Ich bitte um etwas Ruhe, damit wir den nächsten Tagesordnungspunkt besprechen können. Diejenigen, die sich unterhalten möchten, verlassen bitte das Plenum. Das geht draußen viel besser. - Ist das auch auf der linken Seite möglich? Herr Kollege, es ist immer gut, wenn Hildesheim und Hannover miteinander reden, aber das muss nicht alles im Plenum geschehen. Sie sind jedoch so fasziniert von sich, dass Sie das gar nicht merken.
Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung: a) Qualifizierte Natur- und Umweltschutzarbeit in Niedersachsen sicherstellen - Ehrenamt stärken - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/546 b) Modernisierung der staatlichen Umweltverwaltung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/575 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/932
Die Beschlussempfehlung des Umweltausschusses lautet auf Ablehnung. Die Berichterstattung nimmt die Kollegin Frau Steiner vor. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 932 empfiehlt Ihnen der Umweltausschuss mit den Stimmen der Vertreter der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion und gegen die Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion und der Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die aus den Drucksachen 546 und 575 zu ersehenden Entschließungsanträge abzulehnen.
Der Vertreter der SPD-Fraktion erläuterte in der ersten Plenarberatung am 21. November 2003 das Ziel des Entschließungsantrages seiner Fraktion. Danach wolle seine Fraktion mit dem Antrag verdeutlichen, dass es qualifizierte Natur- und Umweltschutzarbeit nicht ohne funktionierende Verwaltungsstrukturen geben könne und die Aufgabe der politisch Handelnden daher die Sicherstellung dieser Strukturen sein müsse. Er befürchte hingegen, dass mit den anstehenden Verwaltungsreformmaßnahmen im Umweltbereich, insbesondere
der bevorstehenden Auflösung des Landesamtes für Ökologie (NLÖ), die bisher qualitativ hochwertige Umweltverwaltung zerschlagen werde.
Dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion folgte der direkt an den Umweltausschuss überwiesene Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 575. Diese Entschließung zielt, wenn teils auch mit anderer Akzentsetzung, auf eine Neustrukturierung der Umweltverwaltung und effiziente Aufgabenverteilung ab. Die Vertreterin der antragstellenden Fraktion betonte dabei in der öffentlichen Erörterung im Umweltausschuss, dass die zunehmenden internationalen Vorgaben ein flächendeckendes Netz an Handelnden in der Natur- und Umweltschutzarbeit erforderten. Ihre Fraktion spreche sich daher neben einer Verlagerung bestimmter Aufgaben z. B. an die Gewerbeaufsichtsämter insbesondere für die Einrichtung eines Landesumweltamtes aus, in dem u. a. Aufgaben wie die Umweltüberwachung, die Erhebung und Ausarbeitung von Umweltdaten sowie die Beratungsleistungen zusammengefasst werden könnten. Die Verwaltung von Großschutzgebieten könne zukünftig durch gemeinnützige Organisationen wahrgenommen werden. Hier müsse die Landesregierung die finanzielle Förderung der ehrenamtlichen Akteure sicherstellen, so wie dies z. B. in der Vergangenheit aus den Erlösen der Bingo-Lotterie geschehen sei.
Die Vertreter der Regierungsfraktionen betonten in den sich anschließenden Beratungen im federführenden Umweltausschuss noch einmal die Knappheit der Haushaltsmittel, die auch in der Umweltverwaltung Einschnitte erforderlich werden ließen. Darüber hinaus hob die Vertreterin der CDUFraktion hervor, dass eine Neuverteilung der Umweltaufgaben nicht nur Auswirkungen auf das NLÖ habe. Die Landesregierung habe anlässlich einer Unterrichtung zur Reform der Umweltverwaltung verdeutlicht, dass ein wichtiger Bestandteil dieser Neuorganisation auch die Verlagerung von so genannten Vollzugsaufgaben auf die kommunale Ebene darstelle - so die Ausweisung von Schutzgebieten.
Zum Abschluss der durchgängig kontrovers geführten Beratungen votierten die Regierungsfraktionen für eine Ablehnung der beiden Entschließungsanträge.
