Protocol of the Session on November 14, 2007

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir geben der Selbstverständlichkeit einen rechtlichen Rahmen. Maßstab dafür ist mit Sicherheit nicht die Wunschvorstellung der Opposition - Frau Helmhold, gestatten Sie mir, dass ich das so deutlich sage -, sondern Maßstab sind für uns dabei die Menschen, die uns wichtig sind und deren Bedürfnissen wir damit gerecht werden wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das habe ich jetzt nicht verstanden!)

Zugegeben, es hat lange gedauert. Landesregierungen vor uns hätten die Möglichkeit zum Handeln gehabt,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ah, da ha- ben wir die Schuldigen gefunden!)

sind aber in plakativen Last-minute-Gesetzentwürfen steckengeblieben.

(Beifall bei der CDU)

So gesehen, ist es schon sehr ermutigend, wenn man zum vorliegenden Gesetzentwurf in einer Presseerklärung, die der Sozialverband Deutschland vor ein paar Tagen herausgegeben hat, lesen kann:

„Lange mussten wir auf ein akzeptables Gesetz warten. In der kommenden Woche wird die Landesregierung nun eine Fassung verabschieden, die wir als größter Sozialverband des Landes mittragen können.“

(Uwe Schwarz [SPD]: Lesen Sie mal weiter!)

Das, was mit dem Gesetz geleistet wird, ist etwas, wohinter die Verbände stehen. Genauso haben es sich die Verbände vorgestellt. Dem wird hier

Rechnung getragen.

Das heute zu verabschiedende Gesetz hat eine in der Tat besondere Geschichte. Wohl kein anderes Gesetz ist so partnerschaftlich im Dialog mit Betroffenenverbänden entstanden, getreu dem Motto der Menschen mit Behinderungen: Nicht über uns ohne uns!

(Beifall bei der CDU)

Ich danke deshalb zunächst Herrn Finke, dem Landesbehindertenbeauftragten, der sich in die

Beratung der Vorlage konstruktiv und nachhaltig eingebracht hat. Ich sage auch allen Verbänden Dank. Zwar sind bei der Anhörung auch Wünsche deutlich gemacht worden. Aber insgesamt hat die Anhörung belegt, dass das Gesetz und das Verfahren breite Zustimmung finden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Ich danke allen an den Anhörungen Beteiligten, auch den beteiligten Ministerien, allen voran unserer Sozialministerin, Frau Ross-Luttmann. Vor allem danke ich den Hauptpersonen, den Menschen mit Behinderung für ihr Engagement und ihre Offenheit. Die Tatsache, dass sie uns an ihren Erfahrungen haben teilhaben lassen, hat die vorliegende Fassung des Gesetzes ermöglicht. Es ist ein gutes Gesetz.

Lassen Sie mich kurz die Kernpunkte noch einmal vorstellen: Wir schreiben das Benachteiligungsverbot für öffentliche Stellen auf Landes- und auf kommunaler Ebene fest. Wir erkennen die Gebärdensprache als eigenständige Sprache an und sichern Menschen mit Hörbehinderung das Recht, mit Gebärdensprache im Verwaltungsverfahren, aber auch in Kindergärten und Schulen mittels eines Dolmetschers zu kommunizieren. Dazu dient auch der heute vorliegende Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, der fast deckungsgleich mit dem Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ist. Ich kann schon ankündigen, Frau Helmhold, dass wir Ihren Antrag auch hinsichtlich des zweiten Satzes, der noch angefügt werden soll, mittragen werden.

Des Weiteren stellen wir die Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr, öffentliche Informationstechnik und in der Verwaltung sicher. Wir führen das Klagerecht für Verbände ein und sichern damit die Wahrnehmung und Durchsetzung der Rechte für Menschen mit Behinderungen. Mit der Finanzierung von Wahlschablonen für sehbehinderte Menschen stellen wir sicher, dass diese ebenfalls ihr Wahlrecht eigenständig ausüben können. Dass die Mittel zur Finanzierung der Wahlschablonen - das will ich ausdrücklich betonen eingeworben wurden, ist in der Tat neu.

Den Kommunen sichern wir die Finanzierung zu, damit sie das Gesetz auf ihrer Ebene umsetzen können. Ich sage hier ausdrücklich, meine sehr geehrten Damen und Herren: So solide hat zuvor keine Landesregierung gearbeitet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir bauen die Rechte des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung deutlich aus. Eine Überprüfung, die bereits 2010 stattfinden soll, stößt auch bei den Menschen mit Behinderung und bei den Verbänden ausdrücklich auf Zuspruch. Das ist gut so.

(Zustimmung von Gesine Meißner [FDP])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich können Forschung und Medizin Behinderungen unterschiedlich abmildern. Aber nehmen können sie die Behinderungen und die damit verbundenen Probleme eben nicht. Deshalb ist es in der Tat eine der vorrangigsten Aufgaben von Politik, dafür zu sorgen, dass Barrieren im täglichen Leben abgebaut werden. Genau das wird mit diesem Gesetz energisch vorangetrieben. Dieses Gesetz schließt im Grunde genommen auch den Kreis zu den Maßnahmen, die im Laufe der letzten Jahre für Menschen mit Behinderung auf den Weg gebracht worden sind. Ich will als Beispiel nur ein Projekt nennen, nämlich das Persönliche Budget.

