In den Kommunen sind wir sehr kreativ und überlegen uns sehr wohl, wie wir Kosten reduzieren können. Um Anreize zu schaffen, wollen wir dabei auch das Fahrradfahren zu einem Thema machen. Das ist aber Angelegenheit der Kommunen, und wir sind vor Ort sehr kreativ.
Es geht garantiert nicht um die Kinder, die nur 3 oder 4 km zur Schule haben, sondern es geht um die Kinder, die eine Strecke von 15 oder 20 km fahren müssen. Es ist eigentlich unzumutbar, wenn die Kinder diese Strecken morgens und mittags zurücklegen müssen.
Ich hatte mich aber wegen etwas anderem gemeldet. Die Kosten explodieren in den Kommunen insbesondere durch die Einzelbeförderung. Das wissen Sie alle. Ich würde gerne von Herrn Busemann wissen, wer zukünftig für die Schüler an den Hauptschulen die Beförderungskosten für die wöchentliche Fahrt zu einem Betriebspraktikumsplatz bezahlen soll? Das läuft doch auf Einzelbeförderung hinaus.
Diese Frage hätte ich gerne noch beantwortet. Ich glaube, hier weiß eine Hand nicht, was die andere tut. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen daher zur Ausschussüberweisung.
Federführend soll der Kultusausschuss sein, mitberatend der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist dies so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Gleichberechtigung fördern statt „Männerquote“ fordern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/482
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren stellen wir fest, dass Mädchen mit ihren schulischen Leistungen nicht nur an den Jungen vorbeiziehen, sondern sie weit hinter sich lassen. Wir wissen, dass das unterschiedliche Ursachen hat. Dass die Jungen jetzt insgesamt weniger Schulabschlüsse machen und die Schulabschlüsse in der Qualität schlechter sind, zeichnet sich auch seit einiger Zeit ab.
Aber der Herr Minister Busemann hat den einzig wahren Grund gefunden: Mehr Männer in die Grundschulen - so ist seine These -, dann werden die Jungen mehr und bessere Schulabschlüsse
machen. Herr Busemann, wenn aber dieser direkte Zusammenhang bestünde, dann müssten ja gerade die Jungen gute Abiturnoten haben und die Quote der Jungen, die Abitur machen, sehr hoch sein; denn in den Gymnasien arbeiten überproportional viele Männer. Bei einem direkten Zusammenhang müsste also die Erscheinung anders sein.
Außerdem hat die IGLU-Studie bewiesen - die IGLU-Studie hat die Leistungen der Grundschulen überprüft-, dass gerade an unseren Grundschulen gute Arbeit geleistet wird und dass gerade die Grundschülerinnen und Grundschüler im Vergleich besser dastehen als die älteren Schülerinnen und Schüler. Herr Busemann, diese gute Arbeit der Grundschullehrerinnen sprechen Sie in Privatinterviews den Lehrerinnen ja auch durchaus zu. Es ist aber wenig glaubwürdig, wenn Sie z. B. gleichzeitig in der Neuen Presse in einem Interview vom 30. März dieses Jahres sagen:
„Es kann nicht richtig sein, dass wir einen wichtigen Bereich der Erziehung und Ausbildung unserer Kinder völlig den Frauen überlassen, auch wenn sie gute Arbeit machen.“
In einem Halbsatz sprechen Sie von Anerkennung, der Rest ist unterschwellige Kritik. Herr Minister, in derselben Ausgabe sagen Sie:
„Wenn wir künftig in Teilen die Lehrerjobs geschlechtsspezifisch vergeben, um zumindest einen Drittelanteil männlicher Lehrer an den Grundschulen zu erreichen, wäre das für die Unterrichtsqualität sicher lohnenswert.“
Herr Busemann, ich frage Sie: Ist Unterrichtsqualität geschlechtsabhängig? Ist der Unterricht von Männern besser als der von Frauen? Ich finde, dass Sie sich nach diesen Äußerungen bei den Lehrerinnen entschuldigen sollten.
In einem sind wir uns allerdings einig: Beide Geschlechter müssen in gleichem Verhältnis in unseren Lehrerkollegien vertreten sein. Es kann nicht das Motto gelten: Frauen an die Grundschulen, Männer an die Gymnasien, Frauen für die Kleinen, Männer für die Großen. - Die jungen Menschen brauchen für ihre Entwicklung beide Rollenbilder.
Doch wie lässt sich der Anteil von Lehrern an Grundschulen erhöhen? Mit Zwangsverpflichtungen wird es sicherlich nicht gehen. Es wird auch nicht nach dem Motto gehen: Wer eine Schulleitungsposition innehaben will, egal an welcher Schule, der macht erst einmal vier Jahre Grundschulunterricht.
Das mangelnde Interesse hat doch wohl eher etwas damit zu tun, dass die Unterrichtsverpflichtung an den Grundschulen höher ist und die Entlohnung geringer ist. Also brauchen wir andere Anreize. Darüber nachzudenken, dass wir Männer erst mit Anreizen in die Schulen bringen, kann aber auch nicht richtig sein. Damit wird die Leistung der Frauen in den Schulen herabqualifiziert. Wird nun die Erhöhung der Anzahl männlicher Lehrkräfte in den Grundschulen die Schulabschlüsse automatisch verbessern?
