Die jetzt auch von Ihnen geforderte sinnvolle Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist ein erster Schritt in diese unsere Richtung. Aber wie das nun einmal so ist: Jetzt macht Gerhard Schröder endlich einmal etwas, und dann geht es auch noch schief - wie immer. Das kennen wir so. Diese geplante und von den Grünen geforderte Zusammenlegung bei den Arbeitsämtern führt zu einer Zerschlagung der erfolgreichen Strukturen der Arbeitsvermittlung der Kommunen. Viele Maßnahmen im Rahmen des Projektes „Hilfe zur Arbeit“, die Tätigkeiten kommunaler Arbeitsplatzanbietern, modellhafte Projekte wie etwa in Osnabrück oder in Köln, die Einrichtung von kommunalen Job-Centern - all dies hat in der Praxis gezeigt, dass sowohl Kompetenz als auch Erfolg bei der Vermittlung dort liegen - Sie können das gern bestreiten, aber es ist nun einmal so -, wo die räumliche Nähe gegeben ist und eine persönliche Ansprache besteht.
Stattdessen soll ein neuer Moloch bei den Arbeitsämtern entstehen, der dann wie früher nur noch verwaltet und nicht mehr vermittelt. Bereits jetzt sind - das muss man sich einmal vorstellen 11 800 Stellen für Vermittler in der Arbeitsverwaltung geplant, obwohl es noch viele ungelöste Fragen bezüglich der Umgestaltung gibt. Wer weiß, wie viele Stellen darüber hinaus noch gefordert werden?
Wir sehen aber im Hinblick auf den Entwurf von Hartz IV, dass viele Regelungen dem Sozialhilferecht entnommen sind. Beispielhaft möchte ich erwähnen die Kosten für die Unterkunft oder die Berechnung von Mehrbedarfen. Warum belassen wir dann die Umsetzung dieser Regelungen nicht der Ebene, die davon auch etwas versteht, anstatt zehntausende von Beamten neu anzulernen?
Hinzu kommt - darüber haben wir mit den Kommunen gesprochen; insofern kann ich die Grünen beruhigen -, dass nach den vorliegenden Ideen am
Ende die Kommunen wieder die Zeche bezahlen müssen. Wer wird denn entscheiden, welche Menschen als arbeitsfähig gelten und welche als nicht vermittelbar in der Verantwortung der Kommunen verbleiben? Das ist doch die Arbeitsverwaltung, der dann Tür und Tor geöffnet sein werden, unliebsame finanzielle Lasten einfach abzuschieben. Das kann nicht sein. Das wollen wir verhindern.
Daher bitte ich Sie eindringlich, mit uns gemeinsam den niedersächsischen Weg zu gehen. Es ist der einzig richtige Weg. Legen wir die Aufgabe in die bewährten Hände der Kommunen, geben wir den Kommunen auch das dafür erforderliche Geld, und versuchen wir nicht, hierbei die leere Kasse von Schuldenminister Eichel zu sanieren.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heinrich Aller [SPD]: Wenn Sie das noch mal sagen, ist hier was los!)
Wir wollen den Menschen Arbeit und Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt geben. Dazu brauchen wir eine zielgenaue Arbeitsförderung, die nahe an den Menschen und an den Problemen ist. Dafür stehen wir als FDP ein, und so werden wir den Menschen ihre Freiheit zurückgeben. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Harden um das Wort gebeten. Herr Harden, ich erteile es Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe von Herrn Bode eben gelernt: Wenn die FDP von Freiheit spricht, dann meint sie damit immer die Freiheit, aus dem eigenen Portmonee immer noch ein bisschen mehr bezahlen zu dürfen.
Wenn die CDU über Familienpolitik redet - wir haben das vorhin bei der Lernmittelfreiheit und auch jetzt wieder erlebt -, dann heißt es immer: füreinander einstehen. Das heißt: Die Kinder belasten, damit die Eltern finanziert werden können, und umgekehrt. Das aber kann nicht Sinn der Sache sein, über die wir jetzt reden wollen.
Ich teile auch die Schwarzmalerei von Herrn Matthiesen nicht, sondern ich bin vielmehr der Meinung, dass der vorliegende Antrag der Grünen absolut in die richtige Richtung geht. Der so genannte niedersächsische Weg von CDU und FDP hingegen führt in die Irre.
Die Gemeindefinanzreformkommission, die Städte und Gemeinden, einige Landkreistage, die Bundesregierung und einige Bundesländer haben sich für eine Zusammenlegung beider Leistungen unter dem Dach der Bundesanstalt für Arbeit ausgesprochen. Die Niedersächsische Landesregierung hat sich für das Landkreistag-Modell entschieden. Es gibt in Niedersachsen aber auch Landräte, die gar nichts davon halten.
