Protocol of the Session on April 28, 2004

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Helmhold das Wort. - Bitte schön, Frau Helmhold!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Beratung des von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Antrages zum bürgerschaftlichen Engagement und in der ersten Beratung des vorliegenden Antrags der Fraktion der SDP haben alle Fraktionen ihre breite Zustimmung zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zum Ausdruck gebracht und erklärt, dass niemand in diesem Hause ein Problem damit hat, die steuerfreie Übungsleiterpauschale zu erhalten.

Nun war in den Vorschläge von Herrn Merz zur Steuerreform, die mit kleinen Änderungen vom CDU-Bundesvorstand übernommen wurden, jedoch schon vorgesehen, bei der Steuervereinfachung auch die Vergünstigung nach § 3 Einkommensteuergesetz und damit die Übungsleiterpauschale zu streichen.

Dies haben die Präsidien von CDU und CSU am 7. März mit ihrem „Konzept 21“ glücklicherweise relativiert; ich wundere mich, dass dies von Ihrer Seite nicht angesprochen wurde. In diesem Konzept heißt es jetzt immerhin, dass Übungsleiterpauschalen bis zur Neuordnung des Gemeinnützigkeitsrechts erhalten bleiben. - Offensichtlich hat man also auch dort die Notwendigkeit gesehen, sich klar zu diesem Thema zu äußern.

Im Übrigen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion - das nur am Rande zu Ihren Steuerplänen -, haben Sie uns bis heute nicht erklärt, wie Sie Ihre abenteuerlichen Vorstellungen finanzieren wollen. Herr Seehofer hat Ihnen vorgerechnet, dass Ihr Vorhaben insgesamt 100 Milliarden Euro kostet: 10 Milliarden Euro für die Steuerreform, 40 Milliarden Euro für Ihre unsoziale Kopfprämie, 18,6 Milliarden Euro für die von Ihnen geforderte Kindergelderhöhung, 22 Milliarden Euro für veränderte Kinderanrechnungszeiten bei der Rentenberechnung und 12 Milliarden Euro für eine Mindestrente. - Meine Damen und Herren, falls Sie nicht vorhaben, das Geld zu backen, wäre ich sehr gespannt darauf zu erfahren, wo Sie es denn herholen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bei der Beratung dieses Antrages haben alle Redner die Bedeutung der Übungsleiterpauschale betont. Umso mehr erstaunt es mich, dass sich die CDU-Fraktion wegduckt,

(Bernd Althusmann [CDU]: Weil Ihre Behauptungen falsch sind!)

wenn es darum geht, den Worten Taten folgen zu lassen, und sei es auch nur, eine Absichtserklärung abzugeben, die Steuerfreiheit der Übungsleiterpauschale nicht anzugreifen bzw. sich hinter das eigene CDU-Konzept auf Bundesebene zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber das hat vermutlich etwas mit den abenteuerlichen steuerpolitischen Vorstellungen Ihres Koalitionspartners zu tun.

(Jörg Bode [FDP]: Die sind nicht abenteuerlich! Die sind vernünftig!)

Die Einlassungen der FDP-Fraktion in der ersten Beratung dieses Antrages waren ja geradezu bestürzend. Herr Bode hat doch tatsächlich versucht vorzurechnen, dass es sich für eine Übungsleiterin lohnt, die Pauschale zu versteuern. Da fragt man sich doch: Wie soll die Übungsleiterin denn das verstehen? Wie wird ihr Engagement gegenüber denen, die sich nicht engagieren, gewürdigt? Nein, Sie verschlechtern die Situation der Ehrenamtlichen, und Sie werden wohl auch niemanden finden, der Ihnen diese Rechnung abnimmt.

Meine Damen und Herren, man kann alle Menschen einige Zeit, man kann einige Menschen lange Zeit, aber man kann nicht alle Menschen die ganze Zeit an der Nase herumführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Menschen in Niedersachsen werden Ihnen nicht mehr lange auf Ihren liberalen Leim gehen. Herr Bode, mit Ihren seltsamen Rechnungen haben dann auch Sie Ihren Teil dazu beigetragen.

Wir brauchen eine Vereinfachung des Steuersystems, aber die muss mit sozialem Augenmaß geschehen. Sie wissen, wir sind für den Abbau von Steuervergünstigungen immer zu haben, und wir haben dazu auch reichlich Vorschläge vorgelegt.

(Jörg Bode [FDP]: Abenteuerlich!)

Sie hatten Ende letzten Jahres reichlich Gelegenheit, im Vermittlungsausschuss an dieser Baustelle mitzuarbeiten. Aber Sie haben unsere Vorschläge z. B. zur Eigenheimzulage oder zur Pendlerpauschale immer blockiert und abgelehnt. Jetzt verweigern Sie in Niedersachsen auch noch den ehrenamtlich tätigen Menschen eine klare Botschaft. Das Mindeste, was Sie tun können, wäre, diesem Antrag zuzustimmen - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat sich noch einmal der Finanzminister, Herr Möllring, zu Wort gemeldet. Herr Minister, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Frau Helmhold nun noch einmal behauptet hatte, das Steuerkonzept der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und das Steuerkonzept von Herrn Merz sehe vor, dass die Übungsleiterpauschalen zu besteuern seien, bitte ich, die Bundestagsdrucksache 15/2745 vom 23. März 2004 durchzulesen. Da geht es um den Antrag der Abgeordneten Friedrich Merz und anderer Abgeordneter. Es lohnt sich, nicht nur den ersten Satz zu lesen, in dem es heißt:

