Protocol of the Session on January 25, 2002

Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - In Niedersachsen werden etwa 74 % aller anfallenden kommunalen Klärschlämme in der Landwirtschaft als Düngemittel verwertet. Diese Praxis hat sich seit Jahren bewährt und ist insbesondere durch die hohe Qualität des Klärschlamms in Niedersachsen und ein gut entwickeltes Ausbringungsmanagement ermöglicht worden. Einige Länder und das Umweltbundesamt hinterfragen diese Verwertungspraxis kritisch. Das Land Bayern hat im Jahre 2001 vor dem Hintergrund der BSE-Krise einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung zu verbieten. Der Antrag wurde in den Ausschüssen des Bundesrates bisher nicht abschließend beraten, weil die Notwendigkeit gesehen worden war, die Ergebnisse einer gemeinsamen wissenschaftlichen Anhörung des Bundesumweltministeriums und des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft durchzuführen und zur Grundlage der anstehenden Entscheidung zu machen. Unter dem Thema „Landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm, Gülle und anderen Düngern unter Berücksichtigung des Umwelt- und Verbraucherschutzes“ wurde am 25./26. Oktober 2001 in Bonn diese Anhörung durchgeführt. Eine Bewertung der Ergebnisse der Tagung durch die oben genannten Bundesministerien im Hinblick auf künftige Anforderungen an die Klärschlammverwertung ist noch nicht erfolgt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche neuen Erkenntnisse hat diese Anhörung gebracht?

2. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus diesen Erkenntnissen bezüglich der zukünftigen Klärschlammverwertung in Niedersachsen?

3. In welchem zeitlichen Rahmen ist mit neuen rechtlichen Vorgaben des Bundes zu rechnen?

Herr Umweltminister, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die landwirtschaftliche Verwertung kommunaler Klärschlämme erfolgt derzeit auf hohem Niveau. Wir haben dies erreicht, indem wir einen hohen Qualitätsstandard des Klärschlamms gewährleistet haben. Dies ist durch konsequente Überwachung der Einleitungen ins Abwasser und zusätzliche freiwillige Untersuchungen auf weitere Schadstoffe gelungen. Gleichzeitig wurden die Landwirte intensiv fachlich von den landwirtschaftlichen Beratungsstellen begleitet. Durch seinen Gehalt an Stickstoff, Phosphat, Magnesium und Kalk kann Klärschlamm als Düngemittel eingesetzt werden. In Klärschlämmen befinden sich aber auch Schwermetalle und organische Schadstoffe.

Angesichts einer stärker vorsorgeorientierten Bodenschutzpolitik wird die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung derzeit kontrovers diskutiert. Im Zusammenhang mit der Neuorientierung der Agrarpolitik stehen auch die Vorgaben für die Begrenzung von Schadstoffeinträgen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen auf dem Prüfstand.

Vor dem Hintergrund der BSE-Krise hat es von verschiedener Seite die Forderung nach einem Verbot der landwirtschaftlichen Verwertung kommunaler Klärschlämme gegeben. Von einem solchen Verbot wäre Niedersachsen mit der im Bundesvergleich höchsten Verwertungsquote weit mehr betroffen als jedes andere Bundesland. Das gilt insbesondere für die betroffenen Kommunen und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, denen ein kostengünstiger Entsorgungsweg wegbrechen würde.

Das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft waren daher gut beraten, die Frage der künftigen Verwertung von Klärschlamm, Gülle und anderen Düngern zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Anhörung zu machen. Die Veranstaltung diente auch der Umsetzung eines Be

schlusses der gemeinsamen Agrar- und Umweltministerkonferenz vom 13. Juni letzten Jahres in Potsdam. In einem Eckpunktepapier für eine zukunftsfähige Agrar- und Verbraucherpolitik haben die Ministerinnen und Minister unter anderem gefordert, dass es durch die Aufbringung von Klärschlämmen, Gülle und anderer Wirtschaftsdünger, mineralischer Dünger und Kompost zu keiner Schadstoffanreicherung im Boden kommen darf.

