Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So ganz sicher war ich eben nicht, ob meine beiden Vorrednerinnen zu dem Antrag der Grünen gesprochen oder ein allgemeines Plädoyer zur Abschaffung der Steuern gehalten haben. Ich hatte eher den Eindruck, es war das Letztere.
Meine Damen und Herren, wir reden hier über einen Antrag der Grünen, der nichts anderes macht, als eine Situation, die durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auf den Weg gebracht worden ist, in einen politischen Auftrag umzumünzen, nämlich die Ansage: Politikerinnen und Politiker in den Ländern und im Bundesparlament, nehmt euren Auftrag ernst und gestaltet Politik selbst, bevor das Bundesverfassungsgericht wieder einmal eure Aufgabe erledigt!
Wir haben Erfahrungen mit der Vermögensteuer. Durch Nichtstun ist die Steuer weg, und ein Blick in die Mipla hilft: Da steht jetzt eine Null; da gibt es nichts mehr.
Eine gleiche Entwicklung wollen wir verhindern. Insofern sage ich nichts Neues. Wir werden den Antrag der Fraktion der Grünen unterstützen und den mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP herbeigeführten Beschlussvorschlag des Haushaltsausschusses ablehnen.
Die Tatsache, vor der wir hier stehen, ist relativ einfach. Das haben wir im Februar bei der Anfrage der SPD-Fraktion, bei der Einbringung des Antrages und bei den Debatten im Haushaltsausschuss gelernt, und wir haben es heute wieder gehört: CDU, FDP und Landesregierung wollen sich jetzt zu diesem brisanten Thema nicht äußern.
Das lässt wenige Schlüsse zu. Der Erste ist: Sie können es nicht, weil sich CDU und FDP nicht einig sind. Das ist durch die beiden Beiträge von Frau Peters und Frau Weyberg eben deutlich geworden: Beide waren nicht deckungsgleich in der Zielrichtung.
Wenn ich Frau Peters Beitrag richtig deute, dann hat sie Angst, über den großen Teich nach Amerika zu gucken, wo es natürlich noch eine Erbschaftsteuer und eine Vermögensteuer gibt - und das ist doch eigentlich das Land, dass immer als Beispiel für wirtschaftliche Dynamik und für den richtigen Weg in der Steuerpolitik herangezogen wird.
Warum haben Sie eigentlich Angst, das zu machen, was die angloamerikanischen Länder für selbstverständlich halten: dass die Reicheren und die, die als Reiche etwas vererben, einen Teil zurückgeben an die Gesellschaft, die sie reich ge
macht hat? - Das ist doch die Grundsatzfrage. Es geht um ein Stück Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft. Diese Gerechtigkeit wollen Sie nicht weiter verfolgen.
Die Politik des Nichtstuns, die hier offensichtlich durch die Regierungskoalitionen unterstützt wird und die der Finanzminister letztes Mal als sein Prinzip vorgestellt hat, führt dazu, dass in den Jahren 2004 bis 2007 224 Millionen, 232 Millionen, 239 Millionen und 246 Millionen Euro zur Disposition gestellt werden. Das sind in vier Jahren 1 Milliarde Euro.
Die gleiche Landesregierung, die gleiche Mehrheit in diesem Haus, die sich nicht scheut, über verfassungswidrige Haushalte die Politik zu gestalten, läuft Gefahr, durch ihre passive Haltung dieses Geld zur Disposition zu stellen und aus dem Haushalt herauszukegeln. Wer so Politik macht, Herr McAllister, der muss sich gefallen lassen, dass seine Politik bei den Haushaltsberatungen zu den Summen in Relation gesetzt wird, die ich eben genannt habe. 220 Millionen Euro sind die 150 Millionen Euro, die Sie den Kommunen wegnehmen, und das Blindengeld. Dann können Sie jede Maßnahme, die Sie im Haushalt machen, dagegen rechnen, die Sie noch toppen müssen, wenn die Erbschaftsteuer wegfällt.
