- Es gibt andere Staaten, die anders handeln, lieber Herr Kollege und Frau Merk. Vielleicht sollten Sie sich schlau machen.
Auch wenn sich die muslimische Lehrerin beim Tragen des Kopftuchs für andere Deutungen entscheidet und sie damit verbindet - das ist bei der Anhörung deutlich geworden -, kann das Tragen des Kopftuchs durch die Lehrerin von anderen dazu mitbenutzt werden, muslimische Schülerinnen unter Druck zu setzen und zu zwingen, dem Vorbild der Lehrerin entsprechend ebenfalls ein Kopftuch zu tragen.
Nun mein dritter Punkt - das ist für mich einer der entscheidenden -: die Verpflichtung zur Vermittlung unserer christlich geprägten Werte an unsere Schülerinnen und Schüler. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Kues hat Recht mit seiner Aussage: „Deutschland sollte nicht selbst zur Verschrottung des eigenen christlichen Erbes schreiten.“ Unsere Gesellschaft ist außerordentlich tolerant. Das müssten gerade Muslime aus muslimischen Ländern wissen, die hierzulande auch über Gerichte mehr Toleranz einfordern. Während heute Kirchengemeinden schon freiwillig auf das Glockenläuten am Sonntag verzichten, um keine Kla
Meine Damen und Herren, Kinder können sich nun einmal nicht aussuchen, ob sie in den Unterricht gehen oder nicht, und sie können sich auch nicht ihre Lehrkräfte aussuchen, ob mit oder ohne Kopftuch. Daraus folgt sehr eindeutig und klar: Der Staat muss in Fragen religiöser Überzeugung Neutralität wahren. Unsere Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen sind Beamte oder Angestellte, die sich in besonderer Weise dazu verpflichtet fühlen, die Prinzipien der Verfassung und des ihr zugrunde liegenden Menschenbildes zu respektieren und in ihrem beruflichen Kontext mitzutragen. Das Kopftuch während des Unterrichts verletzt diese Neutralitätspflicht ganz eindeutig.
Ich hätte mir im Übrigen gewünscht, dass wir einen gemeinsamen Antrag hinkriegen. Auch die Grünen hätten diese Lösung mittragen sollen. Das war mein Wunsch. Es war doch die von Ihnen benannte Sachverständige, Frau Korter, die die Bedeutung des Kopftuchs und die Erforderlichkeit eines Kopftuchverbots mehr als deutlich und beeindruckend - das war vorhin das Beispiel - herausgestellt hat. Es waren doch die Schulfachleute, die einhellig vor der Verlagerung des Problems auf die Schule gewarnt und es als nicht praktikabel dargestellt haben.
Ich meine, wir haben insgesamt eine sehr gute Lösung erarbeitet, die den verfassungsrechtlichen Ausführungen in der Anhörung Rechnung trägt, die den Schutz der Schülerinnen und Schüler sowie den Bildungsauftrag in den Vordergrund rückt, gleichzeitig aber keine Pauschalurteile zulässt.
Der gemeinsam erarbeitete Gesetzentwurf ist auf der Grundlage der gemeinsamen Werte unserer Gesellschaft entstanden. Er macht den Weg frei für eine breite Mehrheit über die Parteigrenzen hinaus. Die CDU-Landtagsfraktion wird dem Gesetzentwurf geschlossen zustimmen.
Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Harms. Ich erteile ihr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klare, ich weiß gar nicht, ob Ihnen bewusst ist, was Sie mit Ihrem Vortrag und dieser gesetzlichen Regelung anrichten.
Meiner Meinung nach sind Ihre Rede und auch das Gesetz, das hier heute verabschiedet werden soll, einzig und allein dazu gemacht, muslimischen Frauen, die Kopftuch tragen, die in niedersächsischen Schulen berufstätig sein wollen, diesen Weg zu verwehren. Diese gesetzliche Regelung richtet sich einseitig gegen muslimische Frauen, die ihren Weg in diese Gesellschaft suchen.
