Protocol of the Session on September 16, 2004

- So habe ich es verstanden, und es ist hier von diesem Pult auch so gesagt worden. Wir können das im Protokoll ja nachlesen. Das macht auch deutlich, dass die Mehrheit hier im Parlament in dieser Frage nicht handlungsfähig ist, Herr Minister Möllring. Deswegen verstehe ich auch, dass Sie an dieser Stelle die Hände in den Schoß legen und sagen: Wir warten einmal ab, was da kommt.

Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzhof ist aber nicht irgendjemand in diesem Land. Das ist nicht jemand, Frau Weyberg, der Neid schürt oder Klassenkampfparolen verbreitet. Der Bundesfinanzhof ist das höchste Finanzgericht in diesem Land. Wenn der Bundesfinanzhof zu der Auffassung gelangt, dass es hier zu einer Ungerechtigkeit gekommen ist, dann ist es für ein selbstbewusstes Parlament richtig, heranzugehen und zu sagen: Wir schaffen diesen ungerechten Tatbestand so schnell wie möglich aus der Welt. - Und das müsste jetzt geschehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Wenzel, Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten. Kommen Sie bitte zum Ende. Einen Satz noch!

Der letzte Satz! - Ich bin doch nicht so vermessen, Herr Möllring, dass ich glaube, dass wir damit den Haushalt sanieren können. Aber auch wenn es nur 40 oder 50 Millionen sind: Damit könnten wir viele der Dinge, die von Ihnen im sozialen Bereich geplant sind und die bitter, bitter hart sind, gegenfinanzieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Althusmann, bitte!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: Mit SPD und Grünen ist eine verlässliche Steuerpolitik in Deutschland unmöglich geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

SPD und Grüne schaden dem Wirtschaftsstandort Deutschland, schaden diesem Land mit erneuten Steuerdiskussionen von Tag zu Tag mehr.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist die Wahrheit, lieber Kollege Wenzel.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass immer dann, wenn das Wort „Vermögensteuer“ fällt, bei SPD und Grünen und auch bei Ihnen, Herr Aller, so etwas wie ein pawlowscher Reflex entsteht. Sie haben dann Schaum vor dem Mund. Sie sehen dann plötzlich Geld, das Sie wieder verteilen können, das aber im Übrigen überhaupt nicht da ist.

Zur Frage der Steuergerechtigkeit, liebe Frau Helmhold, möchte ich jetzt eine Anmerkung machen. Es geht um die Frage: Ist das, was die Menschen in Deutschland an Steuern zahlen, gerecht oder ungerecht verteilt? Ich zitiere: 10 % der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen in Deutschland erbringen 54 % des gesamten Steueraufkommens in Deutschland.

(Roland Riese [FDP]: Lohnsteuer!)

20 % der Steuerpflichtigen, lieber Kollege Riese, mit den geringsten Einkünften in Deutschland tragen überhaupt nichts zum Lohn- und Einkommensteueraufkommen in der Bundesrepublik Deutschland bei. - Auch das gehört zur Wahrheit in Deutschland, wenn man über die Frage der Vermögensteuer oder Erbschaftsteuer spricht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Vermögen entsteht immer aus versteuertem Einkommen. Erbschaftsteuer wird bei den mittelständischen Betrieben in Niedersachsen inzwischen nicht mehr aus den Gewinnen, sondern aus der Substanz bezahlt. Diese Steuer wird zu einer Substanzsteuer, die die Betriebe weiterhin kaputtmacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will nur darauf hinweisen, dass die Anhebung der Erbschaftsteuer, so wie Sie sie planen, verfassungsrechtlich einer Enteignung gleichkommt. Wenn Sie den Verfassungsgrundsatz von 1996 des Verfassungsgerichts zugrunde legen, werden auch Sie zu dieser Einschätzung kommen.

Nun noch einmal zu den Details, lieber Herr Kollege Aller. Es ist schön, dass Sie sich melden; dann kann ich darauf jetzt auch noch eingehen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aller?

