Protocol of the Session on July 11, 2007

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das habe ich jetzt nicht verstanden! Das war auch nicht zu verstehen! Selbst Herr Althusmann hat es nicht verstanden! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Natür- lich habe ich es verstanden!)

Herr Bode stellt eine zweite Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jüttner, bei aller Kritik, die man an Ihnen und auch an dem Stil, den Sie hier an den Tag gelegt haben, üben kann, muss man Ihnen jedenfalls für eines dankbar sein: Wir können feststellen, dass am 6. dieses Monats in Kiel den Behörden ein Maulkorberlass erteilt wurde und dass sich die Fachabteilung in Schleswig-Holstein geweigert hat, mit der Fachabteilung in Niedersachsen über die Ereignisse zu diskutieren.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das gibt ein schönes Nachspiel! Darauf freue ich mich schon!)

Sie haben heute, nachdem dies bekannt geworden ist, dankenswerterweise mit Ihrer Parteifreundin, Frau Trauernicht, deren Abteilungsleiter oder anderen im Sozialministerium von Schleswig-Holstein telefoniert. Man möchte von diesem Maulkorberlass dort jetzt nichts mehr wissen, sodass die Kommunikation der Fachebenen jetzt wieder möglich ist. Herr Jüttner, dafür müssen wir Ihnen dank

bar sein; denn auf diese Weise kann in Niedersachsen in Zukunft wieder Transparenz herrschen.

Vor dem Hintergrund, dass wir hier eben in der Diskussion und in den Fragen von der SPD und von den Grünen Zweifel an der Informationspolitik des Sozialministeriums des Landes SchleswigHolstein und Zweifel an der zuverlässigen Weitergabe von notwendigen Informationen an die niedersächsischen Behörden, an die kommunalen Behörden und an die Katastrophenschutzbehörden gehört haben, frage ich die Landesregierung: Können Sie sich vorstellen, warum die SPD nach diesen schweren Vorwürfen gegen die Atomaufsicht des Landes Schleswig-Holstein nicht den Rücktritt von Frau Dr. Trauernicht fordert?

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Sander.

(Bernd Althusmann [CDU]: „Dafür sind wir nicht zuständig“, würde ich sagen!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Landesregierung äußern uns erst, wenn wir sichere Erkenntnisse haben. Sollten diese sicheren Erkenntnisse vorliegen, könnte ich mir vorstellen, dass dann auch die SPD diesen Rücktritt fordern könnte.

(Beifall bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Zachow.

Nachdem die Grünen offensichtlich favorisieren, dass der Bundesumweltminister die Aufsicht über die Kernkraftwerke bekommt, frage ich Sie: Halten Sie das wirklich für sinnvoll, wenn man bedenkt, wie langwierig der Informationsfluss im Falle Forsmark war?

(Zuruf: Fragen Sie mal den Bundes- umweltminister!)

Die Frage ist an die Landesregierung gerichtet worden. Herr Minister Sander beantwortet sie.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Zachow, bei vielen Katastrophenfällen können wir immer wieder feststellen - mir wurde in diesem Zusammenhang auch einmal die Frage gestellt -, wie gut der Katastrophenschutz vor Ort organisiert ist und wie tatkräftig man eingreifen kann. Deshalb ist der vor Ort zuständige Katastrophenschutz unabdingbar notwendig.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt gibt es keine weiteren Zusatzfragen.

Ich rufe jetzt auf:

b) Lohndumping und illegale Beschäftigung im Fleisch verarbeitenden Gewerbe Landesregierung bekommt das Problem nicht in den Griff - Menschenentwürdigende Ausbeutung geht weiter - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/3948

Diese Dringliche Anfrage wird durch den Abgeordneten Will eingebracht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits mit dem Entschließungsantrag „Recht und Ordnung auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit in deutschen Schlacht- und Zerlegebetrieben verhindern“ in der Drucksache 1828 aus dem April 2005 hat die SPDFraktion auf die Zustände in der niedersächsischen Fleischwirtschaft hingewiesen.

Illegale Arbeitnehmerüberlassung und Lohndumping schienen auf den Schlachthöfen eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Während der Anhörung im Ausschuss haben die Vertreter des Zolls und der Staatsanwaltschaft diese Einschätzung bestätigt.

