Herr Minister, Sie haben uns gesagt, wie lange es in den Niederlanden verzögert worden ist, das weiterzugeben. Sie haben aber nicht klar gesagt, dass es drei Wochen beim Verbraucherschutzministerium in Berlin/Bonn gelegen hat. Von Berlin/Bonn nach Hannover gibt es Telefon. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Sind Sie wenigstens bereit, die Verbraucherschutzministerin Frau Künast aufzufordern, sich in der Öffentlichkeit für diese Panne zu entschuldigen? Oder sind wieder - à la Bundeskanzler und Staatssekretär Müller die so genannten Agrarfabriken bzw. die Bauern schuld?
(Beifall bei der CDU - McAllister [CDU]: Richtig! Zurücktreten muss sie! - Frau Harms [GRÜNE]: Sie sind doch ein Witzbold, Herr McAllister!)
Herr Abgeordneter, ich habe von Anfang an deutlich gemacht, dass diese Panne unentschuldbar ist und dass sie uns riesige Probleme verursacht hat. Das ist unbestreitbar. Ich habe auch, als wir davon hörten, sehr deutliche Worte gebraucht, und davon gibt es auch nichts zurückzunehmen: Das war eine Schlamperei, das ist unentschuldbar, so etwas darf nicht passieren.
Frau Künast hat das unmittelbar, nachdem sie in Kenntnis gesetzt worden ist, auch eingestanden. Sie hat nicht drumherum geredet, sondern hat gesagt: Hier ist eine Panne passiert. Ich habe einzugestehen, dass diese Panne in meinem Hause stattgefunden hat. Das muss geändert werden. - Mehr kann ich nicht erwarten.
Herr Minister, Sie haben das sehr glaubhaft geschildert: Sie haben die Warnung erhalten, jetzt wird gemessen, und nach der Vermischung liegt die Kontamination unterhalb der Nachweisgrenze. Was man nun mit dem Material macht, ist eine grundsätzliche Frage, die müssen Sie mit der EU klären. - Nunmehr meine Frage an Sie: Was hat Sie eigentlich gehindert, diese grundsätzliche Frage unabhängig von dem konkreten Fall schon einmal vorher mit der EU zu klären?
Herr Abgeordneter Stratmann, diese Frage, die ich eben noch einmal aufgeworfen habe, haben wir nicht erst jetzt, im Zusammenhang mit diesem Ereignis, an die Europäische Union gerichtet. Vielmehr haben wir schon einmal Mitte letzten Jahres bei der Europäischen Union angefragt, uns zu erklären, was wir zu tun haben und wie sie die Situation unter bestimmten Bedingungen einschätzt. - Bisher haben wir keine Antwort aus Brüssel bekommen.
Es ist übrigens ein Problem, das wir gerade in solchen Fragen, wenn es um Bewertungen geht, immer wieder mit Brüssel haben, dass man dort kaum bereit ist, solche Bewertungen für uns vorzunehmen. Deshalb haben wir noch einmal nachgesetzt. Ich hoffe, dass Frau Künast in die gleiche Richtung wirkt, damit wir möglichst schnell eine Auskunft bekommen, die uns ein möglichst europaeinheitliches Handeln ermöglicht.
Herr Minister, nachdem hier nun mehrfach die Forderung nach einem Rücktritt der Ministerin in Berlin gestellt worden ist, frage ich Sie: Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass die Informiertheit des Kollegen Wojahn oder auch die Informiertheit des Kollegen Ehlen in dieser ganzen Angelegenheit darauf zurückzuführen ist, dass Ministerin Künast, nachdem das Ganze bei ihr bekannt worden ist, in beispielhafter Weise die Verantwortung
ihres Haus erklärt und in bemerkenswerter Offenheit überall die Abläufe und die Probleme dargestellt hat?
Frau Harms, ich weiß nicht, woher die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion ihr Wissen haben. Ich will da auch nicht weiter bohren. Ich nehme an, sie haben es dadurch, dass sehr öffentlich und sehr umfassend von allen Seiten über diesen Sachverhalt informiert worden ist: im Agrarausschuss in Berlin, im Agrarausschuss hier im Landtag. Hier gibt es nichts zu verheimlichen, im Gegenteil: Hier heißt es, alle Karten auf den Tisch zu legen und der Öffentlichkeit zu sagen, was wir getan haben.
