Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist eigentlich ein Instrument, in dem möglichst viele Fragen abgearbeitet werden sollen.
Ich bin für jede umfassende Darstellung dankbar. Aber sie sollte auch ein bisschen den Zeitrahmen, den wir mit der Begrenzung auf eine Stunde haben, im Blick haben. Ich sage das ausdrücklich auch mit Bezug auf das, was wir gestern gehört haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts des Umstands, dass die Fragestunde offenbar für eine Regierungserklärung missbraucht wird,
angesichts des Umstands, dass hier neun Fragesteller offenbar eine bestellte Frage abgeliefert haben,
Herr Abgeordneter Busemann, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass solche Unterstellungen nicht zum parlamentarischen Stil beitragen.
Angesichts dieser Überlegungen frage ich die Landesregierung, wer seitens des Justizministeriums bei der Abfassung der Frage behilflich war.
(Beifall bei der CDU - Minister Dr. Pfeiffer: Ich habe die Frage akustisch nicht verstanden! Sie ist nicht über- tragen worden!)
(Adam [SPD]: Keiner! Das ist doch eine Frechheit! Dass so eine Frage zugelassen wird! Das ist eine Unver- schämtheit!)
Zweitens. Vor dem Hintergrund, dass Sie angekündigt haben, bis 2004 1 000 zusätzliche qualifizierte Arbeitsplätze für Gefangene in der Justiz zu schaffen - nach Adam Riese müssten 500 zusätzliche qualifizierte Arbeitsplätze bis zum 31. Dezember 2003 herauskommen -, frage ich Sie: Wie wollen Sie das gewährleisten, und welche finanziellen Mittel sind dafür im Haushalt vorhanden?
Frau Abgeordnete, die präzisen Zahlen aus dem Haushaltsplan kann ich jetzt natürlich nicht aus dem Kopf referieren. Ich kann sie aber gerne nachtragen. Aber ich kann Ihnen Folgendes verbindlich mitteilen: Wir haben die Zahl der Bediensteten seit 1990 um etwa 17 % erhöhen können. Den Anstieg der Zahl der Gefangenen haben wir damit zwar nicht voll ausgleichen können. Aber wir sind dankbar dafür, dass es uns der Haushaltsgesetzgeber - parallel zu dem Neubau der Anstalten in Rosdorf und Sehnde - ermöglicht hat, in einem Umfang Anwärter einzustellen, der erforderlich ist, damit diese Anstalten personell voll ausgestattet sind. Von daher bin ich sicher, dass
wir dann, wenn die beiden Anstalten in Betrieb gehen, über Personal verfügen werden, das voll und ganz den Erwartungen gerecht wird, die wir zu Recht an das Personal stellen müssen.
Herr Minister, da insbesondere junge Männer nicht nur, was Straftaten angeht, besonders aktiv sind, sondern auch dann, wenn sie einsitzen müssen, besonders aktiv sind, um ihren Freiheitsdrang zu verwirklichen, waren die Ausbruchszahlen in der Jugendanstalt Hameln immer relativ hoch. Können Sie bitte etwas zu der besonderen Entwicklung in Hameln sagen?
In der Tat ist die Geschichte von Hameln eine ganz besondere. Als die Anstalt gebaut wurde, war ich selbst noch aus der Ferne interessiert; denn mein Chef fuhr zur Einweihung und berichtete mit leuchtenden Augen von der besten Jugendanstalt, die es in Deutschland gebe. Bald aber stellte sich heraus, dass sie die unsicherste Jugendanstalt war. Bereits in den 80er-Jahren gab es Spitzenwerte von 8 bis 9 % der Gefangenen, die pro Jahr entwichen sind. Auch zu Beginn der 90er-Jahre war das der Fall. 1991 waren es - das habe ich im Kopf - 26; das entsprach etwa 7 %.
Dann hat Frau Ministerin Merk die Entscheidung getroffen, dass die dringend erforderliche Außensicherung gebaut werden muss. Das ist mit einem hohen finanziellen Aufwand geschehen mit der Folge, dass sich die Ausbruchszahlen drastisch verringert haben. In den letzten drei Jahren ist überhaupt kein Gefangener mehr entwichen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man von sehr idealistischen Behandlungseuphorien, die es in den 80er-Jahren gab, zu einer realistischen Einschätzung der Grenzen und Möglichkeiten des Jugendvollzuges gekommen ist.
