2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass vor einer Entscheidung über die Zukunft der staatlichen Mittelinstanz eine sorgfältig betriebene, ergebnisoffene Aufgabenkritik durchgeführt werden muss?
3. Hat die Landesregierung mittlerweile eine solche ergebnisoffene Aufgabenkritik durchgeführt, an deren Ende sowohl die Abschaffung als auch die - in anderen Bundesländern aus guten Gründen betriebene - Stärkung der staatlichen Mittelinstanz als Bündelungsbehörde stehen kann?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat eine umfassende Verwaltungsreform angekündigt, und zwar aus zwei Gründen.
Erstens aufgrund unserer katastrophalen finanziellen Situation. Darüber haben wir gestern schon ausführlich gesprochen. Darüber hinaus ist unsere Personalkostenquote viel zu hoch. Deshalb führt an einem Personalabbau kein Weg vorbei. Außerdem müssen wir uns überlegen, welche Pensionslasten wir noch zu bewältigen haben. Deshalb muss in einem großen Umfang Personal abgebaut werden.
Zweitens führen wir diese Verwaltungsreform durch, weil wir durch eine schlanke und moderne Verwaltung ein besonderer Dienstleister für die Wirtschaft sein können und weil das immer mehr zu einem Wirtschaftsfaktor wird. Niedersachsen wird am Ende dieser Verwaltungsreform eine Verwaltung haben, die, was den Dienstleistungscharakter angeht, in Deutschland Modellcharakter hat. Das ist für uns ein ganz wichtiges Ziel, und das müssen wir in diesem Zusammenhang immer mit benennen.
Wir haben vor der Wahl angekündigt, dass wir mindestens 6 000 Stellen abbauen. Der Ministerpräsident hat dies in der Regierungserklärung noch einmal festgeschrieben.
Die Stabsstelle Verwaltungsmodernisierung hat die Gespräche mit den einzelnen Ressorts geführt. Wir sind froh, dass wir schon jetzt, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt, feststellen können, dass wir dieses Ziel nicht nur erreichen, sondern sogar bei Weitem überschreiten werden. Die Mindestzahl ist mittlerweile auf 6 743 Stellen festgelegt worden.
Dies ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wir wissen, dass wir es erreichen können. Die Landesregierung geht diese Aufgabe sehr geschlossen und sehr entschieden an. Die Ressorts haben zugearbeitet und sind bereit, diese große Aufgabe insgesamt zu bewälti
gen. Dafür möchte ich mich bei den Ministerien und bei meinen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich bedanken.
Meine Damen und Herren, es war wichtig, die Aufteilung auf die Ressorts schon jetzt vorzunehmen; denn damit herrscht schon jetzt Klarheit, welche Anstrengungen erwartet werden. Gleichzeitig kann der sozialverträgliche Abbau der Stellen bereits beginnen. Der generelle Einstellungsstopp unterstützt diese Möglichkeiten. Die Zielvorgaben geben dem Prozess der Modernisierung Richtung und Orientierung. Sie sind nach allen Erfahrungen in der Wirtschaft und Verwaltung unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Reformen.
Ich komme nun zu Ihrer ersten Frage. Grundlage für die Ermittlung der Einsparpotenziale war eine Vielfalt von Ansätzen. Diese Reform unterscheidet sich sehr stark von der Verwaltungsreform der alten Landesregierung. Der Ministerpräsident a. D. Gabriel hat vor der Wahl noch gesagt, er wolle, um eine Verwaltungsreform durchführen zu können, erst einmal eine Arbeitsgruppe bilden, Gutachten in Auftrag geben und generell über Verwaltungsreform nachdenken. Diese Zeit haben wir aber nicht mehr. Ferner verhält es sich so, dass wir eben kein Erkenntnisdefizit haben, sondern ein Handlungsdefizit. Meine Damen und Herren, Sie haben schon in der Vergangenheit viele Gutachten in Auftrag gegeben; Sie haben viele Berichte bekommen. Das Problem ist, dass Sie all dieses in die Schublade gelegt und anschließend nicht gehandelt haben. Wir haben die Schubladen geöffnet; wir haben die Ergebnisse wieder auf den Tisch gelegt. Daher haben wir die Erkenntnisse und können jetzt schon aufgrund dieser Erkenntnisse handeln.