Die mitberatenden Ausschüsse für Inneres und Sport, für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und für Haushalt
und Finanzen haben sich dem Beratungsergebnis des Umweltausschusses ohne weitergehende Diskussion angeschlossen.
Am Ende der Berichterstattung bitte ich Sie daher namens des federführenden Umweltausschusses, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 932 zuzustimmen, d. h. die beiden Anträge abzulehnen.
(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Ich hatte mich auch noch zu Wort gemeldet. Die SPD-Fraktion ist erste Antragstellerin. Frau Steiner, kommen Sie noch einmal wieder. Wir freuen uns immer, wenn wir Sie hier sehen. Unter kollegialen Gesichtspunkten ist das so nicht falsch. Inhaltlich kann man das alles ganz anders bewerten. Das ist wahr. Bitte schön! Brigitte Somfleth (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die qualifizierte Natur- und Umweltpolitik in Niedersachsen darf zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht schlechter werden. Darin sollten sich nicht nur die Umweltpolitikerinnen und -politiker dieses Hauses, sondern alle Mitglieder dieses Hauses einig sein.
In den vergangenen Jahren wurden durch engagierte Umweltpolitik lediglich Etappenziele erreicht. Weitere intensive Anstrengungen müssen unternommen werden, um z. B. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes insgesamt weiter zu verbessern, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, die Naturgüter zu schützen und die Erholungsqualität unserer schönen Landschaft zu erhalten. Doch was geschieht stattdessen nach dem Regierungswechsel? Das NLÖ, ein über die Landesgrenzen hinweg anerkannter Umwelt- und Naturschutzdienstleister, soll ohne ersichtliches Ziel zerschlagen werden, statt es, wie in anderen Bundesländern, zu einem Landesumweltamt weiterzuentwickeln. Die Appelle von anerkannten Experten aus ganz Deutschland an den niedersächsischen Umweltminister verhallten ungehört.
Auch die viel postulierte Anerkennung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements tausender Mitglieder in den niedersächsischen Umweltverbänden und den zahlreichen Initiativen in den Kommunen durch die neue Landesregierung entpuppt sich als Seifenblase. Verstärkte verbale Anerkennung: ja. Aber im Gegenzug Kürzung der Verbändeförderung,
Deckelung der Bingomittel auf 4 Millionen - das entspricht einer immerhin 40-prozentigen Kürzung -, vollständige Streichung der Landesmittel für lokale Agenda-21-Projekte in Nicht-Ziel-2-Gebieten. Diese Entscheidungen sprechen eine mehr als eindeutige Sprache.
Die sachlichen und fachlichen Argumente, die für diesen Antrag sprechen, haben wir in mehreren Fachausschusssitzungen eingehend erörtert - Frau Steiner hat das im Bericht erwähnt -; ich möchte sie deshalb nicht alle wiederholen. Ich möchte an dieser Stelle stattdessen an die Diskussion von gestern erinnern, als es um Ihren Hochschulantrag ging. Dort hatte die Kollegin Katrin Trost die Hoffnung geäußert, dass wir noch mit Einsicht gesegnet werden würden. Diese Hoffnung möchte ich nun auch in Ihre Richtung formulieren. Ich habe die Hoffnung, dass Sie heute doch noch mit Einsicht gesegnet werden und von Ihrem Vorhaben ablassen, das NLÖ zu zerschlagen, und damit Niedersachsen im Hinblick auf die notwendige qualifizierte Natur- und Umweltarbeit weit zurückwerfen.
Lassen Sie außerdem Ihren Worten Taten folgen. Zerstören Sie nicht die Grundlagen für das großartige ehrenamtliche Engagement in Natur- und Umweltschutz in Niedersachsen, und demotivieren Sie nicht die tausenden ehrenamtlich für unsere Umwelt Tätigen. Wie Ulla Körtner gestern gesagt hat: Die Hoffnung stirbt zuletzt - auch bei mir, denn ich bin ein hoffnungslos optimistischer Mensch.
Deshalb appelliere ich heute an Sie: Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck, und stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Somfleth, den Ruck werden wir uns heute nicht geben.