Ich glaube, nicht. Ich bin der Meinung, dass wir vielmehr wissenschaftlich nach den Ursachen suchen müssen, und verweise dabei auf die Untersuchung von Professor Pfeiffer über die Zusammenhänge z. B. von Freizeitverhalten und Lernverhalten.
Mit dem Begriff der Feminisierung wird jedenfalls einseitig Verantwortung übertragen. Dies ist ungerechtfertigt und bringt die gute Arbeit und die Position der Lehrerinnen in Misskredit. Die Argumentationskette „allein erziehende Mutter plus Frauen in Kindertagesstätten und Grundschulen gleich schlechte Schulabschlüsse der Jungen“ lenkt den Vorwurf nur auf die Frauen und überträgt letztendlich ihnen die Verantwortung. Die Männer, die Väter, werden dabei völlig ausgeblendet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, häufig sind auch Frauen, die in Partnerschaften leben, allein erziehend.
Die Abwesenheit der Männer betrifft nicht nur die Kindertagesstätten und die Grundschulen. Die Abwesenheit der Männer ist ein gesellschaftliches Problem. Nicht nur die Frauenbewegung fordert seit langem - und nicht erst seit PISA - die Männer
Meine Damen und Herren, nicht nur in den Schulen sind weiterhin Maßnahmen zur Gleichberechtigung der Geschlechter notwendig. Auch gesamtgesellschaftlich ist dieser Verfassungsauftrag noch nicht realisiert.
Für die Identitätsfindung unserer jungen Menschen ist es wichtig zu sehen, dass Männer Familienarbeit leisten und Frauen verantwortungsvolle Positionen in Wirtschaft und Politik besetzen,
Herr Minister, „Feminisierung“ ist nicht der richtige Begriff, zumal Sie ihn abwertend gebrauchen. Wir beklagen auch nicht die Maskulinisierung der Regierungsbank.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dorothea Steiner [GRÜ- NE]: Natürlich tun wir das, Frau Hemme!)
Deshalb schließe ich mit dem Appell: Mehr Männer in die Kindertagesstätten und Grundschulen und mehr Frauen auf die Regierungsbank! - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hemme, in sehr vielen Punkten gebe ich Ihnen absolut Recht. Sie haben ja gemerkt, dass auch ich Ihnen applaudiert habe. Was die Regierungsbank angeht: Nicht allein die Menge ist immer entscheidend, sondern manchmal auch die Qualität.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das gilt aber auch für die Männer!)
Das ist generell wirklich ganz wichtig. Wir als Liberale sind sehr für die Umsetzung von Gender Mainstreaming - das habe ich letztes Mal im Plenum schon gesagt -, d. h. für eine gleichberechtigte Teilhabe beider Geschlechter an der Gesellschaft. Das betrifft die Politik - klar, da brauchen wir noch viel mehr Frauen; denn Frauen machen das anders als Männer - wie auch z. B. die Schule.
Die Aussagen des Ministers habe ich nicht so aufgefasst, dass es eine Diskriminierung der Lehrerinnen darstellt. Denn - ich habe extra den Zeitungsartikel mitgebracht; ich war nicht dabei, als Herr Busemann das gesagt hat - in dem Artikel steht, dass Sie, Herr Minister, z. B. gesagt haben, dass Kinder und Jungen von allein erziehenden Müttern nicht die Chance haben, sich an männlichen Vorbildern zu orientieren, und dass es darum sinnvoll sein kann, mehr Männer in den Schuldienst zu bekommen. Das ist ein Aspekt, den ich vernünftig und ansprechend fand.
Ansonsten hat der Minister den Girls‘ Day angesprochen, bei dem die Jungen „hinten herunterfallen“, und hat auch gesagt, dass die Geschlechterrolle bei Mädchen stärker thematisiert wird als bei Jungen. Das alles sind Punkte - ich meine, da sind wir uns alle einig -, bei denen wir auch etwas für die Jungen tun müssen. Aber generell sind Mädchen und auch Frauen viel stärker benachteiligt. Darum müssen wir darauf ein Augenmerk richten.
Frau Hemme, Sie hatten Herrn Pfeiffer angesprochen. Herr Pfeiffer hat von Medienverwahrlosung als Grund für schlechte Schulleistungen der Jungen gesprochen. Das ist völlig richtig. Wir haben jetzt ein neues Schulgesetz. Wenn wir wollen, dass Mädchen und Jungen ihren Fähigkeiten entsprechend individuell gefördert und gefordert werden, dann müssen wir auch darauf achten, was man tun muss, damit Jungen später bereit sind, auch Familienarbeit mit zu übernehmen, sich anders zu qualifizieren, und wie man ihre weiblichen Fähigkeiten unterstützen kann. Über Modelle, die wir brauchen, müssen wir nachdenken. Das ist Aufgabe der Politik.