Protocol of the Session on October 28, 2004

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur sein, mitberatend sollen der Ausschuss für Inneres und Sport, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen und der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 18: Einzige (abschließende) Beratung: Waldkindergärten in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1034 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses Drs. 15/1316

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in veränderter Fassung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Rakow von der SPD-Fraktion. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Besonders Sie, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, dürfen uns für unseren Antrag zum Waldkindergarten heute ganz besonders dankbar sein. Sie hatten sich nämlich in Ihrem Bürokratiedschungel total verirrt. Wir können Ihnen jetzt zeigen, wie Sie da wieder herauskommen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Bei dem Thema haben Sie uns wirklich eindrucksvoll demonstriert, wie Sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Bürokratie stehen. Das wollen wir heute ein wenig ändern. Mit unserer Hilfe kann es jetzt nur noch besser werden.

Meine Damen und Herren, worum geht es bei dem Antrag? - Waldkindergärten gibt es schon seit einigen Jahren. Das sind Tageseinrichtungen für Kin

der, und diese bedürfen gemäß § 45 des Kinderund Jugendhilfegesetzes einer Betriebserlaubnis, die man unter bestimmten Rahmenbedingen erhalten kann. Diese Rahmenbedingungen stammen aus den Erfahrungen der Waldkindergartenzeit, die schon einige Jahre zurückliegen. Die Rahmenbedingungen sind damals zum Schutz der Kinder entwickelt worden. Unter anderem gehört dazu, dass die Aufenthaltsdauer der Kinder in einer Waldkindergartengruppe auf vier Stunden beschränkt worden ist. „Maximal vier Stunden am Tag“ heißt es da.

Nun entwickelt sich die Welt allerdings weiter. Ab und zu sollte man schon darüber nachdenken, ob die bestehenden Regelungen noch zeitgemäß sind. Dieses Nachdenken haben Sie im Sommer bei meiner Anfrage noch weit von sich gewiesen. Aber auch Waldkindergärten haben sich entwickelt. Eltern und Erzieherinnen wissen heute, wie man sich mit wärmenden wasserdichten Kleidungsstücken ganz wunderbar vier, aber auch mehr Stunden am Tag draußen aufhalten kann. Sie wissen inzwischen auch, dass man sich bei Frost warm anziehen muss. Heutzutage formulieren Eltern häufig das Bedürfnis, dass Kinder in einem Kindergarten eben nicht nur vier Stunden betreut und gefördert werden, sondern sie sagen, dass es aufgrund ihrer Berufstätigkeit auch einmal etwas länger sein darf. Das gilt auch für Eltern, deren Kind im Waldkindergarten ist.

Soweit zu den alten Regelungen. Vier Stunden waren festgeschrieben. Aber das ist noch nicht alles, was an Regelungen besteht. Es gibt noch viel schönere, neue Regelungen. Es gibt einen Erlass aus dem Jahre 2003, den wir Herrn Minister Ehlen verdanken. Dieser Erlass ist so schön, dass man ihn zweimal lesen muss. Beim ersten Mal glaubt man gar nicht, was darin steht. In dem Erlass ist z. B. geregelt, dass das Kindergartenareal maximal 0,5 ha betragen soll.

In dem Erlass ist auch geregelt, dass das Gelände kenntlich zu machen ist, und zwar durch die Markierung der Eckpunkte. Ich weiß nicht, von wie vielen Ecken man dabei ausgeht, aber man wird die Ecken in irgendeiner Form finden können, damit die Begrenzung deutlich gemacht werden kann. Hierbei stelle ich mir immer vor, wie Mitarbeiter durch den Wald gehen, die Eckpunkte suchen und dann vielleicht bunt markieren, damit sie für Kinder oder Erzieherinnen wie auch immer deutlich gemacht werden. Es geht einem ein Re

gelungswust durch den Kopf, wenn man sich diesen Erlass ins Gedächtnis ruft.

In dem Erlass wird auch noch gefordert, dass um diese markierten Eckpunkte herum in einer bestimmten Fläche - doppelte Baumlänge - geprüft wird, ob das Gelände den Sicherheitsanforderungen entspricht. Nachdem die Eckpunkte markiert worden sind, findet man dann vielleicht auch diese Fläche.

