Protocol of the Session on June 6, 2007

verkehrsmittel ihnen nur dann wieder zukommen zu lassen, wenn sie dafür den Bürgern das derzeitige Bus- und Bahnangebot weiter zur Verfügung stellen. Das führt auch, Herr Rickert, zu extremen regionalen Verwerfungen. Oder können Sie mir erklären, warum z. B. die Region Hannover, weil sie eben sehr viel über eigene Haushaltsmittel - sprich: über Schuldenaufnahme - bei den Kürzungen ausgleicht, nur gut 2 Millionen Euro aus Ihrem Fördertopf bekommen soll, während die Braunschweiger Region über 4 Millionen erhalten soll? - Das kann doch wohl nicht mit rechten Dingen zugehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Hermann Eppers [CDU]: Sie spielen jetzt alle Regionen gegeneinander aus!)

Ihre Rechnung, Herr Eppers, ist dreist und viel zu einfach, als dass wir darauf hereinfallen könnten. Für die kommenden zwei Jahre wurden mehr als 120 Millionen Euro gestrichen, und Sie bieten 30 Millionen Euro als Ausgleich an. Damit bleibt ein Fehlbetrag von 90 Millionen Euro für die Aufgabenträger und Kommunen, den sie irgendwie wegdrücken müssen, entweder durch Fahrpreiserhöhungen oder dadurch, dass sie Leistungen abbestellen oder sonst nichts in den ÖPNV investieren.

Die Landesregierung betreibt ihr Entschuldungsprogramm erneut auf Kosten der Städte und Gemeinden. Es ist unverschämt, für einen Mitteleinsatz von weniger als 25 % eine 100-prozentige Leistung zu erwarten. Minister Hirche zwingt die Kommunen damit zu zusätzlicher Schuldenaufnahme oder zu Preiserhöhungen. Und es wird auf absehbare Zeit eben nicht mehr in den Fuhrpark investiert, geschweige denn in Haltestellen, was bisher ein so großes Erfolgsprogramm in Niedersachsen war, weil dadurch wirklich mehr Leute auf den ÖPNV umgestiegen sind. Jetzt ist Rückschritt zu erwarten.

Weil CDU und FDP im Landtagswahlkampf nicht für weitere Angebotsverschlechterungen im öffentlichen Personennahverkehr verantwortlich gemacht werden wollen, gaukeln sie der Öffentlichkeit ein Einlenken vor, wälzen dafür aber den Löwenanteil der Finanzierungslast auf die Kommunen und auf die Kunden des öffentlichen Personennahverkehrs ab. Dagegen werden sich die Oppositionsfraktionen zusammen mit den ÖPNVKunden und der Volksinitiative gegen Kürzungen

bei Bus und Bahn weiter wehren, trotz Ihres kleinen Entgegenkommens. Aus allen Regionen des Landes gehen bereits Unterschriftenlisten ein, die den vollen Ausgleich der Kürzungen durch das Land einfordern. Diese Aktion und der damit verbundene berechtigte Ärger von immer mehr Menschen in Niedersachsen sind für CDU und FDP die Quittung für die Bürgerfeindlichkeit ihrer Politik. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Will. Sie haben das Wort.

(Hermann Eppers [CDU]: Ich habe nicht die Hoffnung, dass es jetzt we- sentlich besser wird! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Man soll die Hoffnung nie aufgeben!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Beginn der Legislaturperiode war der Ansatz für die Regionalisierungsmittel ein willkommener finanzpolitischer Steinbruch für diese Landesregierung. Entgegen den Bemühungen der Landesnahverkehrsgesellschaft, die sie gemeinsam mit den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen unternommen hat, haben CDU und FDP eigentlich kein Haushaltsjahr ausgelassen, um sich der zweckgebundenen Bundesgelder für Haushaltskonsolidierung und Zweckentfremdung zu bedienen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das haben wir gemeinsam gemacht!)