Das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft werden die aus der Anhörung zu ziehenden Schlussfolgerungen aufarbeiten und den Ländern für die Beratungen im Bundesrat zur Verfügung stellen. Dieses steht derzeit noch aus.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: In der Anhörung ist deutlich geworden, dass der Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Verwertung wohl nicht mehr verfolgt wird. Nahezu alle Vortragenden haben sich für eine weitere Verwertung ausgesprochen, da die realen Risiken für die menschliche Gesundheit bei der gegenwärtigen Verwertungspraxis als gering eingestuft werden. Die Befürworter der Verbrennung haben sich insofern nicht durchsetzen können. Allerdings ist auch deutlich geworden, dass die derzeitigen Vorgaben der Klärschlammverordnung und des Düngemittelrechts eine allmähliche Anreicherung des Bodens mit Schwermetallen und organischen Schadstoffen nicht gänzlich ausschließen können.

Zukünftig werden bei der Verwertung von Klärschlämmen und anderen organischen Düngern auch hygienische Aspekte zu beachten sein. Das Bundesumweltministerum beabsichtigt, die Klärschlammverordnung zu überarbeiten und die Wertevorgaben mit denen in anderen Rechtsbereichen, wie z. B. der Bioabfallverordnung, zu harmonisieren.

Zu Frage 2: Die Niedersächsische Landesregierung geht bei Würdigung der offenen Fragen davon aus, dass auch künftig die landwirtschaftliche Verwertung kommunaler Klärschlämme möglich sein wird. Ein Verbot der landwirtschaftlichen Verwertung würde im Übrigen auch zu Konflikten mit den rechtlichen Vorgaben der EU-Klärschlammrichtlinie führen.

Aus Vorsorgegründen wird es zu einer maßvollen Verschärfung der Anforderungen hinsichtlich der

mineralischen und auch gegebenenfalls organischen Schadstoffgehalte kommen. Daraus leitet sich für Niedersachsen ein sogenanntes „DreiSäulen-Verwertungskonzept“ ab:

Erstens. Auch bei Anlegen strengster Vorsorgemaßstäbe sind ca. 50 % der Schlämme in Niedersachsen weiterhin als landwirtschaftlich verwertbar einzustufen. Eher ist mit einem höheren Prozentsatz zu rechnen.

Zweitens. Für die verbleibenden Mengen ist derzeit noch genügend Verbrennungskapazität vorhanden. Gegebenenfalls muss die Trocknungskapazität erhöht werden. Hierfür kommen mobile Kammerfilterpressen, verschiedene Trocknungsverfahren, aber auch sogenannte „Vererdungstechniken“ in Frage. Alle Verfahren sind bereits in der Praxis erprobt.

Drittens. Mittel- bis langfristig ist die Entwicklung geeigneter Technologien anzustreben, mit denen die wertgebenden Inhaltsstoffe wie beispielsweise Phosphat zurückgewonnen und dem Nährstoffkreislauf wieder zugeführt werden können.

Mit diesem Konzept sieht sich die Landesregierung im Einklang mit dem Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten, der eine differenzierte Bewertung statt pauschaler Entscheidungen pro oder contra Verwertung respektive Verbrennung fordert.

Zur Frage 3: Eine zeitliche Prognose ist schwierig. Die Beratungen der Bundesratsausschüsse zum Entschließungsantrag für ein Verbot der Klärschlammausbringung - von Bayern und BadenWürttemberg gestellt - sind vorerst auf die Sitzungen im Februar 2002 vertagt worden. Wenn die Bundesregierung ihre Schlussfolgerungen aus der wissenschaftlichen Anhörung bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorlegen kann, ist eine weitere Vertagung nicht auszuschließen. Es besteht dann allerdings die Gefahr, dass in der verbleibenden Zeit der Legislaturperiode ein ordentliches Rechtsetzungsverfahren mit Vorlage einer überarbeiteten Klärschlammverordnung nicht mehr durchgeführt werden kann.

Frau Kollegin Hansen!

