Protocol of the Session on December 10, 2003

Die Kommissionsvorschläge werden entscheidend für die zukünftige Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Bundesländer sein. Natürlich wird das auch zu einer Stärkung der Länder führen. Aber es wird nur dann zu einer Stärkung dieser Länder führen, wenn gleichzeitig im Bundesrat die Minister der Länder ihre Hauptaufgabe nicht weiterhin in einer Blockade von Entscheidungen des Bundes sehen. Sie werden überlegen müssen, welche Gesetzgebungskompetenzen wieder auf die Bundesebene zurückgeführt werden können und welche Gesetzgebungskompetenzen den Ländern zugeordnet werden sollen. Aber auch hier ist es in der Tat nur eine Frage des Gebens und des Nehmens. Anders wird das nicht funktionieren.

Grundlinie einer Reform unseres föderalen Systems soll eine klare Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sein und damit einhergehend nach dem Subsidiaritätsprinzip mehr Eigenverantwortung. In diesem Zusammenhang geht es uns in erster Linie nicht darum, mehr Wettbewerb zu schaffen, sondern es geht vielmehr darum, mehr Gestaltungsfreiheit zu haben.

Ich lese leider von allen diesen Überlegungen, die ich hier angeführt habe und die Sie, Frau Kuhlo, auch in Ihrer Rede genannt haben, in diesem Antrag gar nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Ihren Forderungen bleiben Sie an der Oberfläche und werden nicht präzise. Mehr Finanzautonomie nach deutlicher Reduzierung von Mischfinanzierung beinhaltet wirklich nur einen geringen Teil des notwendigen Kompetenzgewinns. Da hätten wir uns in der Tat schon etwas mehr Substanz gewünscht.

Stichwort „Reduzierung von Mischfinanzierungen“: Haben Sie nicht während des letzten Plenums gemeinsam mit der CDU-Fraktion noch vehement für die Beibehaltung der GA-Mittel gekämpft? - Fordern auf dem Papier, so wie es hier geschieht, ist offensichtlich leicht. Aber wenn es dann konkret ums Geld geht, dann sind Sie eher wieder dabei, die Hände aufzuhalten.

Meine Damen und Herren, wir könnten uns gut vorstellen - um ein bisschen konkreter zu werden -, dass die Gemeinschaftsaufgaben „Hochschulbauförderung“ und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ abgeschafft und diese Aufgabenbereiche an die Länder zurückverlagert werden. Natürlich muss damit auch eine Neuverteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern einhergehen.

Meine Damen und Herren, die Föderalismuskonferenz wird Vorschläge für die Modernisierung des föderalen Systems erarbeiten. Wir werden diese Arbeit aufmerksam und kritisch begleiten und werden uns in diese Debatte einbringen.

Inhaltlich mangelt es Ihrem Antrag ganz eindeutig an Substanz. Sie formulieren keine einzige präzise, scharf umrissene Forderung. Sie werden mit diesem Antrag einer Reform des Föderalismus in keiner Weise gerecht, und von daher lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die letzte Wortmeldung, die mir zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegt, ist die Wortmeldung des Kollegen Hogrefe. Herr Kollege Hogrefe, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Plaue und Frau Langhans, ich glaube, Sie haben die Größe der Aufgabe nicht so richtig erkannt.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es geht hier nicht um das alte Spiel „Mehrheit und Opposition“, sondern es geht hier um die Kompetenzen des gesamten Parlamentes, ja des ganzen Landes.

(Beifall bei der CDU - Georgia Lang- hans [GRÜNE]: Genau das ist es! - Axel Plaue [SPD]: Warum haben Sie das nicht hineingeschrieben?)

- Warum haben Sie denn keine Änderungsanträge vorgelegt, wenn Sie mit diesem Antragstext nicht einverstanden sind? - Genau das zeigt doch, dass Sie, Herr Plaue, sich mit der Thematik nicht intensiv auseinander gesetzt haben.