Meine Damen und Herren, so viel muss nicht so ausdrücklich geregelt werden. Es muss weiter nicht so ausdrücklich geregelt werden, wie der Boden beschaffen sein soll. Totholz, Geröll und Bäche sind nicht erwünscht. Das heißt, man erwartet einen relativ aufgeräumten Wald. Das wird im Erlass nach dem Motto vorgegeben: Alles, was Spaß macht, ist verboten, oder alles, was die Kreativität der Kinder anregt, lassen wir weg.

Ich will aber auch nicht unbedingt - Mitarbeiter des Ministeriums habe ja auch daran gesessen und sich viel Mühe gegeben - dem Leichtsinn das Wort reden und sagen: Wir brauchen jetzt überhaupt keine Regelungen mehr. So weit sollten wir nicht gehen. Aber braucht man tatsächlich landesweit Handlungsanweisungen in dieser Genauigkeit für alle Beteiligten? - Herr Minister, eigentlich müssten Sie Ihre Mitarbeiter doch auch noch mit wichtigeren Dingen beschäftigen können. Selbstverständlich wollen wir alle die Sicherheit der Kinder gewährleisten. Aber wir wollen es nicht in dieser Form so umfassend. Meine Damen und Herren der Fraktionen der CDU und der FDP, Sie sprechen immer von Bürokratieabbau. Sie reden und reden, und beim Waldkindergarten wächst, blüht und gedeiht ein riesiges bürokratisches Monster.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich kann das Ganze auch positiv formulieren: Ich habe beim Lesen eines Ministerialblattes selten so gelacht. Diesen Spaß haben Sie uns wenigstens gegönnt. Die Realität ist oft die bessere Satire. Schade, meine Damen und Herren, dass wir im Rahmen der Sparmaßnahmen nicht noch mehr Ministerialblätter vollständig bekommen. Wir bekommen inzwischen ja nur noch Auszüge. Vielleicht haben Sie uns damit manch anderen Spaß bereits vorenthalten.

Aber zurück zum Waldkindergarten. All die fürsorglichen Gedanken, die von den Ministerien geäußert worden sind, könnte man in Handreichun

gen zusammenfassen und den Leuten, die danach fragen, an die Hand geben.

Sie, meine Damen und Herren, sollten es einmal mit weniger Bürokratie versuchen. Nehmen Sie unsere Vorschläge an. Lassen Sie sich auf eine Änderung, d. h. auf eine Erweiterung der Öffnungszeiten ein, lassen Sie sich auf eine ausreichende Vertragsfläche ein - es darf ja auch einmal ein bisschen mehr sein als 0,5 ha -, und: Sie müssen auch keinen gefegten, aufgeräumten Wald mehr vorschreiben.

(Zuruf von der CDU: Das will ja auch niemand!)

Das heißt, es darf schon ein bisschen abwechslungsreicher werden. Selbstverständlich regeln wir dann die Haftungsfragen, die Gestattungsverträge usw.

(Lothar Koch [CDU]: Es darf gelacht werden!)

Meine Damen und Herren, versuchen Sie es einfach mit etwas weniger Bürokratie. Versuchen Sie es mit uns gemeinsam beim Bürokratieabbau. Lassen Sie uns den Antrag in der flexiblen Form gemeinsam verabschieden. Aber seien Sie so nett und regeln Sie uns, wenn wir den Antrag verabschieden, nicht hintenrum wieder ein paar kleine neue Schwierigkeiten durch ein paar neue Erlasse hinein. Diese Bürokratie brauchen wir nun wirklich nicht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Vockert das Wort. Ich erteile es ihr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Kollegin Rakow, Sie haben Recht!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die CDU-Fraktion ist Ihnen ausgesprochen dankbar, dass Sie dazu beigetragen haben, Ihr eigenes Regelungsdickicht zu durchforsten - ein Regelungsdickicht, das Sie endlich auch als solches erkannt und das Sie selbst im Jahr 2000 initiiert ha

ben. Frau Rakow, Sie waren damals noch nicht dabei. Sie sollten sich einmal informieren, wer dieses Regelungsdickichts verursacht hatte. Das war nämlich die SPD-geführte Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie selbst erkannt haben, dass es gerade in diesem Bereich ein nicht mehr zu durchschauendes Regelungsdickicht gegeben hat, und dass Sie im Mai dieses Jahres selbst den Antrag eingebracht haben, dieses Regelungsdickicht zu durchforsten. Klasse!

