Protocol of the Session on February 20, 2004

Tun Sie doch nicht so, als sei das alles Teufelszeug. Vor allem aber lassen Sie sich an den Maßstäben, die Sie bei Herrn Gabriel, Herrn Schröder und Herrn Glogowski angelegt haben, selbst messen. Dann wollen wir gerne weiter diskutieren.

Wir haben für alle die von Ihnen in der Liste aufgeführten Fälle, die - warum auch immer - bisher nicht genannt worden sind, Akteneinsicht beantragt, weil wir einmal genauer wissen wollen, warum das nicht vorgelegt worden ist, welche Gründe es dafür gegeben haben könnte und welche Qualität die Beratungen haben, die die Regierung Wulff heute in Anspruch nimmt. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Althusmann das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war für die SPD-Fraktion im Hause eine schwere Woche.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Zerbrechen Sie sich mal nicht unseren Kopf!)

Ich darf an dieser Stelle erklären: Ich finde es traurig, dass derjenige, der eigentlich die Verantwor

tung übernehmen müsste, seine eigene Fraktion hier heute im Stich lässt.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Plenarsitzung war geprägt durch eine heftige politische Auseinandersetzung über die mehr als fragwürdige Vergabepraxis der alten Landesregierung. Die Erstellung von Gutachten z. B. zu Weihnachten in Europa, zur Haushaltskonsolidierung, zur Mittelinstanz, selbst zur Löschung von Sicherungsbändern von PCs oder zu der Frage, ob Auftragnehmer auf die Landesregierung damals Einfluss genommen haben, um irgendwo noch Geld in den Ressorts zu entdecken, wirft - so viel sollten Sie dann auch eingestehen - einen schweren Schatten auf Ihre Regierungszeit.

Von der CDU-FDP-Landesregierung haben wir heute einen vollständigen und transparenten Überblick über vergebene Gutachten und Beraterverträge erhalten, der auch inhaltlich weit über die Anfrage der CDU-Fraktion von 2002 hinausgeht und der sich insbesondere dadurch von Ihrem Regierungshandeln unterscheidet, dass wir Ihnen innerhalb kürzester Zeit sämtliche zugänglichen Fakten und Daten offen und transparent auf den Tisch gelegt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Wenzel, wir haben das in Niedersachsen jetzt im Griff. Sie wissen, dass auf Bundesebene zurzeit Berateraufträge in einer Größenordnung von mindestens 168 Millionen Euro vergeben sind.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Herr Wenzel, ich fordere Sie eindringlich auf - Sie haben auf Bundesebene Verantwortung -: Sorgen Sie dafür, dass ein Abgeordneter Ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag genau die Fragen stellt, die Sie an unsere Landesregierung gestellt haben. Dann werden Sie sehen, was auf Bundesebene herauskommt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gemäß Artikel 24 der Niedersächsischen Verfassung ist die Landesregierung verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen vollständig und unverzüglich die Fragen des Parlaments zu beantworten. Dieser Wille war damals bei Ihnen nachweislich nicht erkennbar.

Gestern ist im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage mehr als deutlich geworden, wohin es führt, wenn der Versuch unternommen wird, ein Parlament bewusst zu täuschen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn man sich selbst zum Märtyrer erheben will und davon spricht, dass man persönlich, als Person, generalstabsmäßig diffamiert werden soll, dann steht man immer in der Gefahr, tiefer zu fallen, als dies gewünscht ist.

(Zuruf von Thomas Oppermann [SPD])

Auch in Ihren Reihen, Herr Oppermann, ist nach dem gestrigen harmonischen Umtrunk in der SPDFraktion deutlich geworden, dass es ein Akt des Anstands wäre, heute die Fehler der Vergangenheit endlich einmal einzugestehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aus der Schärfe der politischen Auseinandersetzung der vergangenen Tage sollten wir insgesamt eine Lehre ziehen:

(Zuruf von der SPD)

Wir haben allesamt eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass sich die Fehler - Ihre Fehler! – der Vergangenheit nicht wiederholen. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle in höchstem Maße für die Fragen sensibilisiert sind, ob und wann die Hinzuziehung externen Sachverstandes notwendig und angemessen ist und wann wir als in der Politik verantwortlich Handelnde hier in Niedersachsen in der Gefahr stehen, fehlenden Entscheidungswillen durch Gefälligkeitsgutachten zu ersetzen.

Regierungshandeln darf sich nicht durch Gutachten oder Berater aus der Verantwortung stehlen. Das gehört im Übrigen auch zum verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern. Das haben Sie in Niedersachsen fahrlässig nicht gemacht, sondern sträflich vernachlässigt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von jemandem, der den Menschen in unserem Land angesichts der dramatischen Finanzsituation erhebliches an Kürzungen zumutet, darf erwartet werden, dass er künftig sorgfältig und transparent mit Beratungsdienstleistungen umgeht, sie vorher prüft, vor allem den Beratungsgegenstand klar de

finiert und festlegt, ob die Notwendigkeit externer Dienstleistungen tatsächlich nachgewiesen werden kann.

