Protocol of the Session on September 17, 2003

Jetzt zum Schluss, Herr Möhrmann. Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass im Anhang die Rede von 1,77 Milliarden Euro ist, die Sie sparen wollen. Vorne aber heißt es „1,9 Milliarden Euro“. Sie haben gesagt, Sie hätten das berichtigt. Herr Möhrmann, man sollte seine eigene Vorlage schon ganz durchlesen. Eine Zahl haben Sie berichtigt, die andere aber nicht. Hier unten steht nämlich noch einmal „1,9 Milliarden Euro“. Sie müssen schon sauberer arbeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt erteile ich Herrn Rickert von der FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gabriel, ich habe Ihnen eben sehr aufmerksam zugehört und bin dieser Debatte überhaupt mit großem Interesse gefolgt. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir uns an dieser ähnlich spannenden Diskussion über die Vergangenheit in etwa ein bis zwei Jahren beteiligen werden. An Ihrem Beitrag, Herr Gabriel, ist mir aufgefallen, dass Sie die Fusion der Fachhochschulen Oldenburg, Ostfriesland und Emden hervorgehoben haben. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Eine Erfolgsstory war das weiß Gott nicht.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Wieso nicht? Mehr Studenten als früher!)

- Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe in dieser Fachhochschule schon einmal einige Jahre gearbeitet.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Trotzdem mehr Studenten als früher!)

Die neue Landesregierung hat entschieden, keine Rückführung vorzunehmen, weil dies Unsinn wäre.

Ich muss jetzt aber noch mit einem anderen Märchen aufräumen. Sie versuchen immer wieder, die derzeitige wirtschaftliche Situation auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Globalisierungsprobleme und auch die wirtschaftlichen Probleme im Inland zurückzuführen, was durchaus berechtigt ist. Die Tatsache, dass sowohl die kommunalen Haushalte als auch die Landeshaushalte und der Bundeshaushalt ohne ein vernünftiges und strategisches Gegensteuern nicht mehr reparabel sind, ist seit mindestens drei, vier oder fünf Jahren bekannt.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Noch länger! Seit 20 Jahren!)

- Umso schlimmer. Sie und Ihre Landesregierung haben es in den letzten Jahren versäumt, so massiv und entschieden gegenzusteuern, wie es die derzeitige Landesregierung tut, auch um den Preis, dass sie sich hier und da unbeliebt macht.

Die FDP-Fraktion ist in die Regierung mit dem strategischen Ziel eingestiegen, am Ende dieser Legislaturperiode einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Ich bin, was diese Art der Gewöhnungsstrategie betrifft, sehr erstaunt. Wenn

man die Worte „nicht verfassungskonform“ übersetzt, dann heißt das: Verfassungsbruch.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Richtig!)

Sie hatten vor einiger Zeit die Absicht angekündigt, Sie wollten vor den Staatsgerichtshof in Bückeburg gehen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Auch das nicht!)

Das haben Sie dann wieder zurückgenommen. Mir ist das jedenfalls durch Presseverlautbarungen zugänglich geworden.

(Ulrich Biel [SPD]: Die zeigen Sie mal her!)

Ich habe mir gedacht: Wenn er das tatsächlich macht, dann ist das so ähnlich wie eine Selbstanzeige. Wann eine Selbstanzeige zu erstatten ist, wissen Sie sehr wohl alle.

Ich möchte nur eines klarstellen. Die jetzigen Einsparungsvorschläge und -maßnahmen, vor denen wir stehen, betreffen das Haushaltsjahr 2004. Wir wissen, dass das nicht jedem gefällt, aber wir haben insgesamt gesehen - das ist die Botschaft der FDP - die Aufgabe, den Haushalt zu sanieren und dieses Land wieder zukunftsfähig zu machen. Das ist das, was wir wollen.

Ich möchte noch einen letzten Satz zu Herrn Wenzel von den Grünen sagen. Sie bemühen immer den Begriff des Besserverdienenden. Dieser Begriff gehört jetzt schon zur Terminologie der Bundesregierung. Der Besserverdienende wurde zum Maß für die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei der Krankenversicherung herangezogen. Wie Sie alle wissen, ist das das mittlere Einkommen. Wenn das die Klientel der FDP und nicht die Klientel der Grünen ist, dann bin ich sehr froh.