Ja, bitte, gerne. Soll er doch! - Nun zu den Details in der Mittelfristigen Planung, von der Sie vorhin sprachen, lieber Kollege Aller: Im Jahr 2004 haben wir 9 Millionen Euro eingeplant, im Jahr 2005 5 Millionen Euro und im Jahr 2006 richtigerweise null. Lieber Kollege Aller, ich will nur einmal darauf hinweisen, dass wir bei Schätzungen sehr vorsichtig sind. Dieses Prinzip würde ich Herrn Eichel auch einmal empfehlen. Wer bei der Steueramnestie von Steuereinnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro ausgeht und diese in den Bundeshaushalt einstellt, während wir im Lande Niedersachsen im Moment vielleicht bei Einnahmen von 13 oder 20 Millionen Euro sind, hat sich verrechnet, macht den Menschen in diesem Lande etwas vor und handelt unseriös. Das haben auch Sie in den vergangenen 13 Jahren in Niedersachsen so gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich muss Folgendes noch einmal wiederholen, weil der Kollege Aller damals als Finanzminister hier von 700 Millionen Euro gesprochen hat, die er womöglich noch einnehmen werde. Lieber Herr Kollege Aller, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass aufgrund des bürokratischen Aufwandes bei der Erhebung einer weiteren Vermögen- oder Erbschaftsteuer - oder wie auch immer Sie das Kind nennen wollen, das Sie erfunden haben - in der Steuerverwaltung in Niedersachsen etwa 500 zusätzliche Stellen notwendig wären? Dieser Aufwand wäre erforderlich, um die paar hundert Millionen, die wir dann hereinbekommen, überhaupt zu erheben. Die Einnahmen stehen

doch in keinem Verhältnis mehr zu dem Aufwand, den wir dann tatsächlich betreiben müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich will nur noch eines klarstellen, weil eine Kollegin von der SPD oder von den Grünen vorhin so wunderbar dazwischengerufen hat. Liebe Kollegin - ich weiß nicht mehr, wer es war; was ich jetzt sage, richtet sich aber in erster Linie gegen die Grünen -, die Behauptung, die Regierung Kohl habe die Vermögensteuer abgeschafft - das schwirrt ja durch alle Blätter; auch bei manchen Menschen hat sich diese Vorstellung verfestigt -, ist nachweislich falsch. Seit dem 1. Januar 1997 wird in Deutschland die Vermögensteuer nicht mehr erhoben. Grund ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 1995, wonach diese Steuer gegen das Vermögensteuergesetz und gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt. Das ist die Wahrheit. Sie sollten bei der Wahrheit bleiben. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Peters, Sie haben um zusätzliche Redezeit von zwei Minuten gebeten. Sie haben sich vor Herrn Aller zu Wort gemeldet. Haben Sie Ihre Wortmeldung zurückgezogen?

(Ursula Peters [FDP]: Nein!)

- Wenn Sie Herrn Aller den Vortritt lassen, hat er jetzt für drei Minuten das Wort.

Meine Damen und Herren! Der Nachschlag von Herrn Althusmann hat noch einmal bestätigt, wo das Problem in der Diskussion eigentlich liegt. Sie haben ein echtes Problem mit der Frage der Einnahmeseite der Haushalte. Es ist in diesem Land nun einmal so, dass die Steuern der wesentliche Teil sind, der die Einnahmeseite der Haushalte bestückt. Wenn Sie jede direkte Steuer mit dem Argument abschaffen wollen, dass sie auch einen bürokratischen Aufwand entfacht,

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir warten das Gerichtsurteil ab! Dann werden wir sehen, wie wir das gestalten!)

können Sie natürlich auf dem Wege indirekter Steuern eine Umsteuerung vornehmen. Dann wird das alles leichter. Es wird aber nicht gerechter, Herr Althusmann. Das ist das erste Problem. Sie haben wirklich ein gestörtes Verhältnis zur Frage der Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Nein, nur zu Ihnen!)

