Protocol of the Session on April 29, 2004

- Weil der Kollege Dr. Lennartz es nicht gefragt hat. Wenn er das in der Großen Anfrage gar nicht fragt, können wir es nicht beantworten. Aber wenn die Frage hier gestellt wird, bin ich in der Lage, sie ihm jetzt zu beantworten. Dann kann man das auch nachlesen und auch dokumentieren. Das ist kein Problem.

Der andere Punkt ist die Koordination im Katastrophenfall in der Zukunft. Wie soll diese nach Abschaffung der Bezirksregierungen laufen? Es ist völlig klar, dass das im Bereich der sechs regionalen Polizeidirektionen stattfinden soll. Das wird dann auch gesetzlich so geregelt und wird insofern keine Verschlechterung, sondern sogar eine Verbesserung sein, weil wir von vier auf sechs Polizeidirektionen gehen und insofern sogar noch näher an dem Großschadensfall sind.

Dann ist bemängelt worden, wir hätten noch kein Feinkonzept vorgelegt. Natürlich haben wir schon ein Feinkonzept erarbeitet, wer wann wie erreichbar ist, wie es koordiniert werden soll - ich kann Ihnen das gern auch zur Verfügung stellen -,

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Tun Sie das!)

mit allen Abstimmungen, mit allen Telefonnummern, mit Angaben, wie das Ganze umgesetzt werden soll. Das ist überhaupt kein Problem. Das ist alles geregelt.

Was mich sehr wundert, Herr Kollege Lennartz, ist, dass Sie fordern, dass wir vielleicht sogar neues Personal einstellen sollten, um so etwas vernünftig zu regeln. So habe ich Sie zumindest verstanden. Das war nie Intention dieses Kompetenzzentrums, sondern wir haben gesagt: Wir müssen aus den Folgen von Bad Münder die richtigen Schlüsse ziehen.

Welches Problem haben wir denn gehabt? Dass man sich im Innenministerium erkundigt hat, dass man sich im Sozialministerium erkundigt hat, dass man sich im Umweltministerium erkundigt hat. Aber die Koordination und die anschließende Nachbereitung für diejenigen, die dort tatsächlich

gefährdet und auch betroffen gewesen sind, vielleicht sogar gesundheitliche Schäden davongetragen haben, all das war völlig unkoordiniert auf Landesebene. Insofern haben wir uns im Landtag einstimmig dazu entschlossen, eine Konzeption Kompetenzzentrum Großschadensfall mitzutragen. Das bedeutet, dass jetzt einer den Hut aufhat, einer koordiniert und einer auf alle Ressourcen, auf alle Kompetenzen, die wir im Lande haben, zurückgreifen kann. Das ist jetzt eben im Innenministerium dieses Kompetenzzentrum. Im Detail ist geregelt, wie, wann und wo jemand erreichbar ist. Meine Damen und Herren, das ist doch genau der richtige Punkt. Es wäre völlig falsch, jetzt z. B. im Innenministerium einen Wasserkopf mit einer großen Abteilung, mit einem großen Referat aufzubauen, neues Personal einzukaufen und dort neue Kompetenzen zu schaffen. Wir müssen das, was sich bisher bewährt hat, erhalten. Wir müssen die Verantwortlichkeit vor Ort haben und im Großschadensfall die Verantwortlichkeit auf den Landkreis übertragen. Wir haben die Informationspflicht. Wir müssen dann auch im Innenministerium die Ansprechpartner haben, die auf das gesamte Know-how dieses Landes sofort zugreifen und diese Informationen weitergeben können.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist richtig!)

Das ist genau der richtige Punkt. Wir haben das, was mein Vorgänger auf den Weg gebracht hat, konsequent weitergeführt. Insofern sind vor allen Dingen die Betroffenen in Bad Münder mit dem sehr zufrieden, was wir schon an Hilfestellungen gegeben haben. Das war längst überfällig. Wir haben das konsequent umgesetzt.