Es war zu erwarten, dass der Bund die Regionalisierungsmittel, die Sie für die komplette Finanzierung der eigentlichen Landesaufgabe in den vergangenen Jahren - wie viele andere Bundesländer übrigens auch - zweckentfremdet haben, entsprechend kürzt. Daraufhin haben Sie trotz bestehender Verträge die verantwortlichen Verkehrsunternehmen durch sogenannte freiwillige Verhandlungen auf weitere Kürzungen bei den Ausgleichsmitteln für die Schülerbeförderung festgelegt. Das alles dient nicht der weiteren positiven Entwicklung des ÖPNV in Niedersachsen, wie sie die Landesnahverkehrsgesellschaft noch zu ihrem zehnjährigen Bestehen eindrucksvoll verkünden konnte.

Erstmals werden Ihre Kürzungsabsichten zu einer deutlichen Schwächung der Investitionen im SPNV/ÖPNV in Niedersachsen und auch zu weiteren Einschränkungen bei den Fahrleistungen führen. Gerade in der Fläche haben diese Leistungskürzungen erhebliche negative Folgen für die Qualität und Sicherheit der Schülerbeförderung. Im ländlichen Raum machen die beförderten Schülerinnen und Schüler bis zu zwei Drittel der Kunden aus und bilden damit das eigentliche Gerüst des ÖPNV. Die Landesnahverkehrsgesellschaft plant, allein in ihrem Aufgaben- und Wirkungsbereich bis zu 30 Millionen Euro einzusparen, davon übrigens über 20 Millionen im investiven Bereich. Die weiteren SPNV-Aufgabenträger werden in den nächsten Jahren ihrerseits Einsparungen über geringere Investitionen bzw. da, wo man die Mittel ausschließlich für Fahrleistungen ausgegeben hat, über geringere Fahrleistungen, d. h. über das Ausdünnen der Fahrpläne, erwirtschaften müssen.

Auf dem VCD-Kongress hat Dr. Gorka, der Geschäftsführer der Landesnahverkehrsgesellschaft, noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Kürzungen der Regionalisierungsmittel die bisher durch die Landesnahverkehrsgesellschaft gemeinsam mit den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen geschaffene Qualität des ÖPNV bedrohen und sie zu hoch sind, um sie kurzfristig ohne Leistungskürzungen zu verkraften. Wir brauchen daher eine längere Übergangszeit, um zu noch mehr Wettbewerb und zu einer noch höheren Leistung zu kommen. Wir brauchen keinesfalls willkürliche Kürzungen nach der Rasenmähermethode oder das Einstampfen ganzer Projekte wie des Haltestellenprogramms.

Meine Damen und Herren, viele Bundesländer gehen damit ehrlicher um, wenn sie sagen: Wir haben die Koch/Steinbrück-Kürzungen mitgetragen. Nun werden wir einen zeitlich befristeten Ausgleich bzw. Teilausgleich aus Landesmitteln übernehmen, um die Qualität des ÖPNV auch in Zukunft zu sichern.

Zur momentanen Stimmung im Lande möchte ich aus einer Stellungnahme des Zweckverbandes Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen zum neuen Entwurf des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes zitieren:

„Bereits zum Fahrplanwechsel 2006/2007 ist es in Niedersachsen zu Einschnitten im SPNV-Angebot gekommen. Für den Fahrplanwechsel in

diesem Jahr sind ebenfalls weitere Angebotskürzungen im Gespräch.

Auch die bisherige ÖPNV-Haltestellenförderung wurde vom Land Niedersachsen mit dem Hinweis auf die Kürzungen der Regionalisierungsmittel eingestellt. Damit werden die in den letzten Jahren in allen Teilen des Landes erzielten Fortschritte hin zu einem attraktiven ÖPNV auf Schiene und Straße gefährdet. Um dies zu verhindern, ist aus unserer Sicht notwendig, dem Beispiel einer Reihe anderer Bundesländer zu folgen und die Kürzungen der Regionalisierungsmittel durch Landesmittel ganz oder zumindest teilweise zu kompensieren.“

(Zuruf von der CDU: Das passiert ja!)