(Zuruf von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Darum werden wir uns kümmern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen jetzt zu den Ausschussüberweisungen der Punkte 6 bis 9.

Die Gesetzentwürfe zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 sollen federführend an den Ausschuss für

Haushalt und Finanzen und mitberatend an alle Fachausschüsse überwiesen werden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist das so beschlossen.

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 8 soll federführend an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und mitberatend an den Ausschüsse für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist das so beschlossen.

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 9 soll federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Keine - Stimmenthaltungen? Keine. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 10 Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung (Minister- gesetz) - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/ 378

und

Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung besoldungsund anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/389

Zu Wort hatte sich der Herr Abgeordnete Althusmann gemeldet.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ihnen vorliegende Gesetz zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes schafft die notwendigen Voraussetzungen, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes Niedersachsen abzuwenden. Das war in der vorausgehenden Debatte das Kernthema.

Im Kern dieses Gesetzes geht es um die Kürzung des Weihnachtsgeldes für Beamte, um die Reduzierung der Ansprüche auf Altersteilzeit und um eine Verschärfung der Bestimmungen über die Teildienstfähigkeit. Es geht also, kurz gesagt, für alle Beamtinnen und Beamten des Landes Niedersachsen auch um reale Einkommenseinbußen. Ich will für die CDU-Fraktion deutlich erklären: Niemand auf unserer Seite - ich meine, das ist bei der FDP-Fraktion auch nicht anders - empfindet auch nur den Hauch von Freude bei den Maßnahmen, die wir jetzt durchführen müssen. Gerade mit Blick auf unsere Polizeibeamten und unsere Feuerwehrleute sage ich: Wir nehmen jetzt erneut schmerzliche Einschnitte bei allen Beamten des Landes Niedersachsen vor. Bei Einsparungen in einer Gesamthöhe von 1,45 Milliarden Euro sind allein rund 220 Millionen Euro aus diesem Bereich.

Wahr ist aber auch, dass diese 220 Millionen Euro nicht einmal die 340 Millionen Euro ausgleichen können, die der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst für 2003 und 2004 mit insgesamt 4,4 % Steigerung das Land Niedersachsen tatsächlich kostet. Wahr ist auch, dass diese 220 Millionen Euro auch mit der Personalausgabenquote von immerhin 46 % der Ausgaben in Höhe von 23 Milliarden Euro des Landeshaushaltes zu tun haben. Unsere Handlungsalternativen bei Personalkosten in Höhe von 46 % sind bekanntlich begrenzt.

Viele Beamte im Land Niedersachsen fragen zu Recht, warum sie heute für eklatante Fehlentscheidungen der Politik in der Vergangenheit herangezogen werden. Sie müssten sich dabei alle auch als persönlich Betroffene in Erinnerung rufen, dass die dramatisch gestiegenen Versorgungslasten des Landes Niedersachsen ihren Ursprung in der Personaleinstellungspolitik in den 60er-Jahren und zu Anfang der 70er-Jahre hatten. Die aktuellen Personalausgaben des Landes Niedersachsen haben allerdings auch eine Ursache. Diese Ursache liegt in

der Einstellungspolitik seit 1990. Das haben Sie von der SPD zu verantworten.

Wahr ist aber auch - dies mögen sich alle Polizeibeamten, Lehrer, Finanzbeamten und alle Beamten der Landesverwaltungen in Niedersachsen auch einprägen -: Wir decken im Haushaltsjahr 2004 zusätzlich noch ungedeckte Altschulden der Gabriel-Regierung in Höhe von nahezu 230 Millionen Euro aus dem Haushaltsjahr 2002 ab. Das ist haushaltstechnisch gar nicht anders machbar. Diese Altschulden der Regierung Gabriel müssen wir heute abdecken. Dieser Betrag ist in etwa so hoch wie die globale Minderausgabe des Landes Niedersachsen im Haushaltsentwurf 2004.

