Keinen Freiheitsentzug zu bekommen, ist schon eine Belohnung an sich. Dafür muss man den Verurteilten schon etwas abverlangen können, sonst wird die Strafsanktion zum zahnlosen Tiger. Ohne spürbare Sanktion keine Abschreckung und ohne Abschreckung keine Sicherheit vor weiteren Straftaten!
Kritik haben wir aber nicht nur bezüglich der geplanten Sanktionen, sondern auch an dem, was das Ganze an Organisation und auch an höheren Kosten nach sich zieht.
Der Verurteilte soll zukünftig auch einen Anspruch darauf haben, seine Strafe abarbeiten zu können. Da stellen sich einige Fragen. Arbeitsplätze müssen gefunden werden. Wer sucht die Plätze? Was passiert, wenn es keine geeignete Arbeitsstelle gibt? Die sind gerade in der heutigen Zeit ja auch recht rar. Hinzu kommt, dass Straftäter nicht in allen Bereichen einsetzbar sind. Den Drogenabhängigen im Krankenhaus, den Seriendieb im Altenheim, den Trunkenheitsfahrer im Krankentransport - das können wir uns wohl kaum vorstellen.
Aber damit nicht genug. Die Arbeitenden müssen auch noch betreut werden. Es muss eine Überwachung stattfinden. Aber gerade in der Justiz ist die Personaldecke schon jetzt sehr dünn, sodass weitere Belastungen nicht zu verkraften sind.
Die Justizministerkonferenz hat ausdrücklich und einstimmig festgestellt, dass erhebliche Kosten auf die Länder zukommen. Der Kollege Briese hat in der ersten Beratung darauf hingewiesen, dass Bürokratie und Mehrarbeit entstehen.
Selbst in der Begründung des Gesetzentwurfs steht, dass zusätzliche Kosten auf die Länder zukommen. In der gegenwärtigen Situation - auch die Justizhaushalte stehen unter dem Sparzwang, und die Justiz soll sich auf den Kernbereich beschränken - sind diese zusätzlichen Kosten meiner Meinung nach nicht tragbar.
Schließlich muss auch der Opferschutz, den das Gesetz regeln will, nicht neu erfunden werden. Mit der Stiftung Opferhilfe zeigt Niedersachsen, wie Opferhilfe vorbildlich organisiert wird und auch vorbildlich funktioniert. Jetzt sollen 5 % jeder Geldstrafe verbindlich an Opferhilfeeinrichtungen gezahlt werden. Das ist nicht nur ein Eingriff in Kompetenzen des Landes, sondern auch ein Griff in fremde Taschen. Auch hier bleibt die Frage: Wer organisiert das? Welches Amt soll dafür gegründet werden? Wie viele Beamte werden dafür gebraucht? Die Folgen sind mehr Aufwand, mehr Kontrolle, mehr Personal. Wir wollen Bürokratie abbauen und nicht zusätzliche Bürokratie schaffen.
Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen halten wir diese Reform des Sanktionsrechts für überflüssig. Sie ist ein Schritt zu einem täterfreundlichen Strafrecht. Sie bringt mehr Bürokratie. Sie belastet die Länder. Nichts spricht für diese Reform. Wir bitten die Landesregierung daher dringend, sie im Bundesrat abzulehnen.
heute im Rahmen dieses Antrages sprechen, ist eine Entlastung des Strafvollzuges, und zwar unter anderem durch die Vermeidung von kurzen Freiheitsstrafen, die damit auch verbundene Einsparung von Haftkosten sowie das Abzweigen von 5 % der Geldstrafe zugunsten von Opferhilfeeinrichtungen.
Die Lösung der Bundesregierung lautet auf eine Kurzformel gebracht: Weniger Bestrafung gleich mehr Entlastung des Strafvollzuges. Das können wir aber so nicht mittragen.
Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, der Ausdehnung der gemeinnützigen Arbeit das Wort reden, dann müssen Sie auch sagen, wer die Betreuung der Probanden übernehmen soll. Und vor allen Dingen müssen Sie sagen, wer die Betreuung bezahlen soll; denn das geschieht nicht von alleine. Das muss entweder innerhalb der Justiz geregelt werden oder sogar vielleicht von Kommunen, die dann die Person in der gemeinnützigen Arbeit einsetzen, beaufsichtigen und kontrollieren.
