Protocol of the Session on April 29, 2004

Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Der Bedarf an Plätzen für eine geschlossene Heimunterbringung ist begrenzt. Für diese Kinder muss das Land mehr Verantwortung übernehmen, als es das Jugendhilferecht in seinen Zuständigkeitsvorschriften fordert. Wir werden dafür sorgen, dass es auch in Niedersachsen Plätze für strafunmündige Intensivtäter gibt, ohne den Kommunen aber die Verantwortung, die ihnen qua Gesetz für die einzelnen Kinder übertragen worden ist, abzunehmen. Das heißt, wir brauchen gar kein neues Programm des Landes, weil wir in Niedersachsen nach Schließen dieser Lücke im Angebot der Kinder- und Jugendhilfe alle nur denkbaren Hilfearten vorhalten.

(Beifall bei der CDU)

Frau Janssen-Kucz, wir sind sicherlich einer Meinung darin, dass wir die Kommunen ohne ein derartiges Angebot, wie Sie es formuliert haben, bei der meist vergeblichen Suche nach einem freien Platz in einer geschlossenen Einrichtung allein lassen würden. Wir haben mit Hamburg auf diesem Gebiet Kooperationsmöglichkeiten sondiert. Auch wenn in der Presse über Hamburg und seine Situation manchmal ein anderer Eindruck vermittelt wird, Tatsache ist: Hamburg geht davon aus, dass es mittelfristig mehr Plätze benötigt als die zwölf, die zurzeit zur Verfügung stehen, und ist an einer regelrechten Kooperation mit Niedersachsen nicht interessiert. Anfang des Jahres waren in Hamburg durchschnittlich zehn bis zwölf Plätze belegt. Die übrigen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg und in Bayern haben in der Regel lange Wartelisten.

(Zuruf von Dr. Brigitte Trauernicht- Jordan [SPD])

- Sie können ruhig immer wieder dazwischen rufen, dass das nicht stimme. Dann müssten Sie aber infrage stellen, dass zwei Ministerien hier etwas anderes sagen, als Sie dies hier als Einzelperson behaupten. Dies in den Raum zu stellen, ist mutig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bringen Sie uns belastbare Zahlen aus Hamburg und Niedersachsen. Hier haben zwei Ministerien auf Arbeitsebene lange zusammengesessen. Sie können reden, so viel Sie wollen.

(Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan [SPD]: Das tue ich auch!)

Allein durch hypothetische Zwischenrufe belegt man aber keine Zahlen, Frau Trauernicht.

Der Haushaltsplan 2004 sieht für die Einrichtung von sechs bis zehn Plätzen für strafunmündige Intensivtäter Zuwendungen vor. Wir wollen kein exklusives Angebot für niedersächsische Kinder schaffen; denn jeder strafunmündige Intensivtäter ist anders. Jeder oder jede hat einen anderen familiären und sozialen Hintergrund. Deshalb kann in Einzelfällen die Unterbringung eines niedersächsischen Kindes in einer bayerischen Maßnahme die richtige Lösung sein. Umgekehrt kann aber auch ein Kind aus Brandenburg oder Sachsen in Niedersachsen am besten aufgehoben sein. Der Träger verpflichtet sich aber, niedersächsische Kinder bevorzugt aufzunehmen. Er muss leer stehende Plätze jedoch nicht leer stehen lassen, wenn Anfragen aus anderen Bundesländern vorliegen.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Das ist doch auch sinnvoll!)

Wir gehen davon aus, dass sechs bis zehn Plätze in einer geschlossenen Gruppe eine realistische Größenordnung darstellen. Das bekräftige ich noch einmal. Darauf weist auch der KIT-Bericht hin. Auch anlässlich einer Umfrage bei den Jugendämtern zur Auslandspädagogik haben einige Jugendämter darauf hingewiesen - jetzt hören Sie genau hin! -, dass die Maßnahme in Namibia oder Rumänien in Anspruch genommen werden musste, weil man zuvor vergeblich nach einem Platz in einer geschlossenen Gruppe gesucht hatte. Bedarf besteht also. Deshalb werden wir uns bei den weiteren Planungen am tatsächlichen Bedarf orientieren. Eine erneute Bedarfsplanung halte ich für völlig überflüssig.