(Axel Plaue [SPD]: Sie haben doch den Antrag niedergestimmt! Das ist doch wohl eine Frechheit! – Gegenruf von David McAllister [CDU]: So ist das, Herr Plaue!)

Das hat allerdings Frau Langhans getan. Deshalb muss man hier differenzieren.

Herr Plaue, nun einmal Hand aufs Herz: Worum geht es hier denn eigentlich? - Eigentlich geht es doch um das Grundproblem, dass wir in Deutschland Finanzverflechtungen zwischen den Ebenen Gemeinde, Länder, Bund bis zur EU haben, die sehr komplex sind. Herr Plaue, verstehen Sie eigentlich, wie das alles verflochten ist? Können Sie, obwohl Sie ja kein ganz unerfahrener Abgeordneter sind, das eigentlich bewerten?

Meine Damen und Herren, weil das so ist, haben wir als CDU-Fraktion ein ganz klares Ziel: Wir wollen, dass selbst die Bürger wieder erkennen, wo die Finanzverantwortung liegt und wo die Einnahmen- und Ausgabenverantwortung liegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb wollen wir eine Entflechtung der Zuständigkeiten und der Finanzentscheidungen, und wir wollen, dass die Landtage und die Länder gegenüber dem Bund und der EU nachhaltig gestärkt werden.

Meine Damen und Herren, wie verworren es derzeit zugeht, zeigt doch das Vorhaben der SPD, 70 000 Freiberufler zur Gewerbesteuer heranzuziehen. Damit will man den Gemeinden helfen. Aber hilft man ihnen denn wirklich? - Den Freiberuflern will die SPD zugestehen, dass sie ihre Gewerbesteuerzahlung von der Einkommensteuerschuld abziehen können. Dies hat dann natürlich erhebliche Steuerminderungen bei Bund, Ländern und selbst Gemeinden zur Folge. Natürlich will der Bund für seine Einnahmeausfälle eine Kompensation von den Ländern und damit letztendlich auch

von den Gemeinden. Meine Damen und Herren, in der Summe betrachtet ist das ein reiner Verschiebebahnhof, und das bringt nicht mehr Steuern, sondern es bringt mehr Bürokratie. Es ist so, wie es häufig bei den Sozialdemokraten ist: eigentlich gut gemeint, aber schlecht gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Deutschland ist inzwischen nahezu ein Einheitsstaat. Unter dem sozialistischen Deckmantel, überall die Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse haben zu wollen, hat sich der Föderalismus zu einem Hemmschuh entwickelt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Dabei sollte Föderalismus eigentlich zu einem Ideen- und Gestaltungswettbewerb führen. Aber in Deutschland verhindert ein Wust von Kompetenzen auf der Bundesebene einen Wettbewerb zwischen den Ländern. Der Bau von Universitäten war z. B. einmal Ländersache. Inzwischen gibt es eine Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe. Der Bund finanziert mit, und im Gegenzug sprechen die Länder bei vielen Bundesangelegenheiten mit. 60 % der Gesetze sind inzwischen durch den Bundesrat zustimmungspflichtig.

Meine Damen und Herren, die Anhörung hat auch ergeben: Inzwischen gibt es in Deutschland mehr als 1 000 Bund-Länder-Kommissionen. Zigtausende von Experten administrieren in diesen Gremien die Mischfinanzierung - alle ohne Mandat der Wählerinnen und Wähler. Diese Gremien stellen uns, die gewählten Volksvertreter, ständig vor vollendete Tatsachen. Wir dürfen dann der Bevölkerung erläutern, was angeblich geht und was nicht geht. So, meine Damen und Herren, darf es in Deutschland nicht weitergehen.

Meine Damen und Herren, von den 48 Änderungen des Grundgesetzes sind 35 zulasten der Bundesländer ergangen. Über ihre Steuereinnahmen können die Länderparlamente nur in einem geringen Umfang selbst bestimmen. Nur 5 % des gesamten Steueraufkommens in Deutschland sind originäre Ländersteuern.

