Protocol of the Session on May 27, 2004

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Steiner, niemand sollte für sich in Anspruch nehmen, dass er sozusagen allein selig machend weiß, was letzten Endes das Kindeswohl ist.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sehr richtig!)

Im Zweifelsfalle wissen das die Eltern am besten. Sie sind an solchen Verfahren entsprechend zu beteiligen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns darum bemühen, das Kindeswohl gutachtlich zu erfassen und im Interesse des festzustellenden Kindeswohls gemeinsam mit den Eltern die richtigen schulischen Angebote - vernünftige Unterrichtsversorgung und andere Dinge - vorzuhalten. Genauso wenig, wie wir im Besitz der Allwissenheit sind, können auch Sie für sich nicht reklamieren, genauer zu wissen, was das Kind braucht, und

dass es in dem Fall die Integrationsklassen sein sollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Harms hat eine Frage.

Herr Minister, da Sie kundgetan haben, dass Sie nicht genau darlegen können, was im Verfassungsgerichtsurteil zur vorrangigen integrativen Beschulung verankert worden ist, frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass niedersächsische Eltern diesen Verfassungsgerichtsbeschluss herbeigeführt haben, und ob Sie willens sind, diesen Verfassungsgerichtsbeschluss in Niedersachsen tatsächlich zu befolgen oder nicht.

Meine zweite Frage richte ich an den Ministerpräsidenten, da er sich diesbezüglich eingemischt hat. Herr Ministerpräsident, gehen Sie davon aus, dass der Verfassungsgerichtssenat, der zur integrativen Beschulung geurteilt hat, allein von grünen Ideologen besetzt worden ist oder dass dieses Verfassungsgerichtsurteil mit sachlicher Begründung zustande gekommen ist?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. Frau Kollegin Harms, Sie wissen selbst, dass Sie einzelne Kabinettsmitglieder nicht fragen können. Das Kabinett kann frei entscheiden, wer antwortet.

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Verfassungsgerichtsurteil stammt aus dem Jahre 1996. Es war eine mir sogar namentlich bekannte Göttinger Familie, die das Urteil letztgültig angestrengt hat. Bereits vor 1996 - ich glaube, es war 1993 - gab es hier eine schulgesetzliche Änderung gerade auch in Richtung der Möglichkeit der Schaffung von Integrationsklassen. Ich gehe davon aus, dass das Verfassungsgericht, und zwar der Senat, der seinerzeit tätig gewesen ist, unabhängig war.

Vielen Dank. - Frau Korter stellt die zweite Frage. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal für meine Fraktion entschieden zurückweisen, dass unsere Forderung nach integrativer Beschulung für möglichst alle Kinder ideologieverdächtig wäre.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Natürlich ist es Ideologie! - Ursula Körtner [CDU]: Frage!)

Wir bewegen uns mit dieser Forderung auf dem Boden der Verfassung und des Niedersächsischen Schulgesetzes.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Meine Fraktion und ich wurden hier angegriffen. Darum möchte ich das ausführen.

(Zurufe von der CDU)

Hier sollte erst einmal Ruhe einkehren. In dieser Aufregung ist kein Wort zu verstehen. - Frau Kollegin, für den Fall, dass Sie etwas zurückweisen möchten - das können Sie noch nicht wissen - gibt es in der Geschäftsordnung einen besonderen Paragrafen. Aber unter dem Tagesordnungspunkt Dringliche Anfragen müssen Sie jetzt bitte fragen. Bitte sehr!

Gut, dann werde ich das in Form einer Frage machen. Ist der Landesregierung bekannt, dass in Artikel 4 des Niedersächsischen Schulgesetzes steht, dass in der Regel Kinder integrativ beschult werden sollen, es sei denn, personelle oder sächliche Mittel stehen dem entgegen?

(Sigmar Gabriel [SPD]: Nicht einmal das steht darin!)

Was ist an unserer Forderung ideologieverdächtig?

