- Regen Sie sich nur auf! Das zeigt, wie richtig ich mit meiner Frage liege, meine Damen und Herren.
In der Nacht vom 25. auf den 26. November ist ein Gefangener an einem Herzinfarkt verstorben. Ich möchte wissen, wann der Mann zuletzt kontrolliert worden ist und warum Sie die Meldung über das, was dort passiert ist, über eine Woche lang zurückgehalten haben.
Herr Plaue, zu dem Vorfall, den Sie beschrieben haben, muss man sagen, dass es sich um einen natürlichen Tod handelt. Auch in unseren Gefängnissen sterben Menschen eines natürlichen Todes. Hier hatte der Betroffene einen Herzinfarkt erlitten, der festgestellt wurde, als, wie in allen anderen Bereichen auch, morgens die Zellen kontrolliert wurden und das Frühstück zur Verfügung gestellt wurde. Auch wenn ich es niemandem wünsche, so gibt es doch auch in anderen Bereichen außerhalb der Gefängnisse natürliche Todesfälle in der Nacht, die erst am anderen Morgen festgestellt werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute vor einer Woche, also in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember verübte in der JVA Uelzen ein suizidgefährdeter Häftling Selbstmord in einer Einzelzelle. Daraus ergibt sich für mich die Frage: Wann wurde der Selbstmord entdeckt, und wann ist der Häftling am Abend zuvor zum letzten Mal kontrolliert worden?
Danke schön. - Für die Landesregierung hat die Justizministerin Frau Heister-Neumann das Wort. Bitte schön!
Das letzte Gespräch mit dem Gefangenen hat am Abend zuvor um 20.30 Uhr stattgefunden. Aufgefunden wurde er morgens um 8 Uhr.
Nun vielleicht noch einmal zu der Berichterstattung in der Öffentlichkeit. Das hatte ich vergessen, Herr Plaue. Solche Vorfälle wie der natürliche Tod eines Gefangenen, der natürlich, wie alle anderen Fälle auch, staatsanwaltschaftlich untersucht wird, fallen im Rahmen der Berichtspflicht in die Kategorie „keine Sicherheitsgefahr für die Öffentlichkeit“. Deshalb fand auch keine öffentliche Berichterstattung statt, sondern eine Berichterstattung im Ausschuss.
b) Politische Konsequenzen aus dem Amoklauf von Emsdetten - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3394
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem tragischen Amoklauf eines ehemaligen Schülers in Emsdetten forderte Innenminister Schünemann ein Verbot von sogenannten PCKillerspielen und suggerierte damit, dass solche Spiele eine Ursache von unkontrollierten Gewaltausbrüchen sein können.
Die Medienwirkungsforschung ist sich allerdings bis heute über die Wirkung von PC-Spielen nicht einig. Es gibt eine Vielzahl von sich zum Teil diametral widersprechenden Studien. So gehen eini
ge Wissenschaftler zwar davon aus, dass sich die potenzielle Gewaltbereitschaft kurzzeitig nach dem intensiven Konsum von Gewaltspielen erhöht, allerdings sind insbesondere die langfristigen Wirkungen hoch umstritten. Andere Fachleute kommen zu dem Schluss, dass virtuelle Ausübung von Gewalt die reale Gewaltanwendung sogar reduzieren könne. Wiederum andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass durch PC-Spiele räumliches und analytisches Denken gefördert wird, eine zu intensive Nutzung aber auch eine negative Wirkung auf die Schulleistung von Jugendlichen haben kann. Insbesondere die Frage, was Ursache und was Wirkung von Gewaltspielen ist, ist bis heute ungeklärt. Bezeichnenderweise kommt Spiegel-Online daher zu dem Schluss, dass es eine „krasse empirische Lücke“ hinsichtlich der Wirkung von PC-Spielen mit intensiven Gewaltinhalten gibt, und bezieht sich dabei auf eine Untersuchung der Universität Mainz im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Deutlich wird bei fast allen Untersuchungen zu Computerspielen indessen, dass das soziale Umfeld in Form von Elternhaus, Schule und Sozialkontakten eine ganz entscheidende Rolle bei der Wirkung von PC-Spielen hat.