(Frau Körtner [CDU]: Herr Minister, meine zweite Frage zu den 1 000 Ar- beitsplätzen haben Sie noch nicht be- antwortet!)
Verzeihen Sie. Darf ich noch einmal? - Die 1 000 Arbeitsplätze in den Haftanstalten entstehen vor allem deshalb, weil für Rosdorf und Sehnde von vornherein umfangreiche Werkhallenprogramme eingeplant und auch schon finanziell gesichert sind. Hinzu kommen einzelne Werkhallen, wie etwa die in Hameln und in Lingen, sodass wir insgesamt auf 1 000 Arbeitsplätze kommen werden. Das sind bereits gesicherte Zahlen. Da müssen wir nicht mehr ums Geld kämpfen, sondern wir können davon ausgehen, dass wir Ende 2004 zusätzlich zu den derzeit bereits vorhandenen 5 400 Arbeitsplätzen über weitere 1 000 Arbeitsplätze verfügen werden.
Das war die nachgereichte Antwort auf die zweite Frage der Kollegin Körtner. - Jetzt kommt Frau Kollegin Bockmann. Bitte!
Herr Minister, es gibt die These, dass mit steigenden Sicherheitsmaßnahmen - höhere Mauern, bessere Technik etc. - gleichzeitig der Nährboden dafür geschaffen wird, dass die Zahl der Geiselnahmen und die Selbstmordquote steigen. Gibt es hierfür empirische Belege, oder ist das noch nicht untersucht worden?
Ich gebe zu, dass ich mich früher als Wissenschaftler selbst gefragt habe, ob das zutrifft. Aber die Zahlen lehren erfreulicherweise, dass die These falsch ist; denn in den letzten Jahren, in denen sich die Sicherheit im niedersächsischen Vollzug deutlich erhöht hat, ist das Selbstmordrisiko stark rückläufig gewesen. Im Jahre 1999 gab es noch zwölf Selbstmorde. Im Jahre 2000 waren es acht und im Jahre 2001 noch fünf. Mit der jetzt erreichten Zahl liegen wir deutlich unter dem durch
Immer noch - das wird sich nie ändern - ist Selbstmord eines der bedrückendsten Dinge, die sich im Vollzug ereignen können. Wir versuchen, die Zahl noch weiter zu verringern, indem wir uns bemühen, bereits bei dem ersten Gespräch mit den Gefangenen, insbesondere den U-Gefangenen - denn diese befinden sich in einer besonderen Krisensituation -, die Selbstmordrisiken zu erkennen und einen Gefangenen dann, wenn wir den Eindruck haben, dass er besonders gefährdet ist, mit jemand anders in der Zelle zusammen legen, der gewissermaßen auf ihn aufpasst, die Krisen bemerkt und auch Ansprechpartner ist.
Auch bei den Geiselnahmen gibt es eine erfreuliche Entwicklung. In den letzten vier Jahren hat es überhaupt keine mehr gegeben. Wenn ich 20 Jahre zurückschaue, so ist festzustellen, dass sie in den 80er-Jahren sehr viel häufiger waren als in den 90er-Jahren.
Herr Minister, es gibt ja einen Unterschied zwischen Ausbrüchen und Nichtrückkehrern von Beurlaubungen oder Ausgängen. Können Sie uns sagen, wie die Entwicklung bei den Nichtrückkehrern von Beurlaubungen oder Ausgängen aussieht?
Was die Beurlaubungen angeht, habe ich dargestellt, dass die Zahl der Nichtrückkehrer um 32 % zurückgegangen ist. Ich habe aber nichts - da hat Frau Abgeordnete Müller Recht - zu den Verstößen bei Ausgängen gesagt. Das ist ja ein anderer Bereich. Auch dazu kann ich nachtragen, dass die Zahlen ausgesprochen günstig sind. Im Jahre 1991 gab es pro 1 000 solcher Ausgänge 0,48 Verstöße. Diese Zahl ist im letzten Jahr auf weniger als die Hälfte, nämlich 0,18, zurückgegangen. Bei den Ausgängen gibt es also eine ähnliche Entwicklung wie beim Urlaub.
- Entschuldigung, Frau Steiner. Ich hatte übersehen, dass sich der Kollege Adam zu einer Zusatzfrage gemeldet hatte. Sie kommen aber gleich dran.
Ich finde, die Zwischenrufe der Juristen auf der rechten Seite des Hauses zu diesem Thema sind sehr hilfreich und interessant.