Damit liegen zu dieser Dringlichen Anfrage unter Tagesordnungspunkt 15 b) keine weiteren Wortmeldungen vor. Sie ist damit erledigt.
c) Auswirkungen der Föderalismusreform auf Niedersachsen? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 15/1062 neu
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren wird über eine Reform des Föderalismus in Deutschland diskutiert. Der kooperative Föderalismus wird durch die Verflechtung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen stark eingeschränkt. Nur wenn es gelingt, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern klar zu trennen sowie dort, wo es sinnvoll ist, dem Bund
die Gesetzgebungskompetenz und den Ländern ein Zugriffsrecht zu geben, erhält jede Ebene die Kraft zur Durchsetzung ihrer Gestaltungsentscheidungen. Gemäß den Artikeln 30 und 70 des Grundgesetzes gilt zumindest grundsätzlich eine Kompetenzzuweisung an die Länder.
Parteiübergreifend herrscht Einigkeit, dass eine umfassende Neuordnung der bisherigen Entscheidungsstrukturen zwischen Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich ist. Für den Bürger müssen politische Entscheidungen wieder nachvollziehbarer werden und Verantwortlichkeiten klar erkennbar sein. Deshalb haben Bundestag und Bundesrat im Oktober 2003 eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eingesetzt.
Am 7. November 2003 hat die Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Sie erarbeitet derzeit Reformvorschläge mit dem Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern. Dabei prüft sie insbesondere die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder, die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung und die Finanzbeziehungen - insbesondere Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen zwischen dem Bund und den Ländern.
1. Welche ersten Ergebnisse liegen aus der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung bis heute vor?
2. Welche Positionen vertritt die Landesregierung im Rahmen der notwendigen Reform des Föderalismus?
sische Landesregierung gestellten Fragen zu den Wirkungen der Föderalismuskommission bedarf es zunächst einiger grundsätzlicher Anmerkungen.
Der Auftrag von Bundestag und Bundesrat an die Föderalismuskommission ist sehr anspruchsvoll. Sie soll innerhalb eines guten Jahres, bis zum Dezember 2004, ein breites Feld von Themen beraten und Vorschläge zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland erarbeiten.
Dabei sollen vor allem die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern deutlicher zugeordnet werden - und dies auch vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren! Das ist schon eine Sisyphosarbeit, und nach rund einem halben Jahr Arbeit in dieser Kommission kann ich Ihnen dies mit noch größerer Überzeugung sagen. Die Kommission ist allerdings entschlossen, den Fels tatsächlich den ganzen Berg hinaufzuwälzen und ihn auf dem Gipfel zu platzieren.
Für die Niedersächsische Landesregierung wie auch für die übrigen Länder ist bei der Arbeit der Föderalismuskommission ein Aspekt von ganz besonderer Bedeutung. Ich möchte ihn mit folgender Lebensweisheit einleiten:
„Mit Glück und mit Verwegenheit lässt manches sich bestreiten. Das Ruder der Gelegenheit doch lass dir nicht entgleiten!“
Gerade die Landtage bemerken in den letzten Jahren zunehmend, dass der Bund über das Mittel der konkurrierenden Gesetzgebung und der Rahmengesetzgebung immer mehr Kompetenzen, die eigentlich den Ländern zustehen, an sich gerissen hat. Den Ländern verbleiben auf diese Weise immer weniger eigene Gesetzgebungskompetenzen. Sie verlieren nach und nach originäre Gestaltungsmöglichkeiten.
Diese Bewertung ist keineswegs einäugig. Auch die Sachverständigen, die in der Föderalismuskommission sind, bestätigen diese Entwicklung: Die Rahmengesetzgebung ist inzwischen entgegen ihrer ursprünglichen Konzeption so weit ausgedehnt, dass vor lauter bundeseinheitlichem Rahmen das Bild kaum noch entdeckt werden kann - das Bild der Länder in all ihrer Vielfalt und Farbe. Wenn wir den Blick auf die EURechtsetzung wenden, stellen wir fest: Die glei
chen Zentralisierungs- und Harmonisierungstendenzen sind auch in der EU gegenüber den Staaten und ihren Regionen zu beobachten. Das führt z. B. so weit, dass Länder wie Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, die bekanntlich nicht gerade alpine Berggegenden sind, nunmehr ein Seilbahngesetz erlassen müssen, weil die EU eine solche Umsetzung flächendeckend verlangt.