Die Panne ist passiert. Es hätte nicht sein dürfen. Jetzt sind Regelungen getroffen worden, die so etwas verhindern. Ich hoffe, dass das ausreicht, um uns vor weiteren Ereignissen zu schützen. Aber ich kann nicht sicher sein, in der nächsten Sitzung nicht schon wieder hier stehen zu müssen, um irgendetwas zu erklären, was wiederum irgendwo passiert ist, weil ein kriminelles Handeln stattgefunden hat und wir daraufhin wieder schnell agieren müssen.
c) Drogendealer mit allen Mitteln bekämpfen - Einsatz von Brechmitteln ist verhältnismäßig - Anfrage der Fraktion der CDU Drs. 14/3056
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Kampf gegen die Drogenkriminalität ist es insbesondere zum Schutz von Jugendlichen und Heranwachsenden erforderlich, gegen Drogendealer mit allen rechtlich zulässigen Mitteln vorzugehen. Aus diesem Grund stellt die Verabreichung von Mitteln, die bei mutmaßlichen Drogendealern das Ausspucken verschluckter Drogenmengen hervor
rufen, eine unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Beweissicherung und Strafverfolgung notwendige, verhältnismäßige und medizinisch unbedenkliche Maßnahme dar. Darüber hinaus kann mit dem Einsatz von Brechmitteln zum gesundheitlichen Schutz des Betroffenen verhindert werden, dass sich verschluckte Drogenverpackungen bei längerem Verbleib im Körper auflösen.
Nach einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung hat die Polizei Osnabrück bis vor kurzem als einzige Behörde in Niedersachsen Brechmittel zur Beweissicherung gegen Drogendealer eingesetzt. Dabei wurde ein Medikament durch Ärzte injiziert, dessen Wirkungen sofort zum Brechreiz führten. Nach dem Tod eines mutmaßlichen Drogendealers im Zusammenhang mit einem oral verabreichten Brechmittel in Hamburg im Dezember 2001 hat Innenminister Bartling den Einsatz von Brechmitteln zum Zwecke der Drogenbekämpfung in Niedersachsen als „unverhältnismäßig“ abgelehnt (vgl. Frankfurter Rundschau vom 17. Dezember 2001). Daraufhin wurde seitens der Landesregierung auch der Einsatz injizierter Brechmittel in Osnabrück beendet.
1. Wie beurteilt die Landesregierung die bis vor kurzem in Osnabrück ausgeübte Praxis der Polizei, gegen mutmaßliche Drogendealer injizierte Medikamente als Brechmittel zur Beweissicherung einzusetzen?
2. Aus welchen Gründen hat die Landesregierung den Einsatz von Brechmitteln durch Injektion bei Drogendealern in Osnabrück beendet?
3. Welche Maßnahmen zur Beweissicherung gegenüber Drogendealern hält die Landesregierung für sachgerecht, um die Polizei zur effektiven Strafverfolgung in den Besitz verschluckter Rauschgiftmengen zu bringen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drogendealer werden in Niedersachsen mit aller Konsequenz verfolgt. Hierbei darf der Staat allerdings keine Strafverfolgung um jeden Preis betreiben. Die Grundsätze des Rechtsstaats müssen Beachtung finden.
Vor diesem Hintergrund ist der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln unter mehreren Gesichtspunkten als problematisch einzustufen. Er ist nach Auffassung der Landesregierung insbesondere weder verhältnismäßig noch medizinisch unbedenklich.
Lassen Sie mich deshalb zunächst einige Worte zur medizinischen Kontroverse um den Brechmitteleinsatz sagen. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Brechmittel Ipecacuanha, das bei dem tragischen Todesfall in Hamburg zur Anwendung gekommen ist, über den in der Presse berichtet wurde, und dem Brechmittel Apomorphin, das gespritzt wird.
Die zwangsweise Verabreichung von Ipecacuanha erfolgt über eine Magensonde, die durch die Nase eingeführt wird. Bei dieser Einführung kann es, wenn der Beschuldigte sich heftig gewehrt, zu Verletzungen im Nasenbereich, am Schlundkopf, in Kehlkopfbereich und der Speiseröhre kommen. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Schlauch unbemerkt in die Lunge, statt in den Magen eingeführt wird oder dass sensible Nervenzellen im Hals so sehr gereizt werden, dass ein Herzversagen ausgelöst werden kann.
Das Brechmittel Apomorphin, das bislang in Osnabrück angewandt wurde, wird gespritzt. Es liegen bereits seit längerem medizinische Stellungnahmen vor, wonach Apomorphin zu Kreislaufstörungen führen kann. Nach einer Stellungnahme von Professor Dr. Steib vom Zentrum für Pharmakologie der Universitätsklinik in Frankfurt gibt es bei der Anwendung von Apomorphin in mehr als der Hälfte der Fälle Nebenwirkungen. Zu diesen Nebenwirkungen gehören nach mehreren medizinischen Stellungnahmen Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems bis zur Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs. Aus diesem Grunde wird auch beispielsweise in Hamburg und Frankfurt von der Anwendung des Brechmittels Apomorphin abgesehen. Wir befinden uns mit unserem Verzicht also durchaus in Gesellschaft anderer.