Ich meine, die Verbitterung, die im Moment bei vielen Beamten im Lande über diese Maßnahmen entsteht, muss allerdings auch vor einem anderen Hintergrund betrachtet werden. Das gehört zu verantwortlicher Politik. Wir hatten im letzten Jahr etwa 40 000 Insolvenzen von Unternehmen in der freien Marktwirtschaft zu verzeichnen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen - das betrifft in Niedersachsen inzwischen nahezu alle Wahlkreise - hatten im Rahmen der drohenden Insolvenzverfahren schon längst als erste Maßnahme die komplette Streichung des Weihnachtsgeldes und des Urlaubsgeldes, wenn es das überhaupt in den letzten Jahren noch gab, hinzunehmen. Niedersachsen ist nach 13 Jahren rot-grüner Sozialromantik tatsächlich im Insolvenzverfahren. Ihre Strategie, Herr Aller, lautete in den vergangenen Jahren, nach einer Möglichkeit zu schauen, wie man die Nettoneuverschuldung noch weiter aufblähen könnte.

(Heinrich Aller [SPD]: Unsinn!)

Wir haben deutlich gemacht, dass wir das nicht weiter fortführen werden. Wir werden in den nächsten Jahren einen klaren Kurs der Konsolidierung einschlagen und damit die Nettoneuverschuldung senken.

Die CDU-Fraktion ist sich bewusst, dass bereits die alte Landesregierung zum Teil auch von uns kritisierte Einschnitte in die Beamtenbesoldung vorgenommen hat. Ich erinnere an unsere Debatten zur freien Heilfürsorge, zur verzögerten Besoldungsanpassung und erst die Ankündigung und dann die Streichung der Leistungsprämien. Herr Aller, Sie haben damals zunächst 60 Millionen Euro angekündigt, die dann aber kurzerhand wieder einkassiert. Ich erinnere an die Frage der amts

angemessenen Alimentation bei Beamten mit drei und mehr Kindern.

Aber bei einer Gesamtverschuldung von 43 Milliarden, vielleicht 44 Milliarden Euro - mit den Gemeinden des Landes Niedersachsen sind das zusammen knapp 50 Milliarden Euro -, beim Anstieg der Schulden um 96 Euro pro Sekunde - wenn wir das auf den heutigen Tag hochrechnen würden, würde eine Menge dabei herauskommen und bei einer Zinslastquote von fast 13 % liegen wir mit Schleswig-Holstein und dem Saarland leider an der traurigen Spitze der Bundesländer.

Ich finde - das hat mich bei der vorangegangenen Debatte umgetrieben -, Sie hätten es besser wissen können und auch besser wissen müssen. Immerhin war die Präsidentin des Landesrechnungshofs am 19. August bei Ihnen im Arbeitskreis „Haushalt und Finanzen“, und sie hat auch mit dem SPDFraktionsvorstand gesprochen. Sie hat dort deutlich gemacht, dass die jährliche Nettokreditaufnahme des Landes Niedersachsen eine nie zuvor gekannte Höhe aufgewiesen hat. „Nie gekannt“, sagt sie; das ist eine Tatsachenfeststellung. In den Jahren von 1992 bis 2001 wurden im Jahresdurchschnitt Kredite in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro aufgenommen. Das ist letztendlich Ihre Politik gewesen, Herr Aller.

Durch die jetzt anstehenden Kürzungen wird das Weihnachtsgeld, verteilt auf zwölf Monate, auf 50 % reduziert. Um soziale Härten für die unteren Besoldungsstufen zu vermeiden, werden wir als Familienkomponente 25,56 Euro pro Kind und 120 Euro für die Besoldungsstufen A 2 bis A 8 - das sind in Niedersachsen immerhin 10 000 Beamte - jährlich zahlen. Damit sollen die Belastungen für die unteren Beamtengruppen abgefedert werden. Diese Kürzungen werden uns nicht leicht fallen, weil wir das Loyalitätsprinzip von Beamten gegenüber dem Arbeitgeber nach wie vor einfordern.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo übernimmt den Vorsitz)

Gleiches gilt auch für die Einschränkung der Altersteilzeit, dem zweiten Kernpunkt unseres Gesetzentwurfs. Herr Möhrmann, Sie haben vorhin in der Haushaltsdebatte vernünftige und begründete Entscheidungen gefordert. Ich frage Sie, ob es angesichts eines verfassungswidrigen Haushalts und angesichts von Gehaltszahlungen, die eine Kreditaufnahme erfordern, tatsächlich richtig ist,

dass wir Beamten mehr als 83 % ihres monatlichen Gehalts zahlen, sie uns aber nur 50 % ihrer Arbeitszeit zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist ein Privileg. Der Landesrechnungshof hat sehr deutlich gemacht, dass dieses Privileg eigentlich abgeschafft gehörte.