(Beifall bei der CDU)

Im Entschließungsantrag wird eine Aufsichtskommission analog zum PsychKG gefordert. Ich halte auch eine solche Kommission für nicht erforderlich, weil Sie davon ausgehen können, dass es sich bei den in Rede stehenden Plätzen um die in Niedersachsen am intensivsten kontrollierten Plätze handeln wird. Die Personensorgeberechtigten werden

in die Hilfeplanung so eng wie möglich eingebunden, ein Richter muss die freiheitsentziehende Maßnahme genehmigen, und das Jugendamt erstellt mit den Trägern in engen Abständen einen Hilfeplan; ich habe jetzt nur drei Punkte genannt. Das Landesjugendamt als unabhängige staatliche Aufsichtsbehörde wird also den Träger nicht nur kontrollieren, sondern auch intensivst beraten. Ich denke, dass diese dichte Kontrolle und Aufsicht ausreichen werden und wir nicht noch eine weitere Kommission oben drauf brauchen.

Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Ich möchte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne Sie über den aktuellen Stand der Umsetzung unserer Pläne zu unterrichten. Wir hatten einen Träger aus Emden gefunden. Er hat sich diesem Vorhaben mit großem Aufwand gewidmet. Die konzeptionellen Fragen konnten zur Zufriedenheit aller Beteiligten geklärt werden. Es fehlte nur noch eine geeignete Immobilie. Wir meinen nämlich, dass ein Neubau aus Kostengründen nicht infrage kommt. Genau und ausschließlich an dieser Frage ist der besagte Träger gescheitert. Wir stehen nunmehr mit einem anderen Träger in Verhandlungen und gehen davon aus, das Ergebnis schon in Kürze bekannt geben zu können. Es ist ein qualifizierter Träger, es ist ein erfahrener Träger, und er verfügt bereits über eine geeignete Immobilie. Wir gehen davon aus, dass die Plätze im Oktober zur Verfügung stehen werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich die Abgeordneten, die an der Regierungsbank stehen, darum bitten, sich auf ihre Plätze zu setzen oder aber den Plenarsaal zu verlassen. Es ist wirklich ein bisschen laut.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 17: Zweite Beratung: Ganztagsschulen fördern und nicht ausbremsen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/744 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 15/967

Der Kultusausschuss empfiehlt Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Korter. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Schul- wie in der Familienpolitik erkennt man die CDU eigentlich zuverlässig daran, dass sie der Entwicklung immer einen oder zwei Schritte hinterherläuft.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Mindestens!)

Das gilt für die Kindergärten genauso wie für die Ganztagsschulen.

(Zuruf von der CDU)

- Hören Sie doch erst einmal zu! - Bis vor kurzem hat die CDU Ganztagsschulen aus ihrer Familienideologie heraus vollständig abgelehnt. Heute tut sie dies nicht mehr so offenkundig; sie weigert sich aber konsequent, auch nur den geringsten Beitrag für den Ausbau der Ganztagsschulen zu leisten. Im Gegenteil: Herr Busemann nimmt das Geld der Bundesregierung für den Ausbau der Ganztagsschulen gern an, aber nur zögerlich. Im Jahr 2003 wurden uns von Bundesseite 29,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Abgerufen hat Niedersachsen davon aber nur 10 %.