Sie haben gesagt, Sie sind auch dafür, dass die Erbschaftsteuer weiterentwickelt wird. Wenn Sie dafür sind, dann war das Begehren - wenn ich den Antrag der Grünen richtig deute -, dass hier mal einige Eckdaten benannt werden, die Grundlage für die neue Fassung des Erbschaftsteuerrechts sein sollen. Die Grünen haben einige Punkte genannt, die Sie offensichtlich alle ablehnen. Im Umkehrschluss heißt das, dass Sie die Erbschaftsteuer so nicht wollen. Wenn Sie sie nicht wollen, dann halten Sie sie offensichtlich auch nicht für einen wichtigen Beitrag innerhalb des Steuerverbundes, innerhalb des Steuersystems und vor allen Dingen bei den Landessteuern. Die Erbschaftsteuer ist ein wichtiger Baustein der Landessteuern. Wenn Sie ihn zur Disposition stellen, sind sie weg. Wenn Sie bei der Erbschaftsteuer die Sicherung der Steuergerechtigkeit nicht ausdrücklich zum Prinzip erheben, dann werden Sie natürlich auch nicht über eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage reden wollen, und dann werden Sie sich auch im Gegensatz zum Bundesfinanzhof verhalten müssen, der ausdrücklich gesagt hat: Die Ungleichheit zwischen Grundvermögen, Immobilien, Aktien und Geld ist einer der Punkte, der in Angriff genommen
werden muss. Dann erwarte ich von einem Minister mit einer Steuerabteilung, dass er sich selber in die Diskussion einbringt.
Andere Länder sind schon viel weiter. Es gibt einen Gesetzentwurf von Schleswig-Holstein, an dem man sich messen und sagen kann „Das finden wir gut und das finden wir nicht gut“. In dieser Frage wird aber die Aussage verweigert. Bayern und Rheinland-Pfalz haben sich bei der Bewertung von Grundvermögen und Immobilien in die Vorbereitung begeben. Auch da gibt es Vorschläge. Dazu wird die Aussage verweigert. Dann muss ich doch den Schluss ziehen, dass sich das Land Niedersachsen in der Frage Erbschaftsteuer/Bewertungsfragen offensichtlich ganz hinten anstellen will und in die Zuschauerrolle abrückt, damit man nicht in die kontroverse Debatte um Verteilung von Vermögen oder Erbschaft in diesem Lande kommt. Das ist Drücken vor der Verantwortung, das ist Drücken vor einer aktuellen Politik, und das ist nicht in Ordnung.
Meine Damen und Herren, dahinter kann man auch eine Strategie vermuten - die wird immer deutlicher -, die Druck auf den Kessel in der Steuerpolitik in der Form machen will, dass alle Steuern, die direkt an einem bestimmten Punkt ansetzen, also die direkten Steuern, systematisch desavouiert, vermindert oder abgeschafft werden. Meine Damen und Herren von der Koalition, das führt geradewegs in eine Diskussion um die Mehrwertsteuererhöhung. Die wollen Sie offensichtlich haben. Wenn Sie die anderen Steuertatbestände eliminieren, dann müssen Sie irgendwann das Steueraufkommen in Verhältnis zu den Ausgaben setzen, die Sie zu bewältigen haben. Das ist der direkte Weg in die Mehrwertsteuererhöhung. Offensichtlich hätten Sie es ganz gerne, dass die Grünen und die SPD in Berlin das machen, damit Sie Ihren Haushalt hier von diesen Problemen entlasten können.
Unter diesen Voraussetzungen sind wir im Prinzip dankbar, meine Damen und Herren, dass Sie sich nicht konkret äußern, weil es deutlich macht, dass Sie in der Frage von Steuergerechtigkeit eher so handeln, wie man es im Haushalt nachlesen kann. Sie verzichten gezielt auf die Einnahmeseite und diskutieren gezielt über die Ausgabeseite. Sie stellen ausgebildetes Personal in der Steuerverwaltung nicht ein, Sie kürzen das Personal in der Zukunft und zeigen damit ganz deutlich auf, dass
es nicht darum geht, die Einnahmeseite nach der Maßgabe geltenden Rechts vernünftig zu organisieren und damit eine Steuererhöhungsdebatte zu vermeiden. Nein, Sie wollen gezielt eine Mehrwertsteuerdebatte provozieren, weil der Druck durch Ihre Politik in diese Richtung läuft. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Aller, meine Kollegin Ziegler aus Brandenburg, die in der Finanzministerkonferenz neben mir sitzt, und ich haben uns gegenseitig in die Hand versprochen, dass wir nicht wie die anderen Kollegen ständig neue Steuergesetzentwürfe auf den Markt schmeißen, weil ich es nicht für richtig halte, dass wir unsere Beamtinnen und Beamten arbeiten und Makulatur produzieren lassen, nur damit der Minister mal eine Pressekonferenz im Jahr machen kann.
