Protocol of the Session on January 28, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund unterstützen wir den Entschließungsantrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und damit die Bundesratsinitiative von NRW zur Verbesserung der Fahrgastrechte auch im Nahverkehr. Auf der Grundlage des NRW-Gesetzentwurfs und der Praxis in vielen anderen Ländern Europas ist es folgerichtig, Fahrgastrechte rechts

verbindlich auch für den Nahverkehr gesetzlich sicherzustellen. Auch eine Schlichtungsstelle nach dem Modell des Landes NRW scheint uns dabei nach den bisherigen praktischen Erfahrungen zielgerichtet zu sein. Insbesondere die in erster Linie durch öffentliche Ausschreibung vergebenen Nahverkehrsleistungen sollen darüber hinaus mit einer Qualitätssicherung vonseiten der Aufgabenträger sichergestellt werden.

Meine Damen und Herren, nur ein qualitativ hochwertiger ÖPNV und SPNV mit sicheren Standards führt zu steigender Akzeptanz und zu einem Umstieg auf Bus und Bahn. Je schlechter das Image bei den erbrachten Dienstleistungen ist und je weniger Kundenrechte im Sinne von „dagegen kann man sich ohnehin nicht wehren“ bestehen, umso mehr wird wieder auf den Individualverkehr umgestiegen. Gerade ein Flächenland wie Niedersachsen muss jedoch ein großes Interesse an der Sicherung eines qualitativ hochwertigen Systems des ÖPNV und SPNV haben. Deshalb müssen Verbraucher- und Kundenrechte im ÖPNV gesichert und gestärkt werden.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

ÖPNV-Leistungen werden schließlich staatlich in erheblicher Höhe subventioniert. Daraus entsteht für den Nutzer und Steuerzahler ein Anspruch auf Qualitätssicherung. Nicht zuletzt die Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen zeigen, dass z. B. staatliche Schlichtungsstellen für Bus- und Bahnkunden angenommen werden. Bisher ist in dieser Hinsicht von den Leistungserbringern der Verkehrsunternehmen freiwillig nichts Adäquates auf den Weg gebracht worden, um eine gemeinsame oder einseitige Selbstverpflichtung freiwillig zu gewährleisten.

Wir sehen den weiteren Beratungen im Ausschuss mit Interesse entgegen und werden den Entschließungsantrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun hat der Abgeordnete Hermann von der FDPFraktion das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Für einen Handwerksmeister ist es selbstverständlich, dass er, wenn er einen Fehler macht, durch den ein Kunde einen Nachteil erleidet oder sogar zu Schaden kommt, regresspflichtig ist. Im BGB sind hierzu Regelungen enthalten. Zu meiner Überraschung musste ich jetzt erfahren - Herr Will, Sie haben es schon ausgeführt -, dass es im Fall der Bahn sogar eine Extravorschrift gibt, nämlich § 17 der Eisenbahn-Verkehrsordnung, welche sämtliche Ansprüche von Fahrgästen gegenüber der Bahn ausdrücklich ausschließt. Dieses Privileg - auch das sagten Sie schon, Herr Will - ist mehr als 100 Jahre alt. Es ist nicht mehr zeitgemäß und gehört gestrichen. Aber an seiner Stelle müssen wir nicht neue Schlichtungsstellen schaffen, sondern wir müssen Gewährleistungsregeln, wie sie in anderen Bereiche angewandt werden, auch für die Bahn haben.

Ein Gutachten, das Reformvorschläge aufzeigen soll, wird derzeit im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet. Ergebnisse werden im Mai erwartet. Vorher, Herr Hagenah, macht es keinen Sinn, über Reformen zu diskutieren. Aber warum tun Sie das, Herr Hagenah? Warum sollen wir eine Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen, übrigens von Ihrer Grünen-Ministerin Bärbel Höhn geschrieben, unterstützen? Ich denke, es ist ganz einfach: Es ist Wahlkamp in NRW. Aber, Herr Hagenah, ich frage mich: Ist die Regierungskoalition so schwach, dass sie Hilfe aus Niedersachsen braucht, Herr Wenzel?

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir können doch auch im eigenen Verantwor- tungsbereich handeln!)

Herr Wenzel, natürlich hat dieser Antrag - ich möchte es einmal so bezeichnen - eine fast Grünen-typische Bürokratieschlagseite.

