Gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages wird ein Bericht über die Ausschussberatung nicht erstattet und nach Satz 3 der genannten Bestimmung ohne Aussprache abgestimmt.
Wer dem Beschlussvorschlag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist dem Antrag zugestimmt worden.
Tagesordnungspunkt 9: Enquete-Kommission „Demographischer Wandel - Herausforderung an ein zukunftsfähiges Niedersachsen“ - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1833 Unterrichtung - Drs. 15/1950 - Bericht der Enquete-Kommission ‚Demographischer Wandel - Herausforderung an ein zukunftsfähiges Niedersachsen‘ - Drs. 15/3900
Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Demografischer Handlungsbedarf in Niedersachsen - zwei verlorene Jahre! -Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3922
Im Zusammenhang mit Tagesordnungspunkt 9 begrüße ich besonders herzlich die in die Kommission berufenen externen Sachverständigen, die zwei Jahre lang in der Kommission mitgewirkt haben.
Herr Landtagspräsident Gansäuer hat Ihnen heute Morgen bei der Berichtsübergabe für Ihr Engagement gedankt. Ich nehme an, dass die Berichterstatterin, Frau Stief-Kreihe, gleich auf Ihre Arbeit zu sprechen kommen wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Ihnen vorliegenden Drucksache 15/3900 legt Ihnen die Enquete-Kommission „Demographischer Wandel - Herausforderung an ein zukunftsfähiges Niedersachsen“ nach gut zweijähriger Arbeit und mehr als 100 Sitzungen ihren Abschlussbericht vor. Der Bericht umfasst mehr als 600 Druckseiten und macht bereits dadurch den Umfang der Arbeit deutlich, vor die sich die Kommission gestellt sah.
Die Mitglieder der Enquete-Kommission haben viel Arbeit und Zeit investiert. Daher kann ich Ihnen einen längeren Bericht - quasi als Einstieg - nicht ersparen, Herr Rolfes. Das breite Spektrum der Themen des Einsetzungsbeschlusses - ich darf
daran erinnern, dass der ursprüngliche Einsetzungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP noch weitaus umfassender war - ist die Ursache dafür, dass die Kommission ihren Bericht erst heute vorlegt. Im Einsetzungsbeschluss war die Erwartung formuliert worden, sie möge ihre Arbeit „nach Möglichkeit“ bis zum 31. Dezember 2006 abschließen. Allerdings war sich die Kommission recht bald darin einig, dass dieser Zeitpunkt angesichts der Themenfülle nicht zu halten sein werde.
Die Berichterstattung in den Medien über den Abschluss der Kommissionsarbeiten von Anfang Juni ist Ihnen sicherlich noch in Erinnerung. In dieser Vorabberichterstattung war auch bereits einiges darüber zu lesen, wie unterschiedlich die Vertreterinnen und Vertreter der vier Fraktionen die Arbeit der Kommission - insbesondere deren Arbeitsergebnisse - bewerteten, vielleicht sollte ich sagen: angeblich bewerteten. Denn manches von dem, was dort sicherlich verkürzend wiedergegeben wurde, lässt sich - zumindest so - nicht aus der tatsächlichen Arbeit der Kommission bestätigen.
Bevor ich also zu einigen inhaltlichen Anmerkungen komme, möchte ich gern die Gelegenheit wahrnehmen, auf die Arbeitsweise der Kommission einzugehen. Die Kommission - und zwar alle Beteiligten, die Abgeordneten wie auch die externen Sachverständigen - hat mit einer enormen Intensität und Akribie nicht nur Anhörungen durchgeführt und Material gesichtet, sondern den Ihnen nun vorliegenden Abschlussbericht Seite für Seite, Absatz für Absatz und manchmal sogar Wort für Wort beraten und oftmals geradezu um Formulierungen gerungen. Schon für dieses große Maß an Beharrlichkeit und Engagement möchte ich mich ausdrücklich bei allen Kommissionsmitgliedern sehr herzlich bedanken - auch oder gerade weil wir es uns insbesondere in der Anfangsphase nicht immer leicht gemacht haben.