Diese Entwicklung untermauert die Sorge vor einer weiteren schleichenden Aushöhlung der Länderkompetenzen, Aushöhlung des Selbstverständnisses der Länder, Aushöhlung der Identität der Regionen, der fehlenden Wahrnehmung regionaler Besonderheiten auch in der Europäischen Union durch den Verlust der eigenen Gestaltungsrechte. Ohne ein solches auch verfassungsrechtlich verankertes Selbstverständnis zwischen Bund und Ländern besteht nun einmal die Gefahr, dass die Länder mittelfristig zu bloßen Außenstellen, also zu reinen Vollzugseinrichtungen des Bundes verfallen. Dieser schleichenden Entwicklung gilt es zu begegnen - gerade auch mit Blick auf die Bedeutung der Landtage.
Meine Damen und Herren, die Regierungschefs der Länder haben am 6. Mai 2004 ein Positionspapier erarbeitet, das allen Fraktionsvorsitzenden im Niedersächsischen Landtag zur Kenntnis zugeleitet wurde. Dieses Positionspapier ist eine gute Basis für die weiteren Verhandlungen in der Föderalismuskommission. In diesem Papier haben sich die Länder deutlich zur Mitwirkung der Länder auch im Rahmen der EU-Rechtsetzung - Artikel 23 des Grundgesetzes - positioniert. Artikel 23 des Grundgesetzes, dessen erhebliche Beschneidung der Bund begehrt, schafft die innerstaatliche Verknüpfung zwischen den föderalen Elementen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem staatenbündischen System der Europäischen Union andererseits.
Der Regionsgedanke ist - das muss hier betont werden - auch der künftigen Europäischen Verfassung keineswegs fremd. Ein vereintes Europa und selbstbewusste Länder schließen sich nämlich gerade nicht aus, sondern sie ergänzen sich. Europa kann und darf nicht ein monolithischer Block sein mit bis in die letzten Bereiche der Lebensgestaltung gleichgemachten Gegebenheiten. Vielmehr steigern Vielfalt und in sozialen Grenzen vorhandener Wettbewerb die Attraktivität und repräsentieren gleichermaßen das gewachsene Europa. So
betrachtet sind die Regionen und die Länder gewissermaßen die Perlen eines durch diesen Schmuck attraktiver werdenden Europas. Deshalb haben sich die Regierungschefs der Länder in dem Positionspapier vom 6. Mai 2004 auch für eine weitere Stärkung der Mitwirkungsrechte der Länder im Rahmen der EU-Rechtsetzung ausgesprochen. Das unterstützt auch die Niedersächsische Landesregierung ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, welche ersten Ergebnisse liegen aus der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung bis heute konkret vor? - Zur Erfüllung des umfassenden und anspruchsvollen Auftrages hat die Föderalismuskommission seit Herbst letzten Jahres inzwischen acht Mal getagt; acht Mal mit mehr als 102 Mitgliedern. Die zwei von ihr eingerichteten Arbeitsgruppen haben in insgesamt zwölf Sitzungen die notwendigen Vorarbeiten zur Strukturierung und Positionierung der Föderalismuskommission unternommen. Aber - lassen Sie mich das an dieser Stelle ruhig einmal sehr deutlich sagen - eine Art Zwischenabschluss oder eine Teilverständigung darstellende erste Ergebnisse liegen bis zum heutigen Tag noch nicht vor.
