Protocol of the Session on June 5, 2007

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sie kriegen nichts hin, das ist richtig!)

Auch Ihr Koalitionspartner fordert ja ein - Frau Vockert hat es eben sehr deutlich gesagt -, dass zusammen mit dem Bund, mit dem Land und mit den Kommunen in Sachen Betreuung qualitativ und quantitativ etwas auf den Weg gebracht werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen eine hochwertige Betreuungsinfrastruktur. Das Tempo ist vorgegeben, wie Sie heute Morgen der Zeitung entnehmen konnten. Mit der Bildung müssen wir um so viel besser werden, wie wir weniger werden.

Wir alle wissen, welche Hausaufgaben uns der demografische Wandel ins Stammbuch geschrie

ben hat. Ich möchte ganz klar sagen: Die Zeit drängt. Wir müssen in den Bereich der Betreuung und der frühkindlichen Bildung investieren, und zwar schnell. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie in der Lage gewesen wären, hier und heute ein Finanzierungskonzept auf den Tisch zu legen und deutlich zu machen, wie hoch der Anteil des Landes und der des Bundes ist und welchen Beitrag die Kommunen leisten sollen. Das alles bleibt allerdings im Dunkeln.

(Beifall bei den Grünen - Zuruf von Heinz Rolfes [CDU])

- Es ist ja immer schön, wenn der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Zwischenrufe macht. Vielleicht hätten Sie dem Kollegen Dr. Rösler ein paar Nachhilfeeinheiten in Sachen Haushalt geben können.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Noch einmal: Was wir brauchen, ist der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Was wir nicht brauchen, ist die Selektion à la FDP, dass nur die Eltern, die beide arbeiten, einen Ganztagsplatz bekommen. Mit Ihrer Kitacard wollen Sie sogar Schwimm- und Reitunterricht bezahlen. Herr Dr. Rösler, Ihre Kitacard ist unsozial. Sie hilft weder den Kindern noch den Familien. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Kultusminister Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ganz verstehe ich die Aufregung nicht. Klar ist - das haben verschiedene Redner betont -: In keiner Regierungsphase ist im Bereich der Bildung, gerade der frühkindlichen Bildung, was Kindergärten und Kindertagesstätten betrifft, so viel passiert wie in den letzten vier Jahren. Das muss man einmal anerkennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist allerdings noch gewaltig viel zu tun. Ich bin ganz sicher, dass wir auf dem Weg zu den Zielen, die wir hoffentlich gemeinsam verfolgen, irgendwann auch über Gutscheinsysteme, Creditsysteme

und Cardsysteme diskutieren müssen. Das gehört begriffsnotwendig dazu.

Man muss auch sagen, was im Leistungspaket enthalten ist. Wenn wir einen Blick in andere Bundesländer werfen, stellen wir fest: In Hamburg - das ist bereits erwähnt worden - hat man damit vor drei Jahren begonnen. Das hatte auch mit der Verwaltungsreform zu tun. Das lief nicht in allen Bereichen toll, was auch mit der Personalreduzierung zu tun hatte. Aber in einer großen Stadt ist das machbar. In Berlin und in Bayern gibt es so etwas wie kindbezogene Förderungen, und zwar im Rahmen ähnlicher Systeme, die durchaus funktionieren. In Thüringen hat man so etwas für zweijährige Kinder analog zur jetzigen Diskussion über das Betreuungsgeld bereits eingeführt. Dort funktionieren dies sehr gut. Es geht also, wenn man es richtig anpackt.

Ich möchte eine etwas andere Linie vorskizzieren: Bevor wir das Finanzierungssystem und die Abwicklungstechniken angehen, müssen wir uns darüber klar werden, wie das Leistungspaket in den nächsten Jahren zu gestalten sein wird. Hier haben wir schon eine Menge getan. Es wird allerdings noch einiges zu tun sein. Klar ist: Für jedes Kind im Lande muss ein Kitaplatz zur Verfügung stehen. Klar ist auch: An allen Standorten - wir haben nicht ohne Grund unseren Orientierungsrahmen für Bildung und Erziehung gemeinsam mit den Trägern abgestimmt - muss in etwa das gleiche hohe Niveau vorgehalten werden. Auch Angebote zur Sprachförderung müssen überall, auch durch Grundschullehrer, an den Kitas vorgehalten werden. Was das betrifft, sind wir schon gut. Dennoch können wir auch hier vielleicht noch besser werden.