Die Regierungsfraktionen wollen den Städten und den Landkreisen die Verantwortung für die Langzeitarbeitslosen aufbürden, und zwar gegen den Widerstand der Gemeindekammer des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und des Niedersächsischen Städtetages. Die Präsidenten Ulrich Mädge und Rainer Timmermann haben Ihnen dies kürzlich noch ins Stammbuch geschrieben. Wir Sozialdemokraten teilen diesen Widerstand und können vor einem solchen Modell nur warnen.
Lassen Sie mich die Essentials erläutern, die die SPD-Fraktion von der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II verlangt.
Erstens. Es muss eine klare Zuständigkeit für alle arbeitsfähigen Erwerbslosen geben. Diese Zuständigkeit muss beim Bund liegen. Frau Helmhold hat das eindringlich dargelegt. Auch ich hatte dies schon im Juni-Plenum gesagt. Deshalb möchte ich es heute nicht wiederholen. Ziel der Reform ist es, aus der kostenträchtigen Doppelverwaltung eine einzige zu machen, und dabei die Kommunen zu entlasten. Völlig klar ist für uns: Alle Bezieher des Arbeitslosengeldes II müssen unter das Dach der Bundesagentur für Arbeit. Arbeitslosigkeit ist keine lokale Angelegenheit, auch keine regionale,
sondern eine nationale. Lokal können Sie vielleicht Raumpflegerinnen vermitteln, auch Tiefbauarbeiter und Kellner. Bei Elektroingenieuren aber wird es schon schwieriger, bei Spezialisten jedweder Art müssen die Kommunen versagen. Weil Arbeitsplätze nicht immer um die Ecke zu finden sind, ist der Bund für die Arbeitsförderung, für die Eingliederung und für finanzielle Leistungen zuständig.
Zweitens. Die wertvollen Erfahrungen vieler Städte und Kreise bei der Hilfe zur Arbeit dürfen nicht verloren gehen. Viele Kommunen haben erhebliche Erfolge bei der Hilfe zur Arbeit zu verzeichnen. Es ist klar, dass sie keine Regelung wollen, die weniger effektiv ist. Wenn man Sie aber so gehört hat, dann könnte man meinen, die hätten das viel besser gemacht als die Bundesanstalt für Arbeit. Daher frage ich mich: Warum schafft man die Bundesanstalt für Arbeit nicht ab und lässt es die Kommunen machen? Aber: Dem ist nicht so. Längst nicht alle Kommunen waren so gut, dass man ihnen diese Aufgabe beruhigt übertragen könnte. Dennoch muss sichergestellt werden, dass die Kommunen gut in die Job-Center eingebunden werden.
Drittens. Die Vermittlungstätigkeit der Bundesanstalt muss viel erfolgreicher werden. Es geht darum, durch eine effektive Vermittlung mit JobManagern in Job-Centern die Zahl der Hilfeempfänger deutlich zu reduzieren. Bei aller Kritik, die jetzt an der Bundesanstalt geübt wird und in der Vergangenheit auch zu Recht geübt worden ist: Man muss ihr zugute halten, dass ihre neue Kundenorientierung in eine Zeit extremer Konjunkturschwäche fällt. Es wäre unfair, jetzt vorschnell über die Erfolge der Umstrukturierung zu urteilen.
Viertens. Es geht nicht darum, dass eine politische Ebene bei dieser Reform die andere über den Tisch zieht. Allerdings müssen die positiven Effekte der Zusammenlegung auch den Kommunen zugute kommen. Diese Stärkung muss mit einer effektiven Gemeindefinanzreform, an deren Ende es keine verfassungswidrigen Verwaltungshaushalte mehr geben darf, gekoppelt werden.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, in einer solchen Situation geht es doch nicht darum, einen niedersächsischen Weg zu beschreiten. Es geht doch nicht darum, krampfhaft andere Lösungen zu wollen als die Bundesregierung. Es geht - weiß Gott - auch nicht um krampfartige Profilierungsversuche des Ministerpräsidenten auf Bundesebene. Nein, es geht doch dar
um, einen gemeinsamen Weg aus der Krise zu finden. Der Ansatz der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen ist der Richtige. Gehen Sie ihn mit, ziehen Sie mit an einem Strang, und zwar in Richtung der beiden kommunalen Spitzenverbände und der Oppositionsfraktionen des Niedersächsischen Landtages.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.
Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sein, mitberatend die Ausschüsse für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, für Inneres und Sport sowie für Haushalt und Finanzen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Keine. - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall.
Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung: Energiepolitik für die Zukunft: Vorrang für Sicherheit und Klimaschutz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/382
Frau Harms von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter uns liegt einer der heißesten Sommer. Er geht jetzt gerade über in einen sehr schönen Frühherbst. Aber es war nicht für alle Bundesbürger ein schöner Sommer. Insbesondere in den östlichen Landesteilen, wo die Leute an der Elbe im letzten Jahr mit den Folgen des Hochwassers konfrontiert waren, sind gerade Landwirte von den Folgen von Extremwetterlagen wieder sehr hart betroffen gewesen. In diesem Jahr war es nicht die Flut, sondern die Dürre.
des Klimawandels und auf die Notwendigkeit, Energiepolitik gegen eine solche Klimaveränderung zu machen, hingewiesen wird.