Herr Aller, Sie tun so, als wenn die Erbschaftsteuer nicht nur eine Ländereinnahme ist, sondern von den Ländern auch durch Gesetzgebung beeinflusst werden kann. Sie haben vor der Wahl Ihre Plakate eingestampft, auf denen „1 % Vermögensteuer für mehr Bildung“ stand. Da haben Sie vor dem Bund gekniffen. Sie hätten doch sagen können: „Das stehen wir jetzt gegen diesen Bundeskanzler durch; wir wollen die Vermögensteuer, auch wenn es im Wahlkampf schief gegangen ist; wir machen das jetzt; wir zeigen mal, was eine Harke ist.“ Aber das haben Sie nicht gemacht, sondern Sie sind eingeknickt.
Ich weiß noch, wie sich der damalige Ministerpräsident hier hingestellt und von seinem Freund Müller von Müller-Milch erzählt hat; ständig rede er
mit ihm und der Müller sage ihm „Mensch, Gabriel, warum machen Sie keine Vermögensteuer? Ich würde hier in Deutschland gerne mal Vermögensteuer zahlen“. Jetzt beschimpfen Sie diesen Mann dafür, dass er seinen Wohnsitz in der Schweiz genommen hat, weil ihm die Erbschaftsteuer zu hoch ist. Sie müssen doch mal sehen, wohin Sie diskutieren!
Bei der Erbschaftsteuer gilt Folgendes: In seinen Beschlüssen vom 22. Juni 1995 hat das Bundesverfassungsgericht die damals auch für Zwecke der Erhebung der Vermögen- und Erbschaftsteuer geltende so genannte Einheitsbewertung aus genau den gleichen Gründen beanstandet, aus denen heute die so genannte Bedarfsbewertung auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand steht. Das Bundesverfassungsgericht rügte die bestehenden großen Disparitäten bei der Bewertung der einzelnen Vermögensarten. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes führten dazu, dass die Vermögensteuer seit dem 31. Dezember 1996 nicht mehr erhoben wird und dass durch das Jahressteuergesetz 1997 das Erbschaftsteuerrecht mit Wirkung ab 1. Januar 1996 neu geregelt wurde. Damit verbunden war auch die Einführung der heute geltenden so genannten Bedarfsbewertung im Bewertungsgesetz.
Die Verfassungsmäßigkeit von Erbschaftsteuer und Bewertungsrecht steht heute nach nicht einmal acht Jahren erneut auf dem Prüfstand. Auch heute ist wieder unbestritten, dass die Wertansätze für die einzelnen Vermögensarten unterschiedlich hoch sind. So werden unbebaute Grundstücke nur zu etwa 72 %, bebaute Grundstücke nur zu durchschnittlich 51 % und der land- und forstwirtschaftliche Betriebsteil sogar nur mit 10 % ihres jeweiligen Verkehrswertes berücksichtigt. Bei einem Betriebsvermögen liegt die Erfassungsquote bei rund 58 %. Diese Wertansätze in Verbindung mit einem einheitlichen Steuersatz hält der Bundesfinanzhof für verfassungswidrig und hat daher diese Frage dem Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 Grundgesetz vorgelegt. Bei realistischer Einschätzung sind die vom Bundesfinanzhof aufgelisteten Beanstandungen wiederum derart schwerwiegend, dass davon ausgegangen werden kann, dass das Bundesverfassungsgericht erneut die Verfassungswidrigkeit feststellen wird.
Wenn wir das Ganze wissen und bei diesen komplizierten Zahlen, die ich eben vorgetragen habe - die ja nicht willkürlich aus der Luft gegriffen worden sind, sondern denen ja auch mal eine gesetz
geberische Initiative und sehr viel Sachverstand zugrunde gelegen haben -, halte ich es für völlig falsch, nun in gesetzgeberischen Aktionismus einzutreten. Ich möchte noch einmal klarstellen, wer gesetzgeberisch tätig werden müsste. - Das ist nicht das Land Schleswig-Holstein. Aber ich weiß, dass der Kollege Stegner gerne mal in eine Pressekonferenz geht und dass im nächsten Jahr in Schleswig-Holstein Wahlen sind. Nach Artikel 105 Abs. 2 Grundgesetz hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Erbschaftsteuer und das Bewertungsrecht.
