Protocol of the Session on November 10, 2006

Vielen Dank. - Jetzt hat Frau Tinius das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kuhlo, Sie haben sicherlich recht. Auch ich bedaure es insgesamt, dass europapolitische Themen selbst in den eigenen Reihen immer so wenig auf Interesse stoßen.

Herr Hogrefe, auch Ihnen stimme ich zu. Aber wenn wir gut sind, hindert uns das nicht daran, noch besser zu werden.

Bislang hatten wir im Landtag eine fraktionsübergreifende, gemeinsame Haltung zur niedersächsischen Europapolitik. Diese gemeinsame Haltung über Parteigrenzen hinweg tat dem Land gut. Heute müssen wir feststellen: Diesen Weg haben Sie als CDU und FDP verlassen.

(Zustimmung bei der SPD)

Offenbar ist es den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen wichtiger, sich kurzfristig parteipolitisch zu profilieren, als die niedersächsischen Interessen in Europa möglichst wirksam zu vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Denn nicht anders ist es zu erklären, dass sich CDU und FDP im Ausschuss nicht die geringste Mühe machten, um eine gemeinsame Position aller Fraktionen zur besseren Vermittlung zentraler europäischer Themen zu formulieren.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion kann ich sagen, dass wir eine solche gemeinsame und inhaltsreiche Position angestrebt haben. Das ist gescheitert, sodass nun dem Landtag der Antrag der Regierungskoalition vorliegt, der nichtssagend und oberflächlich ist und den wir deshalb ablehnen werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, um Europa bürgernah zu gestalten und die Akzeptanz für Europa zu erhöhen, muss es zu einer besseren Kommunikation aller Ebenen in Europa mit den Bürgerinnen und Bürgern kommen. Mit dem von der Kommission vorgelegten Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik werden Vorschläge - zum Teil vage Vorschläge - unterbreitet, um die Kluft zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgerinnen und Bürgern zu beseitigen. Dabei kann es nicht nur darum gehen, eine Europäische Charta oder einen allgemeingültigen europäischen Verhaltenskodex zur Kommunikation zu entwickeln. Es kann auch nicht allein darum gehen, alle Beteiligten auf freiwilliger Basis auf die Einhaltung allgemeiner Kommunikationsgrundsätze einzuschwören.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Es kann schon gar nicht allein darum gehen, die von der Kommission gemachte Politik bei den Bürgerinnen und Bürgern möglichst geschickt zu verkaufen. Nein: Im Kern muss es darum gehen, die Ängste und Sorgen vieler Menschen gegen ein für viele undurchschaubares und übermächtiges Europa ernst zu nehmen und abzubauen. Dies geht nur, indem der Einfluss der Bürgerinnen und Bürger auf die Politik der Europäischen Union gestärkt wird. Davon ist aber in Ihrem Antrag nichts zu spüren, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen.

Unbestritten ist, dass der im Weißbuch geforderte partnerschaftliche Ansatz in der Kommunikationspolitik auch in Niedersachsen mit Leben erfüllt werden muss. So muss sichergestellt werden, dass auch die regionalen Partner frühzeitig bei eu

ropäischen Vorhaben und bei der Öffentlichkeitsarbeit in Europafragen eingebunden werden - so, wie es der Landtag für seine eigene Arbeit in der Beschlussempfehlung zum zweiten Testlauf eines Netzwerkes des Ausschusses der Regionen für die Subsidiaritätskontrolle fordert. Sie haben es vorhin ausgeführt.

Für die Menschen muss europäische Politik transparenter werden. Dies ist kein Selbstzweck, sondern eine zentrale Herausforderung, um Europa mehr als Chance und weniger als Bedrohung zu sehen.

Meine Damen und Herren, alle Absichtserklärungen wirken hohl, wenn für konkrete Projekte kaum oder zu wenig Geld bereitsteht. Falsch ist deshalb die Entscheidung der Europäischen Kommission, die Mittel zu kürzen, mit denen die Regionen Öffentlichkeitsarbeit für Europa betreiben können.