Es ist natürlich auch sehr hilfreich, dass wir den Sonderstaatssekretär Meyerding für diese Aufgabe berufen haben. Denn er hat über die verschiedenen Bereiche der niedersächsischen Landesverwaltung Erkenntnisse und kann diese jetzt in den Reformprozess optimal einbringen. Deshalb sind wir schon nach einem halben Jahr so weit. Ich kann verstehen, dass Sie darüber sehr erstaunt sind.
Staatlichen Baumanagement. Wertvolle Informationen ergaben sich aus Prüfungen des Landesrechnungshofes, beispielsweise beim Landesamt für Statistik. Einbezogen wurden die Rationalisierungspotenziale durch Technikeinsatz, etwa in der Bezügebearbeitung. Absehbare Rückgänge von Aufgaben wurden berücksichtigt, beispielsweise in der Kriegsopferversorgung. Die Möglichkeiten von nahe liegenden Privatisierungen waren eine weitere Grundlage, z. B. in der Vermessung und in der Straßenunterhaltung. Dies gilt auch für die Stärkung der Kammern, beispielsweise durch die Übertragung der Handelsregister. Darüber hinaus werden wir die Kooperation mit anderen Ländern erheblich ausweiten. Sie wissen, dass wir ein ganz konkretes Projekt mit Bremen verabredet haben. Hier geht es um das Landesamt für Statistik. Aber auch weiter gehende länderübergreifende Maßnahmen sind schon geplant und teilweise sogar auf den Weg gebracht worden.
Leitgedanken sind die Reduzierung des Staates auf seine Kernaufgaben, die Nutzung von Synergieeffekten und die Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten unserer Kommunen. Dies ist der Ausgangspunkt für eine flächendeckende Aufgabenkritik. Sie wird für alle Aufgaben durchgeführt und klärt, welche Aufgaben wegfallen, reduziert oder vereinfacht werden können, welche auf Kommunen oder andere Einrichtungen verlagert werden können, welche Aufgaben durch Dritte im Rahmen einer Privatisierung besser wahrgenommen werden können und wie die Geschäftsabläufe der weiter in der Landesverwaltung wahrzunehmenden Aufgaben optimiert werden können.
Deutlich wird dies an den rund 20 laufenden Projekten im Zusammenhang mit der Auflösung der Bezirksregierungen. In allen Projektaufträgen sind die Aufgabenkritik und die Zielvorgaben zum Stellenabbau verankert. Daraus sind konkrete Konzepte zu entwickeln, wie die Aufgaben künftig wirtschaftlicher und zweckmäßiger wahrgenommen werden können. Zur Aufgabenkritik sind die zahlreichen Vorschläge aus den Kommunen, den Bezirksregierungen und den Verbänden sehr wertvolle Hilfen. Sie fließen direkt in die Arbeit der Projektgruppen ein, in denen z. B. die kommunalen Spitzenverbände vertreten sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung aussprechen, die in diesen 20 Projekten tätig sind. Sie müssen das zum Teil neben der normalen Arbeit erledigen. Es ist
natürlich nicht so ganz einfach, wenn man über den eigenen Arbeitsplatz diskutieren und dort Ergebnisse erzielen soll. Ich bin sehr dankbar dafür, wie motiviert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung an diesem Reformprozess mitarbeiten. Das ist nicht selbstverständlich. Meinen herzlichen Dank!
Zusätzlich wollen wir künftig die Wahrnehmung der Aufgaben für das Land auf neue Grundlagen stellen. Wir setzen Vertrauen in die Kommunen und unsere Landesbehörden vor Ort. Sie sind leistungsfähig und kompetent, genauso wie die Bediensteten in der Mittelbehörde. Deswegen wollen wir künftig die Aufsicht auf das Notwendigste beschränken. Genehmigungsvorbehalte und Widerspruchsverfahren werden deutlich reduziert. Wo Widerspruchsverfahren nicht wegfallen können, sollen die Ausgangsbehörden darüber entscheiden. Für mich bedeutet dies auch eine neue Kultur des Vertrauens.
