Protocol of the Session on July 12, 2007

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Der hat die Kinder alle in die Gesamtschulen reingezwungen!)

Ein Überangebot an Gesamtschulen kann nämlich andere Schulformen, z. B. die Hauptschule, auslaugen. Das ist der Trend und übrigens auch der Grund, warum sich Gesamtschulen mit Händen und Füßen dagegen wehren, von der Vierzügigkeit auf die Achtzügigkeit umzusteigen. Die Gesamtschulen werden mit Kindern überschwemmt, die Hauptschulempfehlungen haben. Das ist ein sehr ernstes Problem, weil dadurch das Profil der Gesamtschule gefährdet wird. Das war meine erste Bemerkung.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihr Haus be- reitet sich schlecht auf die Antworten vor!)

Zweite Bemerkung: Das Schulerrichtungsverbot, von dem in dem Kommentar die Rede ist, hat nicht der Kultusminister verfügt. Ich bin selbstbewusst

genug, für das, was ich als Minister wollte und was von diesem Parlament auch beschlossen wurde, den Kopf hinzuhalten. Dazu bin ich bereit. Das Gesamtschulerrichtungsverbot ist aber eine Bestimmung des Niedersächsischen Schulgesetzes, die dieses Haus richtigerweise und mit großer Mehrheit beschlossen hat.

(Lachen bei der SPD und bei den Grünen)

Die Bezeichnung „monströse Schule“ ist zum Irrwort geworden. Aber nicht alles, was als monströs bezeichnet wird, ist so dramatisch, dass man es nicht vertreten kann. In diesem Land gibt es Gymnasien und andere Schulen, die von jeweils 2 000 oder mehr Schülerinnen und Schülern besucht werden. Es gibt auch Gesamtschulen, die mehr als 2 000 Schülerinnen und Schüler haben. Wenn das nicht stimmt, muss man mich korrigieren. Man kann nicht sagen, dass diese Schulen aufgrund ihrer Größe zum Scheitern verurteilt sind. Es gibt Berufsschulen, die von 3 000 und 4 000 jungen Leuten besucht werden und ein Lehrerteam von 200 Leuten haben. Das mutet zwar monströs an, es handelt sich aber um funktionierende Systeme. Man muss die Situation sehr genau beleuchten. Pauschale Vorwürfe sind nicht hilfreich.

Solche Kommentare gehören zu einer offenen Gesellschaft. Die Medien haben ihre eigene Meinung. Die Meinung hängt oft vom Standort ab, sie wird dadurch geprägt. In anderen Regionen wird das völlig anders gesehen und kommentiert. Damit müssen Sie ebenso wie ich leben. Ich lebe gut damit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Korter, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Busemann, ich stelle fest: Für einen Kultusminister haben Sie erschreckend wenig Ahnung von den Schulmodellen und von den Konzepten, die wir vorgelegt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Busemann, Sie haben die Leistungsfähigkeit der niedersächsischen Gesamtschulen infrage

gestellt. Das tun Sie und Ihr Kollege Klare immer wieder gerne, auch in Podiumsdiskussionen.

Sie sollten diesem Hohen Hause nicht vorenthalten - das möchte ich betonen -, dass es gar keine gesonderte PISA-E-Auswertung der niedersächsischen Gesamtschulen gibt. Ich bin gespannt, zu hören, worauf Sie sich in diesem Zusammenhang beziehen. Sie behaupten, dass die Leistungsfähigkeit der niedersächsischen Gesamtschulen schlechter ist als die des selektiven Systems. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Können Sie bestätigen, dass die Gesamtschulen in Niedersachsen bei der Schulinspektion besser abgeschnitten haben als die anderen Schulen?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Frau Kollegin, wir haben uns über diese Frage hier schon ein paar mal ausgetauscht. Der Begriff „Selektion“ ist in Deutschland bedauerlicherweise von anderen Leuten besetzt worden.

(Zustimmung bei der CDU)

Diesen Begriff möchte ich in diesem Zusammenhang nicht hören.

(Heinrich Aller [SPD]: Das ist un- glaublich!)

- Das ist nicht unglaublich, Herr Aller, das habe ich hier schon ein paar Mal gesagt. Sie verfolgen einen miesen politischen Stil in der Diskussion über Modelle, die die eine und andere Seite zur bestmöglichen Förderung unserer Kinder vorgelegt haben. Nach Ihrer Meinung sind die einen im Besitz der Wahrheit, und die anderen sind die Selektierer, wie Sie sich auszudrücken belieben. Das ist nicht in Ordnung. Das spiegelt Ihre Geisteshaltung wider.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte es für verwerflich, dass Sie suggerieren, Eltern wüssten nicht immer, was das Beste für ihre Kinder ist.

Zum Thema PISA: Es gibt keine Einzelauswertung im Rahmen von PISA, die sich auf die niedersächsischen Gesamtschulen bezieht. Deswegen habe

ich die Frage vorhin so differenziert beantwortet. Wir haben den Gesamteindruck, der in der PISAStudie zum Ausdruck kam, bezogen auf die Sekundarstufe I von Deutschland auf Niedersachsen übertragen. Die Sekundarstufe II kann man in die Beurteilung so nicht einbeziehen.

Es findet eine Schulinspektion im Lande statt. Den aktuellen Stand kenne ich nicht. Von den 3 000 Standorten haben wir 1 000 Standorte erstmals inspiziert. Darunter befinden sich auch Gesamtschulen. Wir können aber nicht mit Sicherheit und empirisch belegbar sagen, dass sie so oder so sind. Ich habe den Eindruck, dass die Gesamtschulen nicht im Spitzenbereich anzusiedeln sind; möglicherweise sind sie aber auch nicht im unteren Bereich anzusiedeln.