Wir haben immer gesagt, wir stehen für Bürokratieabbau, egal in welchem Bereich. Schade übrigens, dass Sie gestern nicht mitbeschlossen haben, die Bezirksregierungen abzuschaffen, denn auch das ist Bürokratieabbau.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Rakow, Sie waren bei den Beratungen im Kultusausschuss nicht dabei. Ich habe bereits dort sehr deutlich gesagt, dass uns das Ganze schon ein bisschen amüsiert.

Die frühere SPD-geführte Landesregierung hat im Juli 2000 durch das Niedersächsisches Landesjugendamt, das NLJ, die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis von Waldkindergärten festgelegt. - Das ist Fakt, Frau Rakow, daran kommen Sie nicht vorbei.

Insofern haben wir mit ein bisschen Amüsement und Schmunzeln zur Kenntnis genommen, dass Sie selbst zu der Erkenntnis gekommen sind, dass das von Ihnen erstellte Regelungswerk zu starke Reglementierungen vorsieht, und dass Sie die jetzige Landesregierung auffordern, Ihr selbstgestricktes Regelungsdickicht zu lichten. - Wir begrüßen, dass Sie dazugelernt haben und insgesamt eine flexiblere Gestaltung und auch weniger Bürokratie einfordern. Vielleicht hält sich diese Einsicht auch für viele andere Bereiche. Gestern war es ja leider nicht so.

Ferner begrüßen wir es, Frau Rakow - vielleicht unterliegen Sie auch insofern Fehlinformationen, weil Sie bei den Beratungen im Kultusausschuss nicht dabei waren -, dass Sie sich auf den Änderungsantrag, den wir seitens der Fraktionen von CDU und FDP vorgelegt haben, eingelassen haben. Wenn Sie sagen „Lassen Sie sich auf den Änderungsantrag ein“: Diesen Änderungsantrag haben CDU und FDP unterbreitet, weil wir diesen

gesamten Bereich ohnehin einmal konkretisieren, flexibilisieren und entbürokratisieren wollten.

Insofern begrüßen wir es, dass Sie sich auf den Änderungsantrag eingelassen haben und die wöchentliche Betreuungszeit - meine Damen und Herren, auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - nun nicht mehr konkret vorschreiben wollen.

Also, auf der einen Seite hat die SPD in ihrem Antrag gesagt, „Regelungsdickicht abschaffen“, auf der anderen Seite hat sie mit ihrem Ursprungsantrag gefordert, dass man die Betreuungszeiten wieder ganz genau vorschreibt. Da haben wir uns gefragt: Was will die SPD eigentlich? Auf der einen Seite will sie Flexibilität, auf der anderen Seite will sie wieder genau festschreiben. - Mit uns nicht, meine Damen und Herren!

Frau Kollegin Vockert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gabriel?

Sehr gerne, Herr Kollege Gabriel. Bitte!

Frau Kollegin Vockert, weil Sie sich so echauffieren, was das Jahr 2000 angeht, frage ich Sie, ob Sie sich noch an die Heimrichtlinien für Kindergärten aus der letzten CDU-Regierungszeit erinnern - damals haben Sie es sogar fertig gebracht, den Abstand zwischen den Kleiderhaken in Kindergärten zu regeln! - und daran, wer gefordert hat, das abzuschaffen, und wer diese Forderung auch in die Tat umgesetzt hat. - Ich sage das nur, damit Sie ein bisschen ruhiger werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Gabriel, mein Erinnerungsvermögen ist sehr groß. Ich kann gut verstehen, dass Sie jetzt versuchen, durch Ablenkungen Ihre tatsächliche Missachtung zu verwischen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich wollte nur zu etwas Mäßigung beitragen!)

- Ja, Herr Kollege Gabriel. Mich hat das Ganze ein bisschen amüsiert, und das tut es auch weiterhin.