Zum Thema Beitragsfreiheit. Für den 1. August steht sie für den dritten Jahrgang an. Dafür stehen immerhin 120 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Darüber muss man einmal nachdenken. Das ist viel Geld. Das wird nun realisiert. Ich sehe schon, dass in den nächsten Jahren eine Diskussion aufkommen wird, in der gefragt wird: Warum nur ein Jahrgang, warum nicht alle drei Jahrgänge? Es wird uns sicherlich in den nächsten Jahren abgefordert, auf diese Frage eine Antwort zu geben.

Frau Janssen-Kucz, völlig klar ist, dass wir im Bereich der Krippen und der Tagespflege längst noch nicht so gut sind, wie wir sein sollten. Die einen sagen, wir seien Letzter, die anderen sagen, wir

seien Drittletzter. Aber es ist doch so: Von 1990 bis 1994 hat hier Rot-Grün regiert, danach, bis 2002/2003, haben die Roten regiert. Warum haben wir denn diese beschämende Situation? Auch das werden wir jetzt in Angriff nehmen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das sage ich nur, damit die Zuständigkeiten klar sind. Ich finde es ganz toll, dass dieses Thema in diesen Tagen im Rahmen der Bundespolitik durch die Tätigkeit einer Ministerin aus Niedersachsen ganz oben auf die Tagesordnung in Deutschland gesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Krippenplätzen ist auch für Niedersachsen mit einer 35-prozentigen Bedarfsdeckung - hier ist noch ein Konsens herzustellen - ein Riesenunternehmen. Wir wollen nicht über die Zahlen streiten. Von 2008 bis 2013 werden wir bundesweit alle miteinander 12 Milliarden Euro auf den Weg bringen müssen. Ich finde es in Ordnung, dass sich der Bund, obwohl er eigentlich gar nicht zuständig ist, beteiligt, und zwar in etwa mit einem Drittel. Das entspricht einem Betrag von 4 Milliarden Euro. Das ist eine tolle Sache. Das erwarte ich übrigens auch von unseren Kommunen sowie von allen Kommunen bundesweit. Expressis verbis haben sie diese Vereinbarung unterschrieben. Aber nun müssen praktische Regelungen folgen. Den eigenen Anteil kann man nicht mit der Konnexität belegen. Auch das muss in diesem Zusammenhang gesagt werden.

Die Länder werden ebenfalls 4 Milliarden Euro aufbringen müssen. Auf Niedersachsen heruntergebrochen handelt es sich um etwa 400 Millionen Euro, die in sechs Jahren aufgebracht werden müssen. Angesichts dieser Zahlen wissen Sie, was auch das Land Niedersachsen ab dem Jahre 2008, wenn alles so kommt, wird leisten müssen. Das ist ein Riesenunternehmen. Ich finde es toll, dass wir uns damit beschäftigen.

Wenn wir so weit sind, dass wir die Rechtsansprüche geklärt haben, müssen wir uns mit den Fragen beschäftigen: Wie gehen wir mit den Eltern um, die ihre Kinder nicht in eine staatliche Einrichtung geben wollen oder können? Wie sind hier die Interessenlagen? Dann werden wir zum passenden Zeitpunkt auch über Gutscheinsysteme, Credit

cardsysteme, Kitacardsysteme und Ähnliches diskutieren und die richtigen Antworten geben müssen. Vielleicht werden wir im Laufe des Verfahrens hier oder dort Modellregionen beziehungsweise Modellstandorte ins Leben rufen müssen. Dem stehen wir sehr offen gegenüber. Ich finde diesen Anstoß außerordentlich wichtig. Auch das gehört dazu. Ich denke, dieses Thema ist bei dieser bürgerlichen Koalition in guten Händen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu Tagesordnungspunkt 1 a liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zu

b) Pflastersteine sind Totschlagargumente - Freiheit und Sicherheit verteidigen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/ 3841

Das Wort hat der Kollege Althusmann. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Freie Meinungsäußerung und ein friedliches Demonstrationsrecht sind hohe und schützenswerte Güter unserer Verfassung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Friedliche Demonstrationen anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels sind wahrlich Ausdruck der mehr oder weniger berechtigten Zukunftsängste der Menschen in unserem Land. Dabei geht es um Fragen der Globalisierung, um die Klimaveränderungen, um den Hunger in der Welt, aber auch um die Liberalisierung des Weltwirtschaftshandels.