Das ist bei dem breiten Themenfeld, das praktisch alle Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder betrifft, weiterhin die Mitwirkungsrechte des Bundesrates einschließt und bis zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern geht, aber auch nicht weiter verwunderlich. Allen Beteiligten ist zudem klar, dass bei der Untersuchung im Einzelnen jegliche Veränderung im Kompetenzbereich auch Folgen in der Finanzstruktur zwischen Bund und Ländern nach sich zieht, die dann ebenfalls wieder ins Lot gebracht werden müssen. Kurz gefasst: Alles hängt bei dieser Diskussion von allem ab.
Gerade deshalb ist mit Zwischenergebnissen frühestens im Herbst diesen Jahres zu rechnen. Ebenso ist es aber auch möglich, dass erst in der letzten vorgesehen Sitzung der Föderalismuskommission - diese ist angesetzt für Ende November/Anfang Dezember dieses Jahres - wirklich entscheidungsreife Vorschläge vorliegen.
Welche Positionen vertritt die Niedersächsische Landesregierung im Namen der notwendigen Reform des Föderalismus? - Meine Damen und Herren, hier greife ich zunächst auf die von mir eingangs gemachten Bemerkungen zurück. Die Niedersächsische Landesregierung hält deshalb auch
weiterhin die Fahne der föderativen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland hoch. Sie hat sich grundsätzlich bewährt. Die föderale Vielfalt Deutschlands schafft Bürgernähe und demokratische Akzeptanz. Eine zukunftsfähige föderale Ordnung muss aber so flexibel sein, dass sie trotz der historisch gewachsenen föderalen Unterschiede zwischen großen Ländern und kleinen Ländern, zwischen Stadtstaaten und Flächenstaaten, aber auch zwischen alten und neuen Ländern einen optimalen Gestaltungsrahmen bietet.
Das nützt dann auch dem Bund. Nur wenn in einer föderal strukturierten Staatsform alle Glieder optimale Möglichkeiten haben, Dynamik in ihrer Region zu erzeugen, kann die Bundesrepublik Deutschland insgesamt ihre Wohlstandspotenziale als Industrienation ausschöpfen. In diesem Bekenntnis für den Föderalismus unterscheidet sich die Niedersächsische Landesregierung klar von der Bewertung der Landesvorsitzenden der Grünen, Frau Pothmer, die ganz offensichtlich Zentralisierungstendenzen vertritt.
Wenn das föderale System in der Bundesrepublik Deutschland durch mehr als 40 Änderungen des Grundgesetzes in eine Schieflage gekommen ist, begründet das nur die Forderung nach einer Neuaustarierung der Kompetenzbereiche und stellt den Föderalismus als solchen eben nicht infrage. Die Modernisierung des föderativen Systems und nicht dessen Abschaffung ist geboten. Deutschland muss mit seinen föderativen Strukturen wieder in eine gute Verfassung gebracht werden. Das Land braucht mehr Gestaltungsföderalismus statt bloßen Beteiligungsföderalismus.
Wir sollten auch keine allzu große Sorge haben, dass dieser Gestaltungsföderalismus zu einem zerstörerischem Wettbewerbsföderalismus führen könnte. Zunächst lebt der Föderalismus - im Gegensatz zum Zentralstaat - von der Vielfalt politischer Konzepte und Lösungsmöglichkeiten. Ein solcher Wettbewerb der Ideen, den auch der jüngst gewählte neue Bundespräsident in seinem Redebeitrag nach der Wahl eingefordert hat, wird die Stellung Deutschlands im europäischen und internationalen Wirkungsbereich stärken.
Die Länder sind sich aber auch darin einig, dass zu einem fairen Ideenwettbewerb gleichartige wirtschaftliche Ausgangsbedingungen gehören. Die Niedersächsische Landesregierung wird deshalb hierauf ein verstärktes Augenmerk richten bei der Neutarierung der Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern untereinander in der Föderalismuskommission. Der Subsidiaritätsgedanke wird insoweit durch den Solidaritätsgedanken ergänzt und unterstützt. Und auch hier gilt der Leitsatz: Modernisierung und Neugestaltung macht man mit vollem Herzen. Wir sind im Interesse unseres Landes zum Erfolg verurteilt. Ich glaube, das wissen alle Mitglieder der Föderalismuskommission.
Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung kann - das habe ich eingangs bereits erwähnt - mit den Inhalten des Positionspapiers der Ministerpräsidenten vom 6. Mai 2004 gut leben, auch wenn nicht alle Positionen zu 100 % geteilt werden. Das muss ich einmal so deutlich sagen. Insgesamt stellt es sich aber als ein ausgewogenes Konzept dar, das vor allem der Forderung nach Entflechtung unter angemessener Finanzausstattung der Länder nachkommt. Lassen Sie mich an dieser Stelle einige Aspekte besonders herausgreifen.
Auch die Niedersächsische Landesregierung unterstützt die Bestrebungen nach einem Abbau der Mischfinanzierung. Die Gemeinschaftsaufgabe nach Artikel 91 a und Artikel 91 b Grundgesetz haben sich nämlich - -
(Sigmar Gabriel [SPD]: Es gibt nicht genug Beteiligung auf der Seite der CDU! Die hat diese Antwort hier doch angefordert!)
Für mich ist das keine Frage der Quantität, für mich ist das eine Frage der Qualität, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Deshalb sind wir auch hier geblieben! Offensichtlich sieht Ihre Fraktion das nicht so!)
Mischfinanzierungen, Herr Gabriel, führen zum einen dazu, dass der Bund über Mitspracherechte in Gestaltungsrechte hineinregiert, die eigentlich den
Ländern zustehen. Zum anderen werden Begehrlichkeiten mancher Länder geweckt, die sonst in Anbetracht der Haushaltslage nicht aufgegriffen worden wären.
Die Niedersächsische Landesregierung unterstützt deshalb auch die Tendenzen im Positionspapier der Ministerpräsidenten, dass manche Gemeinschaftsaufgaben, z. B. die zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, abgebaut und in Landesrecht überführt werden. Dabei soll eine gemeinschaftliche Koordinierung der Länder auch gegenüber der EU fortgeführt werden. Wichtige Bedingung solcher Überlegungen ist aber, dass die Finanzierung bei Überführung in Landesrecht langfristig zu sichern ist. Wir dürfen durch diese Veränderung eben nicht finanziell ausbluten. Nur unter dieser Prämisse kann dies auch weiter verfolgt werden.
Es macht aber auf der anderen Seite keinen Sinn, Entflechtung nur um des Prinzips willen vorzunehmen. Die Forschungsförderung und der Küstenschutz etwa sollen meines Erachtens als Gemeinschaftsaufgabe aufrecht erhalten bleiben, und zwar jeweils aus ihrer spezifischen Problemlage heraus.
Meine Damen und Herren, es ist zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll und könnte auch für die niedersächsische Verhandlungsposition schädlich sein, wenn die Niedersächsische Landesregierung über diese Positionierung der Länder hinaus Einzelheiten ihrer Forderungen, Überlegungen oder auch Hoffnungen im Hinblick auf die Föderalismuskommission bekannt gäbe. Die Föderalismuskommission befindet sich derzeit in einem Diskussions- und Verhandlungsstadium, in dem die Bekanntgabe von Begehrlichkeiten, Erwartungen oder Forderungen einzelner Länder das bislang äußerst konstruktive Verhandlungsklima unter den Ländern - das ist nicht ganz so einfach - gefährden könnte. Es würde auch keinen Sinn machen, bei Verhandlungen, in denen alles von allem abhängt und zudem derzeit auch noch sozusagen alles im Fluss ist, einzelne Fische herauszufangen oder auch nur den Köder als solchen zu kennzeichnen.
Für die Niedersächsische Landesregierung kommt es darauf an, dass am Ende Lösungsvorschläge vorhanden sind, die den Föderalismus revitalisieren. Sie sollen insbesondere den Ländern das geben, was im Rahmen eines Ideenwettbewerbs und Gestaltungsföderalismus auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips auch sinnvollerweise Sache