelten Berufung von Frauenbeauftragten ab. Alle Frauen fühlen sich von der Ministerin gut vertreten.

Phase 2, Januar 2004, Antwort der Ministerin auf eine Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

„Seit mehr als zehn Jahren sind die kommunalen Frauenbeauftragten bei uns in Niedersachsen gesetzlich verankert. Sie haben sich bewährt und erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben, die dazu beitragen, die Lebenssituation nicht nur von Frauen, sondern von uns allen zu verbessern.“

(Heidrun Merk [SPD]: Recht hat sie!)

Dem kann man nichts entgegenhalten. - Das Zitat geht noch weiter:

„Sie sind oftmals die Triebfeder für Verwaltung und Politik. Die Frauenbeauftragten sind ein wichtiger Motor für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in diesem Land.“

An dieser Stelle muss ich etwas erstaunt eine Frage anknüpfen. Warum wollen Sie so einen Turbomotor abwürgen?

(Beifall bei der SPD)

Phase 3, Februar 2004, wieder eine Antwort der Ministerin auf eine weitere Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

„Ich möchte Ihnen sagen, was die Stellung der Frauen und Gleichstellungsbeauftragten in Niedersachsen tatsächlich gefährdet: Das ist ein inzwischen zehn Jahre altes Gesetz, das von Anfang an darauf angelegt war, Gleichberechtigungspolitik nicht im Miteinander voranzubringen, sondern das aus dem alten Geist der Konfrontation geboren war.“

Fazit für mich - ich glaube, auch nicht nur für mich -: die Tatsachen und sich selbst auf den Kopf gestellt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu diesem Salto kann auch die eifrigste Fangruppe nicht mehr applaudieren.

(Beifall bei der SPD)

Erinnern Sie sich an meine ersten Sätze, die ich Ihnen aus den Internetseiten des Ministeriums vorgelesen habe? 1993 - wichtige frauenpolitische Etappe, eine gesellschaftspolitische Herausforderung des ersten Ranges, Meilensteine für die tatsächliche Gleichberechtigung. - Frau Dr. von der Leyen, ich befürchte, Sie versuchen mit Siebenmeilenstiefeln rückwärts zu gehen. Da müssen Sie einfach ins Stolpern kommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will mich aber nicht nur auf die Landesregierung und Frau Ministerin Dr. von der Leyen beziehen, sondern ich möchte außerdem gerne Ihnen, sehr geehrte Damen von der CDU, die Kleine Anfrage Ihrer Kolleginnen Frau Pawelski und Frau Schliepack vom März 2001 in Erinnerung rufen, die sich Sorgen um die unzureichende Absicherung der kommunalen Frauenbeauftragten machten.

Vor diesem Hintergrund der Erinnerung später frage ich Sie: Worauf wollen Sie in Zukunft mit Stolz verweisen?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Frau Groskurt, Augenblick bitte! - Herr Oppermann, ich hatte gerade vor ein paar Minuten gesagt, die Sprechstunde an der Regierungsbank ist für heute geschlossen. - Fahren Sie bitte fort!

Herr Präsident, Sie wissen aber, dass die Zeit weiterläuft.

Sie brauchen keine Sorge zu haben. Reden Sie weiter!

Vor diesem Hintergrund der Erinnerung später frage ich Sie: Worauf wollen Sie in Zukunft mit Stolz verweisen, wenn Sie Ihren Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts verabschiedet haben? - Wenn Sie den vorliegenden Gesetzentwurf durchsetzen, drehen Sie wie schon mit einigen anderen Gesetzen die Entwicklung in unserem Land um Jahrzehnte zurück.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch und Zurufe von der CDU)

Ich frage Sie allen Ernstes: Warum wollen Sie sich diese unnötige Arbeit machen? Sie haben doch wirklich genug mit sich selbst zu tun, und die kommunalen Spitzenverbände werden es Ihnen auch nicht danken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Bevor so substanzielle Gesetze wie das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz, die Niedersächsische Gemeindeordnung und die Niedersächsische Landkreisordnung geändert werden, sollte äußerst sorgfältig ein Bericht über die Erfahrungen mit der bisherigen Arbeit der Frauenbeauftragten erstellt und vorgelegt werden. Nehmen Sie bitte die Vorschläge der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros auf, die darauf abzielen, bisherige Erfahrungen zu nutzen. Der Bericht sollte dabei insbesondere auf die Arbeit der Frauenbeauftragten in den Städten und Gemeinden eingehen, in denen die Landesregierung in Zukunft auf die Pflicht zur Berufung von hauptamt

lichen Frauenbeauftragten verzichten will. Bis zur Fertigstellung des Berichtes sollte die Landesregierung den Gesetzentwurf zurückstellen.

Ich bin überzeugt, aufgrund dieses Berichtes werden Sie Ihren Gesetzentwurf, ohne weiteres Aufsehen zu erregen, still und verschämt zurückziehen, da ihm jegliche tragfähige Grundlage fehlt.

(Beifall bei der SPD)

Ich verspreche Ihnen auch, die SPD-Fraktion wird nicht nachfragen, wohin denn der Gesetzentwurf so plötzlich verschwunden ist.

Ich muss Ihnen aber noch einmal einiges vor Augen führen, da es wirklich ein mühseliges Geschäft ist, Sie von Ihrer eigenen Meinung zu überzeugen:

Die Institution der Frauenbeauftragten darf nicht zur Disposition gestellt werden. Sie muss mindestens in ihrer jetzigen Form beibehalten werden. Auf keinen Fall darf Frauenförderung zur freiwilligen Selbstverpflichtung werden.

(Beifall bei der SPD)

Statt Frauenbeauftragte in Frage zu stellen, muss die Stellung von Frauenbeauftragten gestärkt werden. Frauenförderung, insbesondere durch Frauenbeauftragte im öffentlichen Dienst, ist nach wie vor nötig, um das Grundrecht der Gleichberechtigung der Frauen zu fördern und um als Vorbild für die Privatwirtschaft zu dienen. Denn genau dort zeigt sich, wie wenig effektiv eine freiwillige Selbstverpflichtung ist. Nur 4,5 % aller Firmen haben einen Frauenförderplan aufgestellt. Meiner Meinung nach sind die meist männlich dominierten Führungsetagen nicht in der Lage, sich explizit um Frauenförderung zu kümmern. Dazu müssen wir ihnen schon die Frauenbeauftragten zur Beratung an ihrer Seite belassen.

(Beifall bei der SPD)