Sie sagen auch immer wieder, wir könnten den Kommunen das nicht einfach aufdrücken, sie müssten im Rahmen der Konnexität auch das Geld dafür bekommen. Woher das Geld kommen soll, haben Sie uns bisher jedenfalls nicht erklärt. So lange Sie so tun, als wenn das so einfach wäre, ist das für mich Rosstäuscherei.
Unsere Kritik betrifft vor allen Dingen die Freiheitsstrafenersetzungslösung, d. h. wenn quasi automatisch eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten durch gemeinnützige Arbeit abgewendet werden soll. Hier werden vor allem die Straftäter belohnt, die deshalb eine kurze Freiheitsstrafe verbüßen sollen, weil sie wiederholt gegen Recht und Gesetz verstoßen haben. Statt Freiheitsentzug gäbe es für sie dann gemeinnützige Arbeit ohne Freiheitseinschränkung. Das ist nun einmal nicht gerecht, meine Damen und Herren, denn hier wird der Sühnegedanke unrichtigerweise verdreht.
Das Ganze hat - Kollege Nerlich hat soeben schon darauf hingewiesen - auch einen arbeitsmarktpolitischen Aspekt; denn offensichtlich wird eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit angestrebt. Während bisher ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht, muss man künftig nur noch einen halben Tag arbeiten, um einen Tages
satz Geldstrafe abzuarbeiten. Da aber ein Tag Freiheitsstrafe sechs Stunden gemeinnütziger Arbeit entspricht, bedeutet das faktisch die Einführung des Dreistundentages. Darüber mag sich zwar so mancher Arbeitnehmer freuen, aber ich frage Sie allen Ernstes, ob das der Sinn einer solchen Regelung sein kann. Für uns ist eindeutig: Wir brauchen weiterhin die ungekürzte Ersatzfreiheitsstrafe als primäre Ersatzsanktion, und zwar ohne Wenn und Aber.
Ferner darf nicht verdrängt werden - auch das hat Kollege Nerlich angesprochen -, dass es sehr häufig gerade die Drohung mit der Ersatzfreiheitsstrafe ist, die die Zahlungsunwilligen zur Zahlung bewegt. Wenn wir dieses Druckmittel nicht mehr haben, frage ich Sie: Wie soll es dann künftig dazu kommen, dass die Betroffenen ihre Geldstrafen zahlen?
Als Letztes möchte ich die fünfprozentige Pauschale für den Opferschutz ansprechen. Hier ist bereits angedeutet worden, dass die Opferhilfe in Niedersachsen auf soliden Beinen steht. Ich erinnere an die Debatte, die wir kürzlich dazu geführt haben. In diesem Punkt brauchen wir aus niedersächsischer Sicht keine zusätzliche Unterstützung. Ansonsten würden die Länderhaushalte auch unzumutbar belastet, wenn wir eine fünfprozentige pauschale Abführung einführen würden, ganz zu schweigen von dem Verwaltungsaufwand, der damit verbunden wäre.
Unsere Forderung lautet daher: Keine ungerechtfertigten Erleichterungen im Bereich des Sanktionenrechts und keine neuen bürokratischen Aufwendungen für die Justiz. Sie brauchen einfach nur unserem Antrag zu folgen. Darum bitte ich Sie ganz herzlich. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Keine Schwächung der strafrechtlichen Sanktionen durch die Reform des Sanktionsrechts“. Das ist der Titel des Tagesordnungspunktes bzw. des Entschließungsantrages. Das finden wir gut, das teilen wir, das halten wir für richtig. Die Überschrift gefällt uns also, aber damit hört es
Der Kollege von der CDU-Fraktion hat vorhin erwähnt, dass ein Kernpunkt des Gesetzentwurfs die gemeinnützige Arbeit ist. Aber greifen wir doch einmal einen anderen Kernpunkt dieses Gesetzentwurfes heraus. Neu ist z. B., dass ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten als Hauptstrafe bzw. neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann. Diese Vorschrift kann greifen, wenn ein Täter oder eine Täterin auf dem Weg zum Tatort das Kfz benutzt bzw. die Beute damit transportiert hat. Bisher musste nach dem doch etwas starren Erwachsenenstrafrecht verfahren werden, das den Richtern und Richterinnen relativ wenig Spielraum gab. Ein solches Fahrverbot aber bedeutet auch für diejenigen, die eine Geldstrafe einfach so zahlen könnten, ein spürbares Übel; davon ist nämlich auch das Arbeits- und Privatleben betroffen.
Deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP, es auch als das zu bezeichnen, was es ist, nämlich genau das Gegenteil vom Schwächeln des Gesetzgebers.
Noch ein Beispiel. In den alten Bundesländern und in Berlin hat es im Jahr 2001 622 000 Verurteilungen nach dem allgemeinen Strafrecht gegeben. Immerhin 80 % der Verurteilten erhielten eine Geldstrafe. Es liegt auf der Hand, dass ein hoher Prozentsatz dieser Verurteilten die Geldstrafe nicht hat zahlen können, weil sie zahlungsunfähig sind.
Es stellt sich also die Frage: Was tun wir mit jemandem, der seine Geldstrafe nicht zahlen kann, z. B. ein Sozialhilfeempfänger? - Die Antwort, die auf der Homepage des Justizministeriums gegeben wird, ist zutreffend: Oft bleibt nur die so genannte Ersatzfreiheitsstrafe, dass der Verurteilte die Tat absitzt. Das kostet viel Geld und viele Haftplätze, die sehr knapp sind.
Wir verstehen nicht, warum Sie darauf beharren, eine niedersächsische Verordnung beizubehalten, die die Umwandlung in gemeinnützige Arbeit ermöglicht. Das nämlich ist in der Tat ein bürokratischer und umständlicher Weg. Es wundert mich, dass gerade Sie in diesen Zeiten, in denen wir
Ihr Modell zur Ausgestaltung der Tilgung der Strafe durch gemeinnützige Arbeit setzt einen Antrag des Verurteilten voraus. Von der Möglichkeit, einen solchen Antrag zu stellen, erfährt der Verurteilte aber zum Teil erst bei Strafantritt, also wenn er quasi schon eingekleidet ist.
Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, halten einen anderen Weg für sinnvoll: Der Bundesgesetzgeber gibt eine glasklare Regelung vor, nach der bei Zahlungsunfähigkeit die Möglichkeit der gemeinnützigen Arbeit besteht und nach der dann, wenn diese gemeinnützige Arbeit nicht vernünftig ausgeführt oder angetreten wird, sofort eine Freiheitsstrafe einsetzt. Das ist ein sinnvoller kriminalpolitischer Weg und genau das Gegenteil von Drückebergerei.
Schauen Sie doch einmal in die Statistiken des Statistischen Bundesamtes. In Deutschland sind immerhin 37 % der Freiheitsstrafen kürzer als sechs Monate. Ein Viertel davon wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. Das ist eine ganze Menge, und das schlägt sich de facto in Haftplätzen nieder. Für unsere Justizvollzugsanstalten heißt das, dass sie nicht nur mit Schwerstkriminellen etc., sondern auch mit einer ganzen Menge von - wie es im Fachjargon so schön heißt - Kleinknackis belegt sind.
Für diese Fälle hat der Gesetzgeber eine neue Alternativmöglichkeit ins Auge gefasst. Dem Verurteilten kann angeboten werden, diese kurze Freiheitsstrafe durch die Ableistung einer gemeinnützige Arbeit abzuwenden. Dies soll - da, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP, wäre ein Blick in das Gesetz sehr sinnvoll z. B. dann geschehen, wenn durch die Freiheitsstrafe, die in Betracht käme, die Wiedergutmachung des verursachten Schadens erheblich gefährdet wäre.
Ich denke, diese neue „Tat“ des Gesetzgebers ist ein Stück aktiver Opferschutz, den Sie wahrlich nicht ablehnen können.
Wenn dem Verurteilten die Möglichkeit gegeben wird, den Schaden bei den Opfern wieder gutzumachen, dann ist das rechtspolitisch, sozialpolitisch und kriminalpolitisch sehr sinnvoll.
Wir halten es kriminalpolitisch für sehr sinnvoll, dass in gewissen Ausnahmefällen dieses Arbeiten statt Absitzen ermöglicht werden soll. Es macht mehr Sinn, wenn Sozialhilfeempfänger arbeiten, als wenn sie wochenlang im Knast untergebracht sind.