Um den anhängigen Entschließungsantrag abschließend beraten zu können, hat der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr u. a. die Staatsanwaltschaft Oldenburg gebeten, über die Fortschritte bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit seit 2005 zu berichten. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat sich vor wenigen Tagen hierzu schriftlich geäußert:

„Staatsanwaltschaft Oldenburg - Stellungnahme zur Entwicklung im Bereich ‚illegale Arbeitnehmerüberlassung und Lohndumping‘ bei der Beschäftigung osteuropäischer Arbeitnehmer

Die Anzahl der Verfahren mit Verdacht auf illegale Arbeitnehmerüberlassung, Beitragsvorenthaltung und Betrug zum Nachteil der Sozialversicherung sowie Lohnwucher hat sich in 2006/2007 auf hohem Niveau stabilisiert. Statistisches Zahlenmaterial gegliedert nach Jahren liegt für die Staatsanwaltschaft Oldenburg nicht vor.

Seit dem 01.01.2007 (EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien) ist der Trend festzustellen, dass insbesondere im Fleisch verarbeitenden Bereich auf Werkverträge mit rumänischen Unternehmen umgestellt wird, da das Lohnniveau dort um ein Vielfaches niedriger liegt als beispielsweise in Polen und Ungarn. Polnische Arbeitnehmer arbeiten nach Branchenauskünften mittlerweile in Großbritannien, weil dort bessere Arbeitsbedingungen herrschen sollen.

Im Bezirk der Staatsanwaltschaft Oldenburg häufen sich Fälle, in denen wegen des Verdachts des Lohnwuchers ermittelt wird. Betroffen sind die Kunststoffbranche, Torfabbau und -verarbeitung, Verpackungsunternehmen und das Fleisch verarbeitende Gewerbe. Es konnten dabei Stundenlöhne von 1 bis 3 Euro festgestellt werden. Zudem sind erhebliche Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu verzeichnen. In mehreren Verfahren sind statt erlaubter 8 Stunden pro Tag durchgehende Arbeitszeiten von 13

bis 16 Stunden pro Tag zu verzeichnen. Kontrollen werden allerdings dadurch erschwert, dass überwiegend keine elektronische Zeiterfassung erfolgt und schriftliche Lohn- und Stundenaufzeichnungen der Subunternehmer bei Durchsuchungen selten aufgefunden werden.“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie die Feststellung der Staatsanwaltschaft Oldenburg, nach der sich die illegale Arbeitnehmerüberlassung in den Jahren 2006/2007 „auf hohem Niveau“ stabilisiert und auf weitere Branchen ausgedehnt hat?

2. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die Landesregierung zur Behebung der Missstände, und was hat sie in den letzten Jahren getan?

3. Mit welchen Mitteln wird sie nach Jahren der Untätigkeit versuchen, gegen die offensichtlich vorhandenen organisierten Strukturen des Lohnwuchers und Sozialabgabenbetruges wirksam vorzugehen?

(Beifall bei der SPD)

Die Anfrage wird namens der Landesregierung von Minister Hirche beantwortet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Illegale Beschäftigung im Fleisch verarbeitenden Gewerbe ist kriminell und schärfstens zu verurteilen und zu bekämpfen. Andererseits muss der Rechtsstaat auch hier bei den Fakten bleiben und legal handeln. Der Zoll ist bekanntlich eine Bundesbehörde und für die Verfolgung der illegalen Beschäftigung und der Schwarzarbeit zuständig.

Sowohl mir als auch Ihnen allen liegt eine Statistik der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls vor. Diese Statistik war Teil der Stellungnahme des Zolls im Rahmen der Anhörung des Niedersächsischen Landtags am 17. Juni 2005. Was war das Fazit? - Bei einer bundesweiten Schwerpunktprüfung in der Fleisch verarbeitenden Industrie sind insgesamt 36 Betriebe in Niedersachsen geprüft

worden. In diesen 36 Betrieben waren 2 281 Fremdkräfte, also Nichtbetriebsangehörige, beschäftigt. Bei diesen 2 281 Beschäftigten hat sich in 10 Fällen - ich wiederhole: in 10 von 2 281 Fällen - der Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Bestimmungen ergeben.

Sie behaupten, illegale Arbeitnehmerüberlassung und Lohndumping schienen auf den Schlachthöfen eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Der Zoll als zuständige Behörde zieht ein Fazit, wonach in 0,5 % aller Fälle Verstöße feststellbar sind. Aus diesen Zahlen ist das von Ihnen behauptete Regel/Ausnahme-Verhältnis jedenfalls nicht zu entnehmen. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Schwerpunktprüfung nicht zuletzt einer Forderung meines Hauses entsprach.

