Protocol of the Session on April 2, 2003

Eine Vielzahl von Reformmöglichkeiten ergibt sich im Bereich der Verwaltung und des Rechts. Die Unternehmen in Deutschland und speziell in Niedersachsen stöhnen unter einer umfassenden Bürokratisierung und der hohen Zahl von Vorschriften und Regulierungen sowie den immensen Kosten, die diese ihnen aufbürden. Unternehmerisches Handeln wird erschwert, wenn wichtige Ressourcen für die Bearbeitung von Formularen, Anträgen und die Einhaltung von tausenden von Vorschriften gebunden werden, anstatt produktiv tätig zu werden. Das Wachstum der Unternehmen wird verlangsamt, potenzielle Neugründer werden abgeschreckt. Auf der Seite des Staates generieren diese Maßnahmen aber keinerlei Mehreinnahmen, sondern führen aufgrund der Notwendigkeit zur Überwachung und Kontrolle ihrer Einhaltung nur zu weiteren Kosten.

Eine durchgreifende Reform in diesem Bereich wirkt wie ein umfangreiches Konjunkturprogramm, ohne den Staat finanziell zu belasten.

(Beifall bei der FDP)

Die Unternehmen erhalten dringend notwendige Handlungsfreiheiten zurück, und gleichzeitig kann sich der Staat stärker auf seine Kernkompetenzen konzentrieren.

Ein weiterer Bereich, der der gründlichen Überarbeitung bedarf, sind die Subventionen des Staates. Diese werden von Unternehmen, die Gewinne erwirtschaften, an solche gezahlt, die Verluste machen. Dadurch wird das Wachstum gesunder Unternehmen gebremst, und überkommene Wirtschaftsstrukturen werden künstlich am Leben erhalten. Die daraus folgende Verzerrung verhindert eine dynamische, sich den Marktbedürfnissen anpassende Wirtschaft.

Dort, wo Subventionen gezahlt werden, dürfen sie nur als Anschubfinanzierung dienen, um innovative Neugründungen zu ermöglichen; denn besonders diese Unternehmen schaffen Wachstum und Arbeitsplätze. Wichtig ist hierbei eine möglichst einfache Gestaltung der Subventionsvergabe, um kleinen neuen und daher unerfahrenen Unternehmen den Zugang zu erleichtern. Gleichzeitig muss eine klare zeitliche Begrenzung ohne Möglichkeit auf Verlängerung gegeben sein. Die jetzt übliche Dauersubventionierung muss beendet werden, und die Unternehmen müssen so schnell wie möglich lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sanierung heißt mehr als nur Verzicht. Die Umlenkung von Ressourcen aus der konsumtiven Verwendung in Investitionen eröffnet neue Entwicklungspotenziale, die lang- und mittelfristig zu einem deutlich höheren Lebensstandard für alle führen werden.

(Beifall bei der FDP)

Aufgaben, die der Staat abgibt, sind nicht verloren; sie gehen in die Hand von Privatpersonen und stärken somit die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung. Aus subventionierten Staatsbetrieben werden Steuerzahler, die Arbeit schaffen.

Der Verpflichtung zur sparsamen Haushaltsführung bzw. Haushaltsmittelbewirtschaftung und dem notwendigen Nachweis einer effizienten Mittelbewirtschaftung sollen - nein, sie müssen - alle Bediensteten des Landes und der öffentlichen Verwaltung im eigenen Interesse und zum Wohle des Landes nachkommen. Ich appelliere daher an die Abgeordneten des Landtags, an meine Kollegen der FDP, an die CDU, an die SPD und an die

Grünen, die Aufgaben, die ich kurz skizziert habe, ideologiefrei und über die Parteigrenzen hinweg anzufassen und einer pragmatischen Lösung zuzuführen, mitzuhelfen, die vor uns stehenden Aufgaben zu lösen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mir ist klar, dass die ideologischen Grundlagen der Regierungskoalition von der der Opposition abweichen. Ich appelliere jedoch an alle Parteien, der Regierungskoalition zum Wohl unseres Landes Lösungsansätze zuzuführen, mitzuhelfen, diese zu entwickeln, und bei der Realisierung nicht als ewiger Bedenkenträger im Wege zu stehen. Unser gemeinsames Interesse muss es sein, dem Land Niedersachsen seine wirtschaftliche Handlungsfähigkeit durch eine saubere finanzielle Grundlage auf der Basis einer ausgeglichenen Einnahme- und Ausgabepolitik sowie notwendige finanzielle Handlungsspielräume ohne - ich betone - neue Verschuldung zu verschaffen.

Ich appelliere auch an die Bediensteten in den Landesbehörden und in den kommunalen Bereichen, die Bemühungen der Landesregierung zur Konsolidierung des Staatshaushalts im Interesse des Landes dem eigenen Wohlstandsgedanken - zumindest kurzfristig - unterzuordnen; denn jeder Euro, der durch strenge Haushaltsmittelbewirtschaftung von jedem einzelnen Bediensteten gespart werden kann, dient letztlich dem Land und uns allen.

Ich bitte deshalb nochmals um Ihre Unterstützung zum Wohle des Landes und seiner 8 Millionen Bürger.