Herr Minister Jüttner, Sie haben ausgeführt, dass in Niedersachsen die Klärschlämme auf hohem Niveau ausgebracht würden, das heißt unter gründlicher Überwachung und Überprüfung, um Risiken für die Landwirte, die ausbringen, zu vermeiden. Warum schließt das Land vor diesem Hintergrund die Ausbringung auf landeseigenen Flächen aus?

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Hansen, Sie haben einen Kenntnisstand, der mit dem meinen nicht deckungsgleich ist. Ich gehe davon aus, dass mein Kenntnisstand zutrifft. Ihre Unterstellung ist nicht richtig.

Kollege Grote, bitte!

Herr Minister, werden geeignete bzw. innovative Verfahren zur Klärschlammbehandlung vom Land Niedersachsen gefördert?

Herr Kollege, es gibt ein so genanntes SeaborneVerfahren, das gegenwärtig in Schleswig-Holstein erprobt wird. Außerdem gibt es interessierte Kommunen in Niedersachsen. Am weitesten ist die Stadt Gifhorn, die ernsthaft prüft, ob ein solches Verfahren angewandt werden kann.

Das Umweltministerium fördert zurzeit eine Machbarkeitsstudie. Bei einem Erfolg dieses Verfahrens, das zwar technisch schon erprobt, bisher wirtschaftlich aber noch nicht hinreichend interessant ist, würde es gelingen, die weitere Verwertung zu gewährleisten, also etwa Gas und Strom zu produzieren und den kleinen Rest dann anderweitig zu verwerten oder zu deponieren. Das ist eine spannende technologische Innovation, die, wenn sie sich denn als wirtschaftlich tragfähig darstellt, eine gravierende Weiterentwicklung im Bereich der Abwasser- und Klärschlammbehandlung mit sich brächte. Wir arbeiten mit Hochdruck daran und warten auf die Ergebnisse dieser Machbarkeitsstudie.

Frau Kollegin Somfleth!

Herr Minister, Sie haben in Ihren Erläuterungen erwähnt, dass in den Klärschlämmen wertgebende Inhaltsstoffe enthalten seien, wie zum Beispiel Phosphat, das sinnvollerweise dem Nährstoffkreislauf wieder zugeführt werden sollte. Können Sie mir sagen, ob es schon Technologien gibt, um dieses Verfahren zu realisieren?

Frau Somfleth, das von mir geschilderte Verfahren ist eine Möglichkeit. Es gibt aber auch andere, so zum Beispiel die Rückgewinnung aus Asche. Stand der Technik ist das. Aber das ist noch nicht so weit entwickelt, dass es flächendeckend zur Anwendung kommen könnte. Vor diesem Hintergrund kommt es mir darauf an, deutlich zu machen, dass es auf der einen Seite zwar notwendig ist, über Ergänzungen der Klärschlammbehandlung und über Optionen für die Zukunft nachzudenken, dass auf der anderen Seite aber eine Denunzierung der Klärschlammaufbringung in Niedersachsen fatal wäre; fatal aus verschiedensten Gründen für die entsorgungspflichtigen Körperschaften, fatal aber auch für die Aufnehmenden, nämlich für die Landwirtschaft, die hier Kreisläufe schließen kann. Angesichts der Entwicklung der weltweiten Phosphatvorkommen ist es hoch problematisch, diese Wertstoffe in die Verbrennung zu geben. Deshalb wird es darauf ankommen, die unter Gesichtspunkten des Bodenschutzes weiter zu entwickelnden Anforderungen im Einvernehmen zu entwickeln.

Im Übrigen haben wir in Niedersachsen nicht nur aufgrund der Indirekteinleiterverordnung, sondern auch über freiwillige Vereinbarungen eine Praxis, die dazu führt, dass die Qualität des Klärschlamms in Niedersachsen ungeheuer hoch ist. 75 % der Klärschlämme in Niedersachsen gehen in die landwirtschaftliche Verwertung. Wenn einmal so eben - ich sage das ganz bewusst - fahrlässig im Bundesrat ein Antrag eingebracht wird, wie dies Bayern und Baden-Württemberg getan haben, mit dem ein sofortiges Verbot der Klärschlammausbringung gefordert wird, dann ist das für mich nicht nachvollziehbar; es sei denn, dies geschieht aufgrund von Populismus, der nicht über den Tag hinaus trägt.

