Protocol of the Session on January 23, 2004

Die Frage wird von der Kollegin Janssen-Kucz gestellt. Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer Pressemitteilung der Landesregierung vom 5. Dezember 2003 zufolge wird geplant, die Finanzhilfe des Landes für Kindertagesstätten neu zu organisieren. Bisher wird die Finanzhilfe des Landes in Höhe von 20 % der Personalkosten direkt an die Träger der Kitas gezahlt (§§ 15 und 16 des Niedersächsischen Kita-Gesetzes). Dabei werden auch die längeren Öffnungszeiten berücksichtigt. Künftig sollen die Finanzhilfemittel des Landes für die Kindertagesstätten nach einem „Kinder-Faktor“ in den kommunalen Finanzausgleich überführt werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie soll der „Kinder-Faktor“, nach dem die Finanzhilfemittel des Landes für Kindertagesstätten künftig den Kommunen zugewiesen werden sollen, berechnet werden?

2. Wie soll in diesem „Kinder-Faktor“ berücksichtigt werden, von wie vielen Eltern in den einzelnen Gemeinden für ihre Kinder ein Kindergartenplatz in Anspruch genommen wird, für wie viele Kinder die Kommunen jeweils über den gesetzlich vorgeschriebenen Halbtags-Kindergartenplatz hinaus einen Ganztagsplatz anbieten und für wie viele Kinder sie auch einen Krippenplatz oder einen Hortplatz anbieten?

3. Wie will die Landesregierung verhindern, dass die geplante Neuregelung den finanziellen Druck auf die Kommunen erhöht, die Betreuungszeiten zu reduzieren sowie Krippen- und Hortplätze abzubauen?

Vielen Dank. - Herr Innenminister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ministerpräsident Christian Wulff hat in seiner Regierungserklärung vom 4. März 2003 angekündigt, dass die Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden in Niedersachsen einen „Pakt zur Stärkung der Kommunen“ schließen wolle. Darin werde sie sich zu einer kommunalfreundlichen Politik verpflichten, auch mit dem Ziel einer konsequenten Überprüfung aller kommunalen Ausgaben und Aufgaben.

Zudem haben sich die Koalitionsparteien von CDU und FDP in ihrer Koalitionsvereinbarung u. a. darauf verständigt, die gegenwärtigen Strukturen des kommunalen Finanzausgleichs mit dem Ziel zu verändern, die freien Mittel im Finanzausgleich zu erhöhen.

Ein geeignetes Instrument für eine solche Erhöhung ist die Überführung von kommunalen Förderprogrammen. In diesem Zusammenhang wird auch die Überführung der bisherigen Finanzhilfen für Personalausgaben der Tageseinrichtungen für Kinder in den kommunalen Finanzausgleich geprüft. Hierzu werden zurzeit Daten von dem betroffenen Ressort aufbereitet, auf deren Grundlage dann Probeberechnungen durchgeführt werden sollen. Diese Berechnungen, welche voraussichtlich im Frühjahr dieses Jahres abgeschlossen werden können, sollen die finanziellen Auswirkungen bei einer Überführung aufzeigen. In einem weiteren Schritt soll dann auf der Basis der Ergebnisse der Probeberechnungen geprüft werden, ob und inwieweit die Ausgleichsregelungen des kommunalen Finanzausgleichs die finanziellen Belastungen der gesamten kommunalen Aufgabenwahrnehmung und damit auch der durch das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder bedingten Aufgaben gerecht berücksichtigen. Nur in diesem Falle wird nämlich den Vorgaben des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs Genüge getan.

Nach welchen Kriterien die gegenwärtig vom Land gewährten Finanzhilfen für Personalausgaben der Tageseinrichtungen im Finanzausgleich verteilt werden, kann erst nach Abschluss des eingangs beschriebenen Verfahrens entschieden werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen:

Zu Frage 1 und 2 verweise ich auf die Vorbemerkungen.

Die Beantwortung der Frage 3 ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Vielmehr bleibt hierzu die Entscheidung abzuwarten, nach welchen Kriterien die Landesmittel verteilt werden sollen. Ich bitte einfach um einige Wochen Geduld. Dann werden wir in allen Details darlegen, wie das umgesetzt werden soll.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine Zusatzfrage hat der Kollege Hagenah.