Es ist sehr bemerkenswert, wie sich die kommunalen Spitzenverbände, die Landräte, die Oberbürgermeister und Bürgermeister bereits in diesen Reformprozess eingebunden haben. Sie haben eine Liste mit Vorschlägen dahin gehend vorgelegt, welche Aufgaben wegfallen können, aber auch welche Aufgaben die Kommunen übernehmen können. Das ist schon aus dem Grunde bemerkenswert, weil Sie in Ihren 13 Jahren der Verantwortung das Tischtuch mit den kommunalen Spitzenverbänden zerschnitten haben. Ich war zum Teil in Sitzungen von Arbeitsgruppen, in denen kein Vertrauen herrschte. Zu der neuen Landesregierung haben sie nun Vertrauen; sie wissen, dass wir, wenn sie neue Aufgaben übernehmen, das fair machen und dass dann auch ein Ausgleich gewährt wird. Sonst geht es nicht. Sichergestellt ist, dass wir immer die wirtschaftlichste Lösung haben werden. Einen herzlichen Dank an diejenigen, die uns in dieser Weise unterstützen!
Wir fassen zusammengehörende Aufgaben in vorhandenen Behörden zusammen. Allein daraus ergeben sich beachtliche Synergieeffekte. Ich möchte das einmal für die Bezirksregierungen beleuchten. Hier handelt es sich um diejenigen Dezernate, die Querschnittsaufgaben übernehmen. Wenn Sie sich
vorstellen, dass allein in diesen Dezernaten fast 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind, dann werden Sie ersehen, welches Einsparpotenzial sich allein dort ergibt. Wenn man diese Aufgaben mit denen von anderen Behörden zusammenführt, fallen diese Querschnittsaufgaben nicht mehr an. Allein dadurch können wir einen enormen Einspareffekt erzielen.
Die weitgehende Verlagerung auf die Kommunen vermeidet vielfach mehrstufige Entscheidungsverfahren und teilweise sogar echte Doppelarbeit. Dies gilt z. B. für die Prüfung von Verwendungsnachweisen in kommunalen Prüfungsämtern und in Landesbehörden.
In den beiden weiteren Fragen geht es um die Neugestaltung der Mittelinstanz und die Sicherstellung einer nachhaltigen Aufgabenkritik. Die Landesregierung hat sich eindeutig für die Auflösung der Bezirksregierungen ausgesprochen. Ziel ist eine weitgehende Zweistufigkeit der Landesverwaltung. Die Auflösung der Bezirksregierungen ist die Grundlage unserer Arbeit, und sie ist nicht umkehrbar. Bitte nehmen Sie doch wenigstens jetzt, nach einem halben Jahr, zur Kenntnis, dass diese Landesregierung exakt das macht, was sie vor der Wahl angekündigt hat.
Wir haben vorher gesagt, dass wir die Bezirksregierungen abschaffen werden, und genau dieser Prozess ist eingeleitet worden. Wir haben dafür einen breiten Wählerauftrag bekommen. Auch jetzt, mitten im Reformprozess, hören wir überall im Lande, dass genau das der richtige Weg ist. Wenn Sie Aufgaben abbauen wollen, wenn Sie eine Aufgabenkritik leisten wollen, wenn Sie staatliche Aufgaben auf Restbestände reduzieren wollen, auf das, was absolut notwendig ist, wäre es doch ein Irrsinn, wenn die Bezirksregierungen in dieser Form weiter erhalten würden. Deshalb kann man zum jetzigen Zeitpunkt mit ruhigem Gewissen sagen: Sie müssen abgeschafft werden, damit wir eine moderne, schlanke Verwaltung erhalten. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Die Aufgabenkritik findet statt. Ich behaupte - ich kann das auch nachweisen -, dass in diesen Projektgruppen die größte Aufgabenkritik stattfindet, die überhaupt jemals in diesem Land erledigt wor
