Protocol of the Session on April 29, 2004

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das fehlte hier auch noch!)

Ich möchte Ihnen einmal etwas aus der Kreiszeitung Wesermarsch vom 22. April zitieren, weil es ganz neu ist. Dort steht geschrieben: „Dramatische Situation für die Zinkhütte. Geschäftsführung: Steigende Strompreise gefährden den Standort.“ Dort ist ein Betrieb, der gern investieren und rund 100 neue Arbeitsplätze schaffen möchte. Der kann dies aber nicht, weil diese Bundesregierung nicht in der Lage ist, eine verlässliche Politik zu betreiben.

Herr Kollege Thümler, Ihre Redezeit ist schon lange abgelaufen.

Ja, ich komme gleich zum Schluss. - Die Energiekosten sollen aufgrund Ihrer Politik von einem Jahr aufs andere um 4,8 Millionen Euro steigen. Meine Damen und Herren, das müssen Sie einmal den Beschäftigten dort erklären, die aufgrund dieser verkorksten Politik keine Perspektive bekommen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Hagenah.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wesermarsch braucht Bewegung. Das ist richtig. Die Spitze der SPD-Fraktion weiß aber, dass diese Bewegung nicht nur von einem Landkreis ausgehen kann. Deshalb wundert uns der Antrag schon sehr, weil die SPD ja auch schon während ihrer Regierungszeit immer wieder von regionalen Entwicklungskonzepten gesprochen hat. Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion suggeriert nun, dass ein Landkreis allein dadurch, dass er mit sich berät, zukunftsfähig werden könnte. Das ist aber nicht möglich; denn der Landkreis Wesermarsch ist nur ein Beispiel für die Situation in vielen anderen niedersächsischen Landkreisen.

(Björn Thümler [CDU]: Herr Hagenah hat es verstanden!)

In vielen Bereichen muss dringend davon Abstand genommen werden, Kirchturmspolitik zu betreiben und zu glauben, wir könnten in einer globalisierten Welt und in einem erweiterten Europa aus unseren Landkreisen heraus zukunftsfähige Konzepte entwickeln. Vielmehr müssen wir unter Beteiligung mehrerer Landkreise regionale Konzepte abstimmen und entwickeln und darin auch die in den Regionen vorhandenen Potenziale sowie die in der Nähe befindlichen Zentren - ohne Bremen geht das auf gar keinen Fall - einbinden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das bringt die Wesermarsch dann in Bewegung.

(Björn Thümler [CDU]: So ist es!)

Dass insbesondere der Ausbau der Straßeninfrastruktur die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit in der Wesermarsch ist, ist nun wirklich ein Märchen; denn die Doktrin unseres Verkehrsministers Hirche, dass Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2004 im Wesentlichen Straßenbauentwicklung ist, kann nicht zukunftsträchtig sein. Die dortige Straßendichte muss an der einen oder anderen Stelle sicherlich durch eine Umgehungsstraße oder einen Ausbau ergänzt werden. Dass eine Autobahn, die A 22, aber ausgerechnet dann, wenn sie quer durch die Wesermarsch führt, für diese Region

einen Wachstumsschub bringen wird, glaubt kein Verkehrswissenschaftler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das glauben auch die Anwohner des Wesertunnels nicht. Sie haben ihre Erfahrungen gemacht. Der Wesertunnel hat Arbeit gebracht - während der Bauzeit. Während der Bauzeit konnte sich die regionale Wirtschaft entwickeln, weil die Baufirmen aktiv waren. Seit Fertigstellung des Tunnels warten die neu geschaffenen Gewerbegebiete aber immer noch auf Anmeldungen.

(Björn Thümler [CDU]: Das liegt an der falschen SPD-Politik!)

Die Innenstädte der in der Nähe gelegenen Kommunen laufen leer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Läden dort werden entmietet, weil eine bessere Straßenverbindung zunächst einmal als Entwässerungskanal für Kaufkraft wirkt, nicht aber als Zubringer für künftige Käufer. Die Probleme in der Wesermarsch sind ganz anders gelagert. Allein das Beispiel des Milchwerks Strueckhausen macht doch deutlich, dass der Konzentrations- und Rationalisierungsprozess in manchen Branchen rasant voranschreitet, ohne dass die Landesregierung oder die Bundesregierung im Augenblick effizient dagegenhalten könnten. Eine neue Autobahn würde diese Entwicklung mit Sicherheit nicht stoppen. Im Gegenteil. Statt alten überholten Strukturen hinterherzutrauern, sollte man auf innovative und standortbegünstigte Wirtschaftszweige setzen.

