Protocol of the Session on April 29, 2004

und rechtspopulistische Äußerungen aus der niedersächsischen CDU erfolgt sind, und zwar von Mandatsträgern und Funktionären Ihrer Organisation. Die Spektakulärsten kamen von Herrn Klett in Wolfsburg - er hat Konsequenzen gezogen - und - am auffälligsten, wie ich finde - von Herrn Thümler im letzten Herbst in der Auseinandersetzung über die Rede von Herrn Hohmann - Herr Thümler, der übrigens immer noch jugendpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion ist und der heute Morgen in einer politischen Debatte hier im Hause der SPDFraktion etwas über politische Kultur beibringen wollte.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es gibt Menschen, von denen wir uns Hinweise auf politische Kultur verbitten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Welches sind die Reaktionen der niedersächsischen Parteiführung der CDU, eines Parteivorsitzenden, der gleichzeitig das Amt des Ministerpräsidenten ausübt, wo natürlich jeder darauf achtet, wie er agiert? - Windelweich, meine Damen und Herren! Herr Wulff wird mit dem Satz zitiert, die Äußerungen von Herrn Bregulla in Schaumburg seien missverständlich und hätten zu Interpretationen Anlass gegeben, die nicht okay seien. Man muss dazu sagen: Der CDU-Kreisvorsitzende hat in seiner Entschuldigung mitgeteilt, er habe sich in der Wortwahl vergriffen. - Nein, Herr Wulff, die Äußerungen waren nicht missverständlich, sie waren eindeutig, sie waren volksverhetzend.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie lassen zu, dass derartige Positionen mit der CDU in Verbindung gebracht werden können. Sie nehmen billigend in Kauf, dass Ihr rechter Rand ausfranst. Augenscheinlich herrscht in der CDUBasis der Eindruck, dass derartige Positionen hoffähig sind, Rechtspopulismus in der CDU-Führung auch in der Nach-Hasselmann-Zeit geduldet und von Einzelnen in der Führung sogar begünstigt wird.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Un- verschämtheit! - Bernd Althusmann [CDU]: Schröder lässt grüßen: Ge- walttätige Ausländer müssen raus!)

Herr Ripke assistiert mit dem Satz, in diesem Fall gehe es einzig um eine isolierte Einzelmeinung. Herr Ripke, Sie wissen, dass Sie Unrecht haben.

(David McAllister [CDU]: Herr Jüttner, das ist eine gemeinsame Entschlie- ßung!)

Der Kollege aus Schaumburg steht - das ist meine Einschätzung - wohl für einen gewichtigen Teil Ihrer Mitglieder. Wir haben im Umfeld von Hohmann in Fulda gesehen, wie die Realität in der Mitgliedschaft der CDU ist. Ich habe den Eindruck, dass Sie sich deshalb scheuen, ein Parteiordnungsverfahren zur Anwendung zu bringen.

Herr Wulff, Führung ist, einzugreifen, wenn es geboten ist. Die gemeinsame Entschließung begreifen wir als gutes Signal. Ihre eigentliche Baustelle ist aber Ihre eigene Partei. Dort gilt es, zur Festigung der Demokratie aufzuräumen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Quatsch!)

Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Riese von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte um das Wort in dieser Debatte gebeten in der Annahme, dass wir hier über einen gemeinsamen Antrag debattieren, mit dem Ausländerfeindlichkeit verurteilt werden soll, Gewalt gegen Ausländer - auch verbale übrigens - verurteilt werden soll und die Integration gefördert werden soll.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Verehrter Herr Kollege Jüttner, Ihrer Ansprache muss ich entnehmen, dass Sie dies nicht beabsichtigen,

(Zuruf von der SPD: Wie, bitte?)

sondern dass Sie ein Thema, das sehr ernst ist, dazu benutzen, um den politischen Knüppel in die Hand zu nehmen und im Hause Uneinigkeit zu schüren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Haben Sie den ge- meinsamen Antrag schon gesehen, Herr Riese? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Riese, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Harms?

Ich gestatte.

Herr Kollege, beabsichtigen Sie, zu dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen des Hauses zu sprechen?

(Zurufe von der CDU)

Das dürfen Sie mir aber wohl glauben, Frau Harms! - Mit der vorliegenden Erklärung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wird sich der Niedersächsische Landtag unmissverständlich gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt und für die Förderung der Integration zugewanderter Menschen in unserer Gesellschaft aussprechen.

Anlass der Tatsache, dass diese Entschließung für heute beantragt wurde, ist die Rede eines wenig bekannten Ortsvorsitzenden einer in diesem Hause vertretenen Partei.

