Meine Damen und Herren, wer ein bisschen von Statistik versteht, rechnet sich die Zahlen im Zweifel dorthin, wohin er sie haben will. Dafür werde ich Ihnen am Schluss noch eine ganz kleine Kostprobe geben. Aber Spaß beiseite!
Sie haben mit Ihrem Entschließungsantrag ein wichtiges Thema angesprochen, den Justizvollzug. Der Justizvollzug ist einer der Eckpfeiler unserer inneren Sicherheit. Der Umgang hiermit verlangt kluges Denken, besonnenes Handeln und angesichts der katastrophalen Haushaltslage unseres Landes intelligente Lösungen für bekannte Problemlagen.
on und die Sicherheitsstandards aller niedersächsischen Anstalten überprüfen lassen und dabei z. B. festgestellt, dass die von der Vorgängerregierung noch als zweitsicherste Anstalt des Landes präsentierte Justizvollzugsanstalt Salinenmoor baulich marode und im Außenbereich unzulänglich gesichert war.
Wenn Frau Müller hier sagt, dass sie den Sanierungsbedarf nicht nachvollziehen könne, wundert mich das ein wenig, alldieweil das einheitliche Justizvollzugskonzept alles wunderbar darstellt.
(Elke Müller [SPD]: Ich habe gesagt: nach Euro und Cent! Außerdem habe ich gesagt: Ich nehme das hin!)
Wir haben nach dem Sicherheitscheck, von dem ich eben gesprochen habe, ein neues Sicherheitskonzept entwickelt und alle Anstalten des Landes in vier Sicherheitsstufen eingestuft.
In einem zweiten Schritt haben wir die Gefangenenklientel analysiert und bewertet und sie nach Gefährlichkeit, Ausbruchsrisiko und Kriminalitätsbelastung klassifiziert. Wir haben den Vollstreckungsplan geändert und bringen die insoweit problematischen Gefangenen in unseren mit modernster Sicherheitstechnik ausgestatteten Anstalten Celle, Oldenburg, Sehnde und künftig auch Rosdorf unter. Es ist übrigens ein enormes Investitionsvolumen, das diese Landesregierung mit der Mehrheit in diesem Landtag da auf den Weg gebracht hat.
Andere Gefangene, die aufgrund ihrer Straftaten, der Straflänge und ihrer Persönlichkeit nicht in einer Anstalt mit höchstem Sicherheitsstandard untergebracht werden müssen, verlegen wir in Anstalten, die den unteren Sicherheitsstufen zugeordnet sind. Mit Inbetriebnahme der JVA Sehnde Ende des vergangenen Jahres haben wir mit der Umsetzung dieses Konzepts bereits begonnen. Es wird mit der Inbetriebnahme der Justizvollzugsanstalt Rosdorf vollendet sein.
Meine Damen und Herren, auf den Punkt gebracht: Gefangenenklientel und vorhandener Sicherheitsstandard der Justizvollzugsanstalten werden aufeinander abgestimmt. Anders als bei der Vorgängerregierung sitzen Schwerverbrecher künf
tig nicht mehr in der JVA Salinenmoor. Dies alles können Sie den Grundzügen unseres einheitlichen niedersächsischen Vollzugskonzeptes entnehmen, das ich im vergangenen Sommer der Öffentlichkeit vorgestellt habe und das wir im Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“, wie ich meine, sehr konstruktiv miteinander diskutiert haben. Meine Damen und Herren, das ist mein Weg, für die Sicherheit in diesem Lande Sorge zu tragen.
Natürlich bleibt auch bei mir die instrumentelle Sicherheit - Mauerkronensicherung, Kameraüberwachung und Sicherheitszäune - nicht außen vor. Dazu drei Anmerkungen. Seit meinem Amtsantritt sind rund 3,8 Millionen Euro in die bauliche und technische Verbesserung der Anstalten geflossen, u. a. eben auch für die Sicherung der eben bereits angesprochenen JVA Salinenmoor.
Zum Zweiten habe ich bei meinem Amtsantritt Anstalten mit modernster und teurer Sicherheitstechnik übernommen. Dafür bin ich sehr dankbar. Allerdings wurden die zwangsläufig notwendige Unterhaltung und der Erhalt dieser Technik haushaltsmäßig nicht berücksichtigt und schon gar nicht nachhaltig im Haushalt gesichert. Der Justizvollzug ist gegenwärtig dabei, diese große Last zu schultern.
Weitere bauliche Sicherungsmaßnahmen habe ich im April 2004 mit hoher Priorität in die mittelfristige Finanzplanung eingebracht. Machen wir uns aber nichts vor - in dieser Hinsicht stimme ich mit Herrn Briese ausdrücklich überein -: 100-prozentige Sicherheit wird es nie geben, weder bei der CDU noch bei der FDP und ebenso wenig bei der SPD oder auch den Grünen. Das beste Beispiel dafür ist die im Entschließungsantrag erwähnte berühmtberüchtigte Bollerwagenflucht aus der Hochsicherheitsanstalt Oldenburg. Dies ist unter meinem Vorgänger passiert. Ich habe mir sagen lassen, dass dieser sich geweigert habe, den Vorfall als Ausbruch in die Statistik aufzunehmen. Er soll ihn - ich hoffe allerdings, Frau Müller, dass das nur scherzhaft gemeint war - als unerlaubten begleiteten Ausgang abgetan haben.
