Protocol of the Session on February 18, 2004

wird der Änderung des Gesetzes zustimmen. Aber, meine Damen und Herren, es gibt ein großes Aber. Wir haben starke Bauchschmerzen bezüglich dieser Änderung. Herr Kollege Miesner, Sie hatten den Gesetzentwurf in der ersten Beratung mit einem riesigen Schwall von Regierungslyrik und -lob angepriesen.

(David McAllister [CDU]: Was ist denn das hier?)

Da war die Rede von Verbesserung des Naturund Landschaftsschutzes,

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

von Optimierung, von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, von Entbürokratisierung und von Beschleunigung von Investitionen.

(David McAllister [CDU]: Richtig! - Christian Dürr [FDP]: Auch das haben wir geschafft!)

Große Worte für eine kleine Gesetzesänderung!

(Anneliese Zachow [CDU]: Aber eine schwierige! - Christian Dürr [FDP]: Kurz, knapp, aber gut!)

In den folgenden Ausschusssitzungen haben wir dieses Gesetz sehr genau unter die Lupe genommen. Und siehe da, Sie mussten zugeben, dass die vorgegebene Rangfolge des Bundesnaturschutzgesetzes „Vermeidung, Ausgleich und Ersatz“ natürlich nicht aufgehoben werden kann.

(Anneliese Zachow [CDU]: Davon war auch nie die Rede!)

Ich hoffe, dies haben Sie auch den Investoren vermitteln können, die nach Ihren Ankündigungen sicherlich schon mit den Ersatzgeldern vor den Türen der Kommunen scharren.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, als Begründung für die Neuregelung des § 12 des Niedersächsisches Naturschutzgesetzes dienten u. a. Ihre kommunalpolitischen Erfahrungen: Sie mussten nach eigenen Aussagen vor Ort mit ansehen, wie Ihre oder benachbarte Kommunen untaugliche kleine Einzelmaßnahmen als Ausgleich durchführten. Da sind nach Ihren Aussagen Baumreihen gepflanzt worden, es wurde eine Hecke angelegt, und dann sind Hecke und Bäume zum Teil sogar wieder eingegangen. Es mag ja einzelne Kommunen geben, die Fehler

gemacht haben und in denen so etwas geschehen ist. Aber den Kommunen pauschal Unfähigkeit zu unterstellen und dies zum Anlass der Neuregelung zu nehmen

(Christian Dürr [FDP]: Das haben wir nicht gemacht!)

- lesen Sie einmal den Anfang der Rede von Herrn Miesner nach -, ist gegenüber den vielen gut arbeitenden Kommunen ausgesprochen unfair. Es gibt nämlich hervorragende Beispiele für funktionierendes Ausgleichsflächenmanagement, für Flächenpools, Flächenagenturen, Zusammenarbeit mit Naturschutzstiftungen usw. Ich kann Ihnen da Anschauungsbeispiele geben.

Frau Kollegin Rakow, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zachow?

Vielleicht zum Schluss. Ich möchte erst zu Ende sprechen. - Meine Damen und Herren, wir halten die Ersatzgeldzahlungen durchaus für ein gutes zusätzliches Mittel, um die notwendige Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft sicherzustellen. Darum stimmen wir dieser Regelung auch zu. Ersatzgeldzahlungen werden erhoben, wenn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht möglich sind. Die Höhe des Ersatzgeldes richtet sich nach Dauer und Schwere des Eingriffs. Das ist eine wichtige Regelung. Es geht hier also schlicht um das Verursacherprinzip und den Ausgleich des angerichteten Schadens. So weit sind wir damit einverstanden.