Vielfach halten Experten ein Verbot von Killerspielen für wirkungslos, da beispielsweise das umstrittene Spiel Counter-Strike fast nur noch online im virtuellen World Wide Web gespielt wird und Gewaltspiele problemlos aus dem Internet heruntergeladen werden können. Daher plädieren insbesondere Medienwissenschaftler für eine bessere Medienkompetenz bei Schülern und Eltern, damit sinnvolle Software von sinnloser unterschieden werden kann.
Jenseits der Frage, ob PC-Spiele nun eine sinnvolle oder pädagogisch fragwürdige Freizeitbeschäftigung sind, kommen Kriminologen und Psychologen zu dem Schluss, dass der Amoklauf von Emsdetten seinen Grund in der starken Vereinzelung und dem hohen Frustrationsgrad des Schülers hatte. Schulische Misserfolge und Ausgrenzung und damit verbundene Ohnmachtsgefühle haben somit zu der aggressiven Tat geführt. Politik muss an den Ursachen von Gewalt ansetzen, wenn sie zukünftige Gewaltausbrüche präventiv verhindern will. Zudem wurde nach dem Amoklauf erneut der leichte Zugang zu realen Waffen kritisiert. Insbesondere jugendliche Amokläufer haben den Schusswaffengebrauch vorher immer an echten Waffen trainiert. Der Innenminister hat dazu bisher nichts gesagt.
1. Welche politischen Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Schluss von Kriminologen und Gewaltforschern, dass Leistungsdruck in der Schule, gepaart mit Vereinzelung und daraus resultierender Aggression, zu dem Amoklauf von Emsdetten geführt hat?
2. Wie unterscheidet sich das von Innenminister Schünemann geforderte Verbot von Killerspielen von dem bereits existierenden Verbot im § 131 StGB, das Gewaltdarstellungen in verherrlichender oder verharmlosender Weise, auch von menschenähnlichen Wesen, unter Strafe stellt und damit auch Computerspiele erfasst, in denen die Menschenwürde verletzt wird?
3. Wie bewertet die Landesregierung die Beurteilung von Familienministerin von der Leyen, dass der Jugendmedienschutz und die staatlich eingebettete Selbstkontrolle der Unterhaltungssoftware in Deutschland gut funktionieren?
Herzlichen Dank. - Wer möchte für die Landesregierung antworten? - Frau Ministerin RossLuttmann, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die jüngsten Fälle von Gewalt an Schulen in Baden-Württemberg und auch hier bei uns in Laatzen machen nicht nur nachdenklich und fassungslos, sondern stimmen auch traurig. Diese sollten jedoch in ihrer ganzen Tragweite nicht vorschnell einer Deutung zugeführt werden, sondern sind zunächst gründlich zu analysieren. Gewaltprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir alle müssen wachsam sein: die Politik, die Schulen, die Polizeibehörden, die Jugendämter, aber auch das direkte Umfeld der Betroffenen.
Wichtig ist die Aufklärung. Häufig wissen Eltern nicht, was ihre Kinder am PC machen. Da der Umgang mit den Medien in der Regel im Elternhaus stattfindet, sind insbesondere auch die Eltern gefordert, sich über die Art des Medienkonsums ihrer Kinder zu informieren. Wir wollen auf Gefahren aufmerksam machen. Dazu sollen die Eltern bei Bedarf über die Medieninhalte im Internet, beim
Handygebrauch, am PC und im Fernsehen geschult werden. Die Landesregierung fördert daher die Ausbildung zu Elternmedientrainern. Diese sollen dann als Multiplikatoren landesweit tätig werden.
Meine Damen und Herren, Gewaltbereitschaft, Gewaltakzeptanz, Gewalthandeln von Kindern und Jugendlichen sind komplexe Phänomene. Sie haben ganz unterschiedliche Erscheinungsformen, vielfältige Rahmenbedingungen und Ursachen sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene. Die menschenverachtenden Killer- und Gewaltspiele stellen dabei nur einen von vielen Gründen dar. Mediale Gewalt kann dann zum Verstärkungsfaktor der eigenen Gewaltbereitschaft werden, wenn weitere Belastungsfaktoren hinzukommen.
Besonders gefährdet sind dabei etwa junge Menschen, die in zerrütteten Familien aufwachsen, junge Menschen, die selber Gewalt erfahren haben, junge Menschen, die in sozialer Isolation leben, junge Menschen, die in Armut aufwachsen, junge Menschen, die Erfahrung mit enthemmendem Alkoholkonsum machen.