Vielen Dank. Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Korter, natürlich kennt die Landesregierung die jeweilige Gesetzgebung, also auch das Schulgesetz. Aber ich bitte, den Paragrafen komplett zu zitieren. Dort geht es nämlich darum, dass man dem Förderbedarf des Kindes dadurch gerecht werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Gabriel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Busemann, ich würde Sie gerade vor dem Hintergrund Ihrer letzten Antwort gern fragen, inwieweit Ihr Anspruch, dass am Ende die Eltern am besten entscheiden können, ob dem Förderbedarf in der Integration oder in einer Sonderschule entsprochen werden soll, auch auf Elterninitiativen in Niedersachsen zutrifft, die, wie ERIK und andere, dagegen protestieren, dass die Veränderungen, die Sie vornehmen, dazu führen, dass die Schulen weniger bereit sind, überhaupt Integrationsklassen anzubieten, und ob in diesem Zusammenhang solche Proteste von Eltern von Ihnen genauso stark gewichtet werden wie die Einzelgespräche des Ministerpräsidenten mit Eltern, die anderer Auffassung sind. Denn es geht, Herr Minister und Herr Ministerpräsident, gerade nicht um Ideologie, sondern exakt darum - -

(David McAllister [CDU]: Frage!)

- Ich habe schon gefragt.

(Zuruf)

- Ich darf das erläutern.

Erläutern geht wirklich nicht. Das tut mir fürchterlich Leid.

Also, Herr Minister, meine Frage: Sind Sie der Überzeugung, dass die Eltern, die Integrationsklassen wollen, genauso viel Anspruch darauf haben wie die Eltern, die der Ministerpräsident zitiert hat? Und gilt der Rechtsanspruch, den Sie aus

dem Schulgesetz zitiert haben, auch für diese Eltern, die nach Ihrer Überzeugung das Kindeswohl am besten im Blick haben?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr gut gefragt, Herr Kollege. - Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gabriel, ich glaube, wir haben uns vorhin zu der Schwierigkeit hinsichtlich der Feststellung, was das Kindeswohl ist und welche Maßnahmen dazu erforderlich sind, hinreichend eingelassen. Wenn in das Verfahren eine vernünftige Elternbeteiligung eingebaut ist, ist das schon einmal ein richtiger Weg.

Es gibt durchaus manchmal eine gewisse Sperrigkeit der Schulen, bei einem gewissen Bedarf Integrationsklassen einzurichten. Ich darf für mein Haus bestätigen, dass wir mit Elterninitiativen an den Standorten, an denen man darum ringt, Integrationsklassen einzurichten oder nicht, im Gespräch sind. Wir werden uns dabei vermittelnd einbringen. Wir werden uns dabei in aller Objektivität und ohne Leidenschaft am Kindeswohl orientieren und uns dafür einsetzen, damit das an den Schulen möglich gemacht wird.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Der Zusammenhang zwi- schen Frage und Antwort ist schwer konstruierbar!)

Frau Kollegin Helmhold, bitte.

Angesichts der Äußerung des Herrn Ministers dahin gehend, dass die Eltern wohl am besten bestimmen könnten, was das Wohl ihres Kindes anbelangt, möchte ich Sie fragen, ob man nicht dann, wenn die Eltern zum Wohl ihres Kindes eine integrative Beschulung möchten, diese aber nicht möglich ist, weil die sächlichen und personellen Voraussetzungen an den Schulen fehlen - wobei Sie verantwortlich sind, diese bereitzustellen -, we

nigstens in diesen Fällen von einer Ausgrenzung dieser Kinder sprechen kann.

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister!

Herr Präsident! Frau Kollegin, auch in diesem Zusammenhang kann man nicht von Ausgrenzung sprechen. In dem gemeinsamen Bemühen, für das Kind den richtigen schulischen Weg zu finden, ist die Auffassung der Eltern sehr wichtig. Aber in dieser schwierigen Frage brauchen Sie, manchmal sogar mehr als im übrigen Schulwesen, eine gutachterliche Grundlage und eine vernünftige Beratung. Dabei versuchen wir immer das Allerbeste. Wenn im Einzelfall auch durch die Einrichtung von Integrationsklassen geholfen werden kann, dann tun wir das.

(Zuruf von den GRÜNEN: Dann brau- chen Sie Schulen, die es machen!)

Herr Kollege Janßen!

(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Ich ziehe zurück!)

Damit liegen zu dieser Dringlichen Anfrage unter Tagesordnungspunkt 15 b) keine weiteren Wortmeldungen vor. Sie ist damit erledigt.