Eines dürfte mit Sicherheit auch klar sein: Der Einkauf externer Beratungsdienstleistungen sollte eigentlich eher die Ausnahme statt der Regel sein. Bei über 500 Gutachten der alten Landesregierung mit einem Kostenvolumen von über 33 Millionen konnte davon nicht mehr ausgegangen werden. Im Übrigen haben Sie uns ein Erbe an Verträgen von 6,5 Millionen hinterlassen, die wir für Sie noch bezahlen müssen. Wir haben sofort die Konsequenzen gezogen, drei Verträge gekündigt und damit immerhin 244 000 Euro für den niedersächsischen Steuerzahler eingespart.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zukünftig wird es darauf ankommen, dass die Frage der Stückelung von Rechnungen, die Frage mündlicher Absprachen, die Frage freihändiger Vergaben und die Frage der Schwellengrenze auf den Tisch kommen und insbesondere auch eine Koordinierung zwischen den Ressorts stattfindet. Sonst besteht immer die Gefahr, dass bei Gefälligkeitsgutachten die Verwertungsmöglichkeiten gegen null tendieren. Der rundblick hat dazu heute geschrieben: Man spricht immer vom Verdacht teurer Untreue.

(Zuruf von Heidrun Merk [SPD])

- Frau Merk, Sie wissen, worum es dabei geht.

Meine Damen und Herren, wir werden im Haushaltsausschuss für eine zügige und sachliche Aufklärung Ihrer Versäumnisse Sorge tragen. Der Haushaltsausschuss wird künftig jährlich über die Ausschreibung und die Vergabe von Gutachten unterrichtet werden. Wir werden dabei genau zu prüfen haben, ob es sich bei den vergebenen Dienstleistungen um eine - ich zitiere - eindeutige und erschöpfend beschreibbare freiberufliche Leistung nach den entsprechenden Verdingungsordnungen handelt und die Vergabegrundsätze des § 97 Abs. 1 bis 5 GWB eingehalten wurden. Es wird zu prüfen sein, ob die Anforderungen an sogenannte Folgeaufträge oder aber die Umstände zur Begründung einer zwingenden Dringlichkeit eines Auftrages enger begrenzt werden können.

Wir unterstützen unsere Landesregierung in ihren Überlegungen, die Vergaberichtlinien für Beratungsdienstleistungen bundesweit gegebenenfalls neu oder enger zu fassen. Ob man in diesem Zu

sammenhang den Schwellenwert von 200 000 Euro als Ausschreibungsgrenze absenkt, muss überdacht werden. Wir werden im Haushaltsausschuss auch dazu einige Fragen stellen und hier zur Aufklärung beitragen.

Meine Damen und Herren, es hätte eigentlich des vorliegenden Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht bedurft, weil wir grundsätzlich bereit sind, hierüber mit Ihnen – mit Ihnen allen – in einen fairen Dialog zu treten. Wenn im Rahmen der zurückliegenden Plenardebatten dieser Tage eines deutlich geworden sein dürfte, dann dies: Die neue CDU-FDP-Landesregierung, gestützt durch beide Koalitionsfraktionen, hat ein erhebliches Interesse daran, dass Transparenz und Offenheit bei der Vergabe von externen Beratungsdienstleistungen zukünftig in Niedersachsen ohne Wenn und Aber gewährleistet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es wäre ein gutes Signal gemeinsamer Verantwortung, wenn Sie diesen Weg heute verlässlich und glaubwürdig mit uns gehen würden. Ich hatte mir am Anfang vorgenommen, eine faire und sachliche Rede zu diesem Thema zu halten. Ich hoffe, ich habe diesem Anspruch genügt. - Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung zu Tagesordnungspunkt 35.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, den Antrag federführend im Ausschuss für Haushalt und Finanzen und mitberatend im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu behandeln. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen? - Letzteres sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen worden.

Ich rufe den letzten Tagesordnungspunkt auf, auf den wir uns am Mittwoch verständigt haben, also

Zusätzlicher Tagesordnungspunkt: Erste Beratung: Maut-Chaos Teil III - Ein Ende mit Schrecken - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/822

Bevor ich zur Einbringung dem Redner das Wort erteile, möchte alle diejenigen, die nicht an der Beratung teilnehmen möchten, bitten, den Raum zu verlassen und sich ansonsten ruhig zu verhalten.

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dinkla.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die durch die rot-grüne Bundesregierung geplante Einführung des Mautsystems in Deutschland ist politisch und auch technologisch die größte Blamage der letzten Jahre.

(Beifall bei der CDU)

Die sprachliche Brandbreite der letzten Monate und insbesondere der letzten Tage reicht von Chaos bis Desaster. Aber auf den Punkt brachte es die FAZ am 18. Februar in einem Kommentar: Skandal ist ein zu schwaches Wort. Es ist eine Staatsaffäre. – Mit der Kündigung des Betreibervertrages durch den Bund hat eine der gigantischsten Fehlinvestitionen in der Geschichte der Bundesrepublik ausgerechnet in dem vom Kanzler ausgerufenen Jahr der Innovation wohl den Tiefpunkt erreicht.