Ich glaube, wir sind gut beraten, in Abstimmung mit der Landwirtschaft und dem wissenschaftlichen Sachverstand zu soliden Ergebnissen zu kommen. Das schließt für mich die Ausbringung von Klärschlämmen in der Landwirtschaft als einen wichtigen Baustein weiterhin ein.

Herr Kollege Inselmann!

Herr Minister! Erstens. Noch einmal zur Klarstellung: Welche finanziellen Folgelasten erwarten Sie für den Fall, dass sich die Linie Bayerns und Baden-Württembergs im Bundesrat durchsetzen würde, für die niedersächsischen Kommunen?

Zweitens. Wie schätzen Sie die Realisierbarkeit der neuen technischen Verfahren ein; wann sind sie für die Kommunen zur Anwendung zu bringen und technologisch in die Praxis umzusetzen?

(Ehlen [CDU]: Das ist zu teuer!)

Ich gehe davon aus, Herr Inselmann, dass der Einsatz dieser neuen Technologien spätestens in fünf Jahren möglich sein muss.

Zu Ihrer zweiten Frage. Nach den Untersuchungen insbesondere der U.A.N., die in Niedersachsen in der Behandlung dieses Themas eine herausgehobene Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass auf die entsorgungspflichtigen Körperschaften pro Kubikmeter Mehrkosten in Höhe von 0,50 Euro zukommen, wobei klar ist, dass die größeren Städte geringere Kosten haben werden. Je kleiner die Gemeinden sind, umso höher sind die Folgekosten im Zusammenhang mit der Abwasserbehandlung. Vor diesem Hintergrund kann man nur sagen: Mit uns nicht!

Frau Kollegin Hansen!

Herr Minister Jüttner, nach meinem Kenntnisstand hat die Klosterkammer die Ausbringung auf den eigenen Flächen verboten. Insofern unterscheidet sich mein Wissensstand von dem Ihren.

Ich frage die Landesregierung: In welchem Maße tragen Sie dazu bei, um die Ausbringung auch zukünftig - 50 % und mehr - auf Agrarflächen zu ermöglichen? Welchen eigenen Beitrag leistet die Landesregierung?

Frau Hansen, ich weiß nicht genau, was hinter Ihrer Frage steckt.

(Frau Hansen [CDU]: Das wissen Sie! Sie dürfen sich nicht aus der Verant- wortung stehlen!)

Möglicherweise steckt dahinter die Aufforderung an die Landesregierung, jetzt selbst in die landwirtschaftliche Produktion einzusteigen und dazu beizutragen. Ich weise das aber mit Entschiedenheit zurück. Wir haben in Hannover eh schon genug zu tun.

Sie haben Recht: Die Klosterkammer verfährt so, wie Sie es eben dargestellt haben. Zu Ihrer Frage, was denn das Land macht, kann ich Ihnen Folgendes sagen: Der Umweltminister dieses Landes ist seit Jahren derjenige, der in der bundesweiten Debatte mit besonderer Intensität dafür eintritt, dass es geschlossene Kreisläufe gibt, der dazu beiträgt, dass die Klärschlämme in Niedersachsen besonders gut sind. Ich bin natürlich nicht der Einzige, andere helfen dabei selbstverständlich mit. Außerdem setze ich mich dafür ein, dass diese populistische Debatte auf Bundesebene endlich zurückgedrängt wird. Darum geht es. Ich finde, dass sich die Aufgeregtheit des letzten Frühjahrs spätestens nach der wissenschaftlichen Anhörung im Oktober ziemlich relativiert hat. Seinerzeit ist zur Überraschung derer, die bislang das größte Maul hatten, nämlich deutlich geworden - -

(Zurufe von der CDU)