Bei anderen Bundesstaaten wie beispielsweise der Schweiz ist es anders. Dort haben die Kantone die Steuerautonomie. Dort entscheiden die Kantone, in welcher Höhe Einkommensteuer erhoben wird und ob sie überhaupt erhoben wird.

Meine Damen und Herren, gleich nach Gründung unseres Landes gab es auch mal eine Gesetzgebungshoheit des Landes für die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Jetzt allerdings haben wir einen komplexen Verbund. Wohin das führt, ist doch klar, auch was den Finanzausgleich auf Bundesebene anbelangt. Warum sollen eigentlich noch Steuerprüfer die Bürger und Betriebe malträtrieren, wenn mehr als 90 %, manchmal 95 % der zusätzlichen Einnahmen in den Bundesfinanzausgleich einfließen? - Meine Damen und Herren, dies ist grob leistungsfeindlich. Deshalb will die CDUFraktion dies ändern. Unsere Forderung lautet: mehr getrennte Kassen und für eine aufgabengerechte und europataugliche Finanzierung öffentlicher Aufgaben!

Meine Damen und Herren, seit Jahren sind die vielfältigen Verflechtungen zwischen dem Bund und den Ländern ein entscheidender Grund für die Unflexibilität unseres Gemeinwesens. Ein Weg zu mehr Kompetenz für die Länder ist daher die Abschaffung der Rahmengesetzgebung des Bundes, z. B. für den Hochschulbereich und für den Naturschutz. Herr Plaue, da hätten wir gerne Ihre Unterstützung. Meine ganz klare Forderung lautet - das ganze Parlament sollte sich dahinter stellen -: Streichen wir doch einfach den Rahmengesetzgebungskatalog des Artikels 75!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen als Landesparlament dies alles künftig selber und in eigener Verantwortung regeln. Ich behaupte einfach: Gegenüber den Bundestagsabgeordneten sind wir als Landtagsabgeordnete näher an der Bevölkerung. Deshalb können wir das auch besser.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Reinhold Coenen [CDU]: Wir sind so- wieso gut!)

Meine Damen und Herren, noch vor der Berufung der Kommission, die dies alles auf Bundesebene regeln soll, hat eine große Zeitung schon getitelt: „Die Reform des Finanzföderalismus droht vor ihrem Start zu scheitern.“ - Meine Damen und Herren, genau dies darf nicht passieren. Deshalb müssen wir als gesamtes Parlament, als gesamtes Land Niedersachsen - Regierung und Landtag hier ganz gewaltig Schularbeiten machen. Aber in der flapsigen Art, Herr Plaue, wie Sie es hier vorgeführt haben, geht es wirklich nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Plaue, Sie haben noch Restredezeit. Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hogrefe, so geht es in der Tat wirklich nicht. Nichts von dem, was Sie hier gesagt haben, steht in Ihrem Antrag. Genau das ist der Punkt, den wir Ihnen vorhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben sich überhaupt nicht mit diesen Fragen beschäftigt. Sie haben sich ausschließlich mit einem ganz kleinen Segment der Probleme beschäftigt, nämlich mit den Finanzbeziehungen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Plaue, hör‘ doch auf!)

Und dann tun Sie so, als ob Sie mit Ihrem Antrag dazu beitragen, dass die Diskussion über die Reform der staatlichen Ebenen zueinander ernst genommen wird. Wenn Sie das in Berlin vorlegen, dann werden Sie dort ausgelacht.

Professor Dr. Stefan Korioth hat in der Anhörung gesagt

(Zuruf von der CDU)

- machen Sie ihn mal nieder; das ist einer der Anzuhörenden, die Sie eingeladen haben -:

„Unsere bundesstaatliche Ordnung beruht auf einem Dreischritt, der eine zwingende Abfolge darstellt.... Erst die Aufgaben, darauf aufbauend die Ausgabenverteilung und schließlich die Einnahmenverteilung.“

Sie hingegen zäumen das Pferd von hinten auf und werden mit Ihrem lächerlichen Antrag scheitern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.