(Beifall bei der FDP)

Um den Nahverkehr kundenfreundlicher zu machen, fordern Sie erst einmal die Einrichtung einer neuen Institution. Eine Schlichtungsstelle Mobilität für Bus- und Bahnkunden muss her. Der Bund hat bereits eine solche eingerichtet und dafür bis 2006 1,4 Millionen Euro Steuergelder bereitgestellt. Von einer Schlichtungsstelle für Flugkunden, für Telefonkunden oder für Bäckerei- und Fleischereikunden habe ich noch nichts gehört. Dennoch schei

nen die Kunden dort auch zu ihrem Recht zu kommen.

Wer vorgestern gut zugehört hat, der weiß, dass unser Fraktionsvorsitzender Dr. Philipp Rösler zum Antidiskriminierungsgesetz gesagt hat, nicht jede neue Behörde bringt auch eine Verbesserung.

Auch der Zweck einer Kundencharta erschließt sich mir nicht, Herr Hagenah. Abgesehen davon, dass es ein gut klingender Name ist, ist sie überflüssig, sobald eine Regelung eingeführt wird. Haftungsansprüche werden übrigens im BGB geregelt, und dorthin gehören auch die Rechte von Kunden im Nah- und Fernverkehr. Natürlich muss alles in einem realistischen Rahmen bleiben. Die Ansprüche dürfen mittelständische Verkehrsunternehmen nicht übermäßig belasten. Ihre Durchsetzung darf nicht zu unnötiger Bürokratie führen. Aber wie gesagt, um Details kümmern wir uns später, wenn die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen.

Fazit zum Antrag der Grünen: Drei Viertel sind daneben, und um den Rest werden wir uns ohnehin kümmern, Kollegin Brunhilde Rühl. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wie oft fah- ren Sie denn Bahn?)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Hirche das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diesen Antrag, über den wir debattieren, gilt der alte Satz: „Gut gemeint“ ist nicht unbedingt „gut“.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie fahren wohl immer nur Dienstwagen, Herr Hirche, oder mit der Bahn?)

Ich werde deswegen einige Anmerkungen machen.

Erstens. Die Landesregierung setzt sich für das Ziel eines Interessenausgleichs zwischen Fahrgast und Beförderungsunternehmen im Nah- und Fernverkehr ein. Nur ein Unternehmen - das hat auch der Kollege Hermann eben unterstrichen -, das

Verantwortung für die erbrachte Leistung übernimmt, kann Kunden auf Dauer gewinnen. Das ist unser Interesse. Ich denke, wir sind hier insgesamt auf dem richtigen Weg.

Erstens. Schon im Herbst 2003 hat der Bundesrat mit den Stimmen Niedersachsens die Bundesregierung aufgefordert, „die Rechtsstellung der Bahnkunden zu verbessern und den Verbraucherschutz zu stärken“.

Zweitens. Die Bundesregierung hat daraufhin ein Gutachten zum Thema „Qualitätsoffensive im öffentlichen Personennahverkehr - Verbraucherschutz und Kundenrechte stärken“ in Auftrag gegeben.

Drittens. Das Ergebnis des Gutachtens - auch das hat Wolfgang Hermann eben gesagt - wird voraussichtlich im Mai 2005 vorliegen. Das bleibt abzuwarten. Erst dann haben wir Eckpunkte und belegbare Daten, die eine Reform der Haftungsansprüche realistisch ermöglicht. Wichtig ist dabei, dass keine unzumutbaren Belastungen der mittelständischen Eisenbahnverkehrsunternehmen entstehen und dass der bürokratische Aufwand für Prüfung und Abwicklung von Ersatzansprüchen in Grenzen gehalten wird.

Meine Damen und Herren, das Beste wäre, die Fahrgastinteressen eindeutig, übersichtlich und einheitlich in den Normen des Eisenbahnrechts bzw. des BGB zu regeln und nicht in zusätzlichen vertraglichen Vereinbarungen mit den Verkehrsverbünden. Wir wollen die Rechte stärken, aber wir werden keine Regelungen anstreben, die nur zu weiteren unterschiedlichen Ansprüchen und zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen. Das sage ich insbesondere auch unter Bezugnahme auf das Thema Schlichtungsstelle Mobilität, meine Damen und Herren. Es geht darum, Bürokratie abzubauen. Ihre Vorschläge in jedem Antrag sehen die Einrichtung einer neuen bürokratischen Stelle vor. Wo kommen wir dann eigentlich in Deutschland hin?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich empfehle auch, sich einmal den NRW-Antrag anzusehen. Es ist erstaunlich, wie schlurig er erarbeitet worden ist. Denn er bezieht sich in der Begründung und auch im Gesetzestext auf die Altfassung der Eisenbahnverordnung und nicht auf die geltende Fassung des Gesetzes zum Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens, die

am 24. August 2002 verkündet worden ist. Ich hätte wenigstens erwartet, dass Sie das nachgeprüft hätten und dies nicht als Wahlkampfhilfe vor dem Mai-Termin und vor Vorlage des Gutachtens hier im Landtag thematisieren, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