Ich schließe nun meine Ausführungen und appelliere an Sie: an die Arbeit, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen folgende Information geben, damit Sie Ihren Zeitplan dementsprechend einrichten können: Die Fraktionen sind übereingekommen, dass wir diese Debatte zu Ende führen. Dann wird es, wenn alle Redezeiten ausgeschöpft werden, ca. 14.20 Uhr sein. Anschließend werden wir für etwa

eineineinviertel Stunden in die Mittagspause gehen und danach die Beratung fortsetzen.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Wann geht die Beratung dann weiter?)

- Um 15.40 Uhr.

Herr Abgeordneter Wenzel hat jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Herr Möllring! Die Dimension des Finanzproblems in Niedersachsen war schon vor der Wahl erkennbar, auch wenn sich die alte Landesregierung redlich Mühe gegeben hat, den Handlungsbedarf zu kaschieren.

(Zuruf von der SPD: Was sind das für Töne?)

Es gäbe etliche Zitate, die man hier bringen könnte: vom Kollegen Möllring zum Notgesetz oder von meinem Kollegen Golibrzuch zum Haushaltssanierungsausschuss. Sie stammen aus der letzten Wahlperiode. Daraus geht eindeutig hervor, dass zumindest allen damaligen Oppositionsfraktionen hier im Hause der Ernst der Lage klar war.

Insofern ist es wenig glaubwürdig, wenn Sie, Herr Möllring, heute versuchen, den Eindruck zu erwecken, als habe sich das Loch im Landeshaushalt plötzlich zu einem Krater ausgewachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es war lange klar, wie die Bilanz aussehen würde. Sie, Herr Möllring, Herr Ministerpräsident, haben in den CDU-Reden vor der Wahl den Eindruck vermittelt, dass mit dem Antritt der Regierung Wulff eine wirklich solide Finanzpolitik und eine nachhaltige Sanierung des Haushalts zu erwarten seien.

Mit Erstaunen müssen wir nun zur Kenntnis nehmen, dass Sie am heutigen Tag einen Anstieg der Nettoneuverschuldung für dieses Jahr nicht ausschließen wollen. Die 91 Millionen Euro an Einsparungen, die die Ministerien für den Nachtrag erbringen müssen und die zum Teil der Finanzierung der Wahlversprechen dienen sollen, reichen nicht einmal aus, um den Haushaltsfehlbetrag des Jahres 2002 auszugleichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diesen wollen Sie konsequenterweise auf 2004 verschieben. Wie Sie den darüber hinaus bestehenden Handlungsbedarf von eventuell 650 Millionen Euro decken wollen, ist noch nicht ersichtlich. Haushaltssperre und Einstellungsstopp werden nicht reichen, und auch der Subventionsabbau von 50 Millionen Euro wird das Loch nicht schließen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, völlig schleierhaft ist mir, wie man angesichts dieser Lage behaupten kann, dass die Wahlversprechen finanziert seien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die von Ihnen, Herr Rolfes, versprochenen 2 500 Lehrer und die 1 000 Polizisten werden auf Pump finanziert. Das steht schon heute fest.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Verwaltungsreform wollten Sie die Treppe von oben fegen. Wir stellen fest: Eine Kabinettsreform hat es nicht gegeben.

(Zuruf von der CDU: Beim Innenmi- nister nicht!)

Ich habe das jedenfalls nicht wahrnehmen können. Stattdessen bekommt der Innenminister einen B 10-Staatssekrektär zusätzlich. Das ist wirklich ein merkwürdiges Signal.

(Zuruf von der CDU: Der ist günstiger als vier Regierungspräsidenten!)

Sie haben zwar den richtigen Mann - das sage ich ausdrücklich - für diese Aufgabe gefunden, aber Sie haben der Sache mit dieser Sonderbehandlung keinen Gefallen getan.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Keine neuen Regie- rungspräsidenten! Ein Landtagsvize- präsident weniger!)

Herr McAllister, Sie führen die Öffentlichkeit hinters Licht, wenn Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass das Kabinett verkleinert worden sei. Das ist in der Realität nicht der Fall.

(Zuruf von der CDU: Sie können nicht rechnen!)

Das Gehalt des Regierungssprechers von Herrn Wulff wurde aufgestockt,

(Zuruf von der CDU: Sie haben es doch im Haushaltsausschuss gehört!)

und die ersten Kungeleien bei den Beförderungen wurden zwischen den Fraktionen von CDU und SPD noch vor der Wahl des neuen Ministerpräsidenten vorgenommen. „Geschmäckle“ hat auch diese komische Geschichte mit Frau Möllring, die nicht mehr ganz aufzuklären war.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Verwaltungsreform nehmen Sie schon jetzt das Tempo raus. Stellen bei den Bezirksregierungen werden wiederbesetzt. Drei Jahre soll die Planung der Umstrukturierung in Anspruch nehmen,

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Pla- nung!)

hat Herr Schünemann mitgeteilt. Ich habe mittlerweile Sorge, dass Sie Ihren Verwaltungsmodernisierer am Ende im Regen stehen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Die Sorge ist unbe- gründet!)