Herr Dr. Lennartz, was Sie fordern, ist überhaupt nicht machbar. Es führt vor allen Dingen nicht unbedingt dazu, dass wir im Katastrophenfall besser reagieren können. Im Gegenteil: Es wäre schlechter. Ich meine, dass wir deshalb nicht nur auf dem richtigen Weg sind, sondern dass wir hier das richtige Konzept vorgestellt haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Bachmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben soeben mit dem Feinkonzept gewedelt. Dann verstehe ich nicht, warum Sie in der Antwort auf die Große Anfrage der Grünen gesagt haben, dass das noch erarbeitet wird. Jetzt sagen Sie, dass es selbstverständlich schon fertig ist. Dann haben Sie nicht umfassend geantwortet. Deswegen kam auch mein Zwischenruf: Stellen Sie es uns schleunigst zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn die Antwort auf eine Große Anfrage mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt, dann scheint irgendetwas nicht in Ordnung zu sein. Ich möchte noch einmal im Detail auf die Frage 12 eingehen, bei der Sie - wie der Kollege Lennartz schon zitiert hat - kategorisch feststellen, dass es keine Auswirkungen auf die Verwaltungsreform gibt. Dazu möchte ich auf einen Widerspruch hinweisen, der dann offensichtlich zwischen Ihnen, Herr Schünemann, den Regierungsfraktionen und Herrn Staatssekretär Meyerding besteht. In der vom Innenministerium herausgegebenen März-Ausgabe der ReformZeit heißt es dazu:

„Die Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes werden einzelnen Polizeidirektionen angegliedert. Die Aufgaben sind auf Ressortebene dem entsprechend der Koalitionsvereinbarung im MI eingerichteten Kompetenzzentrum Großschadenslagen zugeordnet.“

Diese Formulierung ist höchst interessant und wirft eine Reihe von Nachfragen auf, die zum Teil der Kollege Lennartz schon angesprochen hat. Werden nun nur einzelne und nicht alle Polizeidirektionen die Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes bekommen?

(Minister Uwe Schünemann: Das ha- be ich beantwortet!)

Die neuen Polizeipräsidenten sollen doch entsprechende Dezernate in allen PDs einrichten. Der Kollege Bartling stellte gestern die Frage, ob es nun die wundersame Personalvermehrung der Brandschutz- und Katastrophenschutzdezernenten von vier auf jeweils sechs geben wird oder nicht. Aus dem Munde eines Ihrer Planungsbeauftragten für den Bereich der Polizeidirektionen haben wir

gehört, dass nicht alle die gleiche Personalausstattung bekommen. Also werden doch nur Einzelne die Aufgaben wahrnehmen und nicht alle. Im Augenblick zeichnet sich insgesamt ein Chaos ab. Ihr Gesetzentwurf spricht von allen, Herr Meyerding dagegen publiziert etwas anderes.

Im Übrigen werden die Polizeidirektionen die zuständigen Behörden. Herr Schünemann und auch Ihr Regierungsentwurf sagen zu der Änderung des § 21 des Brandschutzgesetzes, dass die neuen Bezirksbrandmeister, die ja jetzt Regierungsbrandmeister heißen sollen, direkt dem MI zugeordnet werden sollen. Das möchte ich einmal in der Praxis erleben. Auf der einen Seite sind die obersten Feuerwehrführer direkt dem MI zugeordnet, auf der anderen Seite sind die Polizeidirektionen die koordinierenden Behörden vor Ort.

Ich habe übrigens Probleme mit dem Begriff des Regierungsbrandmeisters; denn die werden ja schließlich von den Kreisbrandmeisterdienstversammlungen gewählt. Sie behalten auch in Zukunft ihre Aufsichtsbereiche, ihre Bezirke. Warum man sie dann nicht weiter Bezirksbrandmeister nennt, entzieht sich meiner Kenntnis. Soll das eine politische Einvernahme sein, die die Unabhängigkeit infrage stellt? - Niedersachsen ist das erste Land, das diesen wundersamen Titel einführen würde. Ich sage aber nun: Wenn nun unbedingt neun Regierungsbrandmeister benötigt werden - wenn ich mich hier umgucke, dann sehe ich, dass die Regierungsbank kaum besetzt ist -, dann wird es wohl auch genug Regierungszündler oder Regierungsbrandstifter geben, die fordern, diese Regierungsbrandmeister erstmalig zu installieren.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Bei- fall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Vielleicht sind sie gerade wieder am Zündeln, jeder mit seinem Ressortegoismus gegenüber Ihnen, Herr Schünemann.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Don- nerschlag! - Heinz Rolfes [CDU]: Langsam wird es peinlich!)

Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Artikelgesetz, in dem Sie Ihren Rochus auf die bisher gerade im Katastrophenschutz erfolgreichen Bezirksregierungen dadurch abarbeiten, dass Sie sagen, der Begriff „Bezirk“ wird durchgängig durch „Regierung“ ersetzt. Dann warte ich auf die Vorlage, wann Sie die Regierungsschornsteinfeger einführen.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Bei- fall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Herr Schünemann, Ihre Aussagen sind mehr als nebulös, unpräzise und widersprüchlich. Daran wird deutlich, dass Ihnen - wie bei der gesamten Verwaltungsreform - die klare Linie fehlt. Deutlich wird aber auch, dass es - wie ich befürchte - hier um mehr als die Einrichtung einer weiteren Reformruine geht und dass Sie den Katastrophenschutz in unserem Lande mehr gefährden als konzentrieren.

Katastrophenschutz ist keine Bezeichnung für tatsächlich vorhandene Ressourcen an Menschen und Technik wie etwa Feuerwehr oder Bundeswehr. Katastrophenschutz ist vorrangig ein Organisationsprinzip. Das wird in § 1 des Katastrophenschutzgesetzes sehr deutlich, in dem es heißt, dass ein Katastrophenfall ein Notstand mit solchen Gefährdungen ist, dass seine Bekämpfung durch die zuständigen Behörden und die notwendigen Einsatz- und Hilfskräfte eine zentrale Leitung erfordert.

(Bernd Althusmann [CDU]: Demnach ist Ihre Rede auch eine Katastrophe!)

Fakt ist: Bisher war die Bezirksregierung z. B. im Bereich der Küste - Weser-Ems - für diesen Bereich zuständig. Sie war aber auch die Behörde, die die Zuständigkeit für die Häfen und Schifffahrt, die Wasserwirtschaft, die Wasserschutzpolizei und natürlich den Katastrophenschutz selbst, und, und, und umfasste. Ich könnte Beispiele anderer Gefahrenpotenziale ansprechen, bei denen diese Liste z. B. um die für Umweltschutz zuständigen Dienststellen, die Forstdienststellen, die dort koordiniert unter einem Dach gearbeitet haben, ergänzt werden könnte. Sie atomisieren die Zuständigkeiten.

(Oh! bei der FDP)

Sie werden in Zukunft in jedem Katastrophenfall, der im Interesse der Menschen dieses Landes hoffentlich nicht eintritt, erst mühsam einen Stab zusammenstellen müssen. Herr Schünemann, wenn dann etwas daneben geht! Ich hoffe aber, es kommt nicht dazu, weil immer Menschen und Sachwerte geschädigt würden. Sie haben aber dann wegen der Zerschlagung bisher funktionierender Strukturen das Organisationsverschulden höchstpersönlich an der Backe.

(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Ich empfehle Ihnen einmal, nach Rheinland-Pfalz zu gu- cken! Da regiert ja noch die SPD! Die machen das ähnlich! Da muss er wo- möglich noch zurücktreten! - Gegenruf von Sigrid Leuschner [SPD]: Herr Bi- allas, darüber macht man keine Scherze!)

- Das könnte dann passieren, was wir nicht hoffen wollen. Dann wären erst einmal Menschen und Sachwerte gefährdet. Herr Kollege, darüber würde ich nicht lachen. - Das mit dem Organisationsverschulden ist aber so. Sie zerschlagen vorhandene, vernünftige Strukturen in diesen Bereichen und lassen im Moment mehr Fragen offen, als Sie beantworten. Das wird deutlich z. B. an der unterschiedlichen Zuordnung Ihrer zukünftigen Bezirks/Regierungsbrandmeister und der Zuständigkeiten in den entsprechenden Polizeidirektionen der Brandschutzund Katastrophenschutzdezernenten. Sie wissen ja, was Sie bei den anderen Behörden machen. Der Häfenbereich wird privatisiert. Alles andere wird atomisiert. Diese Gefahr muss hier eindeutig dargestellt werden. Wir können doch bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage nicht so tun, als wenn wir alle nicht wüssten, welche Fehlentwicklungen im Augenblick eingeleitet werden.