(Ina Korter [GRÜNE]: Das ist ja wohl ein Hammer! Das müssen Sie mal mit Zahlen belegen!)

- Vorsicht! - Um es ganz klar zu sagen: Ich lasse mich von Ihnen nicht in eine bestimmte Ecke drängen. Die 59 Schulen, die es im Land gibt, haben wir bewusst so belassen, weil sie im Rahmen unseres Schulsystems und an diesen Standorten bestimmte Funktionen erfüllen und gebraucht werden. Diese Schulen sollen auch die Möglichkeit zur Entwicklung haben. Ich habe mir oft anhören müssen, ich sei ein Gegner und man müsse mich antreiben, damit ich eine Oberstufe genehmige. Dafür gibt es aber ganz bestimmte Regeln: Wenn die notwendige Schülerzahl erreicht ist, wird die Oberstufe an einer Gesamtschule genehmigt. Wenn das aber nicht der Fall ist, sagt der Kultusminister Nein. Das geht nach Recht und Gesetz und nicht nach Herzenslage. Das sollte klar sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Kollegin Eckel, bitte schön!

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten sich 2003 ganz bewusst dafür entschieden, durch das Errichtungsverbot die Dreigliedrigkeit zu stärken. Nun sehen Sie aber als Folge, dass die Hauptschule als Schulform immer weiter abgewählt wird, dass 50 % der niedersächsischen Hauptschulen nur noch einzügig sind und dass der Run auf die Gesamtschulen unvermindert anhält und sich sogar verstärkt.

(Joachim Albrecht [CDU]: Der Run auf die Gymnasien ist viel größer!)

Welche Überlegungen gibt es denn in Ihrem Ministerium, um diese Entwicklung aufzufangen, und wo liegt bei den Anmeldungen für die Hauptschule Ihre Schmerzgrenze? Wann sind Sie bereit, zu sagen: Diese Hauptschule kann so nicht mehr existieren, wir müssen einen anderen Weg einschlagen?

(Beifall bei der SPD - Reinhold Coe- nen [CDU]: Wir haben schon längst einen anderen Weg eingeschlagen!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister!

Herr Präsident! Frau Kollegin, der Run auf die Gesamtschulen ist da, wo die Gesamtschulen sind.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Sonst geht es ja auch nicht! - Ina Korter [GRÜNE]: Eine tolle Erkennt- nis!)

- Ja, natürlich geht es sonst nicht. - Aber das sollte Sie auch nachdenklich stimmen. Der Run auf die Gesamtschule kommt auch sehr stark aus dem Bereich der Hauptschulempfohlenen. Der Zwischenrufer - ich meine, es war Herr Albrecht - hat mit Recht darauf hingewiesen, dass wir im ganzen Land, von der holländischen Grenze bis zum Harz, einen sehr starken Run auf unsere Gymnasien haben. Ich halte das für eine sehr erfreuliche Entwicklung. Das ist ein bisschen zum Nachteil der Realschulen, die aber einen unverändert hohen Zuspruch haben. Darüber können wir uns doch gemeinsam freuen!

Wir erleben in Bezug auf die Schülerbewegungen vielleicht auch eine demografische Entwicklung. Ich sage Ihnen dazu ganz offen, dass unser Schulgesetz, das im Jahre 2003 hier beraten und beschlossen worden ist, bewusst eine hohe Flexibilität zulässt. Auch bei Verschiebungen von Schülermengen kann man am jeweiligen Standort unter Ausnutzung unserer gesetzlichen Möglichkeiten sehr gut passende, auch verbundene Angebote unterbreiten. Ihnen ist anscheinend völlig entgangen - das sollten Sie recherchieren, wenn Sie gemeinsame Schulen anempfehlen -, dass wir

im Haupt- und Realschulbereich an gemeinsamen Standorten sehr häufig zu organisatorischen Verbindungen gelangen, die ausdrücklich möglich und ausdrücklich gewollt sind und sehr fruchtbar und weitgehend stressfrei arbeiten und somit den Landtag gar nicht beschäftigen. Ich meine, dass die Hälfte der Standorte im Haupt- und Realschulbereich in verbundenen Systemen organisiert ist. Das sind gute Kombinationen.

(Beifall bei der CDU Ingrid Eckel [SPD]: Das war aber keine Antwort auf meine Frage!)

Vielen Dank. - Herr Kollege Jüttner hat jetzt eine Frage.

Herr Präsident! Herr Busemann, von Ihnen nehmen wir keine Ratschläge hinsichtlich der Sprache an;

(Reinhold Coenen [CDU]: Die alte Leier!)

denn Sie haben hier soeben u. a. gesagt, die Schulen in Niedersachsen würden mit Hauptschülern überschwemmt. - Achten Sie einmal auf Ihre eigene Sprache!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun zur zweiten Vorbemerkung. Ich würde Sie als Berater nie einstellen, weil Sie augenscheinlich Grundkenntnisse von Ökonomie und Mathematik nicht haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU)

Herr Busemann, der Kultusausschuss ist im Jahre 2003 mit einer Vorlage aus Ihrem Hause bedient worden, der man entnehmen kann, dass ein gegliedertes Schulwesen teurer als ein integriertes Schulwesen ist. So viel zu Ihren Aussagen. Das können Sie gerne nachsehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)