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten deshalb, dass diese Entscheidung revidiert wird und die Landesregierung ihren Einfluss entsprechend geltend macht. Ferner sollte der Verwaltungsaufwand für die Betriebskostenzuschüsse für Öffentlichkeitsarbeit der Infopoints auf ein notwendiges Maß reduziert werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass europäische Institutionen und Einrichtungen einen wesentlichen Teil ihrer Arbeit für reine Verwaltung verwenden und dabei die Förderung des europäischen Gedankens bei den Menschen in den Regionen zu kurz kommt.

Meine Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung auf, zusammen mit den Städten und Gemeinden, mit Verbänden und Nichtregierungsorganisationen einen Prozess zu organisieren, um einerseits europäische Politik für die Menschen in Niedersachsen besser erfahrbar und nachvollziehbarer zu machen und andererseits niedersächsische Interessen in Europa stärker zu betonen. Denn europäische Politik kann nur dann erfolgreich sein, wenn im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ihren konkreten Bedürfnissen und Anforderungen an Europa eine kraftvolle Stimme verliehen wird. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich jetzt der Kollege Hogrefe gemeldet.

Frau Tinius, Sie haben darauf hingewiesen, dass es in diesem Bereich häufig gemeinsame Anträge gibt,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Meistens!)

die in einer gemeinsamen Beschlussempfehlung enden. Das ist in diesem Fall nicht so. Das hat aber gute Gründe. Wir haben Ihre Argumente dankbar aufgenommen und überprüft. Dabei haben wir festgestellt, dass wir das Ziel, das wir alle gemeinsam anstreben, mit diesen Formulierungen nicht erreichen würden. Ich kann Ihnen das in einem persönlichen Gespräch - dazu ist hier nicht die Zeit - noch im Einzelnen erläutern. Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, dass wir bei den Formulierungen in unserem Antrag geblieben sind, den wir mit den Fachleuten abgestimmt und mehrfach geprüft haben. Das war sachlich geboten, und dazu gab es keine Alternative. Ich werde Ihnen das im Einzelnen gerne persönlich erläutern.

(Zustimmung bei der CDU)

Jetzt hat Frau Merk noch einmal um das Wort gebeten. Frau Merk, Sie haben noch 3 Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es reizt mich doch, noch ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Hogrefe einzugehen. Herr Kollege Hogrefe, wenn Sie sagen, dass die Fachleute Sie bei Ihrem Antrag beraten haben, dann kann ich nur sagen: Das hat man dem Antrag angemerkt. Er ist von den Fachleuten geschrieben worden. Gestatten Sie mir diesen Hinweis.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte ganz kurz zu Tagesordnungspunkt 34 sprechen. Das war ein sehr spannendes Unternehmen: Am 22. Juni hat die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, am 22. Januar 2007 einen EU-Projekttag an den Schulen durchzuführen, um - wie es heißt - das Interesse und Verständnis

der Schüler an der Europäischen Union zu wecken und zu vertiefen. Dann kommt der Kernpunkt: Einzelheiten zur inhaltlichen Gestaltung des EUProjekttages werden zwischen der Bundesregierung und der Kultusministerkonferenz gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung sowie den Landeszentralen für politische Bildung abgestimmt.

Meine Fraktion hat heute ja eine Mündliche Anfrage zu dieser Thematik gestellt. Wir mussten erstens überraschenderweise feststellen, dass die Kultusministerkonferenz zu diesem Thema - EUProjekttag am 22. Januar 2007 - nichts ausgearbeitet hat, sonst wäre das positiv beantwortet worden. Zweitens wissen wir, dass im Land Niedersachsen die Landeszentrale für politische Bildung abgeschafft worden ist. - Das ist bitter. - Genauso banal ist deshalb auch die Antwort des Kultusministeriums auf die Frage ausgefallen, was man von dem Projekttag am 22. Januar erwartet.

Um das Ganze noch zu toppen, hat die CDUFraktion am 17. Oktober einen Entschließungsantrag gestellt - der heute zur ersten Beratung vorliegt -, nachdem sie festgestellt hat, dass die SPDFraktion am 11. Oktober eine Mündliche Anfrage eingebracht hat. Dieser Entschließungsantrag ist an Butterweichheit kaum noch zu überbieten. Heute, am 10. November, diskutieren wir ihn. Beschlossen wird er, wenn Sie Glück haben - wir haben ja vereinbart, ihn schnell zu beraten -, Anfang Dezember, sodass dann nur noch 14 Tage bzw. drei Wochen Zeit bleiben; denn dann sorgt die Winterpause bzw. sorgen die Schulferien dafür, dass nicht weitergearbeitet werden kann.