Ich kann das nicht verstehen. Ich kann auch nicht verstehen - gerade nachdem ich Ihre Rede gehört habe -, weshalb es zwischen den großen Fraktionen dieses Hauses
Meine Damen und Herren, für muslimische Frauen gibt es verschiedene Gründe, ein Kopftuch zu tragen. Es mag einige Frauen geben, die den Fundamentalisten im Islam anhängen. Aber die Frauen, mit denen ich in den letzen Monaten geredet habe und die sich entschieden haben, ein Kopftuch zu tragen, sind durchaus emanzipiert. Sie legen Wert darauf, ein Kopftuch zu tragen, zum Teil wegen ihrer kulturellen Identität, zum Teil auch, weil sie ein anderes Verständnis haben von Tugendhaftigkeit und Sitten als wir. Ich kann akzeptieren, dass sich Emanzipation und Kopftuch nicht ausschließen.
Ich habe ein sehr interessantes und langes Gespräch mit Barbara John aus Berlin geführt. Barbara John ist ja in erster Linie den Kolleginnen und Kollegen aus der CDU bekannt. Frau John hat berichtet, wie sich ein Antikopftuchgesetz in Berlin schon heute auswirkt. Betroffen sind alle Frauen, die muslimischen Glaubens sind, ein Kopftuch tragen und einen Job suchen - ob sie in Berlin als
Putzfrau, als Sekretärin oder Verkäuferin arbeiten wollen. Seit es diese Kopftuchdebatte gibt, ist es für diese Frauen schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden - nicht nur in der Schule in Niedersachsen, so wie Sie es jetzt wollen, sondern auch in der freien Wirtschaft.
Frau John hat eine andere, sehr negative Tendenz beschrieben. Sie sagt, auch den Mädchen, die muslimischen Glaubens sind, wird nicht geholfen, sondern im Gegenteil: Frau John befürchtet aus ihrer Praxis, dass gerade muslimische Mädchen, wenn Kopftücher an Schulen so ausdrücklich verboten werden, ihren Weg in Koranschulen gehen. Ich glaube nicht, dass dies in Ihrer Absicht stehen kann.
Ich finde, in der ganzen Diskussion, so wie Sie sie jetzt wieder angefangen haben, Herr Klare, ist verloren gegangen, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt hat, dass ein Stück Stoff an und für sich nicht politisch ist, sondern dass nur der Kopf darunter politisch sein kann.
Das Niedersächsische Schulgesetz gibt disziplinarrechtlich alle Möglichkeiten her, die wir brauchen, wenn eine Lehrerin mit Kopftuch in der Schule missionieren oder agitieren will.
Ich verstehe überhaupt nicht, warum wir diesem Gesetz nicht weiter trauen können. Nach wie vor halte ich die geführte Diskussion für populistisch,
die der Integration der gesamten türkischen Gemeinde und denjenigen, die muslimischen Glaubens sind, schadet und das tolerante Zusammenleben erschwert.
Herr McAllister, ich habe gelernt, dass man in die Freiheitsrechte unserer Demokratie Vertrauen haben kann, dass damit gut umgegangen werden kann. Ich bin der Meinung, dass sich die positive
Religionsfreiheit von Lehrerinnen und Lehrern - egal, welcher Konfession oder Religion diese angehören - und die negative Religionsfreiheit der Kinder auch in Zukunft in niedersächsischen Schulen miteinander vereinbaren lassen.
Meine Fraktion hat sich geeinigt, einer gesetzlichen Regelung mit einer Einzelfallprüfung mit der Maßgabe zuzustimmen, dass wir uns auf diese Prüfung wirklich nur einlassen, wenn es in Niedersachsen an einer Schule tatsächlich irgendwann einmal Probleme durch die Agitation einer Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, gibt.
Meine Damen und Herren, bisher ist uns ein solcher Fall weder aus diesem Bundesland noch aus einem anderen Bundesland bekannt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit einem Lehrstück zu tun, wie ein Parlament mit Verfassungsrecht umgehen soll, und zwar sowohl im Guten als auch im Schlechten. Für die SPD-Fraktion will ich noch einmal ausdrücklich feststellen, dass es nach unserer festen Überzeugung überhaupt nicht um die Frage geht, ob es sich um eine Muslimin handelt oder nicht. Für uns ist es keine religiöse Frage, über die wir hier diskutieren, sondern es ist ausdrücklich eine politische Frage.