- Das werde ich gleich begründen. Ein bisschen Zeit müssen Sie mir dafür schon lassen. - Zu Ihren Anträgen möchte ich zunächst zwei Dinge sagen: Erstens. Ihre Anträge sind aus meiner Sicht bereits überholt und dadurch rückwärts gerichtet. Wie wir alle wissen, geht die Verwaltungsreform in Niedersachsen in eine andere Richtung.
Zweitens. Wir haben das Thema im Umweltausschuss und in der ersten Beratung hier im Plenum durchaus ausführlich diskutiert. Ich komme zu folgenden Ergebnissen: Sie, meine Damen und Herren von der SPD, möchten an den vorhandenen Verwaltungsstrukturen festhalten. Sie reden zwar seit Jahren von Verwaltungsreform, aber Sie haben sie in 13 Jahren Regierungszeit nicht umgesetzt und möchten sie natürlich auch jetzt nicht umsetzen. Sie von den Grünen - das muss ich allerdings sagen - machen teilweise durchaus gute Vorschläge, aber die guten Vorschläge werden von uns längst umgesetzt. Zum Beispiel entwickeln wir die Gewerbeaufsichtsämter zu serviceorientierten Genehmigungszentren. Da haben wir Übereinstimmung. Teilweise haben Sie aber auch andere Vorstellungen vom Aufbau der Umweltverwaltung. Das wurde ja schon deutlich. Beispielsweise wollen Sie stärker zentralisieren. Sie wollen das NLÖ zu einem Landesumweltamt ausbauen. Das machen wir anders. Allerdings fassen auch wir dort, wo es sinnvoll ist, einige Fachbehörden zusammen, zum Beispiel den Naturschutz und die Wasserwirtschaft in einem Landesbetrieb.
Mein Fazit ist: Die Landesregierung und die CDU/FDP-Koalition haben in weiten Teilen nun einmal eine andere Vorstellung vom Aufbau der Landesverwaltung und dementsprechend auch vom Aufbau der Umweltverwaltung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz noch einige Einzelheiten herausarbeiten und darlegen, wo die Unterschiede liegen, wobei ich persönlich finde, dass es gar nicht schlimm ist, wenn Unterschiede vorhanden sind, wenn man unterschiedlicher Auffassung ist und das auch deutlich sagt. Das ist doch genau das, was die Menschen eigentlich wollen. Sie wollen die Positionen erkennen und zwischen diesen Vorstellungen auswählen können. Ich stelle Folgendes fest:
Erstens. Verwaltung allgemein und dementsprechend auch Umweltverwaltung kann man unterschiedlich organisieren. Das wird ja auch unterschiedlich gemacht. Die Bundesländer gehen da bekanntlich unterschiedliche Wege.
Zweitens. Der Föderalismus in unserem Land gewährleistet einen Wettbewerb der Bundesländer. Wir werden letztlich sehen, welches Bundesland die Nase vorn hat. Ich denke, da muss Niedersachsen einiges aufholen; Sie sehen das anders.
Wir machen eine konsequente Verwaltungsreform im Gegensatz zur Vorgängerregierung, und wir verfolgen dabei ganz klare und für jeden nachvollziehbare Prinzipien. Das erste Prinzip ist Aufgabenwegfall und Verwaltungsvereinfachung. Das heißt zum Beispiel Zweistufigkeit statt Dreistufigkeit und funktional gesehen die Eingliederung von Fachkompetenz in die Vollzugsebenen. Dadurch entfällt Doppelarbeit. Ich glaube, es kann eigentlich niemand etwas dagegen haben, wenn man Verwaltung so effizient organisiert.
Das zweite Prinzip ist die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen. Wir wollen die Kommunen stärken, während Sie von der SPD - Herr Haase, das ist ja im Ausschuss deutlich geworden - unseren Kommunen offensichtlich nicht viel zutrauen. In der Beratung im Umweltausschuss haben Sie eingewendet, den Kommunen fehle es an der nötigen Fachkompetenz, sie seien nicht in der Lage und könnten auch nicht in die Lage versetzt werden, vermehrt Aufgaben im Umweltbereich zu übernehmen. Das sehen wir grundsätzlich anders.
