Protocol of the Session on June 23, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie verlagern die politische Auseinandersetzung auf die örtliche Ebene und wollen sich dann zufrieden zurücklehnen und bequem abwarten, wie die Kommunen politisch für das haften, was Sie da angerichtet haben, nämlich dass die Strukturen komplett zusammenbrechen werden. Das ist ein sehr durchsichtiges Manöver. Entsprechend sind auch die Reaktionen der Gebietskörperschaften ausgefallen. Eine Zwischennachricht des Landkreistages bescheinigt Ihnen, dass es noch umfangreichen Nachdenkens bedürfe. Man muss nicht lange nachdenken, um zu verstehen, was diese Botschaft bedeutet. Man ist dort offenbar der Meinung, dass bei Ihnen jedenfalls noch nicht ausreichend nachgedacht worden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht hier um Opferschutz. Da passt es nicht, wenn sowohl die Justizministerin als auch der Innenminister in Sonntagsreden das Hohelied vom Opferschutz singen und gleichzeitig in Niedersachsen auf Kosten von von Gewalt betroffener Frauen extrem gespart werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Noch gestern haben Sie eine Pressemitteilung herausgegeben und sich mit der Stärkung des Opferschutzes gebrüstet. Das nenne ich Chuzpe, meine Damen und Herren. Auf Tagungen predigen Sie Wein in Sachen internationaler Opferschutz, und in Niedersachsen nehmen Sie den Frauen sogar das Wasser weg!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass es um den Landeshaushalt schlecht bestellt ist. Wir nehmen das auch ernst. Aber wir werfen Ihnen vor, dass Sie auf die bestehenden Probleme mit den falschen Konzepten reagieren. Auf gesellschaftliche Probleme reagieren Sie mit immer noch mehr Polizei und gleichzeitiger Zerschlagung der Hilfsund Beratungslandschaft sowie der Präventionsstrukturen. Das sind die Antworten von vorgestern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn auch Sie müssten wissen, dass sich frühzeitige Hilfe auszahlt, und zwar auch in barer Münze. Traumatisierte Kinder müssen frühzeitig, schnell und ausreichend Hilfe erhalten, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie selbst Täter werden bzw. dauerhaft Opfer bleiben. Ich sage Ihnen noch eines: Wer mal eben gut 4 Millionen Euro für die Tierkörperbeseitigung locker machen kann, der kann wohl auch mindestens 3,8 Millionen Euro im Gewaltschutzbereich aufrechterhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Ministerin, Ihre Pläne haben die Beteiligten zutiefst verunsichert. Wirklich niemand befürwortet dies - weder die Einrichtungen noch die Träger noch die kommunalen Spitzenverbände. Auch die frauenpolitischen Sprecherinnen von CDU und FDP haben sich am Montag auf einer Diskussionsveranstaltung in Hannover von Ihren Plänen distanziert. Deswegen fordere ich Sie auf, hier und heute Farbe zu bekennen. Erklären Sie jetzt hier und heute, ob Frauenpolitik in der Landesregierung und in dieser Regierungskoalition überhaupt noch eine Rolle spielt! Stoppen Sie heute alle Überlegungen, weitere Einsparungen bei den Gewaltschutzangeboten vorzunehmen! Geben Sie den Einrichtungen bitte Planungssicherheit für die nächsten Jahre, und sorgen Sie mit dieser Erklärung dafür, dass sie ihre Arbeit machen können,

anstatt immer weiter verunsichert zu werden! - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das war der letzte Tagesordnungspunkt in der Aktuellen Stunde ist, verlese ich die Restredezeiten: für die CDU-Fraktion 2 Minuten und 13 Sekunden, für die SPDFraktion 1 Minute und 16 Sekunden, für die FDPFraktion 5 Minuten und 12 Sekunden.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr die Kollegin Frau Mundlos von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Frau Mundlos!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir nehmen das Thema in der Tat sehr ernst. Jede Frau und jedes Kind, die bzw. das das Opfer von häuslicher Gewalt wird, ist eine Person zu viel,

(Zustimmung bei der CDU)

vor allem wenn man bedenkt, dass das Zuhause eine Art Schonraum ist, in den man sich zurückziehen kann. Wenn dieser Raum bedroht wird, dann wird das Leben insgesamt sehr erschwert.