„Die erhöhten Anteile des Landes am Umsatzsteueraufkommen bieten hierfür auch eine entsprechende Grundlage.“

Ich kann nur sagen: Wie wahr. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund des zunehmenden öffentlichen Widerspruchs versuchen Sie nun natürlich, durch teilweise Rücknahme Ihrer Kürzungen den Druck zu senken.

(Hermann Eppers [CDU]: Wir haben doch nicht gekürzt! Gekürzt hat der Bund!)

Das Angebot, den Aufgabenträgern nun doch noch jeweils 15 Millionen Euro für die Jahre 2008 und 2009 zur Verfügung zu stellen, ist jedoch leider mit wenig seriösen Rahmenbedingungen verbunden. Enno Hagenah hat darauf hingewiesen. Nur wer keine Leistungen kürzt, kann danach wieder mehr Mittel beantragen. Wer jedoch kürzen muss, muss auf weitere Mittel verzichten. Sie kürzen den Regionen erst das Geld und bieten dann den finanzstärkeren Regionen einen Teil der gekürzten Mittel wieder an.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Da ist noch eine Menge Luft drin!)

Das sind Taschenspielertricks. Das ist keine verantwortliche Vorgehensweise für eine Weiterentwicklung des ÖPNV in Niedersachsen.

Abschließend eine Bemerkung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesem Antrag der Stimme enthalten. Denn unter Nr. 4 ist von der Streichung von Straßenverkehrsprojekten als Kompensationsmaßnahme die Rede. Da schimmert natürlich die A 22 durch. Die wollen wir allerdings. Die wollen wir nicht wegkürzen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Will. - Für die CDU-Fraktion haben Sie, Herr Kollege Eppers, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns allen sind die parlamentarischen Rituale bekannt: Die Regierung kann machen, was sie will; die Opposition ist immer dagegen, bekrittelt und bemeckert. - Das überrascht mich nicht. Ich mache das Geschäft hier seit 1994.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber heute ist es gerechtfertigt! Das ist der Unter- schied!)

- Nein, Herr Jüttner. Es ist eben nicht gerechtfertigt. Wir haben gestern beschlossen, zur Stärkung und Sicherstellung des öffentlichen Personennahverkehrs in Niedersachsen insgesamt 30 Millionen Euro im Landeshaushalt abzusichern. Das ist eine fantastische Leistung der Landesregierung und der sie tragenden Koalition aus CDU und FDP.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin in der Hinsicht ganz gelassen: Ihnen wird es nicht gelingen, das im Lande weiter schlechtzureden.

Herr Hagenah, wir haben so oft darüber diskutiert, hier im Parlament und im Ausschuss. Manchmal ist man bei aller Kenntnis der Rituale doch ein wenig traurig, wenn Argumente überhaupt nicht fruchten. Ich sage es trotzdem noch einmal, damit es zumindest im Protokoll steht: Der Begriff „Zweckentfremdung“ ist hier nicht angebracht. Es handelt sich hier nicht um Zweckentfremdung. Dafür haben wir wirklich den idealen Kronzeugen: Das Bun

desministerium für Verkehr mit Verwaltungssitz in Bonn und politischem Sitz in Berlin, geführt durch Herrn Tiefensee, hat dieser Landesregierung attestiert, dass es sich um keine Zweckentfremdung von Regionalisierungsmitteln handelt. Punkt!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Hat er das geschrieben? Echt?)