So kommen wir nicht voran. Wenn wir hier etwas machen wollen, muss schon ein Stück solide Arbeit geleistet werden. Diese Zeit sollten wir uns nehmen, wenn die Bundesregierung bereit ist, die Vorarbeit zu leisten. Dann können wir als Länder zusammen mit dem Bund diskutieren. Wir werden das in dieser Frage in Übereinstimmung mit dem Bund machen und nicht in hektischer Betriebsamkeit, weil irgendwo in einem Nachbarland eine Landtagswahl ist, meine Damen und Herren. Das ist nicht der richtige Weg, um den Fahrgastrechten zum Erfolg zu verhelfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Abgeordneter Hagenah!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag ist aus mehreren Gründen zeitlich jetzt genau richtig gestellt worden. Zum einen müssen wir feststellen, dass die so genannte Kundencharta der Deutschen Bahn AG nicht das hält, was der Name verspricht. Deswegen ist es nötig, dass die Politik dazu auf Landessebene Stellung nimmt und klarstellt, dass das nicht die Kundenrechte sind, wie wir sie in der Zukunft für angemessen halten, und dass da nachgebessert werden muss.

Zum anderen ist das die Frage, wie sich das Bundesland Niedersachsen zu der im Kern richtigen und auch von der Bundes-CDU gestützten Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen verhält. Wenn Niedersachsen das im Bundesrat blockiert, blockiert es damit auch einen entsprechenden Diskussionsprozess auf Bundesebene, der aus unserer Sicht sinnvoll und dringend notwendig ist.

Drittens haben wir in Niedersachsen mit dem von mir bereits beschriebenen Großraumverkehr Hannover ein positives Beispiel im Nahverkehrsbereich, das wir derzeit auch in den anderen Berei

chen in Niedersachsen umsetzen könnten, wo der Nahverkehr von den Landkreisen oder auch von der DB AG entsprechend vorgehalten wird.

Zu der Frage Schlichtungsstelle: Eine Schlichtungsstelle macht dann Sinn, wenn nicht die normalen Marktgesetze gelten. Wenn zum Beispiel von den drei Bäckern in einem Stadtteil ein Bäcker immer schlechte Brötchen backt, Herr Hermann, dann regelt das der Markt. Hier haben wir jedoch durch die Verkehrsverträge in einer bestimmten Region - wenigstens zu einer bestimmten Zeit Monopole. Wenn man Monopole hat, sind die Politik und die Gesellschaft in der Pflicht, zwischen den Kunden und dem einzigen Anbieter, den es gibt, bei Streitfragen zu schlichten. Das ist nicht zusätzliche Bürokratie, sondern das ist richtig verstandene Demokratie, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und Zustimmung von Gerd Will [SPD])

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer zustimmt, dass dieser Antrag dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Beratung überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Sicherheit im Justizvollzug besser gewährleisten! - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1617

Eingebracht wird dieser Antrag von der Abgeordneten Müller von der SPD-Fraktion. Frau Müller, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal ist der Justizministerin ein Gefangener aus dem geschlossenen Vollzug „abhanden“ gekommen. Am 24. Dezember letzten Jahres gelang einem Mörder eine ebenso spektakuläre wie dubi

ose Flucht aus der JVA Hannover. Spektakulär war das, weil er beim Hofgang über einen Blitzableiter und über eine Reihe von Dächern türmte und sich dann aus 12 m Höhe abseilte. Dubios war das aus verschiedensten Gründen. So nahmen am Hofgang nur 16 Gefangene - das war eigentlich eine sehr überschaubare Zahl - und zwei Bedienstete teil, und trotzdem ist nicht aufgefallen, dass einer fehlte. Dubios war das auch deshalb, weil nach einem Fehlalarm beide Bedienstete entgegen den Vorschriften ihren Dienstposten verlassen haben. Dubios war auch, dass der Blitzableiter, der als Kletterstange genutzt wurde, durch einen Bretterzaun zum Teil gar nicht einsehbar war.

(Bernd Althusmann [CDU]: Und wer ist jetzt schuld? Wir sind schuld?)

Es war auch dubios, weil die Bediensteten nach der Feststellung, dass es sich um einen Fehlalarm handelte,