(Ah! bei der SPD)

Wenn die FDP-Fraktion zunächst gezögert hat, sich dem Antrag anzuschließen, so hat das im Wesentlichen drei Gründe. Erstens. Es gibt sehr viele kluge und politisch äußerst unverdächtige Menschen in diesem Lande - übrigens auch in der veröffentlichenden Zunft -, die der Ansicht sind, dass es eher kontraproduktiv ist, eine solche örtliche Begebenheit dadurch in ihrer Bedeutung zu überhöhen, dass sie überhaupt zum unmittelbaren Anlass einer Entschließung genommen wird.

(Zurufe von der SPD)

Zweitens. Der Antrag wurde dem Plenum erst vor sehr wenigen Tagen zugeleitet. Das zeigt ein nur ganz geringes Interesse der Initiatoren, zu einer

wirklich gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Außerdem ist das Papier, wenn man es sich durchliest, inhaltlich nicht sehr üppig ausgefallen. Es steht darin das Bekenntnis zum Miteinander verschiedener Kulturen und Religionen, zum friedlichen Zusammenleben von Menschen verschiedener Abstammung, Nationalität, Sprache, Heimat und Herkunft, verschiedenen Glaubens und verschiedener religiöser und politischer Anschauung. Daneben könnten wir uns noch einige konkrete Anregungen und Aussagen zur Verbesserung der Integrationsbereitschaft der Gesellschaft vorstellen, die allerdings über das relativ junge „Handlungsprogramm Integration“ vom August 2003 hinausgehen müssten. Um das auf stabile inhaltliche Füße zu stellen, dürfen wir nicht aus der Hüfte schießen, sondern müssen es gründlicher miteinander gedanklich vorbereiten.

Meine Damen und Herren, wir kennen alle die demografische Entwicklung in unserem Land und sind der Tatsache inne, dass die bestehende Geburtenrate schon in kurzer Zeit zu einer drastischen Verkleinerung der Einwohnerzahl führen wird. Wir sehen einer Entwicklung unserer Gesellschaft entgegen, in der wir erheblich aktiver als in der Gegenwart wieder Menschen aus anderen Teilen der Welt einladen werden, zu uns zu kommen. Als politisch Verantwortliche haben wir diese Entwicklung mitzugestalten.

Die heute zu beschließende Erklärung ist ein sehr kleiner Stein in diesem Gebäude. Auf Bundesebene muss das Zuwanderungsgesetz endlich beschlossen werden,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und zwar nach dem liberalen Entwurf. Im Vordergrund dieser Diskussion sollte nicht eine menschenrechtlich zweifelhafte Möglichkeit zur kurzfristigen Abschiebung stehen, sondern vielmehr die Tatsache, dass es uns allen - unserer Gesellschaft - nur nützen kann, wenn leistungsbereite Menschen, die persönliche Chancen für sich selbst - das ist gar nichts Schlechtes - darin sehen, in Deutschland zu arbeiten, zu uns kommen.

Verehrte Kollegen von den Grünen, ich habe heute in der Online-Redaktion von n-21 die Abbildung eines Schildes gesehen, in dem Ausländerfeindlichkeit, Ressentiments und Möllemann in einem Atemzug erwähnt werden.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das darf man in Deutschland!)

„Eine Aktion von Bündnis 90/Die Grünen“ steht darunter. Dann erwähnen Sie namentlich einen mittlerweile verstorbenen Politiker, der wie alle Menschen in dieser Welt nicht frei von Fehlern war. Damit verletzen Sie posthum dessen Würde und persönliche Ehre. Sie könnten einen Beitrag leisten im Sinne des Satzes im Antrag: „Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen dort, wo Menschen in ihrer Würde und in ihrer persönlichen Ehre verletzt werden.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie könnten einen konkreten Beitrag leisten, indem Sie diese Ehrverletzung umgehend beenden, worum ich Sie hiermit persönlich bitte.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Ripke das Wort. Ich erteile es Ihnen.

(Zuruf von der SPD: Der Generalsek- retär!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jüttner, ich glaube, Sie verkennen die Ehre des Hohen Hauses. Wir befinden uns nicht in einem Tribunal und auch nicht in einem Parteigerichtsverfahren. Das möchte ich hier deutlich machen.

Das Verfahren Hohmann läuft in Hessen - und es läuft. Sie wissen das. Sie sind auch in diesem Punkt unehrlich.

(Zurufe von der SPD)

- Das ist nur ein kleiner Prolog. - Ich füge weiter hinzu: Ob ich Unrecht oder Recht habe, Herr Kollege Jüttner, das werden nicht Sie entscheiden.

Aber jetzt kommt für mich das Maßgebliche: Ich bin schon etwas erstaunt, wie Sie sich hier zu dem gemeinsamen Antrag eingelassen haben.

(Zuruf von der CDU: Nicht alle!)

Herr Jüttner, Sie beschädigen damit die parlamentarische Demokratie in Niedersachsen. Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Das machen Sie! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)