Das müssen Sie wegräumen, denn sonst sind Sie raus aus der Steuerdebatte. Wenn Sie über die Vermögensteuer reden, dann müssen Sie den Sachverhalt richtig beschreiben. Die Vermögensteuer ist durch die damalige Bundesregierung dadurch kalt erledigt worden, dass sie der Forderung des Verfassungsgerichts, die Vermögensteuergesetzgebung zu novellieren, nicht nachgekommen ist.

(Bernd Althusmann [CDU]: Es lief am 31. Dezember 1996 automatisch aus!)

Da es in diesem Geflecht zwischen Bundesebene und Ländervertretung keine vernünftige Lösung mehr gab, ist die Vermögensteuer weg. Die Einzigen, die sich freuen, sind die Vermögenden, die keine Vermögensteuer mehr zahlen. Vor einem ähnlichen Verfahren warnen wir; denn wir wollen nicht, dass wir - wie die Engländer sagen - in einem Deadlock zwischen Bundesregierung und Bundesgesetzgebung sowie dem, was der Bundesrat blockieren kann, in die Situation kommen, dass das Bundesverfassungsgericht die Politik beauftragt, dieses Problem zu lösen, und die Parlamente beauftragt, für die Menschen ein Gesetz zu machen. Weil Sie sich da drücken, Herr Althusmann, und weil sich Herr Möllring da drückt, der nicht kann, weil sich FDP und CDU nicht einig sind, laufen wir Gefahr, dass die Erbschaftsteuer am Schluss weg ist, weil sich die Politik nicht mehr über eine tragfähige Lösung verständigen kann.

Dass Erbschaftsteuer per se von Übel sein muss - was Frau Peters gesagt hat, was Sie gesagt haben, was Herr Möllring gesagt hat -, ist nun absoluter Quatsch; denn sonst würden die USA, Großbritannien und andere die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer nicht aufrechterhalten. Sie sind doch die Neoliberalen, die das abschaffen wollen. Wenn man sich die dortigen Steuersätze und Freibeträge anguckt, kann feststellen, dass es dort um ganz andere Größenordnungen geht als hier.

Wenn Sie den Antrag der Grünen richtig lesen - das will ich Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen, auch Frau Peters -, dann werden Sie feststellen, dass es nicht darum geht, massiv mehr Geld zu erzielen, sondern zunächst einmal darum, die Erbschaftsteuer in dem Rechtsstreit, der ausgebrochen ist, an sich zu sichern. Ferner soll mehr Gerechtigkeit geschaffen werden, indem ich die Steuerbasis verbreitere - das ist ein vernünftiger Ansatz - und über Freibeträge das ausräume, was Sie an Kritik vorgebracht haben.

Wenn Sie sich diesem Verfahren verschließen, dann haben Sie ein echtes Problem, an der Steuerdiskussion noch weiter als ernsthafte Partnerin teilzunehmen. Wir sind in der Minderheit. Wir können es nicht erzwingen. Sie werden aber damit leben müssen, dass wir die Tatsache, dass Sie die Erbschaftsteuer nicht offensiv angehen, im Zusammenhang mit dem, was Sie in diesem Land sozialpolitisch anrichten, als Argument benutzen. Das ist verteilungspolitisch alle Mal ein Skandal.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Peters für bis zu zwei Minuten.

Didaktisch ist das heute alles klasse hier. Was ich aber irgendwie nicht so richtig nachvollziehen kann, ist, dass heute vielfach nicht zur Kenntnis genommen wird, was zu lesen ist und was gehört worden sein müsste.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Ich habe hier im Parlament gesagt: Wir werden uns der Reform der Erbschaftsteuer stellen, um sie gerechter zu gestalten. - Ich habe es hier und heute gesagt. Ich verwahre mich dagegen, anders zitiert zu werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die FDP hat niemals gesagt, dass sie die Erbschaftsteuer abschaffen will. Ich verwahre mich auch gegen solche Äußerungen.

Zu diesem Antrag habe ich hier in diesem Parlament am 29. April 2004 inhaltlich Stellung genommen. Mir war nicht bekannt, dass in diesem Parlament so viele Leute sitzen, die nicht wissen, was

hier vor wenigen Monaten gesagt worden ist. Ich dachte nicht, dass ich das wiederholen muss.