Gestatten Sie, dass ich mich besonders an die externen Sachverständigen wende, die der Landtagspräsident auf Vorschlag der Fraktionen - so wie es unsere Geschäftsordnung vorsieht - in die Kommission berufen hat und die unserer heutigen Beratung von der Tribüne aus folgen. Sie haben die Kommissionsarbeit nicht nur mit ihren Diskussionsbeiträgen, Statements und Textbeiträgen bereichert. Mindestens ebenso haben sie durch ihre auf ganz unterschiedliche berufliche und wissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen grün
denden Sichtweisen die Arbeit der Kommission gefördert. Dass sie sich dabei weit über das sicherlich zunächst erwartete zeitliche Maß hinaus engagiert haben, scheint mir keinesfalls selbstverständlich zu sein. Auch dafür gebührt ihnen also unser herzlicher Dank.
Eine Kommission, die zunächst einmal eine Situationsanalyse für jedes einzelne Handlungsfeld - so heißt es im Einsetzungsbeschluss - erarbeiten soll, kommt nicht ohne Unterstützung aus. Wir hätten unsere Arbeit nicht leisten können, wäre das Landesamt für Statistik nicht unserer Bitte gefolgt, uns mit den nötigen Daten zu versorgen und sie - das verdient es besonders erwähnt zu werden - in vielfältigen Statistiken aufzubereiten. Ich erwähne beispielhaft nur die zu diesem Zweck eigens neu gerechneten „Ergebnisse der regionalen Bevölkerungsvorausschätzung für Niedersachsen bis zum 1. Januar 2021“, die weit über die Kommissionsarbeit hinaus Aufmerksamkeit gefunden haben.
Besonders möchte ich dem Präsidenten des Landesamtes, Herrn Strelen, danken. Er hat nicht nur dafür gesorgt, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - gleichsam „just in time“ - für die benötigten Auskünfte und Berichte zur Verfügung standen. Er hat uns in nahezu allen Kommissionssitzungen persönlich begleitet und unsere Arbeit unterstützt.
Mein Dank gilt selbstverständlich auch den Fachressorts sowie der Staatskanzlei, die uns die erbetenen Materialien zugeleitet haben und für Auskünfte und Stellungnahmen zur Verfügung standen.
Ein herzliches Dankeschön geht auch an die Landtagsverwaltung: Herrn Rasche, Frau Roth, Herrn Fuchs, Frau Kammeier und die Stenografen, die überhaupt erst die Voraussetzungen geschaffen haben, dass die Kommission zügig arbeiten konnte. Insbesondere die Berichtsverfasser, Herr Fuchs und Frau Kammeier, hatten es schwer mit uns; denn sie mussten die Texte mehrmals überarbeiten. Und all dies wäre ohne die Stenografen nicht möglich gewesen.
Folgte man der bereits erwähnten Medienberichterstattung, die vor Kurzem stattgefunden hat, so ergäben sich geradezu gravierende Bewertungs
unterschiede. Dies ist für einzelne Themen durchaus zutreffend. Die Kommissionsarbeit insgesamt kennzeichnet dies indes nicht. Der Bericht enthält an verschiedenen Stellen, und zwar sowohl im Analyseteil als auch bei den Handlungsempfehlungen, Sondervoten der Oppositionsfraktionen. Die SPD-Fraktion hat dem Bericht in der Schlussphase der Beratungen ein Zusatzvotum angefügt, das wegen seiner nicht der Berichtsstruktur folgenden Schwerpunktsetzung und Gliederung zu Kontroversen geführt hat.
Ebenso richtig ist aber auch, dass der weitaus größte Teil der Analyse und letztlich auch die Handlungsempfehlungen überwiegend die Zustimmung aller Kommissionsmitglieder gefunden haben, also einstimmig beschlossen worden sind. Dass dem teils zähe Diskussionen vorangegangen sind, steht dem nicht entgegen.
Es ist gewiss nicht vermessen, an dieser Stelle dem Sachverständigenpapier eine besondere Bedeutung zu attestieren, hat es doch den Beratungen der Handlungsempfehlungen in einer durchaus kritischen Phase entscheidende Impulse gegeben. Denn während die Kommission bereits über mehrere Sitzungen hinweg mit einer Vielzahl teilweise ausgesprochen detaillierter Formulierungsvorschläge der Fraktionen für die Handlungsempfehlungen befasst war, hatten sich die externen Sachverständigen auf den Versuch verständigt, in knapper und prägnanter Form die Grundprobleme des demografischen Wandels ihrerseits aufzuzeigen und wesentliche Lösungsansätze zu benennen.