„Der Deutsche Bundestag stellt fest: 1. Deutschland in der Krise. Nach fünf Jahren rot-grüner Bundesregierung befindet sich die deutsche Volkswirtschaft in einer schweren strukturellen Krise:...“

Damit ist schon viel gesagt. Es lohnt sich aber auch, weiter zu lesen. Dort steht:

„Von den allgemeinen Steuerbefreiungen bleiben nur die steuersystematisch notwendigen und aus Vereinfachungsgründen sinnvollen Vorschriften erhalten:...“

Dann heißt es unter Punkt 8:

„Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen sowie Übungsleiterpauschalen.“

Das steht in dem Antrag vom 23. März 2004 des Kollegen Merz. Wenn Sie das berücksichtigten, dann müssten Sie Ihren Antrag zurückziehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon in der ersten Beratung von allen Seiten gesagt worden, dass die Fraktionen von CDU und FDP und auch die neue Landesregierung das Engagement von Ehrenamtlichen fördern und schätzen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur erneut auf den Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige hinweisen, den wir eingeführt haben. Die steuerlastfreie Übungsleiterpauschale ist im heutigen Steuersystem ein unverzichtbarer Bestandteil.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herr Jüttner, ich weise auf die Unverzichtbarkeit hin, weil Herr Gabriel heute Morgen gesagt hat, er könne sich auch Steuersätze von 60 % vorstellen. Dann wird es noch viel schlimmer. Dann ist es erst recht so.

Aber, meine Damen und Herren, die FDP hat eine Vision für Deutschland. Demnach müssen wir das bestehende Steuerrecht, das wie ein Moloch auf den Menschen liegt, zerschlagen und ändern. In diesem Zusammenhang widerspreche ich dem geschätzten Finanzminister nur ungern, aber manchmal muss es sein. Es ist nämlich nicht so, dass alle angedachten Steuerkonzepte nur im Konzept- und im Entwurfsstadium sind, sondern die FDP-Bundestagsfraktion hat als erste und einzige Partei in Deutschland ein fertig ausformuliertes Steuersystem als Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht.

(Oh! bei der SPD)

Dieser Gesetzentwurf steht dort zur Beratung an: Steuersätze von 15, 25 und 35 %, Streichung sämtlicher Ausnahmetatbestände. Einfach, niedrig und gerecht - das ist unser Steuersystem.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wie ist das mit der Übungsleiterpauschale?)

- Ja, Herr Jüttner, es ist tatsächlich so - Sie hätten das letzte Mal, als wir dieses Thema im Plenum behandelt haben, nur zuhören müssen; da hatte

ich das schon gesagt -: In unserem Steuersystem ist eine steuerfreie Übungsleiterpauschale nicht mehr erforderlich und auch nicht mehr vorgesehen. Aber ich biete Ihnen an: Wenn Sie dafür sorgen, dass Ihre Kollegen in Berlin unserem Steuergesetzentwurf zustimmen, dann werde ich dafür sorgen, dass wir die steuerfreie Übungsleiterpauschale aufnehmen. Dann geht es Deutschland besser.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Frau Helmhold, aber auch ohne die steuerfreie Übungsleiterpauschale hätte ein Übungsleiter höhere Nettogesamteinkünfte - bezogen auf die Steuer reden wir immer von Gesamteinkünften -, als wenn er die heutigen Steuersätze zahlen müsste, dafür aber die kleine Übungsleiterpauschale steuerfrei dazubekäme. Er bekäme bei uns mehr. Er würde sich dabei aber nicht nur finanziell besser stellen, es ginge ihm auch insgesamt besser. Wenn dieses revolutionäre Steuersystem der FDP beschlossen würde, dann hätten wir einen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland, den wir dringend brauchen. Dann würden auch seine Frau wieder einen Arbeitsplatz und sein Sohn einen Ausbildungsplatz erhalten. Das ist eine soziale Politik von den Liberalen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ach, sei- ne Frau hat einen Arbeitsplatz? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Solche Visi- onäre braucht das Land!)

Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal der Kollege Möhrmann zu Wort gemeldet. Sie haben noch eine Restredezeit von maximal einer Minute und vier Sekunden. Bitte schön, Herr Möhrmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie sich die FDP-Fraktion das vorstellt, haben wir eben gehört. Allein deshalb ist unser Antrag nötig, damit in der Öffentlichkeit klar wird, wohin es ginge, wenn diese Leute in Berlin das Sagen hätten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Möllring, ganz so einfach kommen Sie da nicht heraus. Wir haben nach dem Parteitag der CDU, der schon etwas zurückliegt, einen Antrag

gestellt. Es hat eine öffentliche Diskussion gegeben. Dann haben wir im Februar einen Antrag eingebracht. Was Sie eben zitiert haben, ist vom 24. März dieses Jahres. Ich stelle fest: Unser Antrag hat Wirkung gehabt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erhält Herr Kollege Althusmann von der CDU-Fraktion maximal eineinhalb Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Möhrmann, ich muss Sie enttäuschen. Ich nehme an, dass in Berlin niemand diesen Antrag der SPD-Fraktion wahrgenommen hat. Das Grundproblem der Bundesrepublik Deutschland sind nicht nur Ihre Bundesregierung und Ihr Finanzminister, sondern auch das steuerpolitische Chaos, das wir tagtäglich in unseren Finanzämtern und in Niedersachsen umsetzen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)