Ich möchte den BMF heute und an dieser Stelle aber gar nicht auffordern, diese Kompetenz heute auszuüben. Auch wenn ich mit dem Kollegen Hans Eichel hin und wieder mal nicht einer Meinung bin, so muss ich ihm bei der Reform der Erbschaftsteuer und des Bewertungsrechts doch zugestehen, dass vorauseilendes gesetzgeberisches Handeln derzeit nicht gefragt ist. Wenn Rot-Grün das tatsächlich wollte, könnten die beiden Fraktionen ja mal den Kollegen Eichel auffordern und nicht in den Landesparlamenten eine Diskussion vom Zaun brechen, die uns nicht weiterhilft und nur reiner Populismus ist.
Das verfassungsrechtliche Problem ist nämlich - wie es mit verfassungsrechtlichen Problemen häufig der Fall ist - diffiziler, als gemeinhin dargestellt. Es geht nicht nur um die Frage der Disparitäten bei der Bewertung der einzelnen Vermögensarten, sondern gerade auch um die Frage, in welchem Umfang einzelne Vermögensarten ohne Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz geschont werden dürfen.
Ich möchte dies am Beispiel des Betriebsvermögens verdeutlichen. Das Betriebsvermögen sollte im Falle der Unternehmensfortführung - darüber sind wir alle uns wohl einig - so weit wie möglich geschont werden. Wie weit der Gesetzgeber hier aber gehen darf, lässt sich verlässlich nur auf der Grundlage der kommenden Bundesverfassungsgerichtsentscheidung beurteilen. Deshalb sollte man diese abwarten
und nicht einen Schuss ins Blaue setzen, der wieder zu einer Anrufung des Verfassungsgerichtes führt. Das Verfassungsgericht würde sich dann zu Recht fragen: Warum tut ihr das, ein halbes Jahr oder ein Dreivierteljahr bevor wir mit unserer Ent
scheidung kommen? Es ist z. B. nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die geltenden Stundungsregelungen im Erbschaftsteuerrecht, die bei Unternehmensfortführung einer Steuerstundung über zehn Jahre vorsehen, nicht mehr wird fortführen können. Es ist aber auch denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Begünstigung des Betriebsvermögens einen größeren Gestaltungsspielraum zugesteht. Wenn zwei Alternativen denkbar sind, haben wir natürlich eine Chance von 50 %, das Richtige zu treffen. Wir haben zu 50 % aber auch die Chance, genau danebenzuliegen. Deshalb ist es nicht richtig, jetzt in Aktionismus zu verfallen.
Nach alledem ist die Zeit für einen Gesetzentwurf in diesem Bereich hinten und vorne nicht reif. An einer Gesetzgebung ins Blaue hinein oder an einer Neidsteuerdebatte wird sich die Landesregierung selbstverständlich nicht beteiligen. Deshalb halte ich es für richtig, dass sich meine Steuerabteilung im Moment keine weiteren Gedanken zu diesem Thema macht. Sie wird aber sofort mit der Arbeit anfangen - damit wir auf Bundesebene mitreden können -, wenn die Verfassungsgerichtsentscheidung vorliegt. - Vielen Dank.
Nach § 71 Abs. 2 erhält die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zusätzlich zwei Minuten, die Fraktion der CDU zusätzlich drei Minuten Redezeit. Herr Wenzel, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Möllring, Sie wissen ganz genau, dass Finanzminister Eichel ein Gesetz vorlegen würde, wenn aus dem Bundesrat das Signal käme, dass es dort eine Mehrheit dafür oder die ernste Bereitschaft, darüber zu reden, gibt. Solange Sie hier mauern - -
- Das ist hier heute doch deutlich geworden. Die FDP würde am liebsten die ganze Steuer abschaffen, am liebsten das ganze Ding auf kaltem Wege beerdigen. Die FDP fühlt sich hier als Schutzmacht der Steuerhinterzieher in der Schweiz. Meine Damen und Herren, das ist es
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das hat Frau Peters gar nicht gesagt, Herr Kollege! Das Problem liegt zwischen den Ohren!)
- So habe ich es verstanden, und es ist hier von diesem Pult auch so gesagt worden. Wir können das im Protokoll ja nachlesen. Das macht auch deutlich, dass die Mehrheit hier im Parlament in dieser Frage nicht handlungsfähig ist, Herr Minister Möllring. Deswegen verstehe ich auch, dass Sie an dieser Stelle die Hände in den Schoß legen und sagen: Wir warten einmal ab, was da kommt.