Die Kommission hat dieses Angebot einvernehmlich aufgegriffen, und so haben die externen Sachverständigen in einer eigenen Klausurtagung Mitte Mai 2007 das Papier „Zentrale Ursachen, spezifische Herausforderungen und entscheidende Lösungsansätze“ verfasst und in der Kommission zur Aussprache gestellt. Nach dem Verständnis der Sachverständigen sollte dieses Papier ein Entree für den Kommissionsbericht darstellen und gleichsam zu einer Berichtspyramide führen: die Analyse als Grundlage, darauf aufbauend die Handlungsempfehlungen und wiederum darauf aufsetzend die Darstellung zentraler Ursachen, spezifischer Herausforderungen und entscheidender Lösungsansätze. Die Enquete-Kommission hat sich diese Darstellung schließlich mit einigen geringfügigen Abänderungen und Ergänzungen einstimmig zu eigen gemacht.
Die Ursachen der demografischen Entwicklung: Das Sachverständigenpapier bringt sie auf die knappe Formel: niedrige Geburtenhäufigkeit, hohe und weiter steigende Lebenserwartung und Zuund Abwanderung. So wird die Einwohnerzahl Niedersachsens, die bis Ende 2004 vornehmlich infolge der aus der deutschen Wiedervereinigung resultierenden Zuwanderung aus den neuen Bundesländern, des Zuzugs von Spätaussiedlern sowie der Aufnahme von Flüchtlingen insbesondere während des Jugoslawienkonfliktes auf knapp über 8 Millionen angestiegen war, zukünftig sinken.
Nach der jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes von Mai dieses Jahres würde Niedersachsen bis zum Jahr 2020 zwar nur etwa 300 000 Einwohner gegenüber der heutigen Zahl verlieren. Bis zum Jahr 2050 würde diese Zahl jedoch auf rund 1,4 Millionen ansteigen, d. h. Niedersachsen hätte dann nur noch rund 6,5 Millionen Einwohner.
Der Grund für die im Vergleich zu früheren Prognosen deutlich niedrigeren Einwohnerzahlen liegt primär darin, dass der Wanderungsgewinn Niedersachsens - wie in ganz Deutschland - bereits seit dem Jahr 2000 deutlich gesunken ist und aus heutiger Sicht auch für die Zukunft nur von weiteren sinkenden Wanderungsgewinnen ausgegangen werden kann.
Gleichzeitig ergeben sich gravierende Veränderungen im Altersaufbau. So wird sich der Anteil der unter 20-Jährigen weiter von heute 21 % auf 16 % reduzieren, während der Anteil der Gruppe der 60-Jährigen und Älteren von heute 25 % auf etwa 40 % der Bevölkerung ansteigt. Dabei wird ein besonders hoher Anstieg für die Gruppe der 80-Jährigen und Älteren erwartet.
Veränderungen im ethnisch-kulturellen Aufbau stellen die dritte Säule des demografischen Wandels dar, gehen doch die in den 1990er-Jahren noch erzielten Bevölkerungszuwächse im Wesentlichen auf Migrationsgewinne zurück. Zu betrachten ist dabei nicht allein die Zahl der statistisch erfassten Ausländer, sondern auch die Entwicklung des Bevölkerungsanteils deutscher Personen, die einen Migrationshintergrund aufweisen. Der Mikrozensus 2005 hat hierzu erstmals Ergebnisse geliefert: Danach kämen zu den knapp 7 % registrierter Ausländerinnen und Ausländern noch ein
mal etwa 9 % der Bevölkerung hinzu, die zwar die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, aber dennoch einen Migrationshintergrund aufweisen. Diese Komponente des demografischen Wandels wird auch bei rückläufigen Wanderungsüberschüssen aus dem Ausland weiter an Bedeutung gewinnen, weil die in Niedersachsen lebende Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund eine jüngere Altersstruktur hat als die Gruppe ohne Migrationserfahrung.