Das dritte Prinzip ist die Übertragung von Aufgaben auf Dritte. Ich persönlich sehe es durchaus so, dass der Staat sich grundsätzlich zurückziehen
soll, dass er nur dort Aufgaben übernehmen soll, wo dies hoheitlich unabdingbar ist oder wo die Verwaltung nachweisen kann, dass sie diese Aufgaben eben besser wahrnehmen kann als andere Institutionen. Da werden wir vielleicht Gemeinsamkeiten mit Ihnen, von den Grünen vor allen Dingen, haben. Allerdings bin ich der Meinung, dass sich natürlich auch dann, wenn Dritte Aufgaben übernehmen, diese Institutionen bewähren müssen. Sie müssen zeigen, dass sie diese Aufgaben ordentlich wahrnehmen. Das werden wir uns gemeinsam alles nacheinander anschauen. Das sind unsere klaren Prinzipien der Verwaltungsreform, und ich glaube, sie sind für jeden nachvollziehbar.
Lassen Sie mich nun noch einen Punkt ansprechen. Ich denke, meine Damen und Herren, eine Verwaltungsreform muss wachsen. Das ist ein stetiger Prozess, und das braucht Zeit. Das ist genau wie in der Natur, da wachsen die Dinge ja schließlich auch. Man könnte sagen: Wie sich die Natur regeneriert, so muss sich auch eine moderne Umweltverwaltung erneuern können. Das heißt, sie muss laufend bemüht sein, wie Verwaltung ohnehin laufend bemüht sein muss, effektiver zu werden, und in der Not, in der Niedersachsen ist, muss sie natürlich auch kostengünstiger werden. Außerdem - das ist für mich das Entscheidende müssen die Entscheidungswege kürzer werden. Entscheidungen müssen zielführend, fachkundig und vor allem zeitnah getroffen werden.
Von daher erwarte ich und erwarten wir, bei allem Verständnis für die von den Veränderungen betroffenen Mitarbeiter, dass die Verwaltungsreform als Erneuerungsprozess und als Chance angenommen wird und dass sich neben der Verwaltungsstruktur vor allen Dingen die Verwaltungsabläufe deutlich verbessern. Auf diese Frage sollten wir uns jetzt wirklich konzentrieren, das ist das aktuelle Thema. Ich denke, man beschäftigt sich viel zu viel mit Strukturen. Wir müssen jetzt versuchen, auf die Verwaltungsprozesse, auf die Abläufe einzuwirken, damit effektiver gearbeitet wird. Wenn Sie dazu Verbesserungsvorschläge haben, dann lassen Sie es uns wissen; denn es hilft niemandem - ich denke, es hilft nicht der Umwelt, es hilft nicht der Natur und es hilft auch nicht den Bürgern -, wenn mit viel Verwaltungsaufwand und an vielen zu beteiligenden Stellen zwar unbestritten intensiv, kompetent und viel gearbeitet wird, aber, wie man so schön sagt, unter dem Strich oft nicht viel dabei herauskommt.
- Frau Somfleth, schauen Sie sich doch einmal an, wie viel Geld im Umweltbereich für Verwaltung, für Kartierungen, für Gutachten, für Planung usw. eingesetzt wird
(Brigitte Somfleth [SPD]: Was verlangt denn eigentlich die EU? - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])
und was dann unter dem Strich noch übrig bleibt. Wenn Sie konkret Projekte und Maßnahmen für die Umwelt ausführen wollen, dann ist kein Geld mehr da. Ich denke, wir haben ein ganz klares Missverhältnis - das zieht sich durch alle Verwaltungen - von diesen Kosten zu den Kosten, die nachher wirklich der Natur, der Umwelt und den Bürgern zugute kommen.
Zum Abschluss noch ein Satz zu Ihnen, Herr Haase, und zu Frau Somfleth, die das ja auch noch einmal verdeutlicht hat, sowie zu den Grünen, die das auch so sehen: Sie behaupten, das NLÖ solle platt gemacht werden. Das ist nun nicht unser Ziel.