Man fragt sich natürlich, wie es mit den Mitteln aussieht, wer da etwas machen soll, welche Inhalte gesetzt werden. Die CDU-Fraktion fordert in ihrem Antrag auf, den „Deutsch-Französischen Tag“ zu stärken und auch etwas zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge zu machen. Heute haben wir erfahren, dass auch die Landtagsabgeordneten etwas tun sollen. Dass wir nicht beschließen müssen, dass wir als Landtagsabgeordnete etwas tun, Herr Kollege Hogrefe, ist klar - das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Aber eines wird deutlich, meine Damen und Herren: Sie kommen viel zu spät. Der Projekttag ist schon am 22. Juni beschlossen worden. Sie haben das schlicht verschlafen und kommen erst jetzt mit diesem Antrag. Wir werden Sie Ende Januar fra

gen, was in den Schulen am 22. Januar gelaufen ist.

Lassen Sie besser Ihren Entschließungsantrag! Die Schulen sind ja bereits dabei. Der Kultusminister ist Ihnen etwas vorweg gelaufen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Langhans das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hogrefe, ich habe doch noch eine Frage an Sie: Warum haben Sie das mit uns nicht vorher besprochen, was Sie hier eben gesagt haben, dass Sie sich aufgrund von Beratungen mit Ihren eigenen Fachleuten nicht in der Lage gesehen haben, mit uns gemeinsam auf beide Anträge zu gucken, um dann vielleicht einen gemeinsamen Antrag verabschieden zu können?

(Wilhelm Hogrefe [CDU]: Das haben wir im Ausschuss besprochen!)

Meine Damen und Herren, die negativen Referenden zum EU-Verfassungsvertrag in Frankreich und in den Niederlanden sind beredte Beispiele dafür, dass der schwere Tanker EU ins Schlingern geraten ist. Von daher ist es zweifellos zu begrüßen, dass die Kommission die europäische Kommunikationspolitik als ein eigenständiges Politikfeld in der Gemeinschaft etablieren will.

Schwer durchschaubare Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene haben zu Unzufriedenheit geführt und den Eindruck vermittelt, dass Unionsbürger keinerlei Einfluss auf europäische Politik haben.

Dem gegenüber steht eine hohe Erwartung an ein Europa im Zeitalter der Globalisierung, nämlich Wohlstand, Sicherheit und Solidarität zu garantieren.

Ein Schritt, um diesen Widerspruch aufzuheben, ist die Verbesserung der Kommunikationspolitik, die allerdings politische Inhalte nicht ersetzen kann.

Meine Damen und Herren, meiner Auffassung nach hat nicht nur die Europäische Union ein Kommunikationsproblem, sondern die Landesregierung hat ein massives Problem, Europa zu

kommunizieren. Es reicht eben nicht aus - wie das aus diesem Antrag hervorgeht -, sich schulterklopfend zurückzulehnen und es bei einer virtuellen Vermittlung zu belassen, um bei den Bürgerinnen und Bürgern Europabegeisterung zu wecken.

Trotzdem: Die Arbeit des EIZ ist unerlässlich und gut.

Meine Damen und Herren, es fehlt in Ihren eigenen Reihen - das ist ja auch von Ihnen hier schon angesprochen worden - die Begeisterung für Europa. Seit drei Jahren zieht der Umweltminister durch die niedersächsischen Lande und wettert gegen die europäische Vogelschutzrichtlinie, er schimpft auf Vorgaben und Anforderungen aus Brüssel, die scheinbar aus heiterem Himmel auf Niedersachsen hereinbrechen, und er tut so, als seien wir Opfer dieser Brüsseler Bürokratie. Das hat dazu geführt, dass sich viele Landwirte massiv gegen eine weitere Ausweisung von Vogelschutzgebieten ausgesprochen haben. Die Antwort von Minister Sander darauf ist: Ich stehe an Ihrer Seite, kann aber nichts machen, weil Brüssel den Naturschutz fordert. - So sieht Ihr Engagement für Europa aus, meine Damen und Herren! Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich vermisse bei Ihnen das Bekenntnis zur gemeinsamen europäischen Verantwortung nicht nur im Umweltbereich.