(Björn Thümler [CDU]: Wir sind schon viel weiter!)

Gerade die Metallverarbeitung - allen voran Airbus - muss als wichtiger Arbeitgeber gehalten werden. Die Mittelstandsentwicklung - da hat Herr Thümler Recht - ist aber eine Perspektive für das Umland des Zentrums Bremen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dem Tourismus wird sich in der durch die Natur begünstigten Region Wesermarsch zukünftig noch deutlich mehr Geld verdienen lassen, als dies heute der Fall ist. Mit frischer Luft, Küste und schöner Landschaft kann die Wesermarsch werben. Das sind die Stärken dieses Landkreises.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann, Herr Thümler, muss die CDU/FDPLandesregierung aber auch ihr Wahlversprechen einhalten und endlich effektiv gegen die Verschlickung des Fedderwarder Priels und gegen die Verschlickung in Nordenham vorgehen. Der Tourismus lebt natürlich von fließendem Wasser und nicht von stehendem Schlick.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit mehr Touristen bequem in die Wesermarsch kommen können, muss der Schienenverkehr dringend verbessert werden. Es darf aber nicht abgeschreckt werden mit einer Autobahn, die durch diese landschaftlich schöne Region führen soll. Die Zuganbindung ist zurzeit alles andere als gut.

(Björn Thümler [CDU]: Die ist saumä- ßig!)

Zum Glück aber tut sich so langsam etwas. Immerhin soll jetzt endlich die Bahnstrecke Hude Nordenham verbessert werden. Die Züge sollen auf dieser Strecke bald durchgehend mit Tempo 90 fahren können - so das Versprechen der DB AG für Niedersachsen, mir gegenüber gerade erst letzte Woche noch einmal geäußert. Anfang 2005 soll begonnen werden. Die Landesnahverkehrsgesellschaft hat auf Anfrage hin angekündigt, dass sie neues Zugmaterial bestellen will. Von daher können wir hoffen, dass die Wesermarsch schon in zwei Jahren mit neuen Zügen und besseren Taktverbindungen besser erschlossen sein wird. Dann müssen aber auch die regionalen Konzepte greifen, damit die Wesermarsch wirklich in Bewegung kommt.

Ich hoffe, dass wir diese Anregungen in den Ausschussberatungen noch in den Antrag einbauen können. Dann könnten auch wir diesen Antrag unterstützen. - Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt Herr Rickert für die FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde als vierter Redner zu einer Sache sprechen zu müssen, ist nicht immer ganz einfach. Der Antrag steht nicht unter der Überschrift „Wesermarsch braucht Bewegung“, sondern unter der

Überschrift „Wesermarsch in Bewegung“. Den Ausführungen von Herrn Thümler konnte ich entnehmen, dass das schon lange der Fall ist. Jedenfalls angetrieben durch einen aktiven CDUAbgeordneten vor Ort.

Die Struktur - so wie beschrieben - ist in der Tat durch eine sehr hohe Industriedichte geprägt. In dem rechtsseitig der Weser gelegenen Industriegürtel können wir einen im Vergleich zur übrigen Bundesrepublik überproportional großen Anteil an gewerblichen Arbeitsplätzen verzeichnen, die einem Strukturwandel unterliegen. Über dessen Ursache haben wir gestern in eindrucksvollen Beiträgen der Vorsitzenden der Fraktionen von CDU und FDP zum Thema Standort Deutschland eine ganze Menge gehört. Angesichts der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich Ihnen das alles nicht noch einmal sagen.

Es fehlt in der Tat an Arbeitgebern bzw. Unternehmen. Der Mittelstand besteht aus Handwerk, Dienstleistung und Einzelhandel. Es gibt in dieser Region in der Tat eine Tourismuswirtschaft. Große Hoffnungen werden in die Gründung einer weserübergreifenden Marketingkonzeption gesetzt. Der Wesertunnel spielt hierbei eine nicht unbedeutende Rolle.