Meine Damen und Herren, schwierig wird es aber bei der von den Regierungsfraktionen vorgeschlagenen Deckelung des Ersatzgeldes auf maximal 7 % der Investitionskosten. Glücklicherweise konnten wir Sie davon überzeugen, dass der Erwerb von Grundstücken in diese Summe einzubeziehen ist. Es ist uns grundsätzlich schwer gefallen, die Deckelung auf 7 % zu akzeptieren. Wir haben vor allem rechtliche Bedenken, ob die Begrenzung der Ersatzgeldzahlung mit dem Bundesrecht vereinbar ist. Im Bundesnaturschutzgesetz wird ein Ausgleich gefordert, der der Schwere des Eingriffs entspricht. Von einer Begrenzung zugunsten der Verursacher ist nicht die Rede. Eine Deckelung des Ersatzgeldes und damit möglicherweise eine unvollständige Kompensation des Schadens ist

äußerst kritisch zu sehen. Inwieweit nach dieser Regelung Schäden verursacht und nicht vollständig kompensiert werden, muss sorgfältig geprüft werden - letztlich auch wegen der erforderlichen Gleichbehandlung aller, die Eingriffe in den Naturhaushalt vornehmen und die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufkommen müssen. Der eine leistet den vollen Ausgleich, der andere erhält den Spartarif von 7 %. Aber so ist das wohl: Geiz ist geil - hier allerdings zulasten unserer natürlichen Lebensgrundlage. Das ist dann alles andere als erfreulich.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, wir haben uns zu einem Kompromiss durchgerungen. Ob die 7 % eine der Dauer und Schwere angemessene Größe darstellen, soll nach fünf Jahren überprüft werden. Hierzu gibt es den gemeinsamen Antrag; das haben wir eben gehört.

Meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, nun zum von Ihnen versprochen Bürokratieabbau. Ehrlich gesagt: Der ist in diesem Gesetz nicht zu finden.

(David McAllister [CDU]: Warum stimmen Sie dann zu?)

Das Berechnungsverfahren ist etwas komplizierter als bei einfachen Ausgleichsmaßnahmen. Zunächst müssen Dauer und Schwere des Eingriffs bewertet werden, dann die Investitionskosten inklusive Grundstückskosten dargelegt werden, und erst dann gibt es den Vergleich der Kosten bzw. kann die Begrenzung auf 7 % erfolgen. Das Erheben von Ersatzgeld hat demnach mit Bürokratieabbau wirklich gar nichts zu tun - im Gegenteil.

Meine Damen und Herren, Ausnahmen von der Ausgleichsregelung sind bewusst im Gesetzestext nicht aufgeführt worden. Aufgenommen wurde, dass Kommunen Gebühren für Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erheben können. Auch hier ein Zugeständnis der Regierungsfraktionen. Es sollten doch keine erhöhten Personaloder Verwaltungskosten auftreten. Glücklicherweise wurden Sie auch hier eines Besseren belehrt, und eine entsprechende Regelung wurde aufgenommen.

(Zuruf von der CDU: Warum stimmen Sie dann zu?)

Meine Damen und Herren, somit haben wir ein Ergebnis. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, weil wesentliche von uns vorgebrachte Bedenken und Anregungen eingearbeitet worden sind.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Damit war nach dieser Rede nicht zu rech- nen!)

- Wir stimmen auch nicht deshalb zu, weil Ihr Gesetzentwurf so großartig war, sondern insbesondere deshalb, weil der GBD das Gesetzgebungsverfahren durch seine hervorragende Arbeit und sein konsequentes Nachhaken letztendlich doch noch zu einem einigermaßen zufrieden stellenden Abschluss gebracht hat. Unsere Bedenken bestehen weiterhin.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Nun loben Sie doch mal das Gesetz!)

Das alles hätte ja sehr schön sein können, aber es gab noch einen Nachschlag. Der Wirtschaftsminister und der Umweltminister haben am 12. Februar 2004 eine Pressemitteilung auf den Weg gebracht, in der sich beide Minister für ihre Tapferkeit im Kampf gegen die Bürokratie am Beispiel des Radwegebaus bejubeln.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der CDU: Ja! Ja!)