Im kommenden Winter - das ist der andere Eckpunkt unseres Antrages - geht das Atomkraftwerk Stade vom Netz.
Nach langer gesellschaftlicher Auseinandersetzung ist das aus meiner Sicht ein erster und wichtiger Schritt heraus aus dem atomaren Abenteuer und weg von dem atomaren Risiko.
Meine Damen und Herren, wir Grünen setzen uns dafür ein, dass die beiden angesprochenen Risiken - das atomare und das der Klimaveränderung nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen heraus aus diesen Risiken. Wir sind davon überzeugt, dass diejenigen, die heute in der Politik und in der Industrie verantwortlich sind, eine einmalige Chance haben, in den nächsten Jahren die Weichen so zu stellen, dass wir eine zukunftsfähige Energiewirtschaft in der Bundesrepublik oder sogar in Europa begründen können. Wir sind wegen unserer Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen von der Wichtigkeit überzeugt, einer nachhaltigen Entwicklung eine Chance zu geben und die Risiken, die ich angesprochen habe, einzudämmen. Das ist sehr oft auch von älteren Debattanten in dieser Diskussion vorgetragen worden. Ich will dazu nicht mehr viel sagen.
Von gleicher Bedeutung sind aber auch die ökonomischen Gründe dafür, eine ganz andere Energiepolitik zu betreiben, als wir das bisher gemacht haben. In den letzten Wochen stellten wir leider Gottes fest, dass eine Art neuer Linienkampf in der Energiepolitik ausbricht. Das hat nicht nur mit der bevorstehenden Abschaltung des Atomkraftwerkes Stade zu tun. Dies hat auch damit zu tun, dass in absehbarer Zeit Teile des nichtnuklearen Kraftwerkparkes erneuert werden müssen bzw. dass die Kraftwerkskapazitäten, die immer noch mit fossilen Energieträgern betrieben werden, anderweitig ersetzt werden. Innerhalb von wenigen Jahren wird sich herausstellen, ob unsere Politikergeneration ihre Lektionen aus Rio de Janeiro und Tschernobyl
gelernt hat, ob wir unsere Lehren aus zunehmenden Konflikten um Rohstoffe und Rohstoffknappheit gezogen haben, ob wir uns gegen Risiken und ob wir uns endlich konsequent für Innovationen und für den Aufbruch in eine moderne Energiewirtschaft entschieden haben.
Für uns sind es drei Eckpunkte, die in der Energiepolitik wesentlich sind. Das ist zum einen die Senkung des Strombedarfs - in der Versorgungssicherheitsdiskussion übrigens fast der entscheidende Eckpunkt -, zum Zweiten der ganz ehrgeizige Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien und zum Dritten der zukünftige Einsatz von fossilen Energieträgern nur noch in hocheffizienten und CO2-armen GuD-Kraftwerken, die mit KraftWärme-Kopplung betrieben werden. Was das Land Niedersachsen dafür tun kann und tun muss, damit sich die Energiewirtschaft so entwickelt, haben wir in unserem Antrag aufgelistet. Ich glaube, Sie haben das zur Kenntnis genommen.
Ich gehe davon aus, dass wir in Niedersachsen die Notwendigkeit für eine neue Grundsatzdebatte haben. Deswegen fällt unser Antrag auch sehr grundsätzlich aus. Die Notwendigkeit erkenne ich immer wieder an vielfältigen, manchmal sogar fast einfältigen Äußerungen von Umweltminister Sander zur Energiepolitik.
Ich gebe dafür ein Beispiel, wie es einem entgegenschallt, wenn man sich in Niedersachsen mit der Branche der erneuerbaren Energien zusammensetzt und sich dann auch mit der Wende in der niedersächsischen Umweltund Energiepolitik konfrontiert sieht.
Herr Minister Sander, ich war einen Tag nach Ihnen auf der Solarmesse in Hameln. Sie haben da eine Spur gezogen, die ich als eine Spur des Erstaunens, des Erschreckens bezeichnen würde. Ihre Ablehnung zum Gesetz für erneuerbare Energien und zur Einspeisungsvergütung gefährdet nicht nur die Handwerker und Mittelständler, die dort ausgestellt haben. Dieses ständige und schlecht begründete Genörgel gegen die Windenergie und gegen jede Art von geregelter Einspeisevergütung stellt ja schon fast eine neue Art FDP-Glaubensbekenntnis dar. Was das mit Freiheit zu tun hat, verstehe ich allerdings nicht.