Auch wenn es uns wohl nie gelingen wird, Gewalt als eine Form der Konfliktlösung völlig zu eliminieren, so ist doch jeder Schritt wichtig, der hilft, die Gewaltbereitschaft zu senken. Hier bedarf es unser aller Aufmerksamkeit und besonderer Anstrengungen bei der Prävention. Vieles hat mit der Erziehung und der Fähigkeit von Kindern zu einer friedlichen Konfliktlösung zu tun. Gefordert ist hier der Ort der primären Sozialisation - zumeist die Familie. Sie gibt emotionalen Rückhalt, vermittelt Werte, wobei nicht nur die Werte allein, sondern auch die Vorbilder zählen.
Wer den Kreislauf der Gewalt durchbrechen will, der muss in der Familie anfangen, anfangen mit der Aufklärung, dass der vermeintlich Stärkere kein Recht hat, dem vermeintlich Schwächeren gewalttätig zu begegnen.
Mit Blick auf die Möglichkeiten der Politik wäre es jedoch vermessen zu behaupten, dass sich eine Schule - egal welcher Schulform, egal in welchem Umfeld - davon freisprechen kann, dass es zu Gewaltvorfällen kommen kann, dass keine Schule zum Ziel eines Attentäters werden könnte, der aus dem seelischen Gleichgewicht geraten ist.
durch möglichen Gefahren begegnen. Wir haben deshalb in Niedersachsen ein ganzes Bündel von Maßnahmen geschnürt. Jede dieser Maßnahmen für sich ist ein Baustein zur Gewaltprävention. Von diesen möchte ich zunächst das Programm zur Profilierung der Hauptschulen nennen. Es bereitet Schülerinnen und Schüler durch sozialpädagogische Unterstützungsmaßnahmen gezielt auf den Übergang in eine Ausbildung oder eine berufliche Beschäftigung vor. Der pädagogische Ansatz, die Unterstützung und Begleitung von Unterricht z. B. durch Sozialarbeit, steht in der Schule an erster Stelle.
Durch Kümmern um die uns anvertrauten Kinder, durch Zuwendung und vor allen Dingen auch durch ein stets offenes Ohr gilt es, Vertrauen zu schaffen. Das kann eine gewisse Nachsorge für bereits entlassene Schülerinnen und Schüler beinhalten. Wir können und wir wollen unsere Schulen nicht zu Hochsicherheitstrakten ausbauen.
Unsere Schulen sollen vielmehr ein Ort des Lernens, des Lehrens und der Persönlichkeitsentwicklung sein. Schule, meine Damen und Herren, muss Halt geben, muss Halt sagen und muss auch haltmachen, also Grenzen setzen und Vertrauen schaffen. Falsch verstandene Toleranz, wegschauen und Gleichgültigkeit sind fatal.
Als weiteres Programm zur Gewaltprävention darf ich das Präventions- und Integrationsprogramm PRINT erwähnen. Dieses richtet sich an Jugendliche in einem schwierigen sozialen Umfeld sowie an schulmüde Jugendliche bzw. Schulverweigerer, soll ihre Integration in soziale Bezüge erleichtern und ihnen die Aufnahme oder Rückkehr in einen geordneten Ausbildungsgang mit Abschluss ermöglichen. Das Nachfolgeprogramm NiKo zielt darauf ab, die Bildungs- und Erziehungsfähigkeiten von Familieneltern zu stärken sowie die Gesundheitskompetenzen junger Menschen zu fördern. Weitere Beispiele sehr erfolgreich durchgeführter Gewaltprävention - und zwar Konzepte im Schulbereich - sind u. a. „Faustlos“, Schülerkonfliktlotsen und „Kraft gegen Gewalt“.
Der gemeinsame Erlass des Kultusministers mit dem Innenminister und der Justizministerin zur Zusammenarbeit von Schulen, Polizei und Ju
gendstaatsanwaltschaften hat ebenso wie der Erlass über ein individuelles Sicherheitskonzept bereits für jede Schule eine positive Entwicklung eingeleitet. So hat der Vergleich der Jahre 2004 und 2005 in der Polizeilichen Kriminalstatistik in Niedersachsen einen Rückgang der Zahl der bekannt gewordenen Straftaten im Schulkontext von 11 803 auf 11 440 Fälle ergeben. Auch die Zahl der Rohheitsdelikte - also Gewaltdelikte an Schulen - ist von 2 089 auf 1 920 Fälle, also um 12,35 %, zurückgegangen.