Protocol of the Session on September 12, 2007

Was ist denn mit den Budgets, die den Schulen für Fort- und Weiterbildung und für die Eigenverantwortliche Schule zur Verfügung stehen sollen? Was ist denn mit den Unterstützungsmaßnahmen? Die Landesschulbehörde hat dafür ja gar kein Personal mehr, so ausgedünnt ist sie.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie müssen die Schulverwaltungsblätter lesen, Frau Eckel!)

Sie lassen sich mit einem neuen Unterstützungssystem Zeit. Derweil lassen Sie die Schulen im Regen stehen.

Auf welchen Lorbeeren wollen Sie sich eigentlich ausruhen? - Ein paar haben Sie vorhin genannt, Herr Klare: Sprachförderung - stammt von uns -, Verlässliche Grundschule - stammt von uns -, Ganztagsschule - stammt von uns.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Bei der Unterrichtsversorgung geben Sie sich Mühe.

(Oh, Oh! bei der CDU)

Aber wir wissen doch, dass die Eltern nicht damit zufriedenzustellen sind, dass die Statistik stimmt, wenn Sie einmal 100 % erreichen. Wir wissen, dass es regionale Unterschiede gibt, dass die Eltern, solange Stunden ausfallen - egal aus welchem Grund -, um eine bessere Versorgung kämpfen werden. Sie haben ja auch recht damit; denn wenn man für Kinder das Beste erreichen will, dann geht es darum, dass sie ihre individuellen Entwicklungsmöglichkeiten entfalten können, dass eine Unterstützung vorhanden ist, also eine

Unterstützung nicht nur durch Lehrkräfte, sondern auch durch Fachpersonal vorhanden ist. Dafür ist noch viel zu tun.

Das Beste aber würden wir erreichen, wenn es gelänge, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und der Schullaufbahn aufzubrechen. Da haben Sie überhaupt noch nichts erreicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben die Hausaufgaben, die uns durch PISA und die UN aufgegeben worden sind, nicht gemacht. Bei uns in Niedersachsen sind Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt und insbesondere in den Förderschulen Lernen und in den Hauptschulen überrepräsentiert.

Sie gehen überhaupt nicht auf den Elternwunsch ein, dass die Kinder nicht nach Klasse vier aufgeteilt werden sollen. Sie gehen nicht darauf ein, dass das Gesamtschulerrichtungsverbot von den Eltern bekämpft wird. Sie gehen nicht darauf ein, weil Sie das dreigliedrige System einfach durchkämpfen wollen, egal, was um Sie herum passiert.

(Beifall bei der SPD)

Es geht doch darum, Kindern die Möglichkeit zu geben, in einer neuen Lernwelt zu lernen. Wir brauchen eine humane Lernkultur.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Was sind denn das für schicke Begriffe?)

Sie gehen überhaupt keine Schritte in diese Richtung. Nichts! Herr Klare, Sie stellen sich hierhin, zählen einzelne Dinge auf, die Sie auf den Weg gebracht haben, aber Sie haben nichts zu Ende gebracht.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist überschritten.

Eine Sache möchte ich noch ansprechen, weil wir in der Aktuellen Stunde so aktuell sind. - Statt sich darum zu kümmern, dass sich die Qualität wirklich verbessert, dass die Kinder mehr Chancen haben, lässt der Herr Minister Bücher schreiben. Das habe ich heute morgen in meinem Fach gefunden.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Übri- gens ein sehr gutes!)

- Ich will gar nicht bezweifeln, dass es gut ist. Es ist hauptsächlich von Mitarbeitern des Ministers geschrieben. Das Ministerium hat 1 000 Exemplare gekauft - das alles habe ich der Zeitung entnommen -, macht Werbung auf seiner Homepage und erwartet, dass die Schulen, die bei der Umsetzung und beim Wandel zu einer Eigenverantwortlichen Schule Orientierung suchen, sich dieses Buch kaufen. Es ist ja ein Leitfaden für die Eigenverantwortliche Schule.

Frau Abgeordnete, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.

Der letzte Satz. - Herr Minister, ist das der Ersatz für die fehlende Umsetzung und die fehlenden Unterstützungsmaßnahmen? - Das kann es doch nicht sein! Das, finde ich, ist doch wirklich peinlich.

(Beifall bei der SPD)

Für die Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Abgeordnete Helmhold das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klare, ich habe ja damit gerechnet, dass Sie sich hier ein bisschen brüsten wollten, aber dass es so ganz im Stil von Pippi Langstrumpf zugeht, habe ich doch nicht erwartet.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Die Frisur ist anders!)

„Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt!“, singt Pippi. In der Politik funktioniert dieses Prinzip aber nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deswegen möchte ich mir mit Ihnen gemeinsam etwas genauer ansehen, wie die Welt in Niedersachsen zum Schulbeginn aussieht.