Wir hatten im Ausschuss bereits lang und breit über einen nachgeschobenen Änderungsantrag der FDP-Fraktion zum Naturschutz diskutiert mit dem Ergebnis, dass gegen diesen Antrag erhebliche Bedenken bestanden, den Sie dann ja auch zurückgezogen haben. Wir sind sogar davon ausgegangen, dass Sie dadurch eines Besseren belehrt werden. Jetzt aber wird plötzlich eine so merkwürdige Pressemitteilung auf den Weg gebracht, in der es heißt, dass Radwege ökologische Bauten seien, sodass damit auf Ausgleichsmaßnahmen und auf Stellungnahmen der Naturschutzbehörden verzichtet werden könne. Was kommt denn dann wohl als Nächstes?

Frau Kollegin Rakow, als Nächstes möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie zum Schluss kommen müssen.

Ich bin sofort fertig. - Als Nächstes sind dann auch Kernkraftwerke und alles mögliche Andere, was Ihnen sonst noch so einfällt, ökologische Bauten. Meine Herren Minister von der FDP, ich denke, Sie werden uns dies im Ausschuss ausführlich erklären müssen. Wir sind schon sehr gespannt. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Steiner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

(Sigmar Gabriel [SPD]: Dorothea, los! Verhau uns!)

Mach ich.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das habe ich befürchtet!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen loben sich gegenseitig dafür - auch Herr Dürr wird dies gleich tun -, welch großen Fortschritt sie mit der Aufnahme von Ersatzzahlungen in das Niedersächsische Naturschutzgesetz erzielt haben. Ich möchte dazu feststellen, dass mit der letzten Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen wurde, einen Eingriff in die Natur auch über Ersatzzahlungen auszugleichen.

(Christian Dürr [FDP]: Deshalb kön- nen wir das durch Landesrecht auch!)

Diese Möglichkeit begrüßen wir; sie hat Rot-Grün im Bundesrecht eröffnet, und einige Bundesländer praktizieren sie auch schon. Von daher unterstützen wir auch die Regelung der Ersatzzahlungen im Niedersächsischen Naturschutzgesetz grundsätzlich.

(David McAllister [CDU]: Aha!)

Der vorgelegten Beschlussempfehlung können wir aber nicht zustimmen. Sie definiert das Naturschutzgesetz nämlich zu einem Investitionsfördergesetz um. Das ist mit den Stimmen der Grünen nicht zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Haben Sie etwas gegen Investitionen?)

Jeder Eingriff in die Natur bzw. in den Naturhaushalt, der notwendig und vertretbar ist, bedeutet immer auch einen Verlust an Naturressourcen. Das Naturschutzrecht sieht deshalb vor, dass dieser Verlust entsprechend der Dauer und der Schwere des Eingriffs ausgeglichen werden muss. Dies muss im Einzelfall und bezogen auf die Situation des jeweiligen Naturraums geprüft und bewertet werden. In der Praxis gibt es dafür Leitlinien; ebenso für den Umfang der erforderlichen Ersatzmaßnahmen. Das funktioniert bereits, und es gibt viele positive Beispiele für Fälle, in denen das im Einvernehmen zwischen allen Beteiligten festgelegt worden ist.

(Christian Dürr [FDP]: Wir stellen das auf eine rechtliche Grundlage, Frau Steiner!)

Wenn Sie von den Regierungsfraktionen die Ersatzzahlungen auf 7 % der Investitionssumme eines Vorhabens begrenzen, heißt das in der Praxis, dass Projekte, die nur mit geringen Investitionskosten verbunden sind, aber schwerwiegende nachteilige Folgen für den Naturhaushalt haben - entsprechende Beispiele hierfür haben wir im Umweltausschuss erörtert -, im Sinne des Naturschutzrechts nicht ausgeglichen werden können. Das ist für uns der Knackpunkt; denn mit dieser Regelung verstößt das Gesetz gegen eine der fundamentalen Säulen des Naturschutzrechts und verlässt den in den letzten Jahren entwickelten gesellschaftlichen Konsens. Das tragen wir nicht mit.

(David McAllister [CDU]: Das ist ja starker Tobak!)