Ich kann das nur deshalb so sagen, weil - sonst würde ich das hier auch gar nicht ansprechen - in der Pressemitteilung des Justizministeriums vom 3. Januar 2003 vermeldet wurde - darauf habe ich
natürlich geachtet -: Justizminister Pfeiffer zieht für 2002 Bilanz über den Justizvollzug: kein einziger Ausbruch, 18 Ausbruchsversuche im Vorfeld aufgedeckt und vereitelt.
Aber wann ist der Vollzug sicher und wann nicht? Bei durchschnittlich 40 Ausbrechern pro Jahr wie bei Frau Merk, bei durchschnittlich zehn Ausbrechern wie bei Herrn Weber, dem gleich neun Untersuchungsgefangene aus der JVA Wilhelmshaven geflüchtet sind? Wem wollen Sie die Ausbrüche von zwei Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor zurechnen, die - wohl platziert - am letzten Tag der Amtszeit von Herrn Pfeiffer das ganze bauliche Elend dieser Anstalt haben offenkundig werden lassen?
Zum Schluss aber noch ganz kurz zu dem Zahlenspiel, das ich Ihnen versprochen habe. Meine Damen und Herren, das Risiko eines Ausbruches betrug 1995 0,28 %, in den Jahren 2001 und 2002 zusammengenommen 0,018 % und 2004 - das war komplett unter meiner politischen Verantwortung nur noch 0,015 %. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Statistisch stehe ich nicht schlecht da.
Aber ich möchte jetzt noch einmal ernst werden; ich möchte diese Statistik hier nicht in den Vordergrund stellen. Seit meinem Amtsantritt gab es nicht sieben Ausbrüche, wie es die SPD in ihrem Entschließungsantrag behauptet, sondern vier. Diese Zahl wurde exakt nach der Klassifizierung ermittelt, die es dafür seit Jahren gibt und die es auch schon unter der Vorgängerregierung gab, Frau Müller. An dieser Definition hat sich nichts geändert. Die Zahl der Entweichungen aus dem offenen Männervollzug hat in meiner Amtszeit nicht zugenommen, wie Sie behauptet haben,
sondern sie ist von 136 in den ersten drei Halbjahren vor dem Regierungswechsel auf 118 in den drei nachfolgenden Halbjahren gesunken.
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Erstens. Der niedersächsische Justizvollzug ist sicher.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Seit Sie das machen, ist der sicher!)
Zweitens. Absolute Sicherheit hat es weder zu SPD-Regierungszeiten gegeben, noch kann ich Ihnen die absolute Sicherheit für die Zukunft garantieren.
Drittens. Mit unserem einheitlichen niedersächsischen Vollzugskonzept sind wir auf dem Weg, die erforderliche Sicherheit unserer Bevölkerung und die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzug in Niedersachsen noch besser zu gewährleisten. Davon allerdings bin ich fest überzeugt. - Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal die Abgeordnete Müller gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, lassen Sie mich zur Klarstellung noch einmal Folgendes sagen: Den Ausbruch von zwei Gefangenen aus Celle am letzten Tag unserer Regierungszeit, gemeldet am ersten oder zweiten Tag Ihrer Regierungszeit, habe ich in meine Rechnung nicht mit einbezogen. Aber am 4. August 2003 - zu diesem Zeitpunkt regierten Sie schon ein paar Monate - sind zwei Gefangene aus Celle ausgebrochen. Ich habe sämtliche Meldungen über Vorkommnisse, nur dass wir uns darin nicht missverstehen.
Frau Müller, einen Augenblick! - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte wirklich noch einmal darauf hinweisen, dass es unhöflich ist, eine Sprechstunde an der Regierungsbank durchzuführen, während hier jemand redet. Dieses
Ich glaube, wir sind uns auch darüber, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann. Nur, wenn Ihnen in den letzten zwei Jahren mindestens sechs Gefangene bei der Vorführung zu Zeugenaussagen vor Gericht und Ähnlichem abhanden gekommen sind, dann gibt es da eine Schwachstelle, und über diese Schwachstelle müssen wir reden.
Wir haben das Vollzugskonzept sachlich diskutiert, wenngleich wir auch nicht in allen Punkten der gleichen Meinung sind. Ich wünsche mir, dass wir diesen Antrag genau so sachlich und ausführlich im Ausschuss diskutieren und nicht deshalb eine Beratung im Ausschuss für nicht erforderlich oder lohnenswert halten, weil jemandem der eine oder andere Punkt unangenehm ist. Herr Nacke, so populistisch sollten Sie mit solchen Angelegenheiten nicht umgehen. Aber dass Sie ein gnadenloser Populist sind, das wissen wir schon.
(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU - Editha Lorberg [CDU]: Schade, dass Sie während der Anhö- rung keine Fragen gestellt haben, Frau Müller!)
Meine Damen und Herren, man sollte einmal überlegen, was man sagt und wie man sich untereinander tituliert.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und zur Mitberatung an den Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ sowie an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Arbeitsbedingungen der Frauenbeauftragten nicht verschlechtern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1618