Bei der Verabreichung beider Brechmittel gegen den Willen des Beschuldigten sind die von mir soeben geschilderten gesundheitlichen Gefahren zu
berücksichtigen. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass angesichts dieser geschilderten Gefahren und vor dem Hintergrund des Todesfalles in Hamburg ein zwangsweiser Brechmitteleinsatz zur Sicherstellung von Betäubungsmitteln unverhältnismäßig ist. Dabei spielt es für die Landesregierung keine Rolle, dass einzelne Mediziner die Gefahren anders beurteilen. Entscheidend ist, dass es eine medizinische Kontroverse gibt, die bislang ungelöst ist. Solange aber medizinische Fragen, bei denen es um die Beurteilung von Lebensgefahren geht, nicht überzeugend gelöst sind, kann die Möglichkeit einer solchen Lebensgefahr nicht von der Hand gewiesen werden. Auch ein nur möglicherweise lebensgefährlicher körperlicher Eingriff zur Sicherstellung von Betäubungsmitteln ist unverhältnismäßig. Dabei ist es auch unerheblich, ob die Lebensgefahr von dem Eingriff selbst ausgeht oder aus der Tatsache herrührt, dass sich der Beschuldigte möglicherweise in Panik heftig wehrt und es deshalb zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommt. Jede andere Betrachtungsweise, meine Damen und Herren, wäre aus meiner Sicht zynisch.
Diese rechtliche Beurteilung durch die Landesregierung steht auch nicht im Widerspruch zur geltenden Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr in einer Pressemitteilung anlässlich des Hamburger Todesfalles klargestellt, dass es bislang noch nicht über die Verfassungsmäßigkeit einer zwangsweisen Brechmittelvergabe entschieden hat.
- Herr McAllister, ich wäre mit solchen Zwischenrufen etwas vorsichtig. - Im Übrigen ist festzuhalten, dass sich unsere Einschätzung und unser Verzicht auf Brechmittel nur auf den zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln zu strafprozessualen Zwecken beziehen.
Sofern der Beschuldigte mit dem Einsatz des Brechmittels einverstanden ist, was gar nicht so selten ist, bestehen seitens der Landesregierung keine Einwände gegen einen Einsatz. Selbstverständlich dürfte sein, dass die Landesregierung keine Einwände gegen einen Brechmitteleinsatz aus medizinisch indizierten Gründen hat, wenn also die Gefahr besteht, dass Rauschgift im Körper austritt.
Zu 1: Unter Berücksichtigung der geschilderten medizinischen Ausgangslage beurteilt die Landesregierung den Einsatz des Brechmittels Apomorphin, wie er in Osnabrück praktiziert worden ist, als problematisch, sofern die Vergabe gegen den Willen des Beschuldigten erfolgte und nicht medizinisch indiziert war. Zur konkreten Praxis, wie sie bislang in Osnabrück geübt wurde, ist dabei zu ergänzen, dass im Jahre 2001 in acht Fällen Apomorphin gespritzt wurde, und zwar auf Anordnung der Staatsanwaltschaft. Davon haben nur vier Fälle zu einem Erfolg geführt. In den anderen Fällen war von dem Beschuldigten entweder nichts geschluckt worden, oder aber die Betäubungsmittel befanden sich bereits im Darm. Angesichts dieser Zahlen und der Tatsache, dass auch weiterhin nicht generell auf eine Sicherstellung der Betäubungsmittel verzichtet wird, ist nicht damit zu rechnen, dass es durch die Nichtanwendung des Brechmitteleinsatzes zu Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Rauschgiften im so genannten Straßenhandel in Osnabrück kommen wird, da die anderen Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden weiterlaufen. Im Übrigen ist es so, meine Damen und Herren, dass ein von der Polizei erwischter Dealer nicht mehr in der Lage sein wird, das von ihm verschluckte Rauschgift meistbietend an die Frau oder den Mann zu bringen. Es wird sichergestellt, und zwar auch ohne Brechmitteleinsatz.
Zu 2: Die Landesregierung hat den Todesfall in Hamburg, über den in der Presse berichtet worden ist, zum Anlass genommen, die gesundheitlichen Auswirkungen des Einsatzes von Brechmitteln neu zu überdenken, und weitere medizinische Stellungnahmen zum Brechmitteleinsatz eingeholt. Das Ergebnis der derzeitigen medizinischen Beurteilung des Brechmitteleinsatzes habe ich geschildert. Sie stellt zugleich den Grund für die Beendigung des Brechmitteleinsatzes in Osnabrück dar.
Zu 3: Die vor dem Hintergrund der bereits dargestellten medizinischen und juristischen Bedenken zunächst bis zu deren Klärung ausgesetzte Anwendung von Brechmitteln in Niedersachsen beeinträchtigt eine effektive Kriminalitätsbekämpfung nicht. Abgesehen davon, dass sich verschluckte Rauschgiftbehältnisse oftmals bereits im Darmtrakt
befinden, wo sie von Brechmitteln ohnehin nicht mehr erfasst werden können, kann in der Regel ein natürlicher Abgang, der auch durch die Verabreichung von Abführmitteln beschleunigt werden kann, überwacht und abgewartet werden. Der Ermittlungszweck wird dadurch nicht gefährdet. Der Erlass eines Haftbefehls wegen Verdunkelungsgefahr ist regelmäßig möglich. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.