Wir können uns politisch darüber streiten, wie man Landesmittel einsetzt. Dass wir überhaupt in der Lage sind, jetzt auf gewisse Friktionen, die wir im Verlauf der letzten Monate erkannt haben, zu reagieren und 30 Millionen Euro eigene Landesmittel einzustellen, ist doch darauf zurückzuführen, dass wir seit 2003 eine erfolgreiche Politik zur Sanierung der Landesfinanzen betrieben haben. Sonst hätten wir doch diesen Handlungsspielraum heute gar nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Jüttner, wenn wir so weitergemacht hätten, wie Sie 2003 aufgehört haben, dann wären wir gestern gar nicht in der Lage gewesen, über 30 Millionen Euro zusätzliches Geld zur Stärkung des ÖPNV in unserem Lande zu entscheiden. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben immer gesagt, dass die Kürzungsmaßnahme des Bundes auf der einen Seite ein gewisser Vertrauensbruch war, weil es andere Absprachen zwischen Bund und Ländern gab. Das habe auch ich für die CDU-Fraktion mehrfach an dieser Stelle kritisiert. Wir haben aber auf der anderen Seite auch gesagt, dass wir es uns bei der Kritik am Bund nicht zu einfach machen dürfen. Denn auch im Bundeshaushalt besteht Konsolidierungsbedarf. Das haben wir immer gesagt.

Wir haben auch deutlich gemacht, dass wir sehr genau beobachten werden, wie sich die Situation im öffentlichen Personennahverkehr und im schienengebundenen Personennahverkehr in Niedersachsen entwickelt. Der Wirtschafts- und Verkehrsausschuss des Landtages ist mit der Thematik sehr verantwortlich umgegangen. Wir haben eine Anhörung durchgeführt und mit den Aufgabenträgern gesprochen, und wir haben dann natürlich gemerkt, dass es an einigen Stellen tatsächlich Handlungsbedarf gibt und dass Angebote

eingestellt werden, wenn wir nicht handeln. Insofern war es folgerichtig, dass gestern im Rahmen der Verabschiedung des Nachtragshaushalts gegengesteuert wurde.

Die Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP stellen damit unter Beweis, dass wir in der Lage sind, ein attraktives Angebot im ländlichen Raum und in Ballungsräumen in Niedersachsen aufrechtzuerhalten, und dass wir in enger Kooperation mit den Aufgabenträgern letzten Endes in der Lage sind, diese Angebote für die Menschen auf Dauer abzusichern und Planungssicherheit für die Aufgabenträger herzustellen.

Das alles ist nicht so tragisch, wie Sie, Herr Will, Herr Hagenah, es dargestellt haben. Ich habe noch keinen Aufgabenträger gehört, der gesagt hätte, die 30 Millionen Euro reichten nicht aus oder die Aufteilung, die im Raume steht, sei nicht in Ordnung. Ich habe vielmehr in den Gesprächen, die ich mit dem Zweckverband Großraum Braunschweig und mit anderen geführt habe, gehört: Ja, die Summe, die der Landtag jetzt zur Verfügung gestellt hat, ist ausreichend, um ein angemessenes und gutes Angebot für die Menschen in Niedersachsen sicherzustellen. - Darum geht es doch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

An dieser Stelle muss zum wiederholten Male gesagt werden: Ich habe Verständnis dafür, dass die Opposition immer ein Supermaximum fordert. Dass ein Mehr an Mitteln immer ausgegeben werden kann, ist auch klar. Letzten Endes haben wir als Regierungsfraktionen aber die Aufgabe, die Mittel der steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens maß- und verantwortungsvoll zu verwenden. Das ist meines Erachtens in diesem Bereich gelungen. Insofern bedanke ich mich sehr herzlich bei den Haushaltspolitikern von CDU und FDP. Der weise Beschluss von gestern ist wirklich eine gute Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger des Landes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Das haben wir für euch gern getan!)

Für die Zukunft steht natürlich noch etwas aus. Das sage ich jetzt ohne Kritik in Richtung Aufgabenträger. Wir müssen erwarten, dass im engen Dialog zwischen Politik und Aufgabenträgern - Zweckverband Großraum Braunschweig, Region Hannover und Landesnahverkehrsgesellschaft