Es stellt sich die Frage, ob jemand, der ein Kopftuch trägt, damit seinem theokratischen Staatsverständnis Ausdruck gibt und sich damit gleichzeitig gegen den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen stellt. Darum geht es, um mehr nicht.
Es geht um die Frage, wie wir, wenn es wie in der Vergangenheit in der Verwaltungspraxis im Kultusministerium in Niedersachsen einen entsprechenden Verdacht gibt, rechtlich sauber damit um
gehen. Ich sage hier ausdrücklich: In der SPDFraktion gab es, was den Text, der am Ende herausgekommen ist, angeht, keine Diskussion. Die Diskussion hat erst begonnen, nachdem Herr Busemann und Herr Klare eine Interpretation vorgenommen haben, die wir für höchst problematisch halten - und nicht nur wir, Herr Busemann und Herr Klare.
Wenn Herr Busemann sozusagen als Chef der Verwaltungsbehörde sagt - solange Herr Klare dies sagt, ist es eigentlich nicht schlimm -: „Wir gehen davon aus, dass jemand generell nicht einzustellen ist.“, dann ist dazu unter verfassungsrechtlichem Aspekt etwas zu sagen, was in der Anhörung dargelegt wurde, die Sie auf Drängen von SPD und Grünen Gott sei Dank dann doch noch durchgeführt haben. Meine Damen und Herren, ich lese Ihnen einmal vor, was der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst - Herr Klare, dies ist bei Auslegungsfragen vor Gericht am Ende entscheidend über das Zustandekommen dieses Gesetzes sagt. Er sagt: Man muss darauf achten, dass man das gleiche verfassungsrechtliche Problem beim Vollzug des Gesetzes nicht noch einmal schafft. Ein Vollzug, der eine Konfession eindeutig diskriminieren würde, indem bei der einen Fallgruppe eine Einzelfallentscheidung vorgesehen wird, bei der anderen Fallgruppe aber überhaupt keine Prüfung vorgenommen wird, wäre ebenfalls verfassungsrechtlich problematisch.
Herr McAllister, deswegen kann es - ich hoffe, dass Herr Busemann das klarstellt; alles andere wäre verfassungswidrig - nur darum gehen, dass die Verwaltungsbehörde, die eine Kopftuchträgerin nicht einstellen will, natürlich belegen muss - das geschieht nach dem Vorbereitungsdienst, nachdem die Betreffende bereits anderthalb Jahre unterrichtet hat - , dass ihr Tatsachen vorliegen, die ihren Verdacht und damit den Ausschluss rechtfertigen können. Denn jede Frau, die das nicht mit sich machen lässt, wird danach zum Verwaltungsgericht gehen. Spätestens dort, Herr McAllister, gibt es dann die Einzelfallprüfung, denn natürlich ist die Behörde beweispflichtig und nicht etwa die Kopftuchträgerin. Das werden Sie erleben.
Deshalb habe ich die Bitte, dass Sie durch eine politische Interpretation nicht die Einigkeit zumindest mit meiner Fraktion in Bezug auf den Gesetzestext kaputtmachen. Ich kann mir, ehrlich ge
sagt, überhaupt nicht vorstellen, dass Herr Busemann als Kultusminister anders handeln würde. Seine Behörde wird im Einzelfall belegen müssen, dass sie Indizien hat, ihr Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass hier ein theokratisches Staatsverständnis vorliegt. Es geht darum, solche Leute nicht nur aus dem Schuldienst herauszuhalten, sondern aus jeder Form öffentlicher Beschäftigung. Das ist jedenfalls die Grundlage des Beamtenrechts. Wir sind lediglich in dem Fall des Kopftuches durch das Bundesverfassungsgericht zu einer speziellen Regelung gezwungen worden. Nur darum geht es hier.