Aber eines will ich Ihnen sagen: 4,3 Millionen Euro in 2004 für Gewaltschutzprojekte sind eine ganze Menge Geld. Wir werden das mit Sicherheit in die Prüfung nehmen und fortsetzen, weil uns klar geworden ist - auch aufgrund des vorläufigen Evaluationsergebnisses der BISS-Stellen -, dass wir letztlich mehr für Frauen tun müssen, dass es mehr und nicht weniger Frauen ermöglicht werden sollte, an den Beratungs- und Interventionsprojekten teilzunehmen. Die Frage ist sicherlich, wie wir das organisieren. Da muss man angesichts der Haushaltslage - Sie haben das ja angesprochen offen und ehrlich miteinander umgehen. Denn mehr Geld wird bei der bestehenden Haushaltslage und dem aktuellen Steueraufkommen letztlich nicht zur Verfügung stehen. Wer das nicht sehen will, der hat den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben partnerschaftliche Sozialpolitik versprochen. Deshalb kann ich nur alle Beteiligten auffor

dern, Vorschläge zu machen, wie Gewaltschutz insgesamt künftig aussehen soll. Deshalb haben wir auch die Trägerverbände der Demonstration zu einem Gespräch eingeladen. Ich bin gespannt, was sie zu sagen haben, auch dazu, wie das künftig organisiert werden kann. Wir werden das sehr ernst nehmen.

Da wir uns einig sind, dass das ein Thema mit einem besonderen Stellenwert ist, möchte ich, weil mir die Zeit leider davonläuft, mit einem Zitat aus dem Flugblatt abschließen, das heute Morgen verteilt worden ist:

„Gewalt gegen Kinder und Frauen ist kein Luxusthema für gute Zeiten. Es bedeutet großes Leid für die Betroffenen und enorme gesellschaftliche Folgekosten.“

Frau Helmhold, ich kann Ihnen versichern: Das würde jeder aus meiner Fraktion genau so unterschreiben. Das teilen wir.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Sagen Sie das doch mal!)

Ich füge noch hinzu: Wir wollen den Betroffenen auch in Zukunft wirkungsvoll und qualifiziert helfen, und wir werden den partnerschaftlichen Dialog dazu pflegen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber Partnerschaft und Geld müssen es sein! - Enno Hagenah [GRÜNE]: Oh- ne Moos nichts los!)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat sich Frau Kollegin Meißner zu Wort gemeldet. Frau Meißner, bitte schön!

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Nun ma- chen wenigstens Sie das Portmonee auf!)

Mal schauen, was drin ist. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden hier zu dem Thema „Unterlassene Hilfeleistung! - Landesregierung streicht Schutz und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder“. Dazu kann ich gleich sagen: Das stimmt nicht. Die Landesregierung hat noch gar nichts gestrichen,

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Ach so!)

und sie hat überhaupt noch nichts entschieden. Ich meine, irgendwelche populistischen Formulierungen und Angriffe helfen den Betroffenen, um die es geht, überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was ich damit sagen möchte, ist: Wir haben in der Koalitionsvereinbarung, auf die wir häufig angesprochen wurden, niedergelegt, dass wir als Landesregierung flächendeckend für die Beratung von Frauen gemäß dem Gewaltschutzgesetz sorgen wollen. Das wollen und werden wir auch. Wir wissen ganz genau, wie wichtig das ist. Heidi Mundlos hat eben schon gesagt: Jede Frau, die Opfer wird, ist eine Frau zu viel, und bei jedem Kind verhält es sich ganz genauso. Wir kennen also die dramatische Situation. Wir wissen auch, dass jede vierte Frau in ihrem Leben Opfer von Gewalt, gerade von häuslicher Gewalt, wird und dass viele minderjährige Kinder das miterleben. Das wissen wir alles.