Politik für Menschen mit Behinderung ist uns sehr wichtig. Deshalb sind wir sehr froh darüber, dass wir hier einen weiteren Baustein anfügen können. Ich freue mich über dieses Gesetz. Ich freue mich für alle Menschen mit Behinderung. Mit diesem Gesetz machen wir unsere Gesellschaft heute ein Stück behindertengerechter, und das ist gut so. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ein Teil der Beleuchtung im Plenar- saal fällt aus - Unruhe)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Mundlos. - Da hier vorne das Licht noch brennt, können wir die Beratung meines Erachtens uneingeschränkt fortsetzen, es sei denn, ich höre oder sehe Widerspruch. - Nein. Danke schön. Alle sind sehr aufmerksam dabei, um jetzt dem Wortbeitrag des Kollegen von der SPD-Fraktion, Herrn Schwarz, zu folgen. Herr Kollege Schwarz, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidenten! Meine Damen und Herren, die Lobhudelei der Koalition war so stark, dass sogar das Licht ausgefallen ist.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Sie sind doch der Schatten- mann!)

Noch in der alten Legislaturperiode, am 3. Dezember 2002, also vor gut fünf Jahren, hatte die damalige SPD-Landesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Rechte für Behinderte regeln sollte. Es verhält sich ein bisschen anders, als es hier dargestellt worden ist, also dass es sozusagen kurz vor Toresschluss war und das deshalb nicht habe gemacht werden können. Es gab sehr wohl Vorschläge, wie man das hätte umsetzen können. Es war die damalige CDU-Fraktion, die das abgelehnt hat und eine Beratung in den Ausschüssen blockiert hat - weil das Gesetz nicht vor der Landtagswahl verabschiedet werden sollte, meine Damen und Herren. Die Begründung war, der Gesetzentwurf sei nicht der große Wurf gewesen,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das war er auch nicht!)

und nach der gewonnenen Landtagswahl werde man unverzüglich einen weitergehenden Gesetzentwurf vorlegen.

(Zuruf von Norbert Böhlke [CDU])

- Wir hatten damals noch einen etwas anderen Umgang als den, den Sie, Herr Böhlke, zwischenzeitlich in diesem Parlament eingeführt haben.

(Beifall bei der SPD)

Was dann folgte, war beispiellos. Sie haben es geschafft, Ihrer bundesweit ohnehin stark beachteten Politik gegen Behinderte einen neuen Superlativ hinzuzufügen. Niedersachsen wurde das einzige Bundesland, in dem behinderten Menschen ein Gleichstellungsgesetz beharrlich verweigert wurde. Die mangelnde Einigungsfähigkeit der Landesregierung wurde offen auf dem Rücken der Behinderten ausgetragen. Es wurden Hoffnungen geweckt, dann wurden die Behinderten wieder hingehalten. Was bei anderen die jährlichen Neujahrsansprachen waren, kehrte bei Ihnen jährlich, vier Jahre lang, im April wieder. Es gab dann nämlich unverbindliche Zustandsbeschreibungen und Ankündigungen, wie es mit dem Gesetz weiterginge, wie der Stand gerade sei.

Die zuständige Sozialministerin hat in diesen vier Jahren, was die Durchsetzung des Behindertengesetzes betrifft, wie so oft in der Sozialpolitik in Niedersachsen nur eine Statistenrolle eingenommen. Das, was hier in der Sozialpolitik überhaupt beschlossen werden darf, bestimmt der Finanzminister oder im Zweifel der Ministerpräsident, aber nicht die Sozialministerin, meine Damen und Herren.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Wenn er nicht gerade im Kampfjet sitzt!)

Dieser Umgang mit behinderten Menschen zieht sich wie ein schwarzer Faden durch diese Legislaturperiode und ist zu einem unverwechselbaren, aber unrühmlichen Markenzeichen Ihrer Sozialpolitik geworden.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden diesen Stil ändern, und wir werden mit veränderten Mehrheitsverhältnissen nach der

Landtagswahl zu einer partnerschaftlichen Sozialpolitik in Niedersachsen zurückkehren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Denken Sie an die Wahrheit, Herr Schwarz!)

Wir haben in dieser Legislaturperiode dreimal Initiativen eingebracht, um die Gesetzgebung zu beschleunigen: am 15. Mai 2003, am 23. Februar 2005 und am 13. Juli 2006. Im Februar 2005 haben wir konsequenterweise unseren alten Gesetzentwurf wieder eingebracht, um der offensichtlich überforderten Landesregierung die Arbeit zu erleichtern. Beides, d. h. unseren Gesetzentwurf und die Entschließungsanträge der Opposition, haben Sie fast die komplette Legislaturperiode unbearbeitet liegengelassen. Dieses ist meines Erachtens nicht nur ein schlechter Umgang mit den Minderheiten in diesem Haus. Es zeugt von einem gestörten Demokratieverständnis, aber es deutet auch Ihre Hilflosigkeit bei diesem Thema, von der Sie erfasst waren, an.

(Beifall bei der SPD)

Beim Theama Kindergesundheit verfahren Sie im Übrigen nicht anders. Auch Entschließungsanträge und Gesetzentwürfe dazu werden seit zwei Jahren konsequent liegengelassen. Auch dort machen Sie nur Symbolpolitik, weil die Inhalte fehlen.

In einer vertraulichen Auflistung der Landesregierung vom 8. Mai 2005 heißt es zur Zukunft des Behindertengleichstellungsgesetzes:

„Der Gesetzentwurf soll nur noch grundsätzlich für die Landesverwaltung gelten und auf alle strittigen Regelungen verzichten.“

Meine Damen und Herren, dieses brachte dann allerdings das Fass bei den Behinderten endgültig zum Überlaufen. Am 8. Februar dieses Jahres erklärten die Behindertenverbände:

„Hier entsteht der Eindruck, dass der vorliegende Text mit allen seinen Lücken lediglich verfasst wurde, um erst einmal Ruhe vor den berechtigten Forderungen von Menschen mit Behinderung zu haben.“