den ist. Das ist auch der Unterschied zu den Reformprozessen in der Vergangenheit. Für uns ist es wichtig, nicht einfach nur Stellen abzubauen, sondern auch klar zu machen, dass eine Aufgabenkritik stattfinden muss. Denn sonst würde das nur eine Arbeitsverdichtung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten. An dieser Stelle will ich noch einmal deutlich sagen, weshalb es so wichtig ist, dass von Anfang an Zielvorgaben auch hinsichtlich des Stellenabbaus gemacht werden. Wenn ich einfach nur sage: „Überlegt doch in den Arbeitsgruppen, was da passieren kann“, ist der Reformdruck natürlich nicht da. Wenn ich aber auch aufgrund von Erkenntnissen - ich habe es ja gerade dargelegt - sagen kann, dass mindestens eine gewisse Anzahl von Stellen abgebaut werden kann, dann ist doch einsichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein eigenes Interesse daran haben, dass Aufgaben abgebaut werden, damit die Arbeitsverdichtung nicht stattfindet. Deshalb haben wir diesbezüglich schon Vorschläge bekommen. Das zeigt, dass dies genau der richtige Weg ist. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass nur so eine wirklich intensive und vorbehaltlose Prüfung erfolgt. Der in der Anfrage, aus welchen Gründen auch immer, als verhältnismäßig klein bezeichnete Anteil von rund 1 200 Stellen, die sich allein durch die Auflösung der vier Bezirksregierungen ergeben, führt letztlich zu einer Personalkostenentlastung von rund 48 Millionen Euro jährlich.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich dann noch den Bereich der Polizei vor Augen führen - dieser Bereich ist bereits anders geregelt; wir werden Polizeidirektionen einrichten -, dann werden Sie feststellen, dass wir insgesamt über rund 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reden, die im Prinzip keinen Sitz mehr bei der Bezirksregierung haben. Wir werden den Reformprozess abwarten und sehen, wie viel dann noch notwendig ist.
Je früher wir beginnen, umso eher können wir den Haushalt wirksam entlasten. Dabei steht außer Frage, dass der Modernisierungsprozess auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialverträglich gestaltet wird und deswegen seine Umsetzung über einen längeren Zeitraum erfolgt.
Meine Damen und Herren, ich kann gut nachvollziehen, dass es - gerade bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - auch Unruhe gibt. Das ist bei einem solch umfangreichen Reformprozess völlig klar. Ich sage ganz deutlich: Es geht hierbei nicht nur um die Bezirksregierungen, sondern es werden
alle Aufgaben auf den Prüfstand gestellt. Wir werden nicht nur die Bezirksregierungen abschaffen, sondern wir werden in einem erklecklichen Umfang auch Landesämter abschaffen.
Schauen Sie sich in der Schulverwaltung nur einmal die Außenstellen der Bezirksregierungen und deren Aufgabenzuschnitt an. Die Außenstellen befinden sich gewissermaßen am Gängelband und können nicht selbst entscheiden. Auch das wird es in Zukunft nicht mehr geben; auch sie werden abgeschafft.
Auch die Ämter für Agrarstruktur, über die hier immer wieder diskutiert wird, werden in dem bisherigen Aufgabenbestand abgeschafft. Das sollten wir ganz klar sagen. Der Abbau von Ämtern wird noch in einem ganz anderen Umfang erfolgen.
Ich kann die Verunsicherung im Moment nicht ausräumen, weil wir erst einmal die Ergebnisse aus den Projektgruppen abwarten müssen. Wir haben einen engen Zeitrahmen gesetzt. Bis zum 30. November dieses Jahres müssen die Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Danach werden wir sie auswerten und für das Land Niedersachsen eine neue Verwaltungsstruktur zusammenbauen. Spätestens Mitte nächsten Jahres werden wir dieses Gesamtwerk präsentieren können.
Meine Damen und Herren, Sie können sicher sein, dass am Ende dieses Prozesses ein sehr guter Tag für dieses Land stehen wird, weil wir dann eine wirklich moderne Verwaltung haben werden, also einen Dienstleister, für den Wirtschaft und Bürger Kunden sind. Aber, meine Damen und Herren, es wird ein schwieriger Tag für den linken Teil des Landtages, für den es immer schwieriger wird, auf diesen fahrenden Zug aufzuspringen.
Meine Damen und Herren, Sie haben angekündigt, Veranstaltungen für den Erhalt der Bezirksregierungen durchzuführen. Ich weiß genau, dass wir in der Bevölkerung eine breite Zustimmung für unseren Prozess haben. Es wird für Sie schwer werden, Mitte nächsten Jahres zu erklären, dass das, was die Landesregierung gemacht hat, nicht der richti