Mit unserem Antrag „Ganztagsschulen fördern und nicht ausbremsen“ fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur das Geld der Bundesregierung vollständig an die Kommunen als Schulträger weiterzureichen, sondern darüber hinaus auch eigene Anstrengungen zu unternehmen, damit mehr Ganztagsschulen ausgebaut werden können. Es reicht einfach nicht, Herr Busemann, die vorhandenen Stundenkontingente auf alle Ganztagsschulen einschließlich der neu genehmigten zu verteilen. Dadurch wird das pädagogische Angebot ausgedünnt. Sie machen dadurch die bestehenden Ganztagsschulen in ihren Konzepten kaputt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit Ihrem Konzept ist nur eine Aufbewahrung oder eine Beaufsichtigung möglich, aber keine wirkliche Ganztagsschule. Wir wollen an den niedersächsischen Schulen mehr Bildungszeit für unsere Schülerinnen und Schüler, also nicht mehr Aufbewahrung, sondern mehr Bildungszeit in ganzheitlichen wirklichen Ganztagsschulkonzepten. Wir wollen, dass sich Ganztagsschulen zu Lern- und Lebensräumen mit motivierender Atmosphäre entwickeln. Mit solchen Schulstandorten soll man sich identifizieren können.

Es ist einfach zu durchsichtig, Herr Minister Busemann, die Mittel des Bundes zu kassieren, im Land Niedersachsen nach eigenen Vorgaben weiterzugeben und die Genehmigung im Land als eigenen Erfolg zu feiern, dann aber nicht einen einzigen Cent dazuzugeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist schon eine Shownummer der besonderen Art. Wenn Sie wirklich die Bildungsqualität in Niedersachsen verbessern wollen, dann schaffen Sie echte Ganztagsschulen, die so ausgestattet sind, dass pädagogische Konzepte mit neuem Tagesrhythmus und mit Förderangeboten tatsächlich realisiert werden können. Ihre ausgedünnten Angebote auf freiwilliger Basis sind nur eine Alibiveranstaltung, die kaschieren soll, dass Sie in Wirklichkeit gar nicht wollen, dass Kinder nachmittags in der Schule sind, weil Sie immer noch davon ausgehen, dass sie viel besser zu Hause bei ihren nichtberufstätigen Müttern aufgehoben wären, die sich rührend und kompetent um die Förderung kümmern sollten. Das merkt man immer wieder an den Äußerungen der Kollegen im Fachausschuss, die sagen, Ganztagsschulen dürften keine Familie ersetzen.

(Zuruf von der FDP: Das ist auch rich- tig!)

Dazu kann ich nur fragen: Wo leben Sie eigentlich? - Sie verkennen vollständig die Realitäten in Niedersachsen. Wir wollen demgegenüber ein strukturiertes, ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot, keine Aufbewahrung. Wir wollen ein Bildungsangebot im ganzheitlichen Sinn bis in den Nachmittag hinein mit neuen Tagesrhythmen.

Dazu muss auch die Landesregierung ihren Beitrag leisten. Bis jetzt tun Sie das in keiner Weise,

Herr Busemann. Das ist wieder eine der Blamagen in Ihrer Schulpolitik, meine ich.

(Beifall bei den GRÜNEN - Walter Meinhold [SPD]: So ist es, jawohl!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten von Danwitz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lautet: „Ganztagsschulen fördern und nicht ausbremsen“. Eigentlich brauchte ich dazu nur zu sagen: Den Antrag kann man getrost zurückziehen, er ist überflüssig und von den Fakten längst überholt worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Denn, meine Damen und Herren, innerhalb nur eines Jahres werden wir das schulische Ganztagsangebot in Niedersachsen annähernd verdoppelt haben.

(Zuruf von der SPD: Nennen Sie mal die Zahlen!)

- Die kommen jetzt.

(Ina Korter [GRÜNE]: Wie viele Stun- den?)

Bei Regierungsübernahme gab es 155 Ganztagsschulen. Unter der neuen Landesregierung wurden weitere 87 Schulen in den Ganztagsschulbetrieb aufgenommen, und im Schuljahr 2004/2005 wird es landesweit etwa 300 Schulen mit genehmigtem Ganztagsangebot geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daneben wird die Zahl der Ganztagsplätze allein dadurch steigen, dass an vielen Ganztagsschulen zum August die 5. und 6. Klassen das Ganztagsschulangebot nutzen können.