Wenn aber Linksextremisten diese Grundrechte für ihre dumpfen Parolen und Hassideologien nutzen und wenn Linksradikale, sogenannte Autonome, diese Rechte missbrauchen, dann sind die Grenzen der Toleranz in Deutschland überschritten. Dann ist der Rechtsstaat gefordert. Dann muss mit aller Gewalt gegen Links - aber auch gegen Rechts - vorgegangen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das, was wir am vergangenen Wochenende in Rostock an brutalster Gewalt erlebt haben, war

nicht nur eine neue Gefahr für unseren Rechtsstaat. Das war ein gezielter und von langer Hand vorbereiteter Angriff auf die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit in unserem Land. Deshalb dürfen und werden wir es nicht zulassen, dass Polizeibeamte wie Freiwild gejagt werden, dass also diejenigen gejagt werden, die genau diese Grundrechte schützen sollen und - sogar unter Gefahr für das eigene Leib und Leben - schützen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, deshalb gilt an dieser Stelle zunächst der Dank unseren Polizeibeamten in allen Bundesländern, natürlich auch denen aus Niedersachsen, für ihren zurückliegenden und für den bevorstehenden schweren Einsatz in Heiligendamm.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Unser Mitgefühl gilt allen schwer verletzten Polizeibeamten, insbesondere den 30. Wir hoffen für sie alle und für ihre Familien, dass sie bald wieder gesund sind.

Die Bilder des vergangenen Wochenendes sollten wir nicht so schnell vergessen; sie dürfen sich in unserem Land nicht wiederholen. Wenn Deeskalation als Freibrief für Gewalt statt als Angebot eines friedlichen Rechtsstaates interpretiert wird und wenn schwer verletzte Polizeibeamte der Preis für die Deeskalation sind, dann ist dies gegenüber vermummten, feigen Chaoten und Gewaltverbrechern eindeutig die falsche Strategie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist auch eine falsche Strategie, wenn die SPD nunmehr scheinheilig - dies ist der zweite Vorname von Herrn Heil - den Sinn solcher G-8-Treffen generell in Zweifel zieht. Das ist nicht nur Wasser auf die Mühlen der Gewalt; das ist auch unehrlich. Ehrlich wäre es, wenn die Herren Heil und Duin bis hin zum aktuellen Spitzenkandidaten Jüttner in den Parlamenten genauso empört und drastisch gegen Linksradikale protestieren und aufstehen würden, wie sie es in den vergangenen Wochen hier im Landesparlament gegen Rechtsextremisten getan haben, meine Damen und Herren. Dies gilt im Übrigen auch für die Grünen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer gleichgültig wegschaut oder vielleicht sogar heimlich sympathisiert, der macht sich mitschuldig. Wer mit Pflastersteinen wirft, der demonstriert nicht. Derjenige greift vielmehr unsere Grundwerte mit Totschlagargumenten an. Er nimmt billigend in Kauf, dass Menschen nicht nur schwer verletzt werden, sondern der nimmt auch billigend in Kauf, dass Menschen in Deutschland zu Tode kommen. Dazu können wir nur deutlich sagen: Nein zu dieser Gewalt der linksautonomen Szene!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit linksradikalen Steinewerfern oder mit dem Schwarzen Block kann man nicht diskutieren. Diese Chaoten verstehen nur die Sprache des starken Staates, der sein Gewaltmonopol unmissverständlich durchsetzt, ohne Wenn und Aber. Dazu gehört auch die konsequente Umsetzung des Vermummungsverbots. Eine Demonstration mit Vermummten - dies muss auch den Organisatoren dieser Demonstration beim G-8-Gipfel klar sein -, an der man sich beteiligt, wollen wir in Deutschland nicht. Die Menschen sollen ihre Vermummung herunterziehen. Sie sollen sich offen bekennen, wenn sie protestieren wollen. Insofern, meine Damen und Herren, sollten wir in Deutschland ernsthaft darüber nachdenken - mich stören die rechten Stiefel genauso wie die linken -, ob wir den Schwarzen Block in Deutschland verbieten können, ob wir ihn gesetzlich zumindest einschränken und bekämpfen können. Auch das gehört zu einer ernsthaften Diskussion über die Anti-G-8-Proteste.