Regional weist die Bevölkerungsentwicklung allerdings große Unterschiede auf. Nach den Zahlen des Landesamtes für Statistik hätten einige Landkreise - insbesondere im Umfeld von Hamburg und in den westlichen Landesteilen - sogar noch mit leicht steigenden Bevölkerungszahlen zu rechnen, die in Einzelfällen sogar einen Zuwachs von über 10 % in Aussicht stellen, während andere Landkreise - vornehmlich im Süden des Landes - bereits bis zum Jahr 2020 einen Bevölkerungsverlust von mehr als 10 % zu erwarten haben. Der Anteil junger Menschen wird nach der Prognose des Landesamtes in nahezu allen Landesteilen rückläufig sein. Die Spanne reicht hierbei allerdings von einem nur geringen Verlust im Umfang weniger Prozentpunkte bis hin zu einem Rückgang um nahezu ein Drittel. Gegenläufig ist die Situation bei den 80-Jährigen und Älteren. Ihre Anzahl wird sich landesweit erhöhen. Die Spanne reicht auch hier von einer Zunahme um wenige Prozent bis hin zu einem Anstieg um knapp 90 %. In der Summe deuten die demografischen Indikatoren auf eine Zunahme der heute schon bestehenden Disparitäten zwischen den einzelnen Landesteilen hin. Dass diesen Annahmen durchaus noch ein gewisser Unsicherheitsfaktor innewohnt, den die Enquete-Kommission auch sieht, verdeutlicht allein der Umstand, dass das Niedersächsische Landesamt für Statistik und das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung - allerdings auf zeitlich voneinander abweichenden Datengrundlagen - zu voneinander abweichenden Ergebnissen der zu erwartenden regionalen Entwicklungen kommen. Geht das Landesamt für Statistik zunächst noch von einem Bevölkerungswachstum in 18 der 37 Landkreise aus, so rechnet das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung bis zum Jahre 2020 nur noch bei 9 der 37 Landkreise mit einem positiven Bevölkerungssaldo. Die Enquete-Kommission hat sich deshalb nach intensiver Diskussion dazu durchgerungen, beide Prognosen in den Bericht aufzunehmen. Zusammenfassend umschreibt die Kommission die zukünftige
Die Enquete-Kommission hat sich danach mit den verschiedenen Themenfeldern, die im Beschluss enthalten sind, beschäftigt. Das war das Themenfeld „Wirtschaft und Arbeitsmarkt“ in allen seinen Facetten, das war das Thema „Landes-, Regionalund Siedlungsentwicklung, Daseinsvorsorge und Verkehr“, das war der ganze Bereich „Bildung, Wissenschaft und Forschung“, das waren der Bereich „Familie, Soziales, Gesundheit und Gesellschaft“, die besonderen Anforderungen in punkto „Kinder, Jugend und Familie“, „ältere Menschen in der Gesellschaft“ sowie „Menschen mit Behinderungen“, „Gesundheitsvorsorge, medizinische Versorgung und Pflege“ und natürlich der Bereich „bürgerschaftliches Engagement“. Von diesem Teil des Berichts, der ungefähr zwölf Seiten umfasst, habe ich nur die Überschriften wiedergegeben, weil ich annehme, dass die Mitglieder der Fraktionen bzw. die Arbeitskreissprecher zu diesen inhaltlichen Schwerpunkten noch eigene Aussagen machen werden. Von daher gebe ich diesen Teil des Berichts zu Protokoll.
Die Handlungsempfehlungen, die die Kommission auftragsgemäß in ihren Bericht hineingeschrieben hat, richten sich - so ist es ausdrücklich vermerkt -, „in erster Linie an das Land Niedersachsen“, „aber auch an die EU, den Bund, die Kommunen, die Tarifpartner, andere gesellschaftliche Gruppen und jeden einzelnen Bürger dieses Landes“.
Die Kommission hat die Erwartung, dass ihre Empfehlungen auch die ihnen zukommende Bedeutung und Beachtung finden. Es ist ein Bericht, der Material über Legislaturperioden hinaus liefert. Er fordert in der Umsetzung der verschiedenen Handlungsempfehlungen ressortübergreifendes Denken und Handeln.
Ich bin damit am Schluss meines zugegebenermaßen gekürzten Berichts angekommen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.