Für eine solche Ausputzerfunktion, die bei dieser Entwicklung im Katastrophenschutz eigentlich übrig bleibt, war das von uns angeregte Kompetenzzentrum nicht gedacht. Auch da schmücken Sie sich mit fremden Federn. Sie sagen, dass das aufgrund Ihrer Koalitionsvereinbarung eingerichtet worden ist.

Fakt ist: Gefordert wurde es aufgrund einer von uns mehrheitlich gefassten Parlamentsentschließung in der vorigen Wahlperiode. Der Beschluss, es einzurichten, ist durch Heiner Bartling von der alten Landesregierung zur Zeit von Sigmar Gabriel gefasst worden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Kurz vor der Wahl!)

Damals sind die Initiativen ergriffen worden.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Es wä- re ja furchtbar, wenn ihr alles falsch gemacht hättet!)

Aber was Sie jetzt daraus machen, ist etwas anderes, als wir mit diesem Kompetenzzentrum geplant haben. Ich sage Ihnen: Sie machen daraus schlichtweg einen großen Schaden oder - besser gesagt - eine Katastrophe. Sie setzen ausschließlich auf den Bund und auf die Kommunen.

Nun sage ich Ihnen einmal Folgendes zu Ihrer Kritik, der mögliche weitere Rückzug der Bundeswehr gefährde den Katastrophenschutz. Das hat Ihnen Herr Kollege Bartling in der letzten Woche schon beantwortet. Die Bundeswehr hat eine unterstützende Funktion. Sie können nicht ausschließlich auf die Bundeswehr setzen, um Naturkatastrophen oder Großschadenslagen zu bewältigen. Die eigenen Aktivitäten des Landes beschränken sich auf die Neufassung des Bereitschaftserlasses für kommunale Feuerwehrbereitschaften und auf die Feuerwehrdienstvorschrift 100. Das ist immerhin etwas. Es gibt aber keinerlei materielle Unterstützung oder auch nur Planungen zur sinnvollen Integration und zur Verstärkung des vorhandenen Potenzials in den Kommunen. Gleiches gilt für die überregionale Ausbildung. Sie verweisen nur auf den Bund. Das ist nicht ausreichend. Sie sind originär zuständig. Was gebraucht wird, ist Ausbildung, damit wenigstens die vorhandenen Potenziale des Bundes, z. B. die ABCErkunder der neuen Generation, von den Führungskräften der Feuerwehren angemessen eingesetzt werden können. Überregionale, großflächige Gefahrstoffeinsätze müssen geübt werden. Hier könnten Sie jetzt deutliche Zeichen setzen, um den Katastrophenschutz zu qualifizieren und um insbesondere die Hilfsorganisationen und alle ehrenamtlich Tätigen im Lande an dieser Stelle zu unterstützen. Die haben wir Gott sei Dank. Wir haben nicht nur Sie, Herr Minister, der im Augenblick ein Organisationschaos anrichten. Die Angehörigen der freiwilligen Feuerwehren, der Berufsfeuerwehren und des THW sowie der Hilfsorganisationen wie Rotes Kreuz, Johanniter, ASB, Malteser und DLRG mit Unterstützung von Bundeswehr, BGS und Polizei sind die Organisationen, auf die wir auch in Zukunft bauen können.

(Bernd Althusmann [CDU]: Und auf die CDU und auf die FDP!)

Erfreulicherweise müssen wir dort wahrscheinlich im Wesentlichen auf die Ehrenamtlichen bauen, weil der Katastrophenschutz der Zukunft auf Sie, Herr Schünemann, und auf das von Ihnen angerichtete Organisationschaos nicht bauen kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von der CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Coenen zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich die konstruktive Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich möchte sehr sachlich, aber schlaglichtartig und punktuell einige Fakten ansprechen.

Die vorliegende Antwort des Innenministers, die ihresgleichen sucht,

(Ralf Briese [GRÜNE]: Allerdings, ja!)

ist sachlich, präzise, kompetent und vorausschauend,