(Zuruf von Heidrun Merk [SPD])

- Worte können sehr wohl etwas bewirken. - Wir wissen auch, dass Kinder Opfer werden.

Wir wissen, dass das Gewaltschutzgesetz und die BISS-Stellen schon viel Positives erreicht haben. Sie haben de facto dafür gesorgt, dass es eine gute Vernetzung mit der Polizeiarbeit gibt, mit der Justiz und mit den entsprechenden Einrichtungen, wie den Frauenschutzhäusern, bei denen die BISS-Stellen häufig angesiedelt sind. Das hat alles sehr gut funktioniert. Mit dieser proaktiven Beratung, der aufsuchenden Beratung hat man viel mehr Opfer von Gewalt erreicht. Das ist gute Arbeit. Das ging schnell, direkt, flexibel, mit vielen kreativen Ideen, wie z. B. der Onlineberatung, die man inzwischen schon mit Sponsoren gemacht hat, und Ähnlichem mehr.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sichern Sie das mal!)

Wir wissen auch - Frau Helmhold, lassen Sie mich doch einmal ausreden -, dass es eine steigende Zahl von Opfern und eine hohe Dunkelziffer gerade im Gewaltbereich gibt.

Sie haben jetzt die Kommunalisierung angesprochen. Diese war angedacht, aber in diesem Fall nicht von uns, und sie wird auch nicht kommen. Es gab Überlegungen dazu, weil wir darüber nachdenken müssen, wie wir bei der angespannten

Haushaltslage den Aufgaben gerecht werden können.

(Hans-Hermann Wendhausen [SPD]: Onlineberatung!)

In der Koalitionsvereinbarung steht auch das Subsidiaritätsprinzip. Wir überlegen häufig: Geht es kommunal vor Ort besser?

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Aber ohne Geld geht es ja gar nicht!)

Frau Jakob und ich haben auf der Tagung am Montag, die Sie ansprachen - Sie waren ja nicht da, sondern jemand anders war für die Grünen da -, nicht gesagt, dass wir uns distanzieren. Wir haben gesagt: Wir wissen um die Wichtigkeit, und wir werden uns auf jeden Fall für diese Bereiche einsetzen. Wir haben außerdem gesagt: Es ist nichts entschieden, und der Gewaltschutz bleibt uns ein wichtiges Anliegen.

Das heißt - angesprochen habe ich es schon -: Wir haben eine schwierige Haushaltslage - darauf haben Sie ja auch Bezug genommen, Frau Helmhold -, die uns manchmal weniger machen lässt, als wir es gerne möchten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nein! Sie setzen nur andere Prioritäten!)

Wir haben die BISS-Stellen in der Mipla für 2005 nicht drin. Die BISS-Stellen waren ein Modellprojekt, das jetzt ausläuft. Wenn man merkt, dass etwas gut gelaufen ist, dann muss man überlegen, wie man es anders finanzieren kann.

Tatsache ist: Wir können nicht mehr Geld ausgeben, wir müssen sparen. Darum müssen wir sehr genau überlegen - ich meine, das sollten wir konstruktiv mit allen Parteien machen -: Wie kann man diesen Bereich zum Wohle der Betroffenen in Niedersachsen gut organisieren? - Wir sollten das Angebot aufnehmen, das am Montag auch von den Vertretern des Gewaltschutzes in Niedersachsen gemacht wurde. Diese haben gesagt: Wir setzen uns gerne zusammen. Wir haben Ideen, wie man noch weiter Einsparungen machen und trotzdem das Angebot aufrechterhalten kann. - Dahin müssen wir gehen. Sie sind also zum Gespräch bereit, und wir sind es auch. Es wäre schön, wenn die Opposition in diesem Fall sagt: Wir wissen alle um die Problematik, und wir wollen eine Lösung finden, und zwar konstruktiv und nicht mit populistischen Formulierungen.