Um Ihnen eine weitere Frage zu ersparen: Ich weiß, diese vom Zoll vorgelegten Zahlen sind aus dem Jahr 2005. Sie selbst haben aber die Aussage der Staatsanwaltschaft Oldenburg herangezogen. Das ist die Behörde, von der Sie glauben, sie als Kronzeugin für angebliche Verfehlungen der Landesregierung - die im Übrigen gar nicht zuständig ist - in Anspruch nehmen zu können, wonach sich die Situation 2006/2007 auf hohem Niveau stabilisiert habe. - Wenn sich etwas stabilisiert hat, dann bewegt es sich nach deutschem Sprachgebrauch auf der Höhe des Vorjahres. Anders kann man das überhaupt nicht bezeichnen. Die Staatsanwaltschaft führt in ihrer Stellungnahme dann auch noch aus - ich bedanke mich, dass Sie das vorgelesen haben -, dass ihr „... statistisches Zahlenmaterial gegliedert nach Jahren nicht vorliegt“. Dann, wenn jemand sagt, ihm liege Zahlenmaterial nicht vor, aber zu der Aussage zu kommen, etwas habe sich auf hohem Niveau stabilisiert, ist dies - das in aller Freundschaft - zumindest zu hinterfragen.

Eine aktuelle Umfrage bei den leitenden Oberstaatsanwälten unseres Landes zeigt, dass die Zahlen mit leichten regionalen Unterschieden seit Jahren in etwa gleich geblieben sind. Einen aufgrund einer steigenden Anzahl von Verfahren erhöhten Personalbedarf haben die leitenden Oberstaatsanwälte in dieser Umfrage konsequenterweise nicht angemeldet.

Der Personalwunsch des Leiters der Staatsanwaltschaft Oldenburg ist durchaus verständlich. Es handelt sich dabei aber nicht um einen mit Zahlen hinterlegten Wunsch. Solange dies so ist, ist diese Forderung deshalb als ein von Behördenleitern

regelmäßig im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter immer wieder geäußerter Wunsch zu werten.

Aus der Strafverfolgungsstatistik ergibt sich, dass die Anzahl der Verfahren wegen Beitragsvorenthaltung, in denen es zur Anklage kam, im letzten Jahr landesweit zurückgegangen ist. In Fällen von Lohnwucher, auf den Sie abstellen, liegen die zur Anklage gebrachten Verfahren landesweit seit Jahren im einstelligen Bereich.

Ich wiederhole es dennoch, weil es anderenfalls missverständlich wäre: Für die Landesregierung ist es selbstverständlich, dass Lohndumping nicht stattfinden darf. Illegale Beschäftigung und menschenunwürdige Behandlung sind schärfstens abzulehnen. Kriminelle Verfehlungen müssen nach den Regeln unseres Rechtsstaates geahndet werden. Die vorhandenen Gesetze reichen nach allgemeiner Auffassung dafür aus. Verstöße müssen in jedem Fall aufgedeckt und dann nach rechtsstaatlichen Regeln bewiesen werden. Das ist bei hoher krimineller Energie im Einzelfall und bei den besonderen Bedingungen in Lebensmittelbetrieben - Einhaltung der Hygienevorschriften - nicht einfach. Das kann man bedauern, muss es aber zur Kenntnis nehmen. Ein Generalverdacht gegen eine Branche lässt sich mit bloßen Behauptungen schon gar nicht rechtfertigen.

Wie Sie wissen, ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus der EU im Rahmen von Werkverträgen zulässig. Der Europäische Gerichtshof hat uns gerade attestiert, dass Deutschland an den Nachweis eines Werkvertrages zu hohe Anforderungen stellt und damit gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt. Forderungen, die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus der EU in der Fleischwirtschaft oder in anderen Branchen im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu verbieten oder zusätzlich zu reglementieren, sind angesichts der Rechtslage in Europa völlig irreal. Wir müssen uns darauf konzentrieren, Missbrauchsfälle aufzudecken und nachzuweisen.

Ihre Vorwürfe, die mit der Anfrage verbunden sind, richten sich übrigens in Wirklichkeit gegen den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Peer Steinbrück. Das zuständige Bundesministerium der Finanzen versucht schon seit Jahren - mit bisher mäßigem Erfolg -, mit den neuen Beitrittsländern Vereinbarungen über eine bessere und leichtere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden zu schließen. Die Landesregierung unter

stützt diese Bestrebungen nachhaltig, hat aber keine Zuständigkeit.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Nun zu Ihren Fragen.