(Glocke der Präsidentin)

- Jetzt habe ich mich erschrocken. - Sehr große Sorgen bereiten uns allerdings die landwirtschaftlichen Betriebe, die einen Großteil der Fläche mit Milchviehhaltung bewirtschaften. Auch das ist schon gesagt worden. Die Bodenbeschaffenheit lässt keine andere Nutzung zu. Ebenfalls über die Milchpreisentwicklung und die völlig desaströse Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung ist hier schon eine Menge gesagt worden. Auch hier droht der Verlust vieler Arbeitsplätze. Im Zuge der Agrarreform sollten wir darauf drängen, dass auch Konzepte für den Fortbestand der Landwirtschaft entwickelt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wissen aber auch, dass die Situation nicht ganz so hoffnungslos ist, wie sie hier geschildert wird. Im Übrigen ist ein gewisser Optimismus angesagt. In der Strukturkonzeption, übrigens auch von der Industrie- und Handelskammer verfasst, spielen Projekte wie der Wesertunnel, die A 22, aber auch der JadeWeserPort eine besondere Rolle. Die A 22 als „wachstumshemmend“ oder „nicht wachstumsfördernd“ zu diskreditieren, Herr

Hagenah, das kann nur jemand sagen, der von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik so gut wie keine Ahnung hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Da ich auch zu später Stunde in einer positiven Grundstimmung eingestellt bin, möchte ich sagen: Diese Region hat durchaus auch ihre Stärken. Ich möchte dabei nennen: einen hoch spezialisierten Schiffbau, einen spezialisierten Luftfahrzeugbau, maritime Kompetenz, insbesondere abgebildet im Fachbereich Seefahrt der Fachhochschule in Elsfleth, und, nicht zu vergessen, die Logistikkompetenz, an der Weser gelegen. Auf dieser Basis gibt es zahlreiche Entwicklungsprojekte, wie z. B. die regionalen Wachstumskonzepte oder das NordWest-Projekt der Industrie- und Handelskammer mit den Arbeitsgebieten Energie, Informationstechnik und Kommunikation sowie Ernährungswirtschaft. Dabei ist es notwendig, dass über die Landkreisgrenzen - das kam auch hier zum Tragen - deutlich wird: Der Fokus darf nicht nur allein auf den Landkreis Wesermarsch gelegt werden. Wir haben ähnlich gelagerte Problemfälle auch in den umliegenden Landkreisen, sodass zumindest die Landkreise Friesland, Ammerland und Wittmund sowie Wilhelmshaven einbezogen werden müssen. Auch Oldenburg gehört auf irgendeine Weise dazu. Im Übrigen möchte ich erwähnen: Die Oldenburger halten sich für besondere Menschen. Das bekommt insbesondere Herr Schünemann bei der Diskussion um die Verwaltungsreform zu spüren.

Ich meine aber, dass in dieser Region bereits eine ganze Menge passiert - das mit Unterstützung der Landesregierung -, und ich wünsche dem Ausschuss weiter gute Beratungsergebnisse im Sinne der gesamten Nord-West-Region. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile Herrn Minister Hirche das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Situation im Landkreis Wesermarsch ist der Landesregierung bekannt. Wenn man guten Willen unterstellt, dann ist die Situation wahrscheinlich dem gesamten Landtag bekannt. Daher lohnt es sich nicht, Dinge zusammenzutragen - Herr

Thümler hat darauf hingewiesen -, die eindeutig sind und wozu es auch längst Vorstöße in der Vergangenheit gegeben hat, ebenso wie es sie jetzt gibt, um den vorhandenen Schwierigkeiten abzuhelfen.

Insofern rennt der Antrag offene Türen ein bzw. beschreibt eine Situation, die so nicht vorhanden ist. Man kann alles wiederholen. Aber in Deutschland ist nicht die Zeit, das fünfmal zu wiederholen, sondern wir müssen uns mit dem beschäftigen, was vor uns liegt. Dabei geht es darum, nicht den Eindruck zu erwecken, es würde noch ausreichen, ein Programm oder ein Konzept für einen Landkreis zu machen, sondern wenn wir regionale Wachstumskonzepte machen, dann für mehrere Landkreise gemeinsam.