Zum Ersten stehen Sie vor den Trümmern Ihrer Schulreform. Selbst die von Ihnen gehätschelten Gymnasien entwickeln ja keine rechte Freude über das, was da passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Über 30 Kinder in überfüllten Klassenräumen, meine Damen und Herren! So etwas wie andere Unterrichtsformen - Stuhlkreise, Tischarbeit - ist überhaupt nicht möglich, weil allein schon der Platz nicht ausreicht. Durch die Verkürzung der Schulzeit haben die Kinder regelmäßig nachmittags Unterricht und lange Arbeitstage. Im Erwachsenenbereich würde das Gewerbeaufsichtsamt dabei allmählich anfangen, sich für so etwas zu interessieren. Der Kultusminister sagt in seiner Pressekonferenz einmal eben schlankweg: Wie die Schulen und die Kinder mit dieser Belastung umgingen, sei ihm tatsächlich egal oder würde ihn nicht interessieren. - So verstehen wir die Eigenverantwortliche Schule aber nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Überfüllte Klassen, jede Menge Unterrichtsausfall. Wenn Sie die Statistik schönrechnen, glauben Ihnen die Eltern das nicht. Sie sehen nämlich, was jeden Tag passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Zweiten. Der Hauptschule gehen inzwischen die Kinder aus. Ihr System, meine Damen und Herren, implodiert doch gerade. Die Eltern wählen dieses ungerechte, selektierende System ab. Sie wollen diese Schulform für ihre Kinder nicht. Und was machen Ministerpräsident Wulff und sein Kultusminister? - Sie weigern sich beständig, diese Realität einmal zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, da haben wir doch praktisch die letzten Ritter von der traurigen Dreigliedrigkeitsgestalt vor uns. Sie reiten das tote Pferd Hauptschule und kämpfen gegen den Elternwillen. Das geht nicht mehr lange gut; denn in Niedersachsen wählen die Eltern eine von Ihnen propagierte Schulform nicht nur de facto ab, nein, es ist noch viel schlimmer: Sie kriegen auch nicht die Schulform, die sie für ihre Kinder wollen. 2 300 Kinder sind zu Schuljahresbeginn an Gesamtschulen abgewiesen worden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie diskri- minieren alle Hauptschüler in Nieder- sachsen, die einen vernünftigen Ab- schluss haben! Das ist unerhört! Das werden wir einmal allen Hauptschulen schicken!)

Das Beste, meine Damen und Herren, wäre an dieser Stelle doch, wenn Sie den Elternwillen endlich einmal respektieren würden;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn für das Verbot der Errichtung von Gesamtschulen gehen Ihnen nun doch wirklich die Gründe aus, wenn Sie denn jemals welche hatten. Es gibt nur noch einen einzigen Grund. Der Kultusminister sagt: Die Gründung neuer Gesamtschulen ist verboten. Das habe ich ins Schulgesetz geschrieben. Deshalb ist das so. - Einen anderen Grund gibt es nicht.

Das Beste für unsere Kinder wäre, meine Damen und Herren, wenn es in Niedersachsen endlich die gemeinsame Schule gäbe, in der jedes Kind individuell gefördert werden könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Merken Sie eigentlich nicht, wie isoliert Sie in dieser Frage inzwischen sind? - Die Kollegen des Ministerpräsidenten in Hamburg und in Berlin sind offensichtlich viel dichter am Puls der Bevölkerung. Dort hat schon längst ein Umdenken begonnen. Die Kollegen dort sind sehr viel weiter als die Landesregierung hier. Herr Wulff, Sie müssen so langsam aufpassen, dass Sie am Ende nicht als Klassenletzter allein in der letzten Hauptschule dieser Republik sitzen und sich darüber wundern, warum Sie abgewählt worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Eltern wollen für ihre Kinder das Beste. Das aber kriegen sie von dieser Landesregierung nicht.

Einmal ehrlich - ich spreche jetzt ganz besonders die Herren und die wenigen Damen von der FDP an -: Ist das eigentlich mit Ihrem Freiheitsbegriff vereinbar? Muss eine Bevölkerung nicht die Schulform bekommen, die sie nachfragt? Wäre das nicht tatsächlich das Beste für die Eltern und die Kinder in unserem Land? - Von Ihrem Abgeordneten Schwarz, der gleich noch sprechen wird - ich möchte ihn bitten, sich auch dazu zu äußern -, haben wir ja sogar schon gehört, dass er den Elternwillen insgesamt infrage stellen will.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie tun es doch auch!)

In dem Zusammenhang, in dem wir das diskutieren, ist das meiner Meinung nach ein politischer Offenbarungseid, meine Damen und Herren.