Herr Minister, wie will die Landesregierung damit umgehen, dass einzelne Kommunen, insbesondere die Städte, dadurch, dass sie deutlich mehr Kinderbetreuungsplätze anbieten als andere, durch die pauschalierte Förderung schwer benachteiligt werden? Soll es für sie einen entsprechenden Finanzausgleich geben - über die pauschale Abrechnung hinaus -, oder haben diese Kommunen einfach nur Pech gehabt, wenn sie sich besonders um Kinder kümmern?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Ich hatte eingangs darauf verwiesen, dass wir die Details erst in wenigen Wochen vorstellen.

Es geht mir vor allen Dingen um eine Überprüfung des großen bürokratischen Aufwands bei der Mittelverteilung der Mittel. Wir müssen sehen, ob wir im Zuge der Verwaltungsreform nicht zu einfacheren Möglichkeiten kommen.

Heute wird für jede Gruppe eine Einzelabrechnung erstellt. Daran sind etwa zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesjugendamt in Hannover beteiligt. Es muss u. a. festgestellt werden, ob eine Erzieherin - und wenn ja, mit welcher Qualifikation - oder eine Praktikantin eingesetzt wird usw. Es sind vier Punkte, die dort zusammengezogen werden müssen. Das ist ein riesiger Aufwand. Außerdem gibt es in vielen Bereichen auch noch Widerspruchsverfahren.

Das alles ist nach meiner Ansicht nicht sinnvoll. Insofern ist eine Überführung in den kommunalen Finanzausgleich oder sogar ein Kinderfaktor sehr sinnvoll.

Ich darf Ihnen in dem Zusammenhang sagen: Für das Land ist jedes Kind gleich viel wert. Deshalb ist die Verteilung nach einem Kinderfaktor auch sehr sinnvoll. Zurzeit erarbeiten wir, welche Auswirkungen eine solche Verteilung hätte und welche Details parallel noch berücksichtigt werden müssen. Das Ergebnis werden wir Ihnen in Kürze mitteilen können.

Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Kollegin Janssen-Kucz!

Herr Minister Schünemann, Sie halten den Kinderfaktor für sinnvoll, obwohl Sie bisher nicht konkret sagen können, wie Sie ihn definieren wollen. Außerdem verweisen Sie auf Modellrechnungen, die ich auch nicht nachvollziehen kann, eben weil Sie nichts Konkretes sagen können.

Haben Sie auch an die Kinder in den Integrationskindergärten gedacht? Haben Sie berücksichtigt, dass für sie dieser Kinderfaktor höchstwahrscheinlich nicht ausreichend ist, was letztendlich zur Folge haben wird, dass Integrationskindergärten weiter reduziert und nicht ausgebaut werden?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Es gibt einmal die Möglichkeit, etwas über die Finanzverteilung zu machen. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, das über Sicherstellungsaufträge zu machen. Im Kindertagesstättengesetz wurde, gerade was die Personalstandards angeht, keine Änderung vorgenommen. Insofern werden wir das über andere Möglichkeiten sicher zu stellen.

Herr Dr. Lennartz, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, 1999 hat der damalige CDUFraktionschef Christian Wulff im Zusammenhang mit dem Streit um die Abschaffung des KitaGesetzes gesagt - ich zitiere sinngemäß -, eine Vereinnahmung der Fördermittel des Landes in den kommunalen Finanzausgleich sei nicht wünschenswert, weil das Versickerungseffekte zur Folge habe. Wie ist die Position, die Sie jetzt umzusetzen beabsichtigen - also die Einbeziehung der Mittel in den kommunalen Finanzausgleich -, mit der damaligen Aussage von Herrn Wulff vereinbar? Oder hat Herr Wulff damals eine falsche Aussage gemacht?

(Astrid Vockert [CDU]: Der macht nie falsche Aussagen!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister, bitte schön!

Die Landesregierung hat nicht vor, irgendwelche Finanzmittel versickern zu lassen. Insofern ist die Aussage des damaligen Fraktionsvorsitzenden auch heute noch gültig: Finanzmittel dürfen nicht versickern, das ist überhaupt keine Frage.

Frau Kollegin Trauernicht, bitte schön!

Der Landesregierung ist sicherlich bekannt, dass es nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht nur einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt, sondern auch einen Anspruch auf den bedarfsgerechten Ausbau von Plätzen für Krippen und Ganztagsplätzen für Schulkinder. Welche Ziele setzt sich die Landesregierung mit Blick auf die Schaffung dieser Plätze, und wie kann diese Tatsache bei einem Kinderfaktor überhaupt berücksichtigt werden?

(Reinhold Coenen [CDU]: Das muss Frau Trauernicht gerade fragen!)

Vielen Dank, Frau Trauernicht. - Bitte schön, Herr Minister!

Für die Betreuung der Kinder in Krippen oder in Kindertagesstätten sind die Kommunen zuständig. Insofern wird auf kommunaler Ebene dafür Sorge getragen, dass diese Einrichtungen bedarfsgerecht vorgehalten werden. Das hat nicht zwangsläufig etwas mit der Finanzverteilung zu tun. Es gibt durchaus noch andere Möglichkeiten, über Sicherstellungsaufträge etc.

Aber man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass die Kommunen zuständig sind. Deshalb muss man ihnen auch die Möglichkeit geben, diese Aufgaben zu erfüllen. Dafür ist der kommunale Finanzausgleich ein gutes Mittel.

Wir wissen natürlich, dass die Finanzsituation auf allen staatlichen Ebenen schwierig ist. Aber wir können nicht immer versuchen, das über bürokratische Förderprogramme auszugleichen, sondern müssen andere Möglichkeiten finden.

Ich erinnere noch einmal daran, wie bürokratisch die Finanzzuweisung an die Kommunen im Moment organisiert ist. Das können wir in der heutigen Zeit einfach nicht mehr hinnehmen. Wir müssen schlankere Strukturen haben. Daran arbeiten wir, und wir werden Ihnen sehr gute Möglichkeiten vorstellen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Möhrmann, bitte schön!

Herr Minister, Sie haben eben dargelegt, dass Sie die bisherige Gruppenförderung auf keinen Fall weiterführen wollen, weil sie sehr aufwändig ist. Ich frage Sie: Wird bei den Modellrechnungen, die Sie jetzt anstellen, auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der jeweiligen Kommune berücksichtigt, erfolgt also ein Ausgleich auch über die Kinderzahlen hinaus, oder spielt die Finanzsituation der Kommune überhaupt keine Rolle?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Es gibt zwei Möglichkeiten. Einmal können wir das machen, was auch die alte Landesregierung einmal gemacht hat, nämlich das Geld einfach in den kommunalen Finanzausgleich einzustellen. Dann ist es natürlich finanzkraftabhängig. Die zweite Möglichkeit ist, das über das Finanzverteilungsgesetz mit einem Kinderfaktor zu machen. Dann ist es finanzkraftunabhängig. Beide Möglichkeiten prüfen wir im Moment.

Vielen Dank. - Frau Kollegin Langhans hat sich gemeldet.

Herr Minister, Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen, darüber sind wir uns alle ziemlich einig. Wie wollen Sie mit dem Kinderfaktor gewährleisten, dass diese Bildungseinrichtungen auch weiterhin ihrem Auftrag gerecht werden und qualifiziertes Personal anstellen können?

Bitte, Herr Minister!

Die Höhe der Zuschüsse steht ja überhaupt nicht in Frage. Das Geld würde also in gleicher Höhe zur Verfügung stehen. Es geht nur darum, wie das Geld verteilt wird.

Ich sage Ihnen: Für das Land ist jedes Kind gleich viel wert. Insofern ist so ein Kinderfaktor durchaus sehr sinnvoll. Dann liegt es an den Kommunen, das Geld, das ihnen zur Verfügung gestellt wird, für die bedarfsgerechte Bereitstellung von Kindergartenplätzen einzusetzen.

Es handelt sich eben nur um eine Finanzhilfe des Landes - wir bezahlen ja nicht zu 100 %; das wäre auch nicht möglich -, und die Zuständigkeit liegt bei den Kommunen. Insofern ist